30. März 2017
BGB § 885; BGB § 883

Wiederverwendung der Vormerkung, wenn die aufzulassende Teilfläche mit der durch die Vormerkung ursprünglich abgesicherten Fläche nicht (auch nicht teilweise) übereinstimmt

BGB §§ 883, 885
Wiederverwendung der Vormerkung, wenn die aufzulassende Teilfläche mit der durch die Vormerkung ursprünglich abgesicherten Fläche nicht (auch nicht teilweise) übereinstimmt

I. Sachverhalt
Ein Verkäufer hat durch einheitlichen Kaufvertrag ein Grundstück an 11 Käufergesellschaften verkauft. Die Käufergesellschaften sind miteinander verbunden, erwerben aber jeweils eine eigene Teilfläche, auf der die jeweilige Objektgesellschaft dann jeweils ein Bauvorhaben ausführen wird. Insgesamt bilden die Teilflächen das gesamte Grundstück.

Für jede der Käufergesellschaften ist wegen der ihr jeweils verkauften Teilfläche eine Auflassungsvormerkung eingetragen worden. Die Teilflächen sind durch Planeinzeichnung und Größenangabe beschrieben. Infolge einer geänderten Bauplanung soll nun auch der Kaufvertrag dahingehend angepasst werden, dass die Auf­teilung der Teilflächen geändert wird. Wenngleich weiterhin das Grundstück insgesamt verkauft wird, werden die an die jeweiligen Objektgesellschaften verkauften Flächen neu und abweichend von dem bisherigen Kaufvertrag beschrieben.

II. Frage
Genügt es im Hinblick auf die Rechtsprechung zur Auf-ladung der Vormerkung und Änderung des gesicherten Anspruchs, die Änderung des Vertragsgegenstandes bei der jeweiligen Vormerkung zu vermerken? Oder ist jeweils eine neue Vormerkung einzutragen, da der Gegenstand des gesicherten Anspruchs und damit dessen Inhalt selbst geändert wird?

III. Zur Rechtslage
1.    Vormerkung als akzessorisches Sicherungsmittel
Nach § 883 Abs. 1 S. 1 BGB kann zur Sicherung des Anspruchs auf Einräumung eines Rechts an einem Grund-stück eine Vormerkung in das Grundbuch eingetragen werden. Die Eintragung einer Vormerkung ist auch zur Sicherung eines künftigen oder eines bedingten Anspruchs zulässig, § 883 Abs. 1 S. 2 BGB. Die Vormerkung ist kein dingliches Recht; sie ist vielmehr ein mit gewissen dinglichen Wirkungen ausgestattetes Sicherungsmittel eigener Art für einen schuldrechtlichen Anspruch auf dingliche Rechtsänderung (vgl. nur Palandt/Bassenge, BGB, 76. Aufl. 2017, § 883 Rn. 2).

Die Akzessorietät der Vormerkung hinsichtlich des Bestands des gesicherten Anspruchs wird dabei bereits in § 883 Abs. 1 BGB deutlich zum Ausdruck gebracht, wenn die Möglichkeit der Eintragung einer Vormerkung allein „zur Sicherung“ eines Anspruchs auf dingliche Rechtsänderung ermöglicht wird. Folge der Akzessorietät ist, dass die Vormerkung nicht ohne zugrunde liegenden schuldrechtlichen Anspruch zur Entstehung gelangt.

Eine für einen nichtigen Anspruch eingetragene Vor-merkung ist rechtlich ein Nullum. Ebenso wenig sind nicht bestehende Ansprüche vormerkbar; eine darauf bezogene Vormerkung ist nicht zulässig. Wurde sie gleichwohl im Grundbuch eingetragen, ist sie gegenstandslos (vgl. nur MünchKommBGB/Kohler, 7. Aufl. 2017, § 883 Rn. 22).

2.    Voraussetzungen für die Wiederverwendung einer Vormerkung
Vorliegend wurden jeweils Auflassungsvormerkungen für eine konkret bestimmte Teil­fläche bestellt. Inwiefern die jeweiligen eingetragenen Auflassungsvormerkungen die nun jeweils geänderten Auflassungsansprüche absichern können, ist davon abhängig, inwieweit die Voraussetzungen zur „Aufladung der Vormerkung“ vorliegen.

a)    Rechtsprechung
Nach der Rechtsprechung des BGH müssen sich hierfür Eintragung und Bewilligung derart entsprechen, dass sie den gleichen sicherungsfähigen, auf dingliche Rechtsänderung gerichteten Anspruch betreffen (BGH NJW 2000, 805, 806; NJW 2008, 578, 579; NJW 2012, 2032, 2033). Anspruch ist dabei der „Inhalt“, nicht der zugrunde liegende Schuldgrund (BGH NJW 2012, 2032, 2033; NJW-Spezial 2008, 131).

Das OLG München (Beschl. v. 31.3.2014 – 34 Wx 206/13, NJW-RR 2014, 976) hat entschieden, dass bei einer Verschiebung der aufzulassenden Teilfläche dergestalt, dass ein Teil von der ursprünglichen Vormerkung weiterhin umfasst ist, die Vormerkung durch entsprechenden Vermerk im Grundbuch auch auf die übrigen Teile erstreckt werden kann.

Dabei ließ das Gericht offen, ob die eingetragene Vor-merkung auch – wie in diesem Fall – mit einem vollständig anderen Eigentumsverschaffungsanspruch aufgeladen werden kann. Es ließ jedoch erkennen, dass es eine solche Wiederverwendungsmöglichkeit der Vormerkung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BGH für zweifelhaft hält. Denn eine Übereinstimmung zwischen dem durch die Eintragung vorgemerkten Anspruch und dem Anspruch, dem die Vormerkung nach der Bewilligung dienen soll, bestehe der Sache nach nicht. Schließlich müsse nach Maßgabe des BGH der neu begründete Anspruch auf dieselbe Leistung gerichtet sein, wie der zunächst gesicherte Anspruch (OLG München NJW-RR 2014, 976, 978).

b)    Literatur
Korrespondierend zur Auffassung der Rechtsprechung geht auch die Kommentarlitera­tur davon aus, dass die Auswirkungen auf die Vormerkung davon abhängen, ob die in Rede stehende Änderung das Anspruchsziel selbst oder den Schuldgrund bzw. die Erfüllungsmodalitäten betrifft (BeckOGK-BGB/Assmann, Stand: 1.3.2017, § 883 Rn. 75, § 885 Rn. 108 ff.; MünchKommBGB/Kohler, § 885 Rn. 30 ff.). Verlangt wird jedenfalls die Identität von Gläubiger, Schuldner und Anspruchsziel. Welcher Anspruch konkret gesichert ist, ergibt sich bei einer zulässigen Bezugnahme nach § 885 Abs. 2 BGB aus der Eintragungsbewilligung (BGH NJW 2012, 2032, 2034 = MittBayNot 2013, 37).

Kohler (in: MünchKommBGB, § 885 Rn. 32) führt aus, dass bei einer Erweiterung des Anspruchsziels die Vormerkungs­eintragung unzweifelhaft anzupassen sei. Insofern bedürfe es „einer Bestellung gemäß § 885 BGB, unbeschadet der buchungstechnischen Möglichkeit, diese Neueintragung durch Änderung der ursprünglichen Eintragung oder Bezugnahmevermerks unter Bei­fügung der erweiternden Vereinbarung zu bewirken“. Er ver-weist jedoch (a. a. O. Rn. 37) auf die höchstrichterliche Rechtsprechung, wonach „eine entsprechend angepasste Vormerkungs­sicherung auch ohne Neuvornahme oder Änderung der Vormerkungseintragung bzw. Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung gemäß § 885 Abs. 2 unter der Voraus­setzung stattfindet, dass die vormalige, aus der bestehenden, als solchen zulässigen Eintragung der Vormerkung ersichtliche Gläubiger- und Schuldnerschaft fortbestehen, und dass das ursprüngliche sachenrechtliche Erwerbsziel, wie es die eingetragene Vormerkung in Verbindung mit einer zulässigen Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung gemäß § 885 Abs. 2 verlautbart, mit demjenigen Erwerbsziel übereinstimmt, das sich nunmehr als Inhalt der nachfolgenden materiellrechtlichen Bewilligung iSd § 885 Abs. 1 ergibt, wobei sich deren Inhalt wegen der Akzessorietät der Vormerkung nicht ohne Berücksichtigung der Modalitäten des zu sichernden Anspruchs feststellen lässt.“

Sowohl Kohler (a. a. O.) als auch Gursky (in: Staudinger, BGB, 2013, § 885 Rn. 81) äußern sich gegenüber der Auffassung der Rechtsprechung äußerst kritisch, wenn sie auch nicht zur neueren Entscheidung des OLG München (a. a. O.) Stellung nehmen. Die Entscheidung des OLG München wird zwar von Assmann (in: BeckOGK-BGB, § 883 Rn. 80.1) zitiert, jedoch lediglich im Hinblick darauf, dass eine Erweiterung der geschuldeten Rechtsänderung nicht mehr durch die Vormerkung gesichert ist.

Weitergehende Stellungnahmen in Literatur und Rechtsprechung zu der seitens des OLG München geäußerten Rechtsauffassung ließen sich nicht auffinden. Es bleibt daher abzuwarten, wie sich Literatur und Rechtsprechung zu dieser Entscheidung verhalten werden.

c)    Zusammenfassung
Infolgedessen halten wir in der vorliegenden Situation ein „Auf­laden“ für kritisch. Denn wie bereits das OLG München andeutete, ist der neu begründete Übereignungsanspruch gerade nicht mehr auf dieselbe Leistung gerichtet wie der zunächst gesicherte Anspruch, sondern bezieht sich auf eine andere Grundstücksteilfläche. Eine Identität ist daher u. E. nicht mehr gegeben. Die Rechtslage ist insofern jedoch noch ungeklärt.

3.    Ergebnis
Dem Gebot des sichersten Weges dürfte es daher entsprechen, eine neue Vormerkung zur Eintragung zu bringen. Dies gilt insbesondere in Anbetracht der durch das OLG München aufgeworfenen Zweifel an der „Aufladungsmöglichkeit“ in diesen Fällen.

Gutachten/Abruf-Nr:

151383

Erscheinungsdatum:

30.03.2017

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Vormerkung

Erschienen in:

DNotI-Report 2017, 44-45

Normen in Titel:

BGB § 885; BGB § 883