11. Oktober 2024
HGB § 12 Abs. 2; BeurkG § 13; BeurkG § 44

Elektronische Einreichung beim Handelsregister; Anforderungen des § 39a BeurkG; Anbringung des Siegels auf der Urschrift bei einer Niederschrift gem. §§ 8 ff. BeurkG

HGB § 12 Abs. 2; BeurkG §§ 13, 39a, 44
Elektronische Einreichung beim Handelsregister; Anforderungen des § 39a BeurkG; Anbringung des Siegels auf der Urschrift bei einer Niederschrift gem. §§ 8 ff. BeurkG

I. Sachverhalt
Dem Handelsregister wurde über das XNP-Modul eine elektronisch beglaubigte Abschrift einer in Urschrift vorliegenden notariellen Urkunde (Niederschrift) eingereicht. Die Rechtspflegerin hat beanstandet, dass auf der gescannten Urschrift (Niederschrift i. S. d. § 8 BeurkG) im Original kein Siegel neben der Unterschrift des Notars sichtbar ist. Es ist auch kein Vermerk „L.S.“ o. Ä. vorhanden.

Auszugsweiser Text der Beanstandung:

„...fehlt die Beifügung des notariellen Siegels zur Unterschrift. Da die elektronische Signatur die Übereinstimmung mit dem vorliegenden Papierdokument bescheinigt, muss das Siegel erkennbar sein. Bei dem vorgelegten Dokument handelt es sich um eine elektronisch beglaubigte Abschrift einer Papierurkunde. Für Papierdokumente ist die Beifügung eines notariellen Siegels vorgesehen. (...) Durch die Fertigung einer elektronisch beglaubigten Abschrift wird aber aus dem Papierdokument keine elektronisch erstellte Urkunde, sodass eben nicht die Vorschriften anzuwenden sind, die explizit für elektronisch erstellte Urkunden nachträglich geschaffen wurden.“

II. Frage
Muss bei der Fertigung einer elektronisch beglaubigten Abschrift einer in Urschrift vorliegenden Niederschrift ein Siegel vorhanden und sichtbar sein?

III. Zur Rechtslage
Für den elektronischen Verkehr mit dem Handelsregister regelt § 12 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 HGB, dass in den Fällen, in denen ein notariell beurkundetes Dokument oder eine öffentlich beglaubigte Abschrift einzureichen ist, ein mit einem einfachen elektronischen Zeugnis (§ 39a BeurkG) versehenes Dokument zu übermitteln ist. Die Anforderungen an dieses elektronische Dokument richten sich nach § 39a BeurkG.

Hiervon zu unterscheiden sind indes die Anforderungen, die an das notariell beurkundete Dokument, das dem Handelsregister in beglaubigter Abschrift übermittelt werden soll, zu stellen sind. Diese richten sich vorliegend nach §§ 8 ff. BeurkG.

Für die beurkundungsverfahrensrechtlich wirksame Errichtung einer (papiergebundenen) notariellen Niederschrift gem. §§ 8 ff. BeurkG ist die Beifügung eines Siegels – anders als bei Vermerkurkunden i. S. v. § 39 BeurkG, bei denen das Siegel die für die Niederschrift i. S. d. § 8 BeurkG zwingende Bezeichnung des Notars gem. § 9 Abs. 1 S. 1 BeurkG ersetzt – keine Wirksamkeitsvoraussetzung (BeckOK-BeurkG/Bremkamp, Std.: 1.3.2024, § 13 Rn. 147; BeckOK-BeurkG/Boor, Std.: 1.3.2024, § 39 Rn. 2; Winkler, BeurkG, 21. Aufl. 2023, § 13 Rn. 83). Vielmehr ist der Beurkundungsvorgang mit dem Abschluss des in § 13 BeurkG niedergelegten Verfahrens abgeschlossen und die öffentliche Urkunde i. S. v. § 415 Abs. 1 ZPO wirksam errichtet.

Die spätere Beifügung eines Prägesiegels bei einer aus mehreren Blättern bestehenden Urkunde, welche in § 44 BeurkG (einer „Soll“-Vorschrift) angeordnet ist, ist nicht Inhalt der öffentlichen Urkunde (vgl. auch die amtliche Überschrift des 4. Abschnitts des BeurkG: „Behandlung der Urkunden“). Inhalt der öffentlichen Urkunde sind vielmehr die vor der Urkundsperson abgegebenen Erklärungen der Beteiligten, sodass sich die Beweiswirkung gem. § 415 Abs. 1 ZPO auf diesen von der Urkundsperson beurkundeten Vorgang bezieht (vgl. den Wortlaut des § 415 Abs. 1 ZPO). Die spätere Beifügung des Prägesiegels ist hingegen nicht Teil des Beurkundungsvorgangs. Überdies ist der Zeitpunkt der Verbindung mit Schnur und Prägesiegel nach § 44 S. 1 BeurkG nicht geregelt, sollte jedoch spätestens bei Ablage der Urschrift in der Urkundensammlung erfolgen (BeckOGK-BeurkG/Regler, Std.: 1.9.2024, § 44 Rn. 16).

Der Umstand, dass in der notariellen Praxis zuweilen auf die letzte Seite der zu scannenden Niederschrift ein Farbdrucksiegel (zumeist neben der Unterschrift des Notars) angebracht wird, ändert nichts daran, dass die Anbringung eines Siegels weder Wirksamkeitsvoraussetzung für die Niederschrift gem. §§ 8 ff. BeurkG noch Inhalt der öffentlichen Urkunde i. S. v. § 415 ZPO ist.

Vor diesem Hintergrund gilt es sich zu vergegenwärtigen, dass eine beglaubigte Abschrift einer Urkunde nicht die bildliche Übereinstimmung, sondern allein die inhaltliche Übereinstimmung der Abschrift mit der vorliegenden Ausgangsurkunde bestätigt (Gutachten DNotI-Report 2015, 1; BeckOGK-BeurkG/Meier, Std.: 1.9.2024, § 42 Rn. 10). Dies gilt sowohl für beglaubigte Abschriften in Papierform als auch für elektronisch beglaubigte Abschriften. Das nach Abschluss des Beurkundungsvorgangs beizufügende Prägesiegel (nebst Schnur) ist aber ebenso wenig Inhalt der öffentlichen Urkunde wie die später beizufügende Urkundenverzeichnisnummer (zur UVZ-Nummer vgl. Gutachten DNotI-Report 2022, 92).

Das Fehlen eines (Präge-)Siegels wäre allenfalls dazu geeignet, den Beweiswert der öffentlichen Urkunde, d. h. hier der notariellen Niederschrift gem. §§ 8 ff. BeurkG, zu beeinträchtigen. Ein Dienstsiegel dokumentiert im Rechtsverkehr die Amtsträgereigenschaft der Urkundsperson und erschwert Fälschungen, so dass das Vorhandensein eines Dienstsiegels für die Echtheit der öffentlichen Urkunde spricht (zur Authentizitätsfunktion von Dienstsiegeln vgl. BGH FGPrax 2017, 56, Rn. 22). An der Echheit der notariellen Niederschrift, also der Echtheit des notariell beurkundeten Dokuments i. S. v. § 12 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 HGB, dürften indes keine Zweifel bestehen, wenn jene Urkundsperson die elektronisch beglaubigte Abschrift i. S. v. § 39a BeurkG erzeugt, die nach den zwingenden Angaben in der öffentlichen Urkunde (vgl. § 9 Abs. 1 S. 1 BeurkG) auch diesen Beurkundungsvorgang vorgenommen hat.

Im Ergebnis halten wir daher die Beanstandung des Handelsregisters für nicht gerechtfertigt. Anders wäre dies hingegen zu beurteilen, wenn es sich bei der eingereichten Urkunde um eine Vermerkurkunde i. S. v. § 39 BeurkG gehandelt hätte, bei der die Beifügung des Siegels Wirksamkeitsvoraussetzung ist.

Gutachten/Abruf-Nr:

206305

Erscheinungsdatum:

11.10.2024

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Handelsregisterrecht und allgemeines Gesellschaftsrecht
Beurkundungsverfahren

Erschienen in:

DNotI-Report 2024, 145-146

Normen in Titel:

HGB § 12 Abs. 2; BeurkG § 13; BeurkG § 44