01. Januar 2001
AktG § 134 Abs. 4; AktG § 118

Stimmkarten bei der Hauptversammlung einer AG; Inhalt der Stimmkarten und Form der Abstimmung

DNotI
Deutsches Notarinstitut Dokumentnummer: letzte Aktualisierung: 1383 10.07.2001

AktG §§ 118, 134 Abs. 4 Stimmkarten bei der Hauptversammlung einer AG; Inhalt der Stimmkarten und Form der Abstimmung

I.

Sachverhalt In der Hauptversammlung einer AG wurde mit Stimmkarten abgestimmt. Jedem teilnehmenden bzw. vertretenen Aktionär wurde ein sog. ,,Stimmabschnittsbogen" ausgehändigt. Für jeden Ta gesordnungspunkt, über den Beschluss gefasst wurde, war auf dem Stimmabschnittsbogen ein einzelner Stimmabschnitt vorge sehen. Der Stimmabschnittsbogen als auch der jeweilige Stimmabschnitt enthielt einen aufgedruckten, maschinenlesbaren Barcode sowie eine Aktionärsnummer. Anhand dieses Barcodes und/oder der Nummer konnte i. V. m. dem Teilnehmerverzeichnis festgestellt werden, wie viele Stimmen der jeweilige Aktionär hat. In der Hauptversammlung wurde von Aktionärsseite gerügt, dass die Verwendung der vorgenannten Stimmabschnittsbögen insbesondere bei der Übertragung von Stimmrechtsvollmachten nicht erkennen lasse, über wie viele Stimmen der jeweilige Aktionär verfüge. Für die Aktionäre sowie für die Bevollmächtigten sei es unzumutbar, die Zahl der an die Bevollmächtigten übertragenen Stimmen anhand des Teilnehmerverzeichnisses zu überprüfen. Diese Zahl müsse aus dem Stimmabschnittsbogen hervorgehen.

II. Frage Ist die Rechtsauffassung der Aktionäre zutreffend? III. Zur Rechtslage 1. Die dargestellte Rechtsfrage ist nach unserem Kenntnisstand bislang weder in Rspr. noch Lit. ausdrücklich erörtert worden. Die Rechtslage ist daher unsicher und kann in einem Gutachten nicht abschließend gewürdigt werden. Wir bitten daher, unsere nachfolgenden Ausführungen unter dieser Einschränkung zu würdigen. Das AktG schreibt keine bestimmte Form der Stimmabgabe vor. In § 134 Abs. 4 AktG heißt es hierzu lediglich, dass sich die Form der Ausübung des Stimmrechts nach der Satzung richtet. Mit der ,,Form der Stimmrechtsausübung" ist insbesondere gemeint, ob schriftlich oder mündlich abgestimmt wird und wie die Stimmen erfasst werden (Großkomm.-AktG/Bartz, 3. Aufl., § 134 Anm. 35; Stützle/Walgenbach, Leitung der Hauptversammlung und Mitspracherechte der Aktionäre in Fragen der Versammlungsle itung, ZHR 155 (1991), 516, 534; KölnKomm- AktG/Zöllner, 1973, § 133 Rn. 44 f.; Hüffer, AktG, 4. Aufl. 1999, § 134 Rn. 34 f.).

2.

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Enthält die Satzung keine derartige Regelung über die Form der Abstimmung, so kann die Hauptversammlung in der Geschäftsordnung oder im Einzelfall mit einfacher Mehrheit eine Regelung treffen. Besteht auch keine solche Regelung, so legt der Leiter der Hauptversammlung den Abstimmungsmodus fest. Der einzelne Aktionär hat keinen Anspruch auf eine bestimmte Abstimmungsart, es sei denn, dass die Satzung eine solche vorsieht (Obermüller/Werner/Winden, Die Hauptversammlung der AG, 1967, S. 136; KölnKomm-AktG/Zöllner, § 133 Rn. 44; Stützle/Walgenbach, ZHR 155 (1991), 516, 534 f.; Hüffer, § 134 Rn. 34). Allgemein üblich ist, dass die Satzung keine bestimmte Form der Stimmrechtsausübung vorsieht. Vielmehr sehen die meisten Satzungen in Ausnutzung des durch § 134 Abs. 4 AktG geschaffenen Regelungsvorbehalts vor, dass der Versammlungsleiter die Abstimmungsform bestimmt (Stützle/Walgenbach, ZHR 155 (1991), 516, 534; Geßler/Hefermehl/Eckardt, AktG, 1974, § 134 Rn. 68; Hüffer, § 134 Rn. 34; Obermüller/Werner/Winden, S. 136). 3. Mit Ausnahme des § 134 AktG enthält das Gesetz keine weiteren zwingenden Vorschriften zur Stimmrechtsausübung. Jeder Gesellschaft steht es deshalb frei, die ihr zusagende Form der Ausübung des Stimmrechts zu wählen. Diese kann in Handheben, Aufstehen von den Plätzen oder Zuruf bestehen, aber auch in schriftlicher Stimmabgabe oder durch Stimmkarten bzw. Stimmabschnitte (KölnKomm-AktG/Zöllner, § 133 Rn. 45). Welche Form zu wählen ist, richtet sich nach den Umständen sowie insbesondere unter Berücksichtigung der räumlichen und technischen Voraussetzungen. Entscheidend kommt es darauf an, dass die ge wählte Form der Abstimmung zu einer zweifelsfreien Feststellung des Ergebnisses geeignet ist. Zulässig sind daher nur Abstimmungsformen, die eine klare Ermittlung des Beschlussergebnisses erlauben (KölnKomm- AktG/Zöllner, § 133 Rn. 45; Geßler/Hefermehl/Eckardt, § 134 Rn. 71; Obermüller/Werner/Winden, S. 136 f.). Werden Abstimmungen durch Verwendung von Stimmabschnitten bzw. Stimmkarten durchgeführt, so bestehen für die Form und den Inhalt der zu verwendenden Stimmkarten keinerlei gesetzliche Vorschriften. § 134 Abs. 4 AktG enthält hierzu keine Angaben. Soweit in der Lit. die Abstimmung mittels Stimmabschnitten oder Stimmkarten diskutiert wird, enthalten die einschlägigen Musterformulierungen ­ soweit ersichtlich ­ jeweils Angaben über die Stimmenzahl und den Aktiennennbetrag oder die Stückzahl von Aktien (Happ, Aktienrecht, 1995, 10.06, Anm. 4; ders., in: Happ/Lange, Formularkommentar Aktienrecht, 22. Aufl. 1988, 10.06, Anm. 4; Obermüller/Werner/Winden, S. 140; Steiner, Die Hauptversammlung der AG, 1995, § 13 Rn. 46). Die übrigen Handbücher zur Hauptversammlung einer AG (Semler/Volhard, Arbeitshandbuch für die Hauptversammlung, 1999; MünchHdb.-GesR, Bd. 4, AG, 2. Aufl. 1999; Schaaf, Die Praxis der Hauptversammlung, 2. Aufl. 2001; Seibert/Kiem, Handbuch der kleinen AG, 4. Aufl. 2001) enthalten nach unserem Kenntnisstand hierzu keinerlei Ausführungen. 5. Nach unserem Kenntnisstand nicht diskutiert wird in Rechtsprechung und Literatur in diesem Zusammenhang die Frage, ob die Angabe der Stimmen und des Aktiennennbetrags bzw. der Stückzahl von Aktien bei der Verwendung von Stimmkarten zwingend ist oder nicht.

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Seite 3 Nach unserer Auffassung lässt sich ein zwingender Charakter dieser Angaben nicht mit den vorstehend ge nannten Fundstellen in der Literatur begründen. So heißt es beispielsweise bei Hüffer (§ 134 Rn. 35): ,,Wenn pro Kopf und Abstimmung nur eine Karte ausgegeben wird, muss durch Nummerierung von Stimm- und Einlasskarte sichergestellt werden, dass die Stimmenzahl aus dem Teilnehmerverzeichnis ablesbar ist. Alternative liegt in der Ausgabe von Stimmkarten, welche die Stimmenzahl unmittelbar erkennen lassen, etwa durch Stückelung nach Nennbeträgen oder (Stückaktien) nach Aktienzahl." Diese Fundstelle macht u. E. deutlich, dass bezüglich des Inhalts von Stimmkarten verschiedene Möglichkeiten bestehen. Einen zwingend vom Gesetz vorgeschriebenen Inhalt gibt es insoweit nicht. Entscheidend kommt es vielmehr darauf an, dass die jeweilige Abstimmungsart zu einem Ergebnis führt, dass zuverlässig die wirkliche Meinung der Hauptversammlung wiedergibt, das materielle Abstimmungsergebnis also eindeutig kenntlich macht (Obermüller/Werner/Winden, S. 136 f.; Lamers, DNotZ 1962, 298; KölnKomm-AktG/Zöllner, § 133 Rn. 45; Geßler/Hefermehl/Eckardt, § 134 Rn. 71). Unter dieser Prämisse ist es u. E. daher nicht unbedingt geboten, dass bei der Verwendung von Stimmkarten auf diesen Stimmkarten bzw. Stimmabschnittsbögen die Stimmenzahl und/oder der Aktiennennbetrag bzw. die Stückzahl von Aktien aufgeführt werden. Solche Angaben müssen lediglich nach § 129 Abs. 1 S. 2 AktG im Teilnehmerverzeichnis enthalten sein. 6. Die Richtigkeit dieses Ergebnisses zeigt sich u. E. durch einen Vergleich mit der Rechtslage, wenn in einer Hauptversammlung gem. § 134 Abs. 4 AktG als ,,Form der Abstimmung" beispielsweise eine mündliche Stimmabgabe bzw. eine Stimmabgabe durch Handaufheben bzw. Aufstehen von den Plätzen stattfindet. Auch hier wird ­ soweit ersichtlich ­ nirgends verlangt, dass im Rahmen des Abstimmungsvorgangs bzw. bei der Bevollmächtigung von Stimmrechtsvertretern Angaben über die Anzahl der Stimmen bzw. über den Aktiennennbetrag oder die Anzahl der gehaltenen Stückaktien gemacht werden. Vielmehr kommt es allein darauf an, dass das Abstimmungsergebnis zweifelsfrei festgestellt werden kann. Im Hinblick darauf, wie viel Stimmen ein Aktionär hat, lässt sich dies durch Einsichtnahme in das Teilnehmerverzeichnis nach § 129 Abs. 1 S. 2 AktG feststellen. Auch hier wird nach unserem Kenntnisstand nirgends die Ansicht vertreten, die Einsicht in das Teilnehmerverzeichnis sei den Aktionären und/oder den von ihnen bevollmächtigten Stimmrechtsvertretern ,,unzumutbar". Im Ergebnis gehen wir daher davon aus, dass bei der Verwendung von Stimmkarten in der Hauptversammlung einer AG Angaben über die Anzahl der Stimmen etc. nicht zwingend auf den Stimmkarten enthalten sein müssen.

7.

Gutachten/Abruf-Nr:

1383

Erscheinungsdatum:

01.01.2001

Rechtsbezug

National

Normen in Titel:

AktG § 134 Abs. 4; AktG § 118