Bewertung eines unwiderruflichen bzw. widerruflichen Bezugsrechts bei einer Risikolebensversicherung im Rahmen des Pflichtteilsergänzungsanspruchs
Bewertung eines unwiderruflichen bzw. widerruflichen Bezugsrechts bei einer Risikolebensversicherung im Rahmen des Pflichtteilsergänzungsanspruchs - BGB §§ 2311, 2325; VVG § 159
I. Sachverhalt
Der Erblasser schloss eine Risikolebensversicherung auf sein eigenes Leben. Dabei bestimmte er einen Dritten
- unwiderruflich (1. Variante) bzw.
- widerruflich (2. Variante)
als Bezugsberechtigten.
II. Frage
1Wie ist das Bezugsrecht im Rahmen eines im Erbfall entstehenden Pflichtteilsergänzungsanspruchs zu bewerten?
III. Rechtslage
1. Unentgeltliche Einräumung des Bezugsrechts als grds. ergänzungspflichtige Schenkung i. S. v.
Schließt der Erblasser einen Vertrag zugunsten eines Dritten auf den Todesfall ab (z. B. eine Lebensversicherung), fällt der daraus resultierende Vermögenswert nicht in den Nachlass und erhöht auch dessen Wert (
2. Behandlung eines widerruflichen Bezugsrechts bei Kapitallebensversicherung
Zur Frage, wie eine Kapitallebensversicherung bei Zuwendung eines widerruflichen Bezugsrechts an einen Dritten durch Schenkung im Rahmen des Pflichtteilsergän zungsanspruchs gem.
In der Literatur finden sich zu dieser Entscheidung überwiegend kritische Stellungnahmen (Herrler,
3. Behandlung eines unwiderruflichen Bezugsrechts bei Kapitallebensversicherung
Wie die Einräumung eines unwiderruflichen Bezugsrechts zugunsten eines Dritten pflichtteilsrechtlich zu behandeln ist, hat der BGH in der angeführten Entscheidung nicht erörtert. Die Literatur geht davon aus, dass Zuwendungsgegenstand i. S. d.
Diese Betrachtung erfasst jedoch nicht die Prämien, die nach Einräumung des unwiderruflichen Bezugsrechts vom Versicherungsnehmer gezahlt werden. Sie dürften konsequenterweise als selbständige mittelbare Schenkungen des Versicherungsnehmers an den Bezugsberechtigten zu behandeln sein, wobei sich nach den Grundsätzen des BGH eine Begrenzung auf die durch die jeweiligen Prämien bedingte Erhöhung des Werts der Lebensversicherung ergeben könnte (so Herrler,
4. Übertragung der vorstehenden Grundsätze auf eine Risikolebensversicherung
Die dargelegten Grundsätze, die der BGH für die pflichtteilsrechtliche Behandlung von Bezugsrechten bei Kapitallebensversicherungen entwickelt hat, lassen sich nur mit Schwierigkeiten auf die Risikolebensversicherung übertragen.
a) Fehlen eines zurückzuerstattenden Rückkaufswerts
Einen zurückzuerstattenden Rückkaufswert gibt es bei der Risikolebensversicherung nicht; ein solcher ist nach
b) I. d. R. fehlender (am Markt realisierbarer) Veräußerungswert
Einen Veräußerungswert � auf den nach der Entscheidung des BGH abzustellen ist, wenn er höher als der Rückkaufswert ist � hat eine Risikolebensversicherung i. d. R. ebenfalls nicht. Dieser Wert setzt einen Zweitmarkt voraus, an dem sich ein entsprechender Marktwert bilden kann (so ausdrücklich BGH
Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei Risikolebensversicherungen nur in verhältnismäßig geringem Maße Deckungsrückstellungen gebildet werden, im Wesentlichen als Alterungsrückstellungen hinsichtlich der steigenden Sterbewahrscheinlichkeit. Ein Veräußerungswert einer bereits laufenden Versicherung könnte sich daraus theoretisch insoweit ergeben, als die Prämien aufgrund derartiger Rückstellungen geringer sind, als sie beim Neuabschluss einer entsprechenden Risikolebensversicherung wären (einen geringen objektiven Zeitwert der Ansprüche aus der Risikolebensversicherung annehmend Herrler,
Erst dann, wenn im Einzelfall die Wahrscheinlichkeit, dass der Versicherte alsbald sterben wird, insbesondere aufgrund einer diagnostizierten zum Tod führenden Krankheit, gegenüber dem statistischen Durchschnitt erheblich ansteigt, würde die Risikolebensversicherung einen erheblichen zusätzlichen Wert erlangen, der sich dem Wert der Todesfallleistung entsprechend der zunehmenden Sterbewahrscheinlichkeit annäherte. Für Risikolebensversicherungen gibt es jedoch auch in einer derartigen Situation des Versicherten zumindest in Deutschland � soweit ersichtlich � keinen Zweitmarkt. Ein solcher wäre freilich vorstellbar und existiert etwa in den USA (sog. viatical settlements, hierzu König,
Selbst wenn eine solche Verwertungsmöglichkeit bestünde, könnte sie jedoch nach dem angeführten Urteil des BGH bei der Bemessung des Veräußerungswerts nicht berücksichtigt werden. Der BGH will die �schwindende persönliche Lebenserwartung des Erblassers aufgrund subjektiver, individueller Faktoren � wie insbesondere ein fortschreitender Kräfteverfall oder Krankheitsverlauf� bei der Wertermittlung nämlich außer Betracht lassen (
c) Schlussfolgerungen
Aus diesem Befund ist unter Anwendung der Bewertungsgrundsätze des BGH an sich abzuleiten, dass ein zugewendetes Bezugsrecht bei einer Risikolebensversicherung im Rahmen des Pflichtteilsrechts mit Null zu bewerten ist (so � kritisch � auch: MünchKommBGB/ Lange, § 2325 Rn. 38; J. Mayer,
Teilweise bezweifelt die Literatur, dass dieses Ergebnis dem BGH bewusst und von ihm gewollt war. Jedenfalls im Ansatz wäre es denkbar, bei der Risikolebensversicherung weiterhin wenigstens die gezahlten Prämien als pflichtteilsrelevant anzusehen (so Worm,
Angesichts der Entscheidung des BGH überzeugt ein derartiger Ansatz u. E. jedoch nicht, da der Senat die Berücksichtigung der Prämien im Rahmen von
5. Ergebnis
Als Konsequenz der jüngeren Rechtsprechung des IV. Zivilsenats dürfte u. E. somit � trotz kritischer Stimmen in der Literatur � die Zuwendung eines unwiderruflichen oder widerruflichen Bezugsrechts an einer reinen Risikolebensversicherung im Rahmen des Pflichtteilsergänzungsanspruchs nicht zu berücksichtigen sein. Ausdrücklich hat der BGH diese Frage allerdings noch nicht entschieden.
124973
Erscheinungsdatum:16.08.2013
RechtsbezugNational
Rechtsgebiete:Pflichtteil
Erschienen in: Normen in Titel:BGB § 2311; VVG § 159; BGB § 2325