10. Oktober 2016
BGB § 167; BGB § 1822; BGB § 168; BGB § 1821

Verkauf eines Nachlassgrundstücks und Erbausein-andersetzung aufgrund transmortaler Vollmacht; minderjähriger Miterbe; familiengerichtliche Genehmigung

Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 141610
letzte Aktualisierung: 10. Oktober 2016

BGB §§ 167, 168, 1821, 1822

Verkauf eines Nachlassgrundstücks aufgrund transmortaler Vollmacht bei
minderjährigem Miterben; Erbauseinandersetzung; familiengerichtliche Genehmigung

I. Sachverhalt
E ist Eigentümer zweier Grundstücke. Außerdem verfügt er über nicht unerhebliches
Geldvermögen. E ist verstorben. Er erteilte seinen Schwestern – je einzeln – eine notarielle
Vorsorgevollmacht über den Tod hinaus. Die Vollmacht wurde nach Angabe bisher von keinem
der Erben widerrufen. Zwei der insgesamt sechs Erben sind minderjährig. Die Erbfolge wurde
zwischenzeitlich im Grundbuch eingetragen.
Aufgrund der Vollmacht wurde von einer Bevollmächtigten ein Kaufvertrag samt Auflassung
über das im Nachlass befindliche Grundstück G1 beurkundet. Vertragspartner ist eine dritte
Person. Im Kaufvertrag heißt es, dass der Kaufpreis auf ein Konto der Erbengemeinschaft zu
zahlen ist.
Außerdem hat die Bevollmächtigte in einer weiteren Abrede mit den anderen Erben eine
Auseinandersetzungsvereinbarung geschlossen. Diese bezieht sich auf das Grundstück G2 und
das Geldvermögen samt dem Erlös aus dem Verkauf über das Grundstück G1. Das Grundstück
G2 erhalten drei der Miterben zu Bruchteilseigentum. Im Gegenzug erhalten die drei anderen
Miterben das Geldvermögen einschließlich des Erlöses aus dem Verkauf des Grundstücks G1.
Die Auflassung über das Grundstück G1 wurde in der Urkunde erklärt. An der Urkunde haben
alle Erben mitgewirkt außerdem minderjährigen Kindern. Für diese hat die Bevollmächtigte
gehandelt.
Das Grundbuchamt verlangt für beide Urkunden eine familiengerichtliche Genehmigung hinsichtlich
der beteiligten minderjährigen Erben.

II. Fragen
1. Kann die Bevollmächtigte die minderjährigen Erben bei den Rechtsgeschäften vertreten?
2. Sind jeweils familiengerichtliche Genehmigungen erforderlich?

III. Zur Rechtslage

1. Grundsätzliches zum Handeln aufgrund transmortaler Vollmacht

Grundsätzlich kann der Bevollmächtigte auch nach dem Tod des Vollmachtgebers
Rechtsgeschäfte tätigen, weil die Vollmacht im Zweifel über den Tod hinaus besteht. Ergibt
sich aus der Vollmacht selbst nichts über die Fortgeltung nach dem Tod des Vollmachtgebers,
so ist die Vollmacht für Zwecke des Grundbuchverkehrs für das Grundbuchamt
nur brauchbar, wenn in öffentlich-beglaubigter Form nachgewiesen werden kann, dass
der Vollmacht ein über den Tod des Vollmachtgebers hinaus fortdauerndes Rechtsverhältnis
zugrunde liegt (Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl. 2012, Rn. 3570). Die vorliegende
Vorsorgevollmacht gilt ausdrücklich über den Tod des Vollmachtgebers hinaus, so
dass sich hieraus keine Probleme ergeben.
Da der Erblasser als Rechtssubjekt weggefallen ist, kann der Bevollmächtigte nur noch die
Erben vertreten. Die vom Bevollmächtigten abgegebenen Willenserklärungen wirken nach
§ 164 BGB für und gegen die Erben des Vollmachtgebers. Die Vollmacht bezieht sich jedoch
nur auf den Nachlass und erstreckt sich nicht auf das Privatvermögen des Erben, da insoweit
nicht der Erblasser, sondern nur der Erbe selbst wirksam Vollmacht erteilen kann
(MünchKommBGB/Schubert, 7. Aufl. 2015, § 168 Rn. 39). Den Erben steht es jederzeit
frei, die Vollmacht zu widerrufen.

2. Vertretung nur der wahren Erben
Die Vertretungswirkungen treffen aufgrund der Universalsukzession nach § 1922 BGB die
Erben. Die Vertretungsmacht des Bevollmächtigten besteht daher nur für die wahren
Erben. Der Bevollmächtigte kann für die wahren Erben handeln, ohne dass er die Erben
namentlich benennen müsste (Kroiß/Horn, NJW 2013, 516, 517; OLG Frankfurt a. M. ZEV
2012, 377, 378). Dagegen besteht keine Vertretungsbefugnis für Scheinerben. Vorliegend
ist die Erbfolge bereits nachgewiesen und im Grundbuch berichtigend eingetragen worden.
Daher bestehen keine Zweifel, dass der Bevollmächtigte aufgrund der transmortalen Vollmacht
die wahren Erben vertritt.

3. Beschränktheit des Umfangs der transmortalen Vollmacht auf den Nachlass
Der Bevollmächtigte vertritt – wie gezeigt – nicht mehr den Erblasser, sondern den oder die
Erben des ursprünglichen Vollmachtgebers und kann nach allgemeiner Auffassung im Rahmen
der ihm eingeräumten Vertretungsmacht mit Wirkung für und gegen die Erben alle
Rechtsgeschäfte, die auch der Erblasser selbst hätte vornehmen können, ohne hierzu
ihrer Zustimmung zu bedürfen. Allerdings bezieht sich die Wirkung der Vollmacht für und
gegen die Erben immer nur auf den Nachlass, nicht etwa auf die sonstigen Angelegenheiten
(insbesondere das Privatvermögen) der Erben, da insofern nur die Erben selbst wirksam
Vollmacht erteilen können (MünchKommBGB/Schubert, § 168 BGB Rn. 39;
Soergel/Leptien, BGB, 13. Aufl. 1999, § 168 Rn. 32; Staudinger/Schilken, BGB, Neubearb.
2014, § 168 Rn. 31; Palandt/Weidlich, BGB, 75. Aufl. 2016, Einf. v. § 2197 Rn. 10).
Handelt der Bevollmächtigte aufgrund der transmortalen Vollmacht daher im Namen der
Erben, hat er die auf den Nachlass beschränkte Verpflichtungsbefugnis hinreichend deutlich
zu machen. Betrifft das Rechtsgeschäft nicht den Nachlass, würde der Bevollmächtigte
somit außerhalb seiner Vertretungsmacht als Vertreter ohne Vertretungsmacht gem. §§ 177
ff. BGB handeln (MünchKommBGB/Schubert, § 168 Rn. 39).
a) Kaufvertrag über ein Nachlassgrundstück samt Auflassung (hier: Grundstück G1)
Soweit die transmortale Vollmacht den Bevollmächtigten zum Abschluss eines Grundstückskaufvertrages
samt Auflassung ermächtigt und der Vertragsgegenstand ein Nachlassgrundstück
ist, könnte man argumentieren, dass der Bevollmächtigte auch berechtigt
ist, den entsprechenden Vertrag in Vertretung der Erben aufgrund dieser Vollmacht abzuschließen.
Dies würde jedoch voraussetzen, dass der Bevollmächtigte ausschließlich
auf den Nachlass bezogene Erklärungen im Namen der Erben abgegeben hat. Dies ist
der Fall, wenn die Bevollmächtigte nur mit Wirkung für und gegen die
Erbengemeinschaft gehandelt hätte und der Vertrag keine persönlichen Verpflichtungen
für die Erben begründet. Die Vollmacht ermächtigt insbesondere zum Verkauf eines
Grundstücks an einen Dritten, sofern hierin nicht zugleich eine Erbauseinandersetzung
liegt. Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn – wie im vorliegenden Fall - der Erlös als
Surrogat an die Erbengemeinschaft fließt (§ 2041 BGB; vgl. LG Stuttgart ZEV 2008,
198, 199).
b) Erbauseinandersetzung samt Auflassung (hier: Grundstück G2 und Verteilung des
Vermögens)
Aus den vorstehenden Erwägungen folgt weiter, dass jedoch eine
Erbauseinandersetzung hinsichtlich des Nachlasses des Vollmachtgebers
grundsätzlich nicht aufgrund einer transmortalen Vollmacht erfolgen kann, weil die
Erbauseinandersetzung ein Rechtsgeschäft der Miterben darstellt, welches die Erbteile
als solches betrifft, also das Eigenvermögen der Miterben (Horn/Kroiß, NJW 2013, 516,
517). Die Erbauseinandersetzung ist kein rein nachlassbezogenes Geschäft, weil sie die
Erbengemeinschaft beendet und den Erbteil als gesondertes Nachlassvermögen beseitigt.
Es handelt sich um ein Rechtsgeschäft, das der Erblasser selbst nicht hätte abschließen
können.
Daraus folgt, dass die Erbauseinandersetzung durch den Handelnden als Vertreter
ohne Vertretungsmacht erfolgt ist, sodass die Wirksamkeit des Auseinandersetzungsvertrages
von der Genehmigung sämtlicher Miterben abhängt (§ 177 Abs. 1 BGB).
c) Genehmigung nach § 177 Abs. 1 BGB
Hinsichtlich der minderjährigen Miterben erfolgt die Genehmigungserteilung durch
deren gesetzliche Vertreter. Zu beachten ist ggf. ein Ausschluss der Eltern von der
gesetzlichen Vertretung gem. §§ 1629 Abs. 2, 1795 BGB. Bei der Veräußerung des
Nachlassgrundstückes an einen Dritten greift § 1795 BGB zwar dann nicht ein, wenn das
dort genannte Näheverhältnis lediglich zu weiteren Miterben besteht, die mit dem
Mündel auf derselben Seite des Rechtsgeschäfts stehen (vgl. BGHZ 50, 8, 10; Münch-
KommBGB/Wagenitz, 6. Aufl. 2012, § 1795 Rn. 5). Allerdings kommt der Vertretungsausschluss
gem. § 1795 BGB bei der Erbauseinandersetzung in Betracht, wenn die in der
Vorschrift genannten Personen zusammen mit dem Minderjährigen an der Erbengemeinschaft
beteiligt sind.

4. Familiengerichtliche Genehmigung
Für die Frage der Erforderlichkeit der familiengerichtlichen Genehmigung ist zwischen dem
Kaufvertrag und dem Erbauseinandersetzungsvertrag zu differenzieren.
a) Kaufvertrag und Auflassung (hier: Grundstück G1)
Allgemein wird vertreten, dass der Bevollmächtigte alle Rechtsgeschäfte so vornehmen
könne, wie dies dem Erblasser, von dem er seine Befugnis herleite, möglich
gewesen sei. Dies hat zur Folge, dass beispielsweise für Rechtsgeschäfte keine betreuungsgerichtliche
bzw. familiengerichtliche Genehmigung erforderlich sei, selbst
wenn der Erbe als Minderjähriger diese benötigen würde und dass der Bevollmächtigte
auch nicht den Beschränkungen eines Erben durch Nacherbschaft oder Testamentsvollstreckung
unterliege (RGZ 88, 345, 350; RGZ 106, 185, 186; OLG Karlsruhe FGPrax
2015, 158; Soergel/Leptien, § 168 BGB Rn. 31; Palandt/Weidlich, Einf. v. § 2197
Rn. 11; Schöner/Stöber, Rn. 3571). Daher sei der über den Tod des Vollmachtgebers
hinaus Bevollmächtigte beispielsweise auch in der Lage, nach dem Tod des Erblassers
über Nachlassgrundstücke zu verfügen, ohne hierzu eines Erbennachweises zu bedürfen
(Schöner/Stöber, Rn. 3571). Auch das Grundbuchamt habe eine solche Vollmacht zu
respektieren, sofern die Form gem. § 29 GBO eingehalten sei (Soergel/Leptien, § 168
BGB Rn. 31).
Das RG (a. a. O.) hat seine Rechtsauffassung damit begründet, dass – bezogen auf das
Problem genehmigungsbedürftiger Rechtsgeschäfte Minderjähriger – die §§ 1821, 1822
BGB unmittelbar nur Rechtsgeschäfte durch den Vormund oder einen sonstigen gesetzlichen
Vertreter beträfen, nicht aber solche, die von einem Bevollmächtigten eines Erblassers
des Mündels aufgrund einer über den Tod des Erblassers hinaus wirkenden
Vollmacht vorgenommen würden. Außerdem hat es angeführt, dass die Vollmacht über
den Tod hinaus andernfalls auch einen wesentlichen Teil ihrer Bedeutung verlieren würde.
Die eben dargelegte Auffassung ist – soweit ersichtlich – nahezu unumstritten.
Bedenken gegen die Rechtsansicht werden in der Literatur nur vereinzelt vorgebracht
(beispielsweise von Rehmann, BB 1987, 213 ff. in Bezug auf die Frage der Beschränkung
der postmortalen Vollmacht durch eine Testamentsvollstreckung).
Mit der herrschenden Meinung ist daher im Ergebnis eine gerichtliche Genehmigung
des Kaufvertrages samt Auflassung nicht erforderlich; dies gilt jedenfalls dann, wenn
sich die Verpflichtungen des Minderjährigen allein auf seinen Anteil am Nachlass und
nicht auf sein Eigenvermögen beziehen (s.o.).
b) Erbauseinandersetzung und Auflassung (hier: Grundstück G2 und Verteilung des
Vermögens)
Für die Erbauseinandersetzung können die vorstehenden Erwägungen jedoch nicht
herangezogen werden. Insofern leitet sich – wie gezeigt – die Vertretungsmacht des
Bevollmächtigten insgesamt nicht vom Erblasser ab. Der Erblasser hätte eine Erbauseinandersetzung
gem. §§ 2042 ff. BGB hinsichtlich des eigenen Nachlasses unter seinen
(späteren) Erben nicht zu seinen Lebzeiten vornehmen können. Es handelt sich vielmehr
um ein originäres Rechtsgeschäft der Miterben untereinander. Hieraus folgt, dass sich
bei Beteiligung eines minderjährigen Miterben am Erbauseinandersetzungsvertrag die
Frage der gerichtlichen Genehmigungsbedürftigkeit nach den allgemeinen Vorschriften
richtet. Die Eltern als gesetzliche Vertreter bedürfen daher gem. § 1643
Abs. 1 BGB in den Fällen der §§ 1821, 1822 Nr. 1, 3, 5, 8 – 11 BGB der familiengerichtlichen
Genehmigung.
Der Erbauseinandersetzungsvertrag einschließlich Auflassung der Nachlassgrundstücke
an einzelne Miterben ist daher insbesondere vor dem Hintergrund des § 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB
(Verfügung über ein Grundstück; vgl. MünchKommBGB/Wagenitz, § 1821
Rn. 20) genehmigungspflichtig.
Sofern für den Minderjährigen ein Ergänzungspfleger handeln muss, weil die Eltern
gem. §§ 1629 Abs. 2, 1795 BGB an der Vertretung gehindert sind, ist wegen § 1908i
Abs. 1 BGB ferner § 1822 Nr. 2 BGB zu beachten, der den Erbteilungsvertrag der
Genehmigungspflicht unterwirft (vgl. MünchKommBGB/Wagenitz, § 1822 Rn. 10).
Mangels familiengerichtlicher Genehmigung ist der Erbauseinandersetzungsvertrag derzeit
nicht vollzugsfähig. Wie unter Ziffer 3. dargestellt, fehlen darüber hinaus die
Genehmigungserklärungen sämtlicher Miterben in der Form des § 29 GBO, da der Handelnde
insofern als Vertreter ohne Vertretungsmacht aufgetreten ist.

Gutachten/Abruf-Nr:

141610

Erscheinungsdatum:

10.10.2016

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Vormundschaft, Pflegschaft (familien- und vormundschaftsgerichtliche Genehmigung)
Vollmacht, Genehmigung, Ermächtigung
Nachlaßabwicklung (insbes. Erbschein, Nachlaßinventar)

Normen in Titel:

BGB § 167; BGB § 1822; BGB § 168; BGB § 1821