27. Dezember 2024
HGB § 170 Abs. 2; HGB § 124; GmbHG § 53; HGB § 161 Abs. 2; GmbHG § 47

Einheits-GmbH & Co. KG; Vertretung der KG in der Gesellschafterversammlung der GmbH; Altgesellschaft ohne Regelung im KG-Vertrag

HGB §§ 170 Abs. 2, 161 Abs. 2, 124; GmbHG §§ 47, 53
Einheits-GmbH & Co. KG; Vertretung der KG in der Gesellschafterversammlung der GmbH; Altgesellschaft ohne Regelung im KG-Vertrag

I. Sachverhalt
Die X-Einheits-GmbH & Co. KG ist vor dem 1.1.2024 gegründet worden. An ihr ist neben der Komplementär-GmbH eine einzige Kommanditistin beteiligt. Weder der KG-Vertrag noch die GmbH-Satzung regeln die Vertretung in der Gesellschafterversammlung der Komplementär-GmbH. Bisher wurde die KG stets von der Komplementärin vertreten. Nunmehr – nach Inkrafttreten des MoPeG – soll eine Sitzverlegung beurkundet werden.

II. Fragen
1. Wer handelt in der Gesellschafterversammlung der Komplementär-GmbH? Handelt evtl. die Kommanditistin im eigenen Namen?

2. Ist aufgrund der bisherigen Handhabung von einer abweichenden Vereinbarung i. S. d. § 170 Abs. 2 HGB auszugehen, sodass die Kommanditgesellschaft weiterhin durch die Komplementärin vertreten wird?

III. Zur Rechtslage
1. Grundproblem: innergesellschaftliche Willensbildung in der Einheits-KG
Die Einheits-GmbH & Co. KG zeichnet sich durch eine wechselseitige Beteiligung aus: Neben die Beteiligung der Komplementär-GmbH an der KG tritt die Alleinbeteiligung der KG an der GmbH (vgl. allg. Blath, ZPG 2023, 133 f.; MünchKommHGB/Grunewald, 5. Aufl. 2022, § 161 Rn. 99). Diese Verknüpfung bringt Probleme bei der innergesellschaftlichen Willensbildung mit sich. Grundsätzlich nicht problematisch ist allerdings die Willensbildung auf Ebene der KG: Hier handeln zuvörderst die Kommanditisten, die Komplementärin regelmäßig nicht, da sie i. d. R. kapitalanteilslos beteiligt ist und sich zugleich das Stimmrecht in der KG-Versammlung nach der Kapitalquote richtet. Kompliziert stellen sich jedoch – bei Anwendung der allgemeinen Grundsätze – die Verhältnisse in der Gesellschafterversammlung der Komplementär-GmbH dar: Da einzige Gesellschafterin der GmbH die KG selbst ist, diese aber wiederum durch die Komplementär-GmbH und diese wiederum durch ihren Geschäftsführer vertreten wird, handelt im Ergebnis in der Gesellschafterversammlung der Komplementär-GmbH die Komplementär-GmbH selbst.

2. Bisherige Rechtslage
Nach bisheriger Rechtslage blieb es dennoch im Prinzip bei dieser „In-sich-Vertretung“ (vgl. BGH DNotZ 2008, 145) und war etwaigen Interessenkonflikten durch entsprechende Vertragsgestaltung zu begegnen. Im Gesellschaftsvertrag der KG wurde den Kommanditisten Vollmacht zur Ausübung des Stimmrechts der KG in der Gesellschafterversammlung der GmbH erteilt oder es wurde gar eine sog. Kommanditistenversammlung (als einheitliches Organ, str.) installiert (vgl. zum alten Recht DNotI-Abrufgutachten Nr. 127588; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 12. Aufl. 2021, Anh. § 45 Rn. 59 f.; zur Trennungs- und Einheitstheorie vor dem Hintergrund des alten Rechts BeckOGK-HGB/Staake, Std.: 1.1.2024, § 170 Rn. 77).

3. Rechtslage seit Inkrafttreten des MoPeG
a) Schaffung des § 170 Abs. 2 HGB
Mit dem MoPeG ist § 170 Abs. 2 HGB als Spezialregelung zur Vertretung in der Einheitsgesellschaft in Kraft getreten. Die Norm lautet: „Sofern der einzig persönlich haftende Gesellschafter der Gesellschaft eine Kapitalgesellschaft ist, an der die Gesellschaft sämtliche Anteile hält, werden vorbehaltlich einer abweichenden Vereinbarung die Rechte in der Gesellschafterversammlung der Kapitalgesellschaft von den Kommanditisten wahrgenommen.“ Die Gesetzesbegründung nennt dies die „organschaftliche Lösung“ (BT-Drucks. 19/27635, S. 256; vgl. auch BeckOK-HGB/Beyer, Std.: 1.10.2024, § 170 Rn. 38; zum Begriff „organschaftliche Lösung“ Oetker, in: Oetker, HGB, 8. Aufl. 2024, § 161 Rn. 112: Übertragung der Beschlusskompetenzen der Gesellschafterversammlung der GmbH auf die Kommanditisten, sodass diese bei Ausübung dieser Kompetenzen als Organ der GmbH agieren; s. auch Scholz/K. Schmidt/Bochmann, GmbHG, 13. Aufl. 2024, Anh. § 45 Rn. 87) und formuliert ausdrücklich, dass dabei die Rechte „nicht von der Kommanditgesellschaft“ (sondern eben von den Kommanditisten) wahrgenommen werden. Diese Formulierung legt nahe, dass das Handeln der Kommanditisten keine Vertretung der KG bedeutet, weil diese gerade keine Rechte in der Gesellschafterversammlung wahrnehmen soll. Dass das Handeln der Kommanditisten daher ein solches im eigenen Namen ist, kann man dennoch bezweifeln. Die Formulierung des Gesetzes selbst ist nicht klar genug (vgl. Scholz/K. Schmidt/Bochmann, Anh. § 45 Rn. 88): „Wahrnehmung der Rechte“ kann zwanglos bedeuten, dass die Kommanditisten die Rechte der KG in Vertretung der KG ausüben und dass § 170 Abs. 2 HGB somit eine kompetenzbegründende Ausnahme vom Grundsatz des § 170 Abs. 1 HGB statuiert.

b) Meinung der Literatur
Die vorhandene Literatur geht teilweise (wohl überwiegend) davon aus, dass die Kommanditisten in der Gesellschafterversammlung der GmbH – dispositiv – als organschaftliche Vertreter der KG handeln (Ebenroth/Boujong/Oepen, HGB, 5. Aufl. 2024, § 170 Rn. 20 f.: organschaftliche Vertretung formell im Außenverhältnis, aber materiell im Innenverhältnis der Außengesellschaft; Wertenbruch, in: Westermann/Wertenbruch, Handbuch Personengesellschaften, Std.: 4/2024, Teil I, § 58 Rn. 3937: partielle gesetzliche Vertretungsmacht; Henssler/Strohn/Gummert, Gesellschaftsrecht, 6. Aufl. 2024, § 170 HGB Rn. 7; Oetker, § 170 Rn. 44; Mock, in: Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Mock, HGB, 6. Aufl. 2023, § 170 Rn. 20; Heckschen/Freier/Salomon, Das MoPeG in der Notar- und Gestaltungspraxis, 2024, § 4 Rn. 149; Schäfer/Habersack, Das neue Personengesellschaftsrecht, 2022, § 4 Rn. 9).

Demgegenüber steht die Ansicht, dass beim Handeln der Kommanditisten ein echter organisationsrechtlicher Durchgriff stattfindet, dass also jeder Kommanditist in der GmbH-Gesellschafterversammlung so abzustimmen berechtigt ist, als sei er (unmittelbar) an der GmbH beteiligt – dies schließt ein Handeln in Vertretung der KG im Ergebnis aus (dafür Scholz/K. Schmidt/Bochmann, Anh. § 45 Rn. 87 f.; Koch/Ceesay, Personengesellschaftsrecht, 2024, § 170 HGB Rn. 9). Zu dieser Ansicht mögen auch die Stimmen zählen, die in § 170 Abs. 2 HGB eine Durchbrechung des Trennungsprinzips feststellen (BeckOGK-HGB/Staake, § 170 Rn. 27; vgl. auch Gebhard/Greth, NZG 2023, 156, 158 f.).

Rechtsprechung zu § 170 Abs. 2 HGB fehlt derzeit noch. Die Rechtslage ist daher nicht abschließend geklärt.

c) Exkurs: Art der Kommanditistenvertretung bei Annahme einer Vertretung
Des Weiteren nicht abschließend geklärt ist unter Zugrundelegung der Vertretungsprämisse, ob „Vertretung“ die Gesamtvertretung durch sämtliche Kommanditisten meint (Schäfer/Habersack, § 4 Rn. 9; Heckschen/Freier/Salomon, § 4 Rn. 152), die Einzelvertretung durch jeden Kommanditisten (Heckschen/Nolting, BB 2021, 2946, 2052) oder die Vertretung durch einen (Mehrheits-)Beschluss der Kommanditisten (Ebenroth/Boujong/Oepen, § 170 Rn. 23 f., dort auch Gesamtüberblick; ferner Albert/Isikay, NZG 2024, 818 Rn. 12 ff.). Zumindest prima facie spräche einiges für die Gesamtvertretung, denn mit „den Kommanditisten“ sind im Zweifel die Kommanditisten insgesamt angesprochen.

4. Vorliegender Fall
Im vorliegenden Fall geht es um eine „Altgesellschaft“ aus der Zeit vor dem MoPeG, die keinerlei gesellschaftsvertragliche Regelung zur Vertretung in der Gesellschafterversammlung der GmbH enthält. Zunächst wird man festhalten können, dass bei fehlender gesellschaftsvertraglicher Regelung grundsätzlich ohne Weiteres die neue Bestimmung des § 170 Abs. 2 HGB eingreift. Freilich kann der Gesellschaftsvertrag der Personengesellschaft jederzeit unproblematisch geändert werden und die Gesellschafter können ihn sogar konkludent über den Einzelfall hinaus ändern (vgl. BeckOGK-HGB/Sanders, Std.: 1.7.2024, § 105 Rn. 169; Ebenroth/Boujong/Wertenbruch, § 105 Rn. 172). Eine konkludent vereinbarte gesellschaftsvertragliche Regelung mag in einer ständigen Praxis zum Ausdruck kommen (vgl. zur dahingehenden „tatsächlichen Vermutung“: BGH NJW 1966, 826, 827; NJW 1996, 1678, 1680; Ebenroth/Boujong/Wertenbruch, § 105 Rn. 168; BeckOK-HGB/Klimke, Std.: 1.10.2024, § 105 Rn. 88 ff.), wobei es u. E. nicht die ständige Übung ist, die ein gesellschaftsvertragliches Recht schafft, sondern eben die zugrunde liegende einmalige konkludente Vereinbarung. Ein Rückgriff auf Observanz und Gewohnheitsrecht, wie sie beim Verein – also der Körperschaft – begegnen (vgl. – ihrerseits zurückhaltend bzw. einschränkend – Stöber/Otto, Handbuch zum Verbandsrecht, 12. Aufl. 2021, Rn. 55 sowie BeckOGK-BGB/Segna, Std.: 1.4.2024, § 25 Rn. 44), dürfte im Rahmen des ohnehin dynamischen Gesellschaftsvertrags der Personengesellschaft nicht angezeigt oder (erst recht) verfehlt sein. Davon abgesehen ginge es vorliegend lediglich um eine Praxis, die der ohnehin dispositiv geltenden Rechtslage bis zum 31.12.2023 entsprach. Unseres Erachtens kann man einer solchen gesetzeskonformen Praxis ohne weiteren Anhaltspunkt nicht die Implementierung einer gesellschaftsvertraglichen Regelung entnehmen.

Gilt demnach für die KG der § 170 Abs. 2 HGB, so handeln unter der „Vertretungsprämisse“ die Kommanditisten als (partielle) organschaftliche Vertreter; sie handeln nicht im eigenen Namen, sondern namens der KG. Die Einzelheiten der Vertretung sind noch nicht abschließend geklärt, auf die oben skizzierten Probleme (Gesamt- oder Einzelvertretung) kommt es bei einem einzigen Kommanditisten jedoch im Ergebnis nicht an.

Will man angesichts der noch ungeklärten Rechtslage auch der „organschaftlichen Lösung“ Rechnung tragen, so kann man den Kommanditisten zugleich (ggf. hilfsweise) im eigenen Namen handeln lassen. Ebenso spricht u. E. nichts dagegen, den Komplementärgeschäftsführer in der GmbH-Gesellschafterversammlung zusätzlich nach altem Muster handeln zu lassen. Mit Blick auf die Zukunft dürfte eine eindeutige Regelung im KG-Vertrag zu empfehlen sein, mag sie auch deklaratorisch sein.

Gutachten/Abruf-Nr:

208615

Erscheinungsdatum:

27.12.2024

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Kommanditgesellschaft (KG)
GmbH

Erschienen in:

DNotI-Report 2024, 189-191

Normen in Titel:

HGB § 170 Abs. 2; HGB § 124; GmbHG § 53; HGB § 161 Abs. 2; GmbHG § 47