26. September 2019
BGB § 2198; BGB § 2200

Geschäftsunfähigkeit des berufenen Testamentsvollstreckers und der zur Ernennung des Ersatzvollstreckers bestimmten Person; Bestimmung eines Ersatztestamentsvollstreckers

BGB §§ 2198, 2200
Geschäftsunfähigkeit des berufenen Testamentsvollstreckers und der zur Ernennung des Ersatzvollstreckers bestimmten Person; Bestimmung eines Ersatztestamentsvollstreckers

I. Sachverhalt
Die Ehegatten A und B haben einen notariellen Erbvertrag geschlossen und jeweils die gemeinsamen drei Kinder zu gleichen Teilen zu Erben eingesetzt. Ferner haben sie jeweils Vermächtnisse ausgesetzt.

Der Längerlebende wurde außerdem zum Testamentsvollstrecker über den Nachlass des Erstversterbenden zur Abwicklungsvollstreckung bestimmt. Der Testamentsvollstrecker ist auch berechtigt, vor oder nach Annahme des Amts einen Ersatzvollstrecker zu benennen.

Der Ehemann A ist verstorben. Die B ist inzwischen nicht mehr geschäftsfähig; sie kann daher das Amt des Testamentsvollstreckers nicht annehmen und auch keinen Ersatzvollstrecker benennen. Die B hat den gemeinsamen Kindern (im geschäftsfähigen Zustand) Generalvollmacht erteilt.

II. Fragen
1. Können die Kinder aufgrund der Generalvollmacht einen Ersatztestamentsvollstrecker benennen?

2. Kann das zuständige Nachlassgericht ersucht werden, einen geeigneten Testamentsvollstrecker zu bestimmen?

III. Zur Rechtslage
1. Anordnung bzgl. Testamentsvollstrecker nicht duchführbar
Vorliegend hat der Erblasser zwar die Testamentsvollstreckung nach § 2197 BGB wirksam angeordnet; er hat den Testamentsvollstrecker zunächst wirksam bestimmt sowie den bestimmten Testamentsvollstrecker wirksam ermächtigt, nach § 2198 BGB einen Ersatztestamentsvollstrecker zu benennen. Jedoch scheidet die vom Erblasser benannte Ehefrau wegen ihrer Geschäftsunfähigkeit als Testamentsvollstreckerin aus. Ihre Ernennung ist gem. § 2201 BGB unwirksam. Das Bestimmungsrecht nach § 2198 Abs. 1 BGB, das ihr eingeräumt ist, kann sie ebenfalls nicht wirksam ausüben, weil die Ausübung dieses Rechts gleichermaßen die volle Geschäftsfähigkeit des Erklärenden voraussetzt (jurisPK-BGB/Heilmann, 8. Aufl. 2017, § 2198 Rn. 6).

2. Ausübung des Bestimmungsrechts nach § 2198 BGB aufgrund Vollmacht
Fraglich ist, ob das der Ehefrau zugedachte Bestimmungsrecht von einem ihrer generalbevollmächtigten Kinder ausgeübt werden kann.
    
Nach der Literatur soll das Bestimmungsrecht grundsätzlich ein höchstpersönliches Recht sein, bei dem jedenfalls eine Vertretung im Willen ausscheidet (BeckOGK-BGB/Leitzen, Std.: 1.6.2019, § 2198 Rn. 4; BeckOK-BGB/Lange, Std.: 1.8.2019, § 2198 Rn. 4; s. aber Staudinger/Reimann, BGB, 2016, § 2198 Rn. 12, der eine Vertretung bei Abgabe der Erklärung für möglich hält und wohl auch im Willen, wenn der Erblasser dazu gesondert ermächtigt hat). Bereits die dem Erblasser durch § 2198 BGB eingeräumte Möglichkeit, die Bestimmung des Testamentsvollstreckers einem anderen zu überlassen, stellt eine Relativierung des Höchstpersönlichkeitsgrundsatzes aus § 2065 BGB dar. Die letztgenannte Norm fordert eine Entscheidung des Erblassers selbst, soweit die Festlegung der Erbfolge im weiteren Sinne betroffen ist (vgl. Staudinger/Reimann, § 2198 Rn. 1 f.). Insofern liegt es nahe, dass nur der Erblasser den Bestimmungsberechtigten auswählen kann und dass dessen Entscheidung über die Grenze des § 2198 BGB hinaus damit auch nicht einem Bevollmächtigten zugewiesen werden kann – soweit nicht der Erblasser dies ausdrücklich zugelassen hat oder sich der Verfügung von Todes wegen ein entsprechender Wille durch Auslegung entnehmen lässt. Im Ergebnis dürfte also davon auszugehen sein, dass der Bestimmungsberechtigte sein Benennungsrecht allenfalls bei entsprechender Anordnung des Erblassers „weiterdelegieren“ kann.

Unterstellt man, dass der Erbvertrag im vorliegenden Fall keine weiteren Bestimmungen enthält, wäre also eine Ausübung des Bestimmungsrechts aufgrund der Vollmacht nicht möglich.

3. Fristsetzung durch das Nachlassgericht nach § 2198 Abs. 2 BGB
Da die bevollmächtigten Kinder das Bestimmungsrecht nach oben Gesagtem nicht für die Ehefrau des Erblassers ausüben können, wäre das Verfahren nach § 2198 Abs. 2 BGB – Fristsetzung durch das Nachlassgericht – zu durchlaufen. Dieses Verfahren wird in der Literatur gerade auch in solchen Fällen für anwendbar erachtet, in denen der Bestimmungsberechtigte sein Recht wegen Geschäftsunfähigkeit nicht ausüben kann (Staudinger/Reimann, § 2198 Rn. 26). Dabei unterstellen wir, dass nicht bereits in der Verfügung von Todes wegen eine Frist für die Bestimmung gesetzt worden ist.

Gem. § 2198 Abs. 2 BGB wäre auf Antrag eines Beteiligten (hier käme insbesondere einer der eingesetzten Erben in Betracht, vgl. BeckOK-BGB/Lange, § 2198 Rn. 8) der bestimmungsberechtigten Ehefrau vom Nachlassgericht eine Frist zur Ausübung des Bestimmungsrechts zu setzen. Nach § 345 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 FamFG wäre die Ehefrau zwingend zu beteiligen, um ihr rechtliches Gehör zu gewähren (vgl. MünchKommBGB/Zimmermann, 7. Aufl. 2017, § 2198 Rn. 13). Soweit die erteilte Generalvollmacht dies abdeckt, dürfte diesbezüglich eine Vertretung durch eines der Kinder in Betracht kommen; andernfalls wäre vom Gericht ggf. ein Verfahrenspfleger zu bestellen. Mit Ablauf der Frist würde ihr Bestimmungsrecht erlöschen (vgl. Staudinger/Reimann, § 2198 Rn. 18).

4. Nach Fristablauf: Benennung durch das Nachlassgericht oder Wegfall der Testamentsvollstreckung
Erlischt das Bestimmungsrecht der Ehefrau nach Durchführung des Verfahrens gem. § 2198 Abs. 2 BGB, so ist es – mangels ausdrücklicher Regelung im Testament – eine Frage der Testamentsauslegung, ob sodann die Testamentsvollstreckung gänzlich entfällt oder ob das Nachlassgericht einen Testamentsvollstrecker benennen kann (vgl. Staudinger/Reimann, § 2198 Rn. 18; Keidel/Zimmermann, FamFG, 19. Aufl. 2017, § 355 Rn. 4).

Ein Ernennungsrecht des Nachlassgerichts besteht nur dann, wenn die Auslegung ergibt, dass die letztwillige Verfügung ein – zumindest – stillschweigendes Ersuchen gem. § 2200 BGB gegenüber dem Nachlassgericht enthält (vgl. Palandt/Weidlich, BGB, 78. Aufl. 2019, § 2200 Rn. 2; BeckOK-BGB/Lange, Std.: 1.8.2019, § 2200 Rn. 2 m. w. N.).

Die Rechtsprechung ist insoweit eher großzügig und nimmt ein stillschweigendes Ersuchen bereits dann an, wenn der Erblasser – hätte er die Veränderung vorhergesehen – vermutlich die Ernennung durch das Nachlassgericht gewünscht hätte, insbesondere weil die mit der Testamentsvollstreckung verfolgten Ziele noch nicht erreicht sind. Von maßgeblicher Bedeutung ist demnach, zu welchem Zweck der Erblasser die Testamentsvollstreckung angeordnet hat und ob die für die Testamentsvollstreckung maßgeblichen Gründe auch nach dem Wegfall der im Testament benannten Person fortbestehen (BayObLG NJW-RR 2003, 224, 225; NJWE-FER 1997, 181; NJW-RR 1988, 387, 388; OLG Hamm RNotZ 2001, 284, 286 = MittBayNot 2001, 217; OLGZ 1976, 20, 21 = DNotZ 1976, 566; OLG Zweibrücken FGPrax 2006, 169; OLG München NJW 2009, 1152, 1153). In der Literatur wird dieser großzügige Auslegungsmaßstab der Rechtsprechung – u. E. zu Recht – überwiegend kritisch gesehen. Gegen die vorschnelle Annahme eines stillschweigenden Ersuchens spricht, dass es sich bei § 2200 BGB nicht um eine allgemeine „Auffangnorm einer unvollständigen Testamentsvollstreckerernennung“ handelt (vgl. BeckOK-BGB/Lange, § 2200 Rn. 3).

Für die Auslegung ist relevant, ob die Testamentsvollstreckung aus sachlichen Gründen der Nachlassabwicklung oder mit Blick auf die konkrete Person des eingesetzten Testamentsvollstreckers angeordnet worden ist (BeckOK-BGB/Lange, § 2200 Rn. 3). Der Schutz minderjähriger Erben oder die Sicherung einer ansonsten komplizierten Erbauseinandersetzung sind dabei mögliche Anhaltspunkte für einen entsprechenden Erblasserwillen (BeckOK-BGB/Lange, § 2200 Rn. 3; Staudinger/Reimann, § 2200 Rn. 8 – jew. m. w. N).

Überwiegend wird für die Annahme eines stillschweigenden Ernennungsersuchens zudem gefordert, dass in der letztwilligen Verfügung der Wille des Erblassers, die Testamentsvollstreckung auch beim Wegfall der benannten Personen fortdauern zu lassen (OLG Düsseldorf NJW-RR 2012, 1097, 1098; BeckOK-BGB/Lange, § 2200 Rn. 3), wenigstens angedeutet ist (vgl. die sog. Andeutungstheorie).

Es dürfte daher im vorliegenden Fall darauf ankommen, ob es dem Erblasser nur darum ging, eine Person einzusetzen oder einsetzen zu lassen, die den Bestand des Nachlasses kennt, oder ob ihn darüber hinaus weitere Gründe dazu bewogen haben, eine konkrete Person als Testamentsvollstrecker einzusetzen und mit dem Bestimmungsrecht auszustatten.

5. Ergebnis
Die Geschäftsunfähige kann einen (Ersatz-)Testamentsvollstrecker nicht wirksam bestimmen. Die Bestimmung lässt sich auch nicht aufgrund einer Vollmacht des Bestimmungsberechtigten vornehmen. Das Bestimmungsrecht erlischt erst mit Ablauf einer Frist, die der Erblasser in der letztwilligen Verfügung oder ersatzweise das Nachlassgericht gem. § 2198 Abs. 2 BGB gesetzt hat. Ob im Anschluss an den Fristablauf die Testamentsvollstreckung entfällt oder das Nachlassgericht einen Testamentsvollstrecker ernennen kann, ist durch Auslegung der letztwilligen Verfügung zu ermitteln und hängt insbesondere von den Zielen ab, die mit der Anordnung der Testamentsvollstreckung verbunden waren.

Gutachten/Abruf-Nr:

170771

Erscheinungsdatum:

26.09.2019

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Testamentsvollstreckung

Erschienen in:

DNotI-Report 2019, 145-146

Normen in Titel:

BGB § 2198; BGB § 2200