05. September 2023
BeurkG § 53; GmbHG § 11; GmbHG § 60; EStDV § 54

Beendigung einer Einpersonen-Vor-GmbH; Rückabwicklungserfordernis; Widerruf einer Vollzugsanweisung durch Alleingesellschafter der GmbH

GmbHG §§ 11, 60 ff.; BeurkG § 53; EStDV § 54
Beendigung einer Einpersonen-Vor-GmbH; Rückabwicklungserfordernis; Widerruf einer Vollzugsanweisung durch Alleingesellschafter der GmbH

I. Sachverhalt
A errichtete durch notarielle Urkunde eine GmbH mit sich als Alleingesellschafter. Die Handelsregisteranmeldung samt Geschäftsführerversicherung wurde im Gründungstermin vom Urkundsnotar beglaubigt. Sie enthält die ausdrückliche Anweisung an den Notar, beides erst nach Vorlage eines Nachweises über die Einzahlung der Einlage zum Handelsregister einzureichen. Der Notar hat die Gründung dem Körperschaftsfinanzamt und der Industrie- und Handelskammer mitgeteilt.

A hat inzwischen seine Pläne geändert und möchte die GmbH-Gründung rückgängig machen. Eingezahlt hat er bisher noch nicht, sodass dem Notar auch kein entsprechender Nachweis vorliegt.

II. Frage
Wie kann die GmbH vor dem Hintergrund des § 53 BeurkG rückabgewickelt werden?

III. Zur Rechtslage
1. Beendigung der Einpersonen-Vor-GmbH
Durch Beurkundung eines GmbH-Gesellschaftsvertrags (§ 2 GmbHG) mit mehreren Gründern entsteht nach bereits lange gefestigter Ansicht eine sog. Vor-GmbH. Diese ist der mit Eintragung entstehenden Voll-GmbH weitgehend vergleichbar und kann insbesondere bereits Träger von Rechten und Pflichten sein (s. nur BGH NJW 1981, 1373, 1374; Servatius, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl. 2022, § 11 Rn. 12; Blath, in: Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 4. Aufl. 2023, § 11 Rn. 43, 58). Die Frage, was durch Beurkundung des Gesellschaftsvertrags eines Alleingründers bewirkt wird, ist noch nicht abschließend geklärt. Die mittlerweile wohl überwiegende Meinung sieht auch in diesem Fall ein weitgehend rechtsfähiges Zuordnungssubjekt gegeben, das von der Person des Alleingesellschafters zu unterscheiden ist (Servatius, § 11 Rn. 42; Lutter/Hommelhoff/Bayer, GmbHG, 21. Aufl. 2023, § 11 Rn. 38; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 13. Aufl. 2022, § 11 Rn. 169; GroßkommGmbHG/Ulmer/Habersack, 3. Aufl. 2019, § 11 Rn. 25; Blath, § 11 Rn. 74). Nach herkömmlicher Ansicht handelt es sich lediglich um ein Sondervermögen des Alleingesellschafters (vgl. die Nachw. bei MünchKommGmbHG/Merkt, 4. Aufl. 2022, § 11 Rn. 233 m. Fn. 941).

So oder so dürfte die Einpersonen-Vor-GmbH ohne besonderen Auflösungsbeschluss beendigt werden können und der Alleingesellschafter mit Aufgabe der Eintragungsabsicht automatisch in alle Rechte und Pflichten der Vor-GmbH eintreten (vgl. MünchKommGmbHG/Merkt, § 11 Rn. 252; zum Akt der Aufgabe – Kundgabeerfordernis – s. OLG München RNotZ 2017, 680 Rn. 24 ff. bzgl. Einpersonen-Vor-AG). Meist ist insoweit heute von einem liquidationslosen Erlöschen der Vor-GmbH die Rede und einer Gesamtrechtsnachfolge beim Alleingesellschafter (vgl. BGH NZG 1999, 960, 961: Erlöschen ipso iure mit Aufgabe der Eintragungsabsicht; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 11 Rn. 40; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 11 Rn. 168; Blath, § 11 Rn. 76; MünchKommGmbHG/Merkt, § 11 Rn. 252; Altmeppen, GmbHG, 11. Aufl. 2023, § 11 Rn. 111; Rowedder/Pentz/Wöstmann, GmbHG, 7. Aufl. 2022, § 11 Rn. 153; Wicke, GmbHG, 4. Aufl. 2020, § 11 Rn. 16; Bork/Schäfer/Schroeter, GmbHG, 5. Aufl. 2022, § 11 Rn. 99; Heidinger/Knaier, in: Heckschen/Heidinger, Die GmbH in der Gestaltungs- und Beratungspraxis, 5. Aufl. 2023, Kap. 3 Rn. 87; krit. Servatius, § 11 Rn. 43; BeckOK-GmbHG/Jaeger, Std.: 1.6.2023, § 11 Rn. 43).

Anders formuliert: Mit der Aufgabe der Gründungsabsicht hat sich die Gründung erledigt, allerdings ist der Gründer für alle ggf. begründeten Verpflichtungen der GmbH voll persönlich verantwortlich. Daher ist mit der unmittelbaren Beendigung der Einpersonen-Vor-GmbH auch keine Gefahr für die Gläubiger verbunden.

Die Einlage kann mit Aufgabe der Eintragungsabsicht und Beendigung der Vor-GmbH nicht mehr an diese gezahlt werden. Abgesehen davon dürfte die Einlagepflicht ohnehin zumindest durch Konfusion erloschen sein.

2. Schicksal der Vollzugsanweisung
Grundsätzlich hat der Notar Urkunden, die beim Registergericht einzureichen sind, bei Vollzugsreife einzureichen (vgl. § 53 BeurkG). Die Beteiligten können jedoch Vollzugsanweisungen erteilen, etwa zur Einreichung der Urkunde erst auf den Nachweis einer Zahlung hin (Winkler, BeurkG, 20. Aufl. 2022, § 53 Rn. 20 f.). Ebenso steht der Nichtvollzug zur Disposition der Beteiligten: Wenn sämtliche Beteiligten vom Notar verlangen, vom Vollzug abzusehen, so muss der Notar dem Folge leisten (BGH RNotZ 2021, 163 Rn. 10; BeckOGK-BeurkG/Regler, Std.: 1.7.2023, § 53 Rn. 21) und die bereits eingereichte Urkunde, soweit möglich, vom Registergericht zurückerlangen (Winkler, § 53 Rn. 22).

Im vorliegenden Fall wäre die ursprüngliche Vollzugsanweisung bei gegenteiliger Anweisung des Alleingründers, genauer gesagt des anmeldenden Geschäftsführers (vgl. BeckOGK-BeurkG/Regler, § 53 Rn. 22), nicht mehr zu beachten. Die Vorlage zum Registergericht hätte zu unterbleiben. Ob bereits etwas eingezahlt wurde oder nicht, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle.

3. Mitteilung ggü. dem Finanzamt
Gem. § 54 Abs. 1 S. 1 EStDV übersenden die Notare dem Finanzamt nach § 20 AO (Betriebsfinanzamt) eine beglaubigte Abschrift der Gründungsurkunde (vgl. auch Kindler, in: Beck’sches Notar-Handbuch, 7. Aufl. 2019, § 31 Rn. 324). Es geht hierbei um eine Anzeigepflicht des Notars (vgl. Küperkoch, RNotZ 2002, 298, 308), nicht um eine Anmeldung oder Ähnliches. Insofern ist u. E. auch kein Raum für eine Rücknahme; vielmehr müsste eine einfache Mitteilung genügen, dass der Gründer die Eintragungsabsicht aufgegeben hat.

4. Einholung der Stellungnahme der IHK
Zur Verfahrensbeschleunigung (vgl. § 380 Abs. 2 S. 1 FamFG) kann es zweckmäßig sein, dass der Notar im Auftrag der Beteiligten eine Stellungnahme der Industrie- und Handelskammer (IHK) zur Zulässigkeit der Firma einholt (vgl. BeckOK-GmbHG/C. Jaeger, Std.: 1.6.2023, § 8 Rn. 11; ggf. auch zum Unternehmensgegenstand, vgl. Terbrack, in: Hauschild/Kallrath/Wachter, Notarhandbuch Gesellschafts- und Unternehmensrecht, 3. Aufl. 2022, § 16 Rn. 14). Hier geht es nicht einmal um eine notarielle Anzeigepflicht, wenn auch eventuell um eine Standardmitteilung in der Praxis vieler Notare (vgl. Terbrack, § 16 Rn. 34). Umso mehr müsste hier eine einfache Mitteilung genügen, dass sich die Gründung erledigt hat.

5. Fazit
Die Einpersonen-Vor-GmbH erlischt mit Aufgabe der Eintragungsabsicht liquidationslos, der Alleingesellschafter tritt kraft Gesamtrechtsnachfolge in die Rechte und Pflichten der Gesellschaft ein. Eine Anweisung des Notars zum Vollzug der Anmeldung kann der Alleingründer ohne Weiteres ändern. Dem gem. § 54 Abs. 1 S. 1 EStDV bereits informierten Finanzamt kann die Aufgabe der Eintragungsabsicht einfach mitgeteilt werden.

Gutachten/Abruf-Nr:

198872

Erscheinungsdatum:

05.09.2023

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

GmbH
Beurkundungsverfahren

Erschienen in:

DNotI-Report 2023, 132-133

Normen in Titel:

BeurkG § 53; GmbHG § 11; GmbHG § 60; EStDV § 54