BGB § 723 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3; InsO § 80
Ausscheiden oder Auflösung bei Insolvenz des GbR-Gesellschafters; sofortiges Ausscheiden des Gesellschafters bei Verfahrenseröffnung
I. Sachverhalt
Der Gesellschaftsvertrag einer am 22.12.2023 gegründeten GbR sieht unter anderem folgende Regelung vor:
„Ein Gesellschafter scheidet mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus der Gesellschaft aus, wenn das Insolvenzverfahren über sein Vermögen nicht innerhalb von drei Monaten wieder aufgehoben wird.“
II. Fragen
1. Ist die im Gesellschaftsvertrag vorgesehene Regelung, wonach ein insolventer Gesellschafter erst dann aus der Gesellschaft ausscheidet, wenn das Insolvenzverfahren nicht innerhalb von drei Monaten wieder aufgehoben wird, noch mit der nunmehr geltenden Rechtslage vereinbar?
2. Sollte eine Regelung in diesem Sinne heute nicht mehr zulässig sein, wie ist die bestehende Regelung im Gesellschaftsvertrag dann anzuwenden oder auszulegen?
III. Zur Rechtslage
1. Ausscheiden des insolventen Gesellschafters gem. § 723 Abs. 1 Nr. 3 BGB
a) Grundsatz
Gemäß § 723 Abs. 1 Nr. 3 BGB führt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters einer GbR zum Ausscheiden des Gesellschafters aus der Gesellschaft, sofern der Gesellschaftsvertrag für diese Fälle nicht die Auflösung der Gesellschaft vorsieht. Bis zum Inkrafttreten des MoPeG zum 1.1.2024 wurde die Gesellschaft durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters aufgelöst (§ 728 Abs. 2 S. 1 BGB a. F.). Die Neuregelung in § 723 Abs. 1 Nr. 3 InsO (die inhaltsgleich in § 130 Abs. 1 Nr. 3 HGB für die Personenhandelsgesellschaften zu finden ist) orientiert sich am früheren § 131 Abs. 3 Nr. 2 HGB a. F., wonach die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters mangels abweichender vertraglicher Bestimmungen zu dessen Ausscheiden aus der OHG führte.
b) Zwingender Charakter des § 723 Abs. 1 Nr. 3 BGB
Zwar gilt auch nach dem Inkrafttreten des MoPeG, dass die Vorschriften der §§ 705 ff. BGB in weiten Teilen dispositive Regelungen enthalten. In § 708 BGB ist die Gestaltungsfreiheit der Gesellschafter für die Regelungen der §§ 709-718 BGB sogar explizit angeordnet. Im Übrigen ist durch Auslegung zu ermitteln, ob von den Vorschriften über die GbR abgewichen werden kann (BT-Drucks. 19/27635, S. 141; Heckschen/Freier/Weitbrecht, Das MoPeG in der Notar- und Gestaltungspraxis, 2024, § 3 Rn. 162).
Die nun in das Gesetz aufgenommene sprachliche Abweichung im Vergleich zu § 131 Abs. 3 Nr. 2 HGB a. F. soll „klarstellen“, dass die gesetzlich geregelten Ausscheidensgründe alternativ zur Auflösung der Gesellschaft stehen (BT-Drucks. 19/27635, S. 170). Auf diese Weise bleibt nach der Gesetzesbegründung einer gesellschaftsvertraglichen Vereinbarung, die vorsieht, dass die Gesellschaft bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters oder bei Kündigung durch einen Privatgläubiger eines Gesellschafters mit dem betroffenen Gesellschafter fortbesteht, die Wirksamkeit versagt (BT-Drucks. 19/27635, S. 170; BeckOK-BGB/Schöne, Std.: 1.5.2024, § 723 Rn. 3; Servatius, GbR, 2023, § 723 BGB Rn. 27). Es scheidet also entweder der Gesellschafter aus oder die Gesellschaft wird aufgelöst. Dies sei nach der Regierungsbegründung zum Schutz der Gesellschaftsgläubiger erforderlich, um ihnen bei Ausscheiden oder Auflösung einen Zugriff auf das Abfindungs- oder Liquidationsguthaben zu ermöglichen (BT-Drucks. 19/27635, S. 170; zust. BeckOK-BGB/Schöne, § 723 Rn. 3). Es dürfte daher seit dem 1.1.2024 von einer gesetzlich angeordneten zwingenden Alternativität von Ausscheiden und Auflösung der Gesellschaft im Falle der Gesellschafterinsolvenz auszugehen sein.
Eine Klausel, die den Fortbestand der GbR mit dem insolventen Gesellschafter als werbende Gesellschaft vorsieht, dürfte nach den vorstehenden Regelungen jedenfalls seit dem 1.1.2024 unwirksam sein (für die Zeit davor entsprach dies für die GbR bereits der wohl h. M., MünchKommBGB/Schäfer, 8. Aufl. 2020, § 728 Rn. 31 ff.; vgl. auch die Nachweise bei Richter, ZIP 2023, 1222, 1223 Fn. 17; im Hinblick auf § 131 Abs. 3 Nr. 2 HGB a. F. existierte eine ganz erhebliche Gegenansicht, siehe nur Kaiser, ZIP 2019, 1597, 1598; Ebenroth/Boujong/Lorz, HGB, 4. Aufl. 2020, § 131 Rn. 45; Hopt/Roth, HGB, 42. Aufl. 2023, § 131 Rn. 83; Markgraf/Remuta, NZG 2014, 81, 82 m. w. N.).
c) Moment des Ausscheidens, § 723 Abs. 3 BGB
aa) Grundsatz
Gemäß § 723 Abs. 3 BGB scheidet der Gesellschafter mit Eintritt des ihn betreffenden Ausscheidensgrundes aus der Gesellschaft aus (Koch/Guntermann, PersGR, 2024, § 723 BGB Rn. 24). Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Gesellschafters durch wirksamen Eröffnungsbeschluss (§ 27 Abs. 1 InsO) scheidet dieser also aus der Gesellschaft aus (MünchKommBGB/Schäfer, 9. Aufl. 2024, § 723 Rn. 15, 38).
Die nachträgliche Einstellung des Verfahrens (§ 213 InsO) oder die Aufhebung nach rechtskräftiger Bestätigung eines Insolvenzplans (§ 258 InsO) ändern nichts am Ausscheiden (Grüneberg/Retzlaff, BGB, 83. Aufl. 2024, § 723 Rn. 5; Servatius, § 723 Rn. 22; MünchKommBGB/Schäfer, § 723 Rn. 17). Eine „Rückabwicklung“ des Ausscheidens kann nur durch Wiederaufnahme in die Gesellschaft erfolgen (MünchKommBGB/Schäfer, § 723 Rn. 17); dann freilich nur mit Wirkung für die Zukunft. Anders wird dies jedoch von einigen Stimmen in der Literatur in dem Fall beurteilt, in dem der Eröffnungsbeschluss gem. § 34 Abs. 3 S. 1 InsO im Beschwerdeverfahren aufgehoben wird. In dieser Konstellation entfalle der Ausscheidensgrund rückwirkend, um die Gesellschafterstellung des betroffenen Gesellschafters (Art. 14 GG) zu stärken (Servatius, § 723 Rn. 22; MünchKommBGB/Schäfer, 8. Aufl. 2020, § 728 Rn. 34; für die Auflösung nach altem Recht BeckOGK-BGB/von Proff, Std.: 15.12.2023, § 728 Rn. 41). Bedenken im Hinblick auf gesellschaftsrechtliche Rückabwicklungsprobleme entstünden in der kurzen Zeit wohl nicht, sodass es keinen Korrekturbedarf zur entsprechenden Anwendung der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft gebe (Servatius, § 723 Rn. 22).
bb) Zwingender Charakter des § 723 Abs. 3 BGB
Vor dem Hintergrund der unter Ziff. 1 lit. b) dargestellten Überlegungen dürfte im Grundsatz auch das sofortige Ausscheiden des Gesellschafters bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen gem. § 723 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 BGB der Disposition der Gesellschafter entzogen sein (so auch Servatius, § 723 Rn. 27). Auch durch ein Hinausschieben des Ausscheidens kann den Gläubigern der Zugriff auf das Abfindungsguthaben entzogen werden. Ob für sehr kurze Ausscheidensfristen ab Eröffnung des Verfahrens eine Ausnahme zugelassen werden kann, kann vorliegend offengelassen werden. Denn jedenfalls bei einem Zeitraum, der sich auf mehrere Monate erstreckt, dürfte dies angesichts der (jedenfalls im unternehmerischen Bereich) häufig unter großem Zeitdruck durchgeführten Insolvenzverfahren eine Erschwerung der Verwertung der Insolvenzmasse für den Insolvenzverwalter bedeuten, was dem Zweck der Verschärfung von § 723 Abs. 1 Nr. 3 BGB, § 130 Abs. 1 Nr. 3 HGB zuwiderlaufen dürfte.
2. Vorliegender Fall
Im vorliegenden Fall muss zunächst festgestellt werden, dass die gewählte Formulierung widersprüchlich, zumindest aber (anhand §§ 133, 157 BGB) auslegungsbedürftig ist (dazu OLG Hamm NZG 2024, 443; Heckschen/Freier/Weitbrecht, § 3 Rn. 149).
Der Gesellschafter kann nicht erst im Moment des Ablaufs von drei Monaten ab Verfahrenseröffnung, dann aber rückwirkend auf den Moment der Verfahrenseröffnung aus der Gesellschaft ausscheiden. Auch ändert die nachträgliche Einstellung des Verfahrens nichts am Ausscheiden des Gesellschafters. Die Klausel dürfte daher wohl – und davon wird ausgegangen – so zu verstehen sein, dass der Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheiden soll, wenn drei Monate nach Verfahrenseröffnung verstrichen sind, ohne dass das Verfahren wieder eingestellt wurde.
Im Hinblick auf eine derartige Gestaltung sehen wir jedenfalls seit dem 1.1.2024 ein erhebliches Unwirksamkeitsrisiko, weil die Neuregelung in § 723 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 BGB kein Zwischenstadium vorsieht, in welchem der Gesellschafter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens in der werbend tätigen Gesellschaft verbleibt. Eine dreimonatige Ausscheidensfrist ab Verfahrenseröffnung liefe aber genau darauf hinaus.
Eine andere Frage ist, ob die Klausel nicht dahingehend verstanden werden kann, dass der Gesellschafter zwar mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus der Gesellschaft ausscheidet, allerdings im Falle der Aufhebung oder Einstellung des Verfahrens binnen drei Monaten automatisch wieder in die Gesellschaft eintritt. Inhalt der Regelung kann weiterhin sein, dass der wieder eingetretene Gesellschafter gemäß § 159 BGB im Innenverhältnis so behandelt wird, als wäre er durchgehend Gesellschafter gewesen. Bei einer solchen Lesart ergäben sich im Hinblick auf § 723 Abs. 1 Nr. 3 BGB keine Bedenken.
Fraglich ist aber, ob der (Wieder-)Beitritt eines Gesellschafters zur Personengesellschaft derart bedingt sein kann, § 158 BGB. Grundsätzlich ist dies zu bejahen (BeckOGK-BGB/Reymann, Std.: 1.6.2024, § 158 Rn. 134; MünchKommBGB/Westermann, 9. Aufl. 2021, § 158 Rn. 34), es handelt sich sodann wohl um einen aufschiebend bedingten (Wieder)Beitrittsvertrag unter allen Gesellschaftern. Eine solche Konstruktion dürfte zumindest dann funktionieren, wenn der betroffene (insolvente) Gesellschafter bereits an der Schaffung der Wiedereintrittsvereinbarung beteiligt war. Ob die hier zu beurteiltende Klausel allerdings tatsächlich einem solchen Willen der Gesellschafter entspricht, ist Tatfrage.
3. Fazit
Es besteht das Risiko, dass die vorgelegte Gestaltung jedenfalls seit dem 1.1.2024 unwirksam ist, weil § 723 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 BGB im Hinblick auf den Zeitpunkt des Ausscheidens des insolventen Gesellschafters nicht zur Disposition der Gesellschafter stehen dürfte. Ob die Klausel i. S. d. alternativ in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeit, welche der Klausel zur Wirksamkeit verhelfen könnte, zu verstehen ist, ist letztlich Tatfrage.