Gesamtgrunddienstbarkeit; Unterteilung von Teileigentum; Innen- und Außenverhältnis der Berechtigten; ordnungsgemäße Benutzung und Verwaltung
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Abruf-Nr.: 194357
letzte Aktualisierung: 31. März 2023
BGB §§ 95, 428, 432, 745 Abs. 1 u. 2, 749, 1018, 1024, 1025
Gesamtgrunddienstbarkeit; Unterteilung von Teileigentum; Innen- und Außenverhältnis
der Berechtigten; ordnungsgemäße Benutzung und Verwaltung
I. Sachverhalt
In einer Wohnungseigentümergemeinschaft wurde eine Grunddienstbarkeit zugunsten einer Einheit
(Restaurant) bestellt, die diese Einheit berechtigt, auf einer Freifläche des Gemeinschaftseigentums
ein Konferenzgebäude zu errichten und zu betreiben. Die berechtigte Einheit wurde in
der Folge in drei Einheiten unterteilt (Restaurant, Pilsbar, Kiosk), so dass eine Gesamtgrunddienstbarkeit
entstanden ist. Der Eigentümer einer der berechtigten Einheiten möchte nun eine
andere berechtigte Einheit in der Annahme erwerben, dass er dann kraft Mehrheitsbeschlusses
den Bau des Konferenzgebäudes durchsetzen und dieses betreiben kann. Die verbleibende Einheit
(Kiosk) steht im Eigentum der Wohnungseigentümergemeinschaft selbst, die kein Interesse
an der Errichtung des Konferenzgebäudes hat.
II. Fragen
1. Ist die Annahme des Eigentümers zutreffend?
2. Falls ja, wie würden sich die Eigentumsverhältnisse an dem zu errichtenden Gebäude darstellen?
III. Zur Rechtslage
1. Grundsätze zur (Gesamt-)Grunddienstbarkeit
a) Ein Grundstück kann zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines anderen Grundstücks
in der Weise belastet werden, dass dieser das Grundstück in einzelnen Beziehungen benutzen
darf (§ 1018 Var. 1 BGB). Ein Gebäudeerrichtungs- und Betreibungsrecht ist als
Inhalt einer solchen Benutzungsdienstbarkeit anerkannt (BGH v. 25.2.1959 –
V ZR 176/57,
2157, 2158 [Betrieb einer Tankstelle]; Frank,
schuldrechtliches Kausalgeschäft zugrunde liegt, welches zur Bestellung einer Dienstbarkeit
verpflichtet (MünchKommBGB/Mohr, 9. Aufl. 2023, § 1018 Rn. 6). Daneben ist
eine weitere schuldrechtliche Nutzungsvereinbarung zwischen den Beteiligten – auch mit
demselben Inhalt wie demjenigen der Grunddienstbarkeit – möglich; hierfür bedarf es
aber besonderer Anhaltspunkte (MünchKommBGB/Mohr, § 1018 Rn. 8).
b) Herrschendes Grundstück einer Grunddienstbarkeit kann zwar grundsätzlich nur ein
selbstständiges Grundstück i. S. d. GBO sein (Staudinger/Weber, BGB, 2017, § 1018
Rn. 43). Allerdings ist auch die Bestellung einer Grunddienstbarkeit zu Gunsten des
jeweiligen Eigentümers von Wohnungs-/Teileigentum als grundstücksgleichem
Recht möglich (OLG München
Rn. 10; BeckOGK-BGB/Kazele, Std.: 1.2.2023, § 1018 Rn. 139; Staudinger/Weber,
BGB, 2017, § 1018 Rn. 46).
c) Eine Gesamtgrunddienstbarkeit kann durch Teilung gem. § 1025 S. 1 BGB
entstehen.
Eine solche Teilung meint im Grundsatz die reale Grundstücksteilung, wenn also mehrere,
rechtlich selbstständige Grundstücke geschaffen werden (BeckOGK-BGB/Kazele,
§ 1025 Rn. 15; Staudinger/Weber, § 1025 Rn. 3). § 1025 S. 1 BGB ist aber auch
anwendbar, wenn das herrschende Grundstück in Wohnungs- oder Teileigentum
aufgeteilt wird (BayObLG
Staudinger/Weber, § 1025 Rn. 3); ferner, wenn das Wohnungseigentum unterteilt
wird (Staudinger/Weber, § 1025 Rn. 3).
Rechtsfolge der Teilung ist gem. § 1025 S. 1 BGB nach ganz überwiegender, wenngleich
bestrittener Ansicht, dass die Grunddienstbarkeit durch die Teilung des
Grundstücks als einheitliches Recht bestehen bleibt (BayObLG
1044; BeckOGK-BGB/Kazele, § 1025 Rn. 23; Staudinger/Weber, § 1025 Rn. 5;
MünchKommBGB/Mohr, § 1025 Rn. 2). Nach der Gegenansicht soll hingegen die
Grunddienstbarkeit nicht als einheitliches Recht fortbestehen, sondern entsprechend der
Anzahl der durch die Teilung entstandenen Einzelgrundstücke eine Mehrheit von
einzelnen Grunddienstbarkeiten gebildet werden (vgl. BeckOK-BGB/Reischl, 63.
Ed., Std.: 1.8.2022, § 1025 Rn. 3; Jauernig/Berger, BGB, 18. Aufl. 2021, Anm. zu §§ 1025,
1026 Rn. 1; tendenziell auch Staudinger/Heinze, BGB, 2018, § 873 Rn. 96).
Richtig ist nach unserem Dafürhalten die erstgenannte Ansicht, wofür nicht nur der
Wortlaut des § 1025 S. 1 BGB spricht (wonach „die Grunddienstbarkeit“ fortbesteht:
Formulierung im Singular), sondern auch, dass eine Grunddienstbarkeit von vorneherein
zugunsten mehrerer Grundstücke bestellt werden kann (vgl. BeckOGK-BGB/Kazele,
§ 1025 Rn. 23). Schließt man sich dieser Auffassung an, so steht die Grunddienstbarkeit
den jeweiligen Teileigentümern als einheitliches Recht zu (Gesamtgrunddienstbarkeit).
Vorliegend besteht daher auf Basis dieser Annahme – die wirksame Unterteilung der
ursprünglich berechtigten Teileigentumseinheit unterstellt – eine
Gesamtgrunddienstbarkeit der drei Teileigentumseinheiten (Restaurant, Pilsbar, Kiosk).
d) Eine für ein Wohnungs-/Teileigentum bestellte Grunddienstbarkeit erlischt, wenn mit
der vertraglichen Aufhebung der Sondereigentumsrechte nebst Eintragung im Grundbuch
die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer endet und die bisherigen Wohnungsund
Teileigentümer zu Bruchteilseigentümern werden; hieran ändert auch die spätere Begründung
von Sondereigentum an denselben Räumen im Rahmen einer erneuten Teilung
des Grundstücks nichts (OLG Hamm
§ 1018 Rn. 46; wohl auch OLG München
ist nach dem OLG München die Konstellation, dass die Gemeinschaft unter Ausscheiden
eines Wohnungseigentümers teilauseinandergesetzt wird – in diesem Fall
erlösche die Grunddienstbarkeit nicht (
Für die Beantwortung der Rechtsfrage wird davon ausgegangen, dass vorliegend eine
wirksame Unterteilung erfolgte, welche eine Teilung i. S. d. § 1025 S. 1 BGB bewirkte,
und kein Erlöschen der Grunddienstbarkeit aufgrund einer zwischenzeitlichen
Beendigung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (ggf. unter späterer Neubegründung)
in Frage kommt.
2. Verhältnis der Berechtigten einer Gesamtgrunddienstbarkeit untereinander
a) Die Beteiligten können das Gemeinschaftsverhältnis zwischen ihnen grundsätzlich frei
bestimmen, sodass vorrangig entsprechende Absprachen maßgeblich sind (LG Kassel
§ 1025 Rn. 27; MünchKommBGB/Mohr, § 1018 Rn. 23). Ob das Innenverhältnis der
Gesamtberechtigten als dinglicher Teil der Grunddienstbarkeit geregelt werden kann, ist
weiterhin unklar (hierzu Oppermann/Scholz,
Entscheidung des BGH vom 27.01.2023 –V ZR 261/21 =
[unter anderem] lediglich die dingliche Wirkung einer Vereinbarung, wonach die Pflicht
zur Unterhaltung einer Anlage zwischen den Eigentümern des dienenden und des
herrschenden Grundstücks aufgeteilt wird; nicht aber das Innenverhältnis mehrerer
Berechtigter einer Gesamtgrunddienstbarkeit). Solche Absprachen liegen nach dem
Sachverhalt nicht vor, weshalb von der gesetzlichen Grundregel ausgegangen wird.
Zu differenzieren ist zwischen dem Innen- und Außenverhältnis.
b) Das gesetzliche Verhältnis der Berechtigten einer Gesamtgrunddienstbarkeit im Innenverhältnis
ist umstritten.
aa) Nach herrschender Auffassung steht das Recht den Berechtigten einer Gesamtgrunddienstbarkeit
im Innenverhältnis nach Bruchteilen gem. §§ 741 ff. BGB, also
in Bruchteilsgemeinschaft zu (
§ 1025 Rn. 26; Grüneberg/Herrler, BGB, 82. Aufl. 2023, § 1025 Rn. 1; grundsätzlich
auch MünchKommBGB/Mohr, § 1025 Rn. 2, der aber anstelle eines Mehrheitsbeschlusses
§ 1024 BGB analog heranziehen will), sodass insbesondere
maßgeblich ist. Die Berechtigten der Gesamtgrunddienstbarkeit können daher durch
Mehrheitsbeschluss entscheiden (§ 745 Abs. 1 S. 1 BGB), wobei sich die
Stimmenmehrheit nach der Größe der Anteile richtet (
Überdies kann jeder Berechtigte gem. § 745 Abs. 2 BGB eine nach billigem
Ermessen entsprechende Verwaltung und Benutzung verlangen (vgl. BeckOGKBGB/
Kazele, § 1025 Rn. 26). Man wird insofern davon auszugehen haben, dass der
Anspruch auf Aufhebung der Gemeinschaft gem. § 749 Abs. 1 BGB ausgeschlossen
ist (vgl. BGH
bb) Eine andere Auffassung will für das Innenverhältnis der Berechtigten jedenfalls
partiell die Norm des § 1024 BGB analog heranziehen (MünchKommBGB/Mohr,
§ 1025 Rn. 2; Staudinger/Weber, § 1025 Rn. 5), sodass jedem Gesamtberechtigten
anstelle der Möglichkeit eines Mehrheitsbeschlusses lediglich das Recht
zustehen würde, eine den Interessen aller Berechtigten nach billigem Ermessen entsprechende
Regelung der Ausübung zu verlangen.
cc) U. E. ist die erstgenannte Auffassung überzeugender. Die Vorschrift des § 1024
BGB betrifft die spezifische Situation des Zusammentreffens einer Grunddienstbarkeit
mit einer anderen Grunddienstbarkeit oder einem sonstigen Nutzungsrecht.
Hier aber besteht gerade nur eine Gesamtgrunddienstbarkeit. Gegen eine analoge
Anwendung des § 1024 BGB spricht, dass die Möglichkeit eines Mehrheitsbeschlusses
gem.
ohnehin auf Maßnahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung und Benutzung beschränkt
ist. Zudem können aufgrund der Befugnis gem. § 745 Abs. 2 BGB, eine
nach billigem Ermessen entsprechende Verwaltung und Benutzung zu verlangen,
sachgerechte Lösungen ebenso gefunden werden wie bei der ähnlich formulierten
Bestimmung des § 1024 BGB. Daher wird im Folgenden für das Innenverhältnis
von der Maßgeblichkeit der §§ 741 ff. BGB ausgegangen.
3. Verhältnis der Berechtigten einer Gesamtgrunddienstbarkeit nach außen
Auch die rechtliche Einordnung des Außenverhältnisses (Verhältnis der Berechtigten
gegenüber dem Eigentümer des dienenden Grundstücks) ist hochumstritten. Die Frage des
richtigen Beteiligungsverhältnisses mehrerer Berechtigter einer Grunddienstbarkeit ist nach
wie vor nicht hinreichend geklärt (so zu Recht Oppermann/Scholz,
a) Eine Auffassung wendet die
(„modifizierte Gesamtberechtigung“) (vgl. MünchKommBGB/Mohr, § 1018 Rn. 23
und § 1025 Rn. 2 m. w. N.; Staudinger/Heinze, BGB, 2018, § 873 Rn. 96;
Staudinger/Weber, § 1018 Rn. 51a tendenziell auch Mayer,
für § 1093 BGB auch BGH
Situation einer Gesamtgrunddienstbarkeit von der einer Gesamtgläubigerschaft des § 428
BGB unterscheidet, bei der nur einer von mehreren Gläubigern die Leistung des Schuldners
erhält (Staudinger/Heinze, BGB, 2018, § 873 Rn. 96; zu § 428 BGB allg. auch
Jung/Szalai,
Regel jedem Berechtigten für sich allein neben den anderen zusteht, die Duldung
gegenüber einem der Gläubiger jedoch, anders als dies § 428 BGB vorsieht, keine
befreiende Wirkung haben soll (MünchKommBGB/Mohr, § 1018 Rn. 23; vgl. auch
Oppermann/Scholz,
durch Elemente der Mitberechtigung nach § 432 BGB (hierzu Jung/Szalai, notar 2022,
53, 56) ergänzte Form der Gesamtgläubigerschaft.
b) Teilweise wird diese Zusammenführung der
(Schöner/Stöber, Rn. 1125; Bauer/Schaub/Wegmann, GBO, 4. Aufl. 2018, § 47
Rn. 85a). Stattdessen wird nur eine Gesamtberechtigung entsprechend § 428 BGB
(Bauer/Schaub/Wegmann, § 47 Rn. 81; Schöner/Stöber, Rn. 1125), mitunter auch eine
Mitgläubigerschaft nach § 432 BGB (Schöner/Stöber, Rn. 1125) für zulässig erachtet.
c) Nach wiederum a. A. gelten auch im Außenverhältnis die §§ 741 ff. BGB (vgl.
BeckOGK-BGB/Kazele, § 1025 Rn. 28; vgl. auch so auch für den Fall eines Benutzungsrechts,
dessen Ausübung teilbar ist
die Bruchteilsgemeinschaft im Außenverhältnis auch Bauer/Schaub/Wegmann, § 47
Rn. 79; MünchKommBGB/K. Schmidt, 8. Aufl. 2020, § 741 Rn. 12).
d) Zuletzt wird auch vertreten, dass im Außenverhältnis eine Berechtigung analog §§ 1024,
1025 BGB bestehen könne (LG Kassel
4. Rechtsfolgen für den vorliegenden Sachverhalt
a) Für das Innenverhältnis der Berechtigten der Gesamtgrunddienstbarkeit ist – wie
bereits ausgeführt – die Auffassung überzeugend, die §§ 741 ff. BGB anwendet.
b) Im Hinblick auf das Außenverhältnis kann eine Entscheidung zwischen den genannten
Ansichten nicht pauschal, sondern nur differenziert nach der konkret vorliegenden
Dienstbarkeit getroffen werden.
aa) Vorliegend handelt es sich um ein Gebäudeerrichtungs- und Betreibungsrecht (oben
Ziff. 1 lit. a). Freilich enthält auch eine solche Benutzungsdienstbarkeit nach § 1018
Var. 1 BGB – aus Sicht des Eigentümers des dienenden Grundstücks – ein
Duldungselement (vgl. BeckOGK-BGB/Kazele, § 1018 Rn. 346.1). Für diese
Dienstbarkeit kann die Norm des
angewandt werden, da nicht jeder der einzelnen Gesamtberechtigten die
ganze Leistung fordern und der Schuldner (Eigentümer des dienenden Grundstücks)
auch nicht beliebig an jeden Gesamtberechtigten leisten kann.
Jedoch kann für diese Konstellation die Vorschrift des § 432 BGB fruchtbar
gemacht werden. Es handelt sich nicht um Gesamtgläubiger und es entspricht der
hinsichtlich eines Gebäudeerrichtungs- und Betreibungsrechts bestehenden
Interessenslage, dass der Schuldner (Eigentümer des dienenden Grundstücks) nur
an alle gemeinschaftlich leisten und jeder Gläubiger nur die Leistung an alle fordern
kann. Es liegt vielmehr ein einheitliches Recht vor und nicht ein teilbares Recht
dergestalt, dass jeder der Grunddienstbarkeitsberechtigten auf einem Teil des
dienenden Grundstücks ein (kleineres) Gebäude errichten dürfte (vgl. zu einem
Wegerecht auch Oppermann/Scholz,
der §§ 741 ff. BGB nicht für das Außenverhältnis maßgeblich sein können. Eine
Berechtigung „analog §§ 1024, 1025 BGB“ ist schon deshalb abzulehnen, da § 1024
BGB lediglich einen Anspruch normiert und auch § 1025 BGB kein Rechtsverhältnis
vorgibt (vgl. Schöner/Stöber, Rn. 1125; kritisch auch Oppermann/Scholz,
bb) Daher dürfte jedenfalls für die hier vorliegende Grunddienstbarkeit der
Auffassung zu folgen sein, die (allein) § 432 Abs. 1 S. 1 BGB anwendet (vgl.
Schöner/Stöber, Rn. 1125).
c) Erwirbt Eigentümer nun eine weitere berechtigte Einheit, so könnte er grundsätzlich
einen Mehrheitsbeschluss gem.
Absprachen auf die Größe der Anteile ankommt (
Mehrheitsentscheidungen verpflichten alle Teilhaber zur Mitwirkung an der Umsetzung
der Entscheidung (OLG Köln
Std.: 15.12.2022, § 745 Rn. 24; MünchKommBGB/K. Schmidt, § 745 Rn. 30). Diese
Pflicht kann eingeklagt werden (MünchKommBGB/K. Schmidt, § 745 Rn. 30). Es ist
allerdings umstritten, ob der Weg über diese Klage beschritten werden muss. Nach
teilweise vertretener Auffassung verleiht der wirksame Mehrheitsbeschluss auch
Vertretungs- und Verfügungsmacht nach außen, sodass die übrigen Teilhaber gar nicht
mehr hinzugezogen werden müssten (MünchKommBGB/K. Schmidt, § 745 Rn. 31
m. w. N.; differenzierend Staudinger/Eickelberg, BGB, 2021, § 745 Rn. 39 ff.)
d) Fraglich ist aber, ob vorliegend ein Mehrheitsbeschluss in Betracht kommt.
aa) Es dürfte sich zwar nicht um eine wesentliche Änderung i. S. d. § 745 Abs. 3 S. 1
BGB handeln, da es gerade im Wesen der Grunddienstbarkeit begründet liegt, diese
mitunter auch auszuüben. Auch liegt kein mehrheitsfester Beschluss aufgrund
§ 745 Abs. 3 S. 2 BGB vor. Dies wäre der Fall, wenn ein Nutzungsanteil (§ 743
Abs. 1 BGB) eines Teilhabers beeinträchtigt würde. Dies dürfte bei der Ausübung
der Dienstbarkeit indes nicht der Fall sein, da der Anspruch des möglicherweise
überstimmten Teilhabers an der Fruchtziehung nicht beeinträchtigt wird, auch wenn
er persönlich kein Interesse an der Errichtung und Betreibung des
Konferenzgebäudes hat. Denn es handelt sich um ein einheitliches Recht, von
dessen Ausübung auch dieser Teilnehmer partizipieren würde bzw. könnte. Die
Frage der Berechtigung im Außenverhältnis hat in der Konstellation einer
Gesamtgrunddienstbarkeit insofern auch Auswirkungen auf das Innenverhältnis der
Teilhaber (so zutreffend auch Oppermann/Scholz,
bb) Es könnte allerdings an der i. S. d. § 745 Abs. 1 S. 1 BGB erforderlichen „ordnungsgemäßen“
Verwaltung bzw. Benutzung fehlen, wenn das mittels
Grunddienstbarkeit abgesicherte Errichtungs- und Betreibungsrecht geltend
gemacht wird. Ob die Verwaltung oder Benutzung ordnungsgemäß ist, bemisst sich
nach den Regeln ordnungsmäßiger Bewirtschaftung und umfasst nicht nur
notwendige Erhaltungsmaßregeln, sondern geht darüber weit hinaus
(Staudinger/Eickelberg, § 745 Rn. 5 m. w. N.). Gedeckt sind alle Maßnahmen, die
nach den individuellen Gegebenheiten im Zeitpunkt der Beschlussfassung
objektiv vernünftig erscheinen (Staudinger/Eickelberg, § 745 Rn. 5; für § 2038
BGB: BGH
Insofern besteht ein Ermessensspielraum (Staudinger/Eickelberg, § 745 Rn. 5;
MünchKommBGB/K. Schmidt, § 745 Rn. 28). Zwar müssen die Interessen jedes
Teilhabers nicht bestmöglich gewahrt werden, jedoch dürfen die berechtigten
Interessen der Minderheit auch nicht übergangen werden
(Staudinger/Eickelberg, § 745 Rn. 5 m. w. N.). Regelungen, die alle Teilhaber mit
nicht aus dem gemeinschaftlichen Vermögen begleichbaren Folgekosten nach § 748
BGB belasten, sind demnach nur zulässig, wenn sie für den gemeinschaftlichen Gegenstand
notwendig sind (MünchKommBGB/K. Schmidt, § 745 Rn. 28).
cc) Ob demnach die Errichtung des Konferenzgebäudes den Tatbestand der
„Ordnungsmäßigkeit“ erfüllt, ist unklar.
Die Kasuistik zu Fällen der „ordnungsgemäßen Verwaltung und Benutzung“ ist
kaum mehr überschaubar und die Entscheidungen sind jeweils stark einzelfallabhängig
(vgl. Staudinger/Eickelberg, § 745 Rn. 6 mit umfassenden Nachweisen).
Es ist ferner darauf hinzuweisen, dass sich die Autoren, welche eine Anwendung der
§§ 741 ff. BGB im Innenverhältnis bei einer Gesamtgrunddienstbarkeit bejahen, soweit
ersichtlich nicht mit der Frage befassen, wann in diesen spezifischen
Konstellationen konkret eine Mehrheitsentscheidung (nicht) zulässig sein soll.
Im Schrifttum wird daher zu Recht darauf hingewiesen, dass die
Beteiligungsverhältnisse mehrerer Berechtigter einer Grunddienstbarkeit „in
erheblichen Teilen ungeklärt sind“ (Oppermann/Scholz,
Gegen die Ordnungsmäßigkeit i. S. d.
dass es sich um ein einheitliches Recht handelt und der Bau und Betrieb eines
Konferenzgebäudes mit (zunächst) erheblichen Kosten einhergehen dürfte, die auch
den überstimmten Teilhaber treffen würden.
Für die Ordnungsmäßigkeit i. S. d.
die Gemeinschaft nach §§ 741 ff. BGB allein aufgrund des Bestehens der Gesamtgrunddienstbarkeit
existiert und es demnach zum ureigenen Zweck dieser Gemeinschaft
gehört, eben dieses Recht auszunutzen und geltend zu machen. Dementsprechend
kann die Entscheidung, dieses Recht zu nutzen, nur objektiv sinnvoll und
(allein) dem Zweck der Gemeinschaft entsprechend sein. Aufgrund der Unterteilung
wussten auch alle Beteiligten (bzw. späteren Erwerber), dass die Rechte, aber eben
auch die Pflichten, die aus dieser Grunddienstbarkeit folgen, den drei Einheiten gemeinschaftlich
zustehen würden. Überdies steht der überstimmte Teilhaber nicht
schutzlos dar, kann er doch grundsätzlich gem. § 749 Abs. 1 BGB mangels anderweitiger
Bestimmung jederzeit die Aufhebung der Gemeinschaft verlangen. Damit
sprechen nach unserem Dafürhalten die besseren Gründe dafür, einen Fall der
ordnungsgemäßen Verwaltung anzunehmen und den Mehrheitsbeschluss für
möglich zu erachten.
Jedenfalls aber, wenn die Mehrheit (hier der künftige Eigentümer der Einheiten
Restaurant und Pilsbar) der Minderheit anbieten sollte, diese von den Kosten für die
Errichtung und somit von der Regelung des § 748 BGB freizustellen, dürfte an der
Ordnungsmäßigkeit der Ausübung der Gesamtgrunddienstbarkeit kein Zweifel
mehr bestehen.
e) Geht man gleichwohl davon aus, dass ein Mehrheitsbeschluss nicht möglich wäre, dürfte
ein Anspruch des Mehrheitsteilhabers gem. § 745 Abs. 2 BGB auf gerichtliche
Entscheidung bestehen. Hiernach kann ein Teilhaber eine dem Interesse aller Teilhaber
nach billigem Ermessen entsprechende Verwaltung und Benutzung verlangen, sofern
nicht die Verwaltung und Benutzung durch Vereinbarung oder durch Mehrheitsbeschluss
geregelt ist. Es handelt sich um einen Anspruch auf Herbeiführung einer der
Billigkeit entsprechenden Regelung (MünchKommBGB/K. Schmidt, § 745 Rn. 29). Als
Rechtsfolge kann beispielsweise ein Anspruch auf Vereinbarung einer
Ausübungsregelung bestehen (BGH
auch die Auffassung, die im Innenverhältnis § 1024 BGB anwenden will. Das Ergebnis
einer solchen Billigkeitskontrolle ist zwar kaum vorhersehbar. Zumindest denkbar
erscheinen Ausübungsregelungen zwischen den Teilhabern dergestalt, dass der
Mehrheitsteilhaber die Grunddienstbarkeit auf eigene Kosten, aber auch auf eigenen
Nutzen betreiben darf (vgl. auch Oppermann/Scholz,
Kostentragung im Innenverhältnis, die sich nach der tatsächlichen Inanspruchnahme
richtet, für die Folge der gesetzlichen Regelungen erachten). Alternativ wäre es auch
denkbar, dass die Kostenlast sowie die Früchteanteile sonst in abweichender Form
geregelt werden oder dass die Gesamtgrunddienstbarkeit an dem Teileigentum, dessen
Inhaber nicht an der Durchsetzung interessiert ist, (ggf. gegen Entgelt) aufgegeben
werden muss.
f) Angesichts der etwas unbefriedigenden und unklaren rechtlichen Situation soll abschließend
überlegt werden, ob nicht eine analoge Anwendung des
– wonach die Dienstbarkeit partiell erlischt, wenn sie nicht allen Teilen zum Vorteil
gereicht – im konkreten Fall ein sachgerechtes Ergebnis herbeiführen würde.
Soweit die Gesamtgrunddienstbarkeit einem oder mehreren der neugebildeten
Teilgrundstücke keinen Vorteil i. S. d. § 1019 BGB bringt, erlischt sie insofern mit der
Teilung kraft Gesetzes (MünchKommBGB/Mohr, § 1025 Rn. 5). Voraussetzung ist
grundsätzlich eine rechtliche Beschränkung auf einen räumlich abgegrenzten Teil des
herrschenden Grundstücks (Staudinger/Weber, § 1025 Rn. 11). Gleichwohl kann sich
auch aus der Art der Dienstbarkeit eine entsprechende Lokalisierung der Berechtigungsstelle
ergeben, etwa weil die Grunddienstbarkeit an gewisse Eigenschaften des herrschenden
Grundstücks anknüpft und diese bei den anderen Trennstücken nicht gegeben sind
(Staudinger/Weber, § 1025 Rn. 11). Die Frage, ob ein Vorteil i. S. d. §§ 1025 S. 2, 1019
S. 1 BGB vorliegt, richtet nach der objektiven Nützlichkeit des berechtigten Grundstücks,
wobei der Nutzen in der Regel in einem wirtschaftlichen Vorteil besteht (Staudinger/
Weber, § 1019 Rn. 4).
Gemessen an diesen Maßstäben wird man die Norm des
Anwendung bringen können, wenn lediglich der jeweilige Eigentümer der entsprechenden
Einheit – hier der Teileigentumseinheit „Kiosk“, die im Eigentum der Gemeinschaft
der Wohnungseigentümer steht – kein Interesse an der Ausübung der Dienstbarkeit
hat. Die Regelung des
und daher restriktiv anzuwenden (OLG Celle
Rechtsfolge des
kaum für den Zeitpunkt, zu dem ein Teileigentümer eine weitere Einheit erwirbt und
damit zum „Mehrheitsteilhaber“ wird, fruchtbar gemacht werden.
5. Eigentumsverhältnisse am Gebäude
Hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse, die sich ergeben, falls das Konferenzgebäude
errichtet wird, gilt Folgendes:
a) Das Gebäude ist grundsätzlich wesentlicher Bestandteil des Grundstücks (§§ 93, 94
Abs. 1 S. 1 BGB). Gem. § 946 BGB erstreckt sich das Eigentum an dem Grundstück auf
eine bewegliche Sache, die mit einem Grundstück dergestalt verbunden wird, dass sie
wesentlicher Bestandteil des Grundstücks wird. Allerdings greift vorliegend die Ausnahmevorschrift
des § 95 Abs. 1 S. 2 BGB: Hiernach gehört ein Gebäude, das in Ausübung
eines Rechts an einem fremden Grundstück von dem Berechtigten mit dem
Grundstück verbunden worden ist, nicht zu den Bestandteilen eines Grundstücks. Das
Gebäude i. S. d. § 95 Abs. 1 S. 2 BGB meint nicht nur den bloßen Baukörper, sondern
zugleich alle einfachen und wesentlichen Bestandteile des Gebäudes
(MünchKommBGB/Stresemann, 9. Aufl. 2021, § 95 Rn. 32). Als Recht i. S. d. § 95 BGB
kommt insbesondere eine Grunddienstbarkeit in Betracht (OLG Köln NJW-RR 1993,
982, 982 f.; MünchKommBGB/Stresemann, § 95 Rn. 23).
b) Damit kann an dem Gebäude das Eigentum anderer Personen als dem/der
Grundstückseigentümer bestehen. Das Gebäude wird zur beweglichen Sache, so dass
sich die Eigentumsverhältnisse nach den Regeln über diese richten (DNotI-Report 2021,
185). Es kommt daher darauf an, wem der Baukörper und die sonstigen Bestandteile des
Gebäudes gehören (werden), was auf Basis des mitgeteilten Sachverhalts nicht beurteilt
werden kann. Sofern das einheitliche Recht, das die Gesamtgrunddienstbarkeit gewährt,
von den Teileigentümern gemeinsam ausgeübt würde – etwa aufgrund einer Einigung
oder eines wirksamen Mehrheitsbeschlusses – und dementsprechend auch die Kosten
und Nutzen entsprechend verteilt würden (§§ 743 Abs. 1, 748 BGB), könnte von einer
Begründung von Miteigentum entsprechend den Anteilen an der Gemeinschaft
(hier 1/3 - 2/3) auszugehen sein, wenn die entsprechenden Gebäudeteile erworben und
übereignet werden.
6. Ergebnis
a) Die Folgen einer Unterteilung des Wohn-/Teileigentums hinsichtlich einer Grunddienstbarkeit
sind umstritten. Die herrschende Auffassung geht zutreffend davon aus, dass eine
Gesamtgrunddienstbarkeit entsteht. Die Rechtsfolgen für das Innen- und Außenverhältnis
der Gesamtgrunddienstbarkeitsberechtigten sind umstritten und müssen als nicht geklärt
bezeichnet werden. Nach unserem Dafürhalten spricht vieles dafür, das Innenverhältnis
mehrerer Berechtigter nach den §§ 741 ff. BGB zu beurteilen, sodass der Eigentümer
mit den meisten Stimmen eine Mehrheitsentscheidung nach
herbeiführen kann, sofern es sich um eine ordnungsgemäße Verwaltung oder Benutzung
handelt. Im Außenverhältnis wird häufig eine Berechtigung analog
zutreffend erachtet. Im konkreten Fall dürfte u. E. allerdings ein einheitliches Recht vorliegen
und daher nur § 432 Abs. 1 S. 1 BGB anzuwenden sein.
b) Ob der Bau des Konferenzgebäudes unter den Begriff der ordnungsgemäßen Verwaltung
und Benutzung fällt und daher mittels Mehrheitsentscheidung (
werden kann, ist fraglich und kann nicht abschließend beurteilt werden. Wir
neigen jedoch zu der Auffassung, dass eine ordnungsgemäße und damit mittels Mehrheitsentscheidung
durchsetzbare Maßnahme vorliegt.
c) Lehnt man die Möglichkeit einer Mehrheitsentscheidung ab, so kommt gleichwohl ein
Anspruch des betreibungswilligen Teileigentümers gem. § 745 Abs. 2 BGB auf eine dem
Interesse aller Teilhaber nach billigem Ermessen entsprechende Verwaltung und Benutzung
in Betracht. Damit ginge die Entscheidung mit ungewissem Ausgang in die Hand
des Richters über, weshalb es in den Fällen, in denen ein Anspruch nach § 745 Abs. 2
BGB in Betracht kommt, für die Beteiligten in besonderem Maße vorteilhaft sein kann,
sich zu einigen (so zu Recht Staudinger/Eickelberg, § 745 Rn. 51).
194357
Erscheinungsdatum:31.03.2023
RechtsbezugNational
Rechtsgebiete:
Sachenrecht allgemein
Allgemeines Schuldrecht
Dienstbarkeiten und Nießbrauch
BGB § 1024