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Deutsches Notarinstitut
Gutachten des Deutschen Notarinstituts F a x- A b r u f- N r . : 11543 # letzte Aktualisierung: 12. August 2008
BGB §§ 130, 469; EGBGB Art. 31; BeurkG §§ 5, 16; BNotO § 24 Übersetzung zur Mitteilung an Vorkaufsberechtigten erforderlich?
I. Sachverhalt
Die Vertragsparteien beauftragten den Urkundsnotar, möglichen Vorkaufsberechtigten den Inhalt des abgeschlossenen Kaufvertrages nach § 469 BGB mitzuteilen. Dies tat der Notar durch Übersendung einer beglaubigten Abschrift der Urkunde sowie eines Begleitschreibens, beide in deutscher Sprache. Die Vorkaufsberechtigten wohnen im englischsprachigen Ausland. Einer der Vorkaufsberechtigten hat den Notar aufgefordert, mit ihm lediglich in englischer Sprache zu kommunizieren. Andere als englischsprachige Anschreiben verstehe er nicht und werde er nicht beachten.
II. Fragen
1. Muss der Vorkaufsverpflichtete die Mitteilung vom Inhalt des mit den Dritten geschlossenen Vertrages nach § 469 Abs. 1 BGB in einer dem Vorkaufsberechtigten verständlichen Sprache übersenden oder genügt in jedem Fall Mitteilung in deutscher Sprache? Ergeben sich möglicher Weise erweiterte Übersetzungserfordernisse, wenn der Notar es übernimmt, die Mitteilung im Namen einer oder beider Kaufvertragsparteien gegenüber dem Vorkaufsberechtigten zu erklären?
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III. Zur Rechtslage
1. Mitteilung vom Inhalt des Kaufvertrages durch eine der Kaufvertragsparteien a) Keine gesetzliche Regelung über Sprache der Mitteilung bzw. Erklärung Es gibt keine ausdrückliche gesetzliche Regelung, in welcher Sprache die Mitteilung über den Inhalt des mit dem Dritten abgeschlossenen Kaufvertrages nach § 469 Abs. 1 BGB zu erfolgen hat. Weder findet sich in den gesetzlichen Regelungen über das Vorkaufsrecht eine spezielle Regelung, noch enthalten die allgemeinen Regelungen über Willenserklärungen, die auf die Mitteilung an den Vorkaufsberechtigten als rechtsgeschäftsähnliche Erklärung entsprechend anzuwenden sind, eine Regelung über die erforderliche Sprache. Auch das deutsche Internationale Privatrecht enthält keine ausdrückliche Regelung der erforderlichen Sprache bei Sachverhalten mit Auslandsberührung. Lediglich für das gerichtliche Verfahren schreibt § 184 GVG die deutsche Sprache als Gerichtssprache vor. b) Keine Vereinbarung zwischen den Beteiligten Die Vertragsparteien könnten im Rahmen der Vertragsfreiheit untereinander regeln, welche Sprache sie für ihre Erklärungen verwenden. Auch dies ist im vorliegenden Fall nicht erfolgt. c) Verständlichkeit als Frage des Zugangs Die Möglichkeit des Empfängers, eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung (und entsprechend auch geschäftsähnliche Erklärungen wie hier die Mitteilung über den Inhalt des Kaufvertrages) zu verstehen, wird überwiegend als Frage des Zugangs (§ 130 BGB) verstanden (vgl. etwa Wendtland: in: Bamberger/Roth, BGB, 2. Aufl. 2007, § 130 BGB Rn. 27; Palandt/Heinrichs/Ellenberger, BGB, 67. Aufl. 2008, § 130 BGB Rn. 5; Staudinger/Hausmann, BGB, 2001, Art. 31 EGBGB Rn. 103). Lediglich eine Mindermeinung will das Sprachrisiko als Auslegungs- und Verständnisproblem in den Regelungen der §§ 133, 157 BGB ansiedeln (MünchKomm-Einsele, BGB, 5. Aufl. 2006, § 130 BGB Rn. 32). Da der Erklärende für den Zugang zu sorgen hat, trägt er grundsätzlich das Zugangsrisiko, auch das sprachlich bedingte; auch die Beweislast für die Sprachkenntnis trägt daher der Erklärende.
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Auf jeden Fall reicht es aus, wenn die Erklärung dem Erklärungsempfänger in seiner Muttersprache zugegangen ist (MünchKomm-Spellenberg, 4. Aufl. 2006, Vor Art. 11 EGBGB Rn. 132; Staudinger/Hausmann, Art. 31 EGBGB Rn. 103). Ebenso muss der Empfänger Vertragserklärungen in der Verhandlungssprache nach h. M. grundsätzlich gegen sich gelten lassen (OLG München IPRrax 1991, 46, 50 = EuZW 1991, 59 = IPRspr. 1989, 194; BGHZ 87, 112, 114 = NJW 1993, 1489; Staudinger/Hausmann, Art. 31 EGBGB Rn. 103; eingeschränkt auf die bei den Vertragsverhandlungen tatsächlich gezeigte Sprachkenntnis: MünchKomm-Spellenberg, Vor Art. 11 EGBGB Rn. 135). Ebenso können Erklärungen nach Vertragsschluss, wie etwa Mahnung oder Kündigung in der Vertragssprache erfolgen, soweit nicht der Vertrag etwas anderes regelt (ArbG Gelsenkirchen BB 1967, 999 mit ablehnender Anmerkung Trinkner; Staudinger/Hausmann, Art. 31 EGBGB Rn. 103; einschränkend lediglich auch die tatsächliche Erwartung, dass diese Sprache auch für künftige Erklärungen hinreichend verstanden werde: (MünchKomm-Spellenberg, Vor Art. 11 EGBGB Rn. 144). Sofern eine Erklärung nur in einer bestimmten Sprache zulässig ist, will eine Mindermeinung bei tatsächlich fehlender Sprachkenntnis dem Erklärungsempfänger jedoch zusätzliche Zeit für die Inanspruchnahme eines Dolmetschers geben; erst nach Ablauf der dafür erforderlichen Zeitspanne bejaht sie einen Zugang der Erklärung (LAG Hamm NJW 1979, 2488); die wohl h. M. lehnt dies ab (LAG Köln NJW 1988, 1870; Neuner, NJW 2000, 1826; Palandt/Heinrichs/Ellenberger, § 130 BGB Rn. 5; offen BAG DB 1984, 2703 = NJW 1985, 823). Geht dem Erklärungsempfänger hingegen eine Erklärung in einer ihm nicht verständlichen Sprache zu und ist von ihm nach den dargestellten Grundsätzen auch nicht zu verlangen, Erklärungen in der betreffenden Sprache entgegenzunehmen und ggf. selbst übersetzen zu lassen, so hat der tatsächliche Zugang keine Rechtswirkung (OLG Frankfurt RiW 1981, 411; Staudinger/Hausmann, Art. 31 EGBGB Rn. 103). d) Vorliegender Sachverhalt Im vorliegenden Sachverhalt richtet sich die Mitteilung an den Erklärungsempfänger als Vorkaufsberechtigten. Es handelt sich um ein rechtsgeschäftliches Vorkaufsrecht, das durch einen in deutscher Sprache abgefassten Vertrag über ein in Deutschland belegenes Grundstück (bzw. einen deutschen GmbH-Anteil) begründet wurde. Damit war die Vertragssprache deutsch und müsste sich der Vorkaufsberechtigte nach h. M. den Zugang von Erklärungen zurechnen lassen, die ihm in deutscher Sprache zugehen (jedenfalls soweit sei schriftlich verkörpert sind und daher überhaupt die Möglichkeit der Übersetzung hat).
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Spellenberg käme möglicherweise zu einem anderen Ergebnis, weil nach seiner Meinung die Tatsache der Vertragsschlusses in einer Fremdsprache die Gegenpartei nicht davon befreit, erkennbare Sprachunkenntnis bei der Auslegung späterer Erklärungen zu beachten (MünchKomm-Spellenberg, Vor Art. 11 EGBGB Rn. 144). Unseres Erachtens kann aber jedenfalls das Sprachrisiko und der Aufwand der Übersetzung des Vertrages nicht mit einem solche Argument auf den Vorkaufsverpflichteten verlagert werden. Denn alle übrigen Anknüpfungspunkte wie insbesondere die Lage des Vertragsgegenstandes (und damit auch das auf ihn anwendbare Sachenrecht) sowie der zugrunde liegende Vertrag führen zur Anknüpfung an Deutschland und lassen den Vorkaufverpflichteten damit nicht erwarten, dass er eine Übersetzung anfertigen muss. Allenfalls könnte man mit der Argumentation von Spellenberg noch fordern, dass das Begleitschreiben in englischer Sprache verfasst ist, so dass der Vorkaufsberechtigte überhaupt weiß, worum es geht und sich ggf. veranlasst sieht, eine Übersetzung oder doch eine Inhaltsangabe des ihm in deutscher Sprache übersandten Kaufvertrages auf eigene Kosten zu veranlassen. Als Zwischenergebnis ergibt sich damit nach Ansicht des Sachbearbeiters, dass die Übersendung des Kaufvertrages jedenfalls in deutscher Sprache ausreicht, während man möglicherweise ein in einer dem Vorkaufsberechtigten verständlichen Sprache erforderliches Anschreiben fordern kann, je nachdem, welcher Literaturmeinung man sich anschließt. 2.) Übersetzungserfordernis bei Mitteilung durch den Notar Vorliegend hat es der Notar als (zulässige) sonstige Betreuungstätigkeit im Rahmen der vorsorgenden Rechtspflege nach § 24 BNotO übernommen, die Mitteilung nach § 469 BGB an den Vorkaufsberechtigten im Namen einer bzw. beider Kaufvertragsparteien vornehmen. Es fragt sich damit, ob für die Mitteilung durch den Notar möglicherweise erweiterte Übersetzungspflichten gelten, sei es aus § 16 BeurkG oder sonst aufgrund seiner Stellung als Amtsträger. § 16 BeurkG und die darin geregelten Pflichten zur Anfertigung einer Übersetzung bei sprachunkundigen Beteiligten ist vorliegend nicht anwendbar, das es sich nicht um die Erstellung einer Niederschrift von Willenserklärungen handelt. Dennoch fühlt sich der Sachbearbeiter etwas unwohl, wenn der Notar als Amtsträger einem Beteiligten gegenüber Erklärungen in einer Sprache abgibt, die der Beteiligte nach glaubhaften eigenen Erklärungen nicht versteht. Wenn der Notar die vom Beteiligten gewünschte
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Sprache auch aktiv hinreichend beherrscht was wie hier bei der englischen Sprache unterstellen so dürfte es nach Ansicht des Sachbearbeiters zumindest ein nobile officium des Notars sein, den Beteiligten in der diesen verständlichen englischen Sprache im Anschreiben kurz zu umreißen, worum es geht (d. h. die Mitteilung von Inhalt eines Kaufvertrages, hinsichtlich dessen dem Erklärungsempfänger jedenfalls möglicherweise ein Vorkaufsrecht zusteht). Eine weitergehendes nobile officium oder gar eine Amtspflicht auch zur Übersetzung des Vertragstextes vermögen wir hingegen nicht zu erkennen. Im Verhältnis zwischen Vorkaufsverpflichteten und Vorkaufsberechtigten ist dies, wie dargestellt, u. E. die Obliegenheit des Vorkaufsverpflichteten. Insofern ergibt sich aus der Amtsstellung des Notars als Erklärungsvertreter nichts anderes. Die amtliche Stellung des Notars kann man u. E. als Begründung dafür anführen, dass der Notar nicht ein dem Empfänger seinem Zweck nach vollkommen unverständliches Schreiben zuschickt, wenn ihm die Übermittlung in einer dem Empfänger verständlichen Sprache ohne Weiteres möglich ist aber nicht daraus auch die Pflicht zur Übersetzung eines umfangreichen Vertragswerks ableiten.