FamFG § 344 Abs. 7
Zuständigkeit des Nachlassgerichts am Ort des Ausschlagenden zur Entgegennahme einer notariell beglaubigten Ausschlagungserklärung
I. Sachverhalt
Ein Nachlassgericht weigert sich, eine notariell beglaubigte Erbausschlagung anzunehmen. Es begründet dies damit, dass nur der Ausschlagende seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bezirk des Nachlassgericht hat, der Erblasser hingegen seinen letzten gewöhlichen Aufenthalt im Bezirk eines anderen Nachlassgerichts hatte. Es ist der Auffassung, dass die Zuständigkeitsnorm des § 344 Abs. 7 FamFG nicht für notariell beglaubigte Erbausschlagungserklärungen, sondern nur für Ausschlagungserklärungen gilt, die direkt zu Protokoll des Nachlassgerichts erklärt wurden.
II. Frage
Gilt die Zuständigkeit für die Entgegennahme der Ausschlagungserklärung nach § 344 Abs. 7 FamFG auch für notariell beglaubigte Ausschlagungserklärungen?
III. Zur Rechtslage
1. Bisheriger Streitstand
Die aufgeworfene Rechtsfrage ist – soweit ersichtlich – in der Rechtsprechung noch nicht entschieden worden. Die Literatur geht allerdings nahezu ausnahmslos davon aus, dass die besondere Zuständigkeit des Nachlassgerichts am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts des Ausschlagenden gem. § 344 Abs. 7 S. 1 FamFG auch dann begründet ist, wenn es alleine um die gerichtliche Entgegennahme einer notariell beurkundeten oder beglaubigten Ausschlagungserklärung geht. Diese ganz h. M. stützt sich dafür auf den Sinn und Zweck der Regelung, der darin besteht, den Ausschlagenden vor Unsicherheiten hinsichtlich des zuständigen Gerichts zu schützen, die sich daraus ergeben, dass er oftmals keine verlässliche Kenntnis vom letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers hat (BeckOK-FamFG/Schlögel, Std.: 1.4.2019, § 344 Rn. 14; Keidel/Zimmermann, FamFG, 19. Aufl. 2017, § 344 Rn. 48; Harders, in: Bumiller/Harders/Schwamb, FamFG, 12. Aufl. 2019, § 344 Rn. 16; MünchKommFamFG/Grziwotz, 3. Aufl. 2019, § 344 Rn. 46; ausf. Heinemann, DNotZ 2011, 498, 499; ders., ZErb 2008, 293, 295; Fröhler, BWNotZ 2012, 160, 161; Lukoschek, NotBZ 2010, 324, 328 f.). Dieser Standpunkt ist aus unserer Sicht überzeugend. Angesichts der Gleichwertigkeit der Erklärung der Ausschlagung gegenüber dem Nachlassgericht entweder (i. d. R. mündlich) zur Niederschrift oder in öffentlich beglaubigter Form (§ 1945 Abs. 1 BGB) und der Vergleichbarkeit der Situation, in der sich der Ausschlagende hinsichtlich der Kenntnis vom sonst maßgeblichen letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers befindet, erschiene eine Ungleichbehandlung beider Erklärungsmodalitäten in der Frage der Zuständigkeit kaum verständlich.
Eine andere Ansicht wurde bislang lediglich von Bestelmeyer (Rpfleger 2010, 635, 637) vertreten. Er verweist auf die Gesetzesbegründung, in der nur von der Aufnahme der Erklärung durch das Nachlassgericht gesprochen wird sowie davon, dass „Niederschriften der örtlich unzuständigen Nachlassgerichte über die Aufnahme der Erklärungen nicht anerkannt [wurden vom zuständigen Nachlassgericht], wenn zuvor nicht ein ausdrückliches Ersuchen um Amtshilfe ergangen ist“ (BT-Drs. 16/6308, S. 389 f.).
Bestelmeyer ist zuzugeben, dass die ursprüngliche Gesetzesbegründung den Schluss nahelegt, ihre Verfasser hätten nur an die zur Niederschrift des Nachlassgerichts abgegebene Erklärung gedacht, nicht aber an die notariell beglaubigte (oder beurkundete) Ausschlagungserklärung. Ein ausdrücklicher Wille zu einer entsprechenden Beschränkung der Zuständigkeitsnorm ergibt sich daraus u. E. allerdings nicht.
2. Neufassung des § 344 Abs. 7 FamFG
Diese auch bereits bislang im Ergebnis nicht überzeugenden Bedenken dürften durch die Neufassung des § 344 Abs. 7 FamFG erledigt sein, die die Vorschrift mit dem Gesetz zum Internationalen Erbrecht und zur Änderung von Vorschriften zum Erbschein sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften (BGBl. 2015 I. S. 1042) erfahren hat (Harders, in: Bumiller/Harders/Schwamb, § 344 Rn. 16). In § 344 Abs. 7 S. 2 FamFG wird ausdrücklich geregelt, dass entweder die Niederschrift oder die Urschrift der öffentlich beglaubigten Erklärung an das zuständige Nachlassgericht zu übersenden ist. Damit gibt das Gesetz zu erkennen, dass sich § 344 Abs. 7 FamFG nicht nur auf zur Niederschrift des Nachlassgerichts abgegebene Erklärungen bezieht.
Die Gesetzesbegründung führt insoweit aus:
„Von der Entgegennahme sind sowohl die Ausschlagungs- oder Anfechtungserklärungen in öffentlich beglaubigter Form als auch die zur Niederschrift des Nachlassgerichts abgegebenen Erklärungen erfasst. Soweit nunmehr in Satz 2 die Erklärungen in öffentlich beglaubigter Form ausdrücklich aufgeführt sind, dient auch dies lediglich der Klarstellung, dass nicht nur zur Niederschrift aufgenommene Erklärungen an das nach § 343 FamFG zuständige Nachlassgericht zu übersenden sind, sondern auch Ausschlagungs- und Anfechtungserklärungen in öffentlich beglaubigter Form.“
(BT-Drucks. 18/4201, S. 59)
Damit bringt auch die Gesetzesbegründung unmissverständlich zum Ausdruck, dass die Empfangszuständigkeit nach § 344 Abs. 7 FamFG nicht nur für protokollierte Erklärungen des Nachlassgerichts, sondern auch für öffentlich beglaubigte Ausschlagungserklärungen und damit insbesondere auch für notariell beglaubigte Ausschlagungserklärungen gilt.
3. Ergebnis
Auch wenn es an einer gerichtlichen Entscheidung der aufgeworfenen Rechtsfrage fehlt, kann im Hinblick auf den nun unmissverständlichen Wortlaut der Vorschrift davon ausgegangen werden, dass auch eine notariell beglaubigte Ausschlagungserklärung rechtssicher am Gericht des gewöhnlichen Aufenthalts des Ausschlagenden eingereicht werden kann.