22. Februar 2023
ErbbauRG § 5

Erbschaftskauf vom Alleinerben über einen Nachlass, der ein Erbbaurecht enthält, mit anschließender Übertragung des Erbbaurechts; Zustimmungserfordernis, Vorkaufsrecht und automatischer Übergang von Mietverhältnissen

ErbbauRG § 5
Erbschaftskauf vom Alleinerben über einen Nachlass, der ein Erbbaurecht enthält, mit anschließender Übertragung des Erbbaurechts; Zustimmungserfordernis, Vorkaufsrecht und automatischer Übergang von Mietverhältnissen

I. Sachverhalt
X ist Alleinerbe des Erblassers Y geworden. Die Z-GbR möchte die Erbschaft von X kaufen. Im Nachlass befindet sich ein Erbbaurecht. Die Veräußerung des Erbbaurechts bedarf – wie üblich – der Zustimmung des Grundstückseigentümers und für den Grundstückseigentümer besteht ein Vorkaufsrecht für alle Verkaufsfälle. Auf dem Erbbaurecht hatte Y selbst ein Eiscafé betrieben. Nach dem Erbfall hat X einen Mietvertrag über dieses Eiscafé mit einer GmbH (Gesellschafter und Geschäftsführer sind die Gesellschafter der Z-GbR) geschlossen.

II. Fragen
1. Da es sich beim Erbschaftskauf vom Alleinerben um eine Einzelübertragung sämtlicher Nachlassgegenstände handelt (mit Auflassung bei Grundstücken etc.), stellen sich folgende Fragen:

a) Bedarf ein Erbschaftskauf vom Alleinerben, der die Übertragung eines Erbbaurechts umfasst, ebenfalls der Zustimmung des Grundstückseigentümers?

b) Besteht in diesem Fall auch das Vorkaufsrecht für den Grundstückseigentümer?

2. Was passiert mit dem Mietvertrag, den erst X abgeschlossen hat? Geht dieser gem. § 566 BGB auf die erwerbende Z-GbR über oder muss er separat von X als Vermieter auf die Z-GbR übertragen werden?

III. Zur Rechtslage
1. Erbschaftskauf vom Alleinerben
In § 2371 BGB ist die Möglichkeit zum Verkauf der Erbschaft vorgesehen. Verkauft der Alleinerbe seine Erbschaft, handelt es sich dabei um einen Kaufvertrag, in dem der gesamte Nachlass mit allen Aktiven und Passiven (Vermögensinbegriff) verkauft wird. Dieser wird dinglich durch Übertragung der einzelnen Gegenstände vollzogen. Während also auf schuldrechtlicher Ebene eine Einigung über die Erbschaft „in Bausch und Bogen“ möglich ist, wird auf dinglicher Ebene nach dem sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz über die einzelnen Gegenstände nach den jeweils für sie geltenden Regeln verfügt (Grüneberg/Weidlich, BGB, 82. Aufl. 2023, § 2371 Rn. 3; Muscheler, RNotZ 2009, 65, 68; BeckOGK-BGB/Grigas, Std.: 1.2.2023, § 2371 Rn. 6, 9; BeckOK-BGB/Litzenburger, Std.: 1.11.2022, § 2371 Rn. 12).

2. Zustimmung zum Erbschaftskauf
Das Erbbaurecht ist gem. § 1 Abs. 1 ErbbauRG grundsätzlich ein veräußerliches Recht. Gem. § 5 Abs. 1 ErbbauRG kann jedoch auch vereinbart werden, dass die Veräußerung des Erbbaurechts der Zustimmung des Eigentümers bedarf. Mit „Veräußerung“ ist lediglich die Verfügung gemeint (BeckOGK-ErbbauRG/Toussaint, Std.: 1.9.2022, § 5 Rn. 22, str.). Die Verfügung umfasst alle Übertragungen durch dingliches Rechtsgeschäft ohne Rücksicht auf deren Rechtsgrund. Erfasst werden daher auch Verfügungen, die zur Erfüllung eines Vermächtnisses oder einer Teilungsanordnung erfolgen (BeckOGK-ErbbauRG/Toussaint, § 5 Rn. 28; BeckOK-BGB/Maaß, Std.: 1.11.2022, § 5 ErbbauRG Rn. 4). Eine Erbteilsabtre­tung dagegen fällt nicht unter die Vorschrift, selbst wenn das Erbbaurecht der einzige Nachlassgegenstand ist (BayObLG Rpfleger 1968, 188; MünchKommBGB/Weiß, 9. Aufl. 2023, § 5 ErbbauRG Rn. 7), da es sich hier um eine Verfügung über einen Anteil an einem Gesamthandsvermögen handelt.

Bei dem Verkauf der Erbschaft durch einen Alleinerben wird das Geschäft durch Übertragung aller einzelnen Gegenstände nach den jeweils einschlägigen Vorschriften erfüllt. Soweit im Nachlass Erbbaurechte enthalten sind, werden diese daher nach den allge­mein für die Übertragung von Erbbaurechten geltenden Vorschriften übertragen (§§ 11 Abs. 1 S. 1 ErbbauRG, 873 BGB). Entsprechend gelten hierfür auch die gewöhnlichen Regeln hin­sichtlich der Zustimmung zum dinglichen Rechtsgeschäft. Daher ist auch die Zustimmung gem. § 5 Abs. 1 ErbbauRG erforderlich, wenn eine solche Zustimmungspflicht vereinbart worden ist. Auch für öffentlich-rechtliche Zustimmungspflichten, die an das dingliche Rechtsgeschäft anknüpfen (z. B. eine Sanierungsgenehmigung nach BauGB), wird davon ausgegangen, dass diese bei der Übertragung von Einzelgegenständen zu beachten sind (BeckOGK-BGB/Grigas, § 2371 Rn. 16).

3. Vorkaufsrecht des Grundstückseigentümers
In der Praxis üblich sind Vorkaufsrechte, die hinsichtlich des Erbbaurechts oder des Grundstücks für den Eigentümer oder Inhaber der jeweils anderen Sache bestellt werden. Vorkaufsfall ist dann nach allgemeinen Regeln (§§ 11 Abs. 1 S. 1 ErbbauRG, 1098 Abs. 1 S. 1, 463 ff. BGB) der Abschluss eines Kaufvertrags über den Vertragsgegenstand, hier also das Erbbaurecht. Es stellt sich jedoch die Frage, ob auch der Verkauf der Erbschaft einen solchen Vorkaufsfall auslöst.

Nach einer Ansicht liegt kein Kaufvertrag über das Erbbaurecht und damit kein Vorkaufsfall vor (aus der Literatur BeckOGK-BGB/Grigas, § 2371 Rn. 16; Soergel/Zimmermann, BGB, 13. Aufl. 2002, § 2371 Rn. 11; BeckOK-BGB/Litzenburger, § 2371 Rn. 16). Diese Meinung stützt sich maßgeblich auf ein Urteil des LG Berlin (Rpfleger 1994, 502), das für einen Erbschaftskaufvertrag einen Vorkaufsfall abgelehnt hat (damals im Rahmen eines gemeind­lichen Vorkaufsrechts nach § 24 BauGB). Das Urteil stützt sich dabei wiederum auf ein Urteil des BGH (DNotZ 1970, 423 ff.) sowie einige Literaturfundstellen.

Das im Urteil des LG Berlin zitierte Urteil des BGH ist aber (ebenso wie das weitere Urteil des LG München II MittBayNot 1986, 179) für die hier vorliegende Konstellation (die insoweit der des LG Berlin entsprach) nicht einschlägig, da sowohl der BGH als auch das LG München II über Erbteilskäufe zu entscheiden hatten. Dort lässt sich tatsächlich argumentieren, dass kein Kaufvertrag über den Vertragsgegenstand abgeschlossen wird. Soweit das Grundstück bzw. Erbbaurecht in einer solchen Konstellation überhaupt betroffen ist, wird nur über den Gesamthandsanteil verfügt, nicht über das Grundstück oder das Erbbaurecht selbst. Weiter geht weder die Entscheidung des BGH noch die des LG München II; auch die Literaturfundstelle, die das LG Berlin zitiert (W. Schrödter, in: Schrödter, BauGB, 5. Aufl. 1992, § 24 Rn. 22), nennt als Ausnahmen vom Anwendungsbereich nur die Erbaus­einandersetzung sowie den Erbteilskauf. Das LG Berlin überträgt dies jedoch unhinterfragt auch auf den Fall eines (offenbaren) Alleinerben (leider stellt das LG Berlin nicht abschließend klar, ob es sich um einen Alleinerben handelt, das Urteil lässt diese Deutung – die die Literatur aufgreift – jedoch jedenfalls zu bzw. legt diese nahe).

Dies überzeugt nicht. Der Erbschaftskauf vom Alleinerben ist grundsätzlich ein normaler Kaufvertrag nach §§ 433 ff. BGB, für den nach §§ 2371 ff. BGB lediglich einige Sonderregelungen gelten (Staudinger/Olshausen, BGB, 2016, Vor. §§ 2371 ff.Rn. 16; Grüneberg/Weidlich, § 2371 Rn. 1; Soergel/Zimmermann, Vor. § 2371 Rn. 1; MünchKommBGB/Musielak, 9. Aufl. 2022, Vor. § 2371 Rn. 2). Verkauft wird ein „Inbegriff“ von Vermögenswerten, unter denen sich auch das Grundstück befindet. Die Lage ist daher u. E. nicht anders, als wenn neben dem vorkaufsrechtsbelasteten Gegenstand noch weitere Gegenstände zu einem Gesamtpreis verkauft werden. Für diesen Fall ergibt sich aus § 467 BGB, dass das Vorkaufsrecht ebenfalls – zu einem verhältnismäßigen Anteil des Gesamtkaufpreises – ausgeübt werden kann.

U. E. sollte daher für die vorliegende Konstellation (aus Sicht des X jedenfalls vorsorglich) von einem Vorkaufsfall ausgegangen werden. Auf die, soweit ersichtlich, überwiegend vertretene Ansicht in der Literatur sowie des LG Berlin sei jedoch hingewiesen.

4. § 566 BGB
§ 566 BGB erstreckt einen Mietvertrag für den Fall einer Veräußerung durch den Vermieter nach Überlassung des Wohnraums auf den neuen Eigentümer. Die Vorschrift findet gem. § 578 Abs. 2 BGB auch auf den vorliegenden Gewerbemietvertrag Anwendung. Gleichfalls gilt die Norm über die Verweisung in § 11 Abs. 1 S. 1 ErbbauRG auch für den Inhaberwechsel am Erbbaurecht (MünchKommBGB/Weiß, § 11 ErbbauRG Rn. 45; BeckOGK-BGB/Harke, Std.: 1.1.2023, § 566 Rn. 11; LG Wiesbaden NJW 1962, 2352); lediglich für die Beendigung des Erbbaurechts sind im ErbbauRG abweichende Regeln zu Mietverträgen über das Erbbaurecht getroffen (vgl. § 30 ErbbauRG).

Die Frage betrifft das Merkmal der „Veräußerung“. Hiermit ist ebenfalls – wie schon in § 5 ErbbauRG – das dingliche Rechtsgeschäft gemeint (BGH NJW 2008, 2256 Rn. 18; MünchKommBGB/Häublein, 9. Aufl. 2023, § 566 Rn. 17; BeckOGK-BGB/Harke, § 566 Rn. 34), sodass insofern die gleichen Regeln gelten. Der Rechtsgrund für die dingliche Verfügung ist auch hier unbeachtlich (BeckOGK-BGB/Harke, § 566 Rn. 33). Da die Erfüllung des Erbschaftskaufs vom Alleinerben unzweifelhaft durch Verfügung (auch) über das Erbbaurecht bewirkt wird, ist § 566 BGB anwendbar. Es kommt daher zu einem automatischen Übergang des Mietvertrags auf den neuen Inhaber des Erbbaurechts (so etwa MünchKommBGB/Häublein, § 566 Rn. 30) bzw. nach Ansicht des BGH zur Entstehung eines neuen Mietverhältnisses zwischen dem Erwerber des Erbbaurechts und dem Mieter, und zwar mit dem gleichen Inhalt, mit dem es zuvor mit dem Veräußerer bestanden hat (vgl. BGH NJW 2006, 1800 Rn. 14; NJW 2014, 3775 Rn. 10).

Gutachten/Abruf-Nr:

184347

Erscheinungsdatum:

22.02.2023

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Erbbaurecht

Erschienen in:

DNotI-Report 2023, 27-29

Normen in Titel:

ErbbauRG § 5