11. September 2018
BGB § 2346

Pflichtteilsverzicht; Vollmachtlose Vertretung des Verzichtenden; Tod des Verzichtenden vor Genehmigung

BGB § 2346
Pflichtteilsverzicht; Vollmachtlose Vertretung des Verzichtenden; Tod des Verzichtenden vor Genehmigung

I. Sachverhalt
In einem notariellen Übergabevertrag haben Eltern ihr Wohnhaus auf ihren Sohn übertragen. Neben dem begünstigten Sohn gab es noch einen weiteren Sohn, der bei der Beurkundung nicht anwesend sein konnte und daher von einer Mitarbeiterin des beurkundenden Notars vollmachtlos vertreten wurde. In der Urkunde wurde unter anderem ein gegenständlich beschränkter Pflichtteilsverzicht des nicht anwesenden Sohnes vereinbart.

Der nicht anwesende Sohn ist im Anschluss an die Beurkundung verstorben, eine Nachgenehmigung durch ihn konnte daher nicht mehr erfolgen. Beerbt wurde der Verstorbene durch letztwillige Verfügung allein von seinem Bruder, dem Übernehmer des Wohnhauses.

Der Verstorbene war ledig, hatte jedoch einen Sohn.

II. Frage
Kann der Bruder des Verstorbenen als alleiniger Erbe den Übergabevertrag in dieser Funktion nachgenehmigen, um somit mögliche (zukünftige) Pflichtteilsergänzungsansprüche des Sohnes des Verstorbenen hinsichtlich des übertragenen Wohnhauses auszuschließen?

III. Zur Rechtslage
Im Gegensatz zum Erblasser (vgl. § 2347 Abs. 2 BGB) kann sich der Verzichtende jederzeit beim Abschluss eines Erb- und/oder Pflichtteilsverzichtsvertrages i. S. d. §§ 2346 ff. BGB ebenso vertreten lassen, wie bei sonstigen Rechtsgeschäften unter Lebenden. Hierbei kann der Vertreter für den Verzichtenden aufgrund einer Vollmacht (§ 164 BGB) oder als Vertreter ohne Vertretungsmacht (§ 177 BGB) handeln (Staudinger/Schotten, BGB, 2016, § 2347 Rn. 7; MünchKommBGB/Wegerhoff, 7. Aufl. 2017, § 2347 Rn. 3).

Die nachträgliche Genehmigung bedarf seitens des Verzichtenden in jedem Fall keiner besonderen Form, wie sich aus § 182 Abs. 2 BGB ergibt (vgl. Staudinger/Schotten, § 2348 Rn. 9; Soergel/Damrau, BGB, 13. Aufl. 2002, § 2347 Rn. 2). Gleichwohl dürfte es sich regelmäßig aus Beweisgründen empfehlen, eine nachträgliche Genehmigungserklärung des Verzichtenden zumindest notariell zu beglaubigen.

Im Übrigen bleibt zu berücksichtigen, dass der Erbverzicht bzw. Pflichtteilsverzicht nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht vom Verzichtenden nur bis zum Tod des Erblassers genehmigt werden kann (bpsw. Staudinger/Schotten, § 2347 Rn. 8). Auch wenn dieser Auffassung zu Recht mit Blick auf die zivilrechtliche Rückwirkung der Genehmigung (§ 184 Abs. 1 BGB) auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses wiedersprochen wird, ist die Rechtslage aufgrund der noch fehlenden Rechtsprechung unsicher (vgl. hierzu Weber/Raude, RNotZ 2018, 238, 240 m. w. N.).

Stirbt der Verzichtende vor dem Erblasser, ohne dass der Verzicht zu diesem Zeitpunkt bereits wirksam war, kann der Verzicht für den Verzichtenden selbst keine Wirkung mehr entfalten.

Ob durch eine nachträgliche Genehmigung bzw. ein nachträgliches Wirksamwerden des Verzichts noch Wirkungen für Abkömmlinge des Verzichtenden erreicht werden können (§ 2349 BGB), ist umstritten. Die h. M. geht dabei davon aus, das die Erstreckungswirkung des § 2349 BGB nicht mehr eingreifen kann, da die Abkömmlinge des Verzichtenden bereits eine eigene selbstständige Rechtsposition erworben haben, die ohne ihre Zustimmung nicht mehr beseitigt werden könne. § 130 Abs. 2 Alt. 1 BGB gelte daher für den Erbverzicht nicht (Staudinger/Schotten, § 2347 Rn. 9 m. w. N.). Nach anderer Ansicht ist dies insbesondere bei einem reinen Pflichtteilsverzicht nicht anzunehmen. § 130 Abs. 2 BGB sei als Teil des allgemeinen Teils des BGB auch auf § 2347 BGB anwendbar (BeckOGK-BGB/Everts, Std.: 10.7.2018, § 2347 Rn. 6 ff. m. w. N.).

Die Rechtsprechung hat, soweit ersichtlich, zu dieser Spezialproblematik noch nicht Stellung genommen. Die Rechtslage ist daher unsicher. Es dürfte allerdings ein erhebliches Risiko bestehen, dass ein Gericht im Streitfall der h. M. folgen und eine Erstreckungswirkung auf die Abkömmlinge ablehnen würde.

Sicherster Weg wäre daher, die Genehmigung durch den Erben erklären zu lassen und gleichzeitig die Übergeber und den Sohn des Verstorbenen im eigenen Namen einen beschränkten Pflichtteilsverzichtsvertrag abschließen zu lassen.

Gutachten/Abruf-Nr:

162514

Erscheinungsdatum:

11.09.2018

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Erbverzicht

Erschienen in:

DNotI-Report 2018, 129-130

Normen in Titel:

BGB § 2346