25. März 2022
GmbHG § 15 Abs. 4; GmbHG § 55; GmbHG § 53; GmbHG § 3 Abs. 2

Gesellschaftervereinbarung mit Agiopflicht neben Kapitalerhöhungsbeschluss; Beurkundungsbedürftigkeit; Abgrenzung zwischen schuldrechtlichem und korporativem Agio; Vollständigkeitsgrundsatz; Änderung oder Aufhebung von Call-Option und Put- Option

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letzte Aktualisierung: 25. März 2022

GmbHG §§ 53, 55, 3 Abs. 2, 15 Abs. 4
Gesellschaftervereinbarung mit Agiopflicht neben Kapitalerhöhungsbeschluss;
Beurkundungsbedürftigkeit; Abgrenzung zwischen schuldrechtlichem und korporativem
Agio; Vollständigkeitsgrundsatz; Änderung oder Aufhebung von Call-Option und Put-
Option

I. Sachverhalt

Im Rahmen der Finanzierungsrunde einer Start-up-GmbH soll neben einen (beurkundeten)
Kapitalerhöhungs- und Satzungsneufassungsbeschluss eine privatschriftliche Gesellschaftervereinbarung
treten. Diese Vereinbarung soll ein schuldrechtliches Agio und andere Verpflichtungen
der Gesellschafter untereinander enthalten (z. B. ein Wettbewerbsverbot). Sie wird
eine frühere Gesellschaftervereinbarung ersetzen, die beurkundet wurde, weil sie Put- und Call-
Optionen sowie weitere Verpflichtungen zur Veräußerung und zum Erwerb von Geschäftsanteilen
enthielt. In der neuen Gesellschaftervereinbarung wird keinerlei Regelung über die Verpflichtung
zum Erwerb oder zur Veräußerung von Geschäftsanteilen getroffen sein, denn diese
werden nun in der Satzung abschließend geregelt. Es findet also eine Verschiebung der
Regelungen zur Put- und Call-Option von der Gesellschaftervereinbarung in die Satzung statt.

Ein beteiligter Rechtsanwalt geht unter Verweis auf OLG Dresden v. 17.6.1996 (2 U 546/96,
GmbHR 1997, 746) von der Beurkundungsbedürftigkeit der Nebenvereinbarung aus. Die Entscheidung
bejahe die Beurkundungsbedürftigkeit einer schuldrechtlichen Zuzahlungsverpflichtung
gegenüber der Gesellschaft. Im vorliegenden Fall sei die Entscheidung anzuwenden,
da die Verpflichtung für die Gesellschaft von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung sei.

II. Fragen

Muss die Gesellschaftervereinbarung beurkundet werden? Bilden die Satzungsänderungen und die
Gesellschaftervereinbarung ein einheitliches Rechtsgeschäft?

III. Zur Rechtslage

1. Beurkundungsbedürftigkeit gem. § 53 Abs. 2 S. 1 GmbHG

a) Einordnung als schuldrechtliches oder korporatives Agio

Ein Agio (Aufgeld) lässt sich bei der Kapitalerhöhung der GmbH sowohl korporativ wie
schuldrechtlich begründen (BGH DNotZ 2008, 461 Rn. 13; Servatius, in:
Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl. 2022, § 3 Rn. 57; Gutachten DNotI-Report
2015, 146, 147). Das korporative Agio ist als Nebenvereinbarung i. S. d. § 3 Abs. 2
GmbHG beurkundungsbedürftig (vgl. Gutachten DNotI-Report 2015, 146, 147). Im
Rahmen der Kapitalerhöhung bedeutet dies: Es muss als Teil des Kapitalerhöhungsbeschlusses
mitbeurkundet (§ 53 Abs. 2 S. 1 GmbHG) und daneben auch in die Übernahmeerklärung
aufgenommen werden (vgl. BGH DNotZ 2008, 461 Rn. 15). Eine Vereinbarung
außerhalb der Satzung sagt nicht zwingend etwas über den schuldrechtlichen
oder korporativen Charakter des Agios aus. Gleichwohl entscheidet am Ende allein
der Parteiwille im Einzelfall. Ein schuldrechtliches – und damit beurkundungsfreies –
Agio ist daher auch dann anzunehmen, wenn eine korporative Regelung näherliegend
oder „natürlicher“ gewesen wäre (Servatius, § 3 Rn. 57).

Die oben erwähnte Entscheidung des OLG Dresden v. 17.6.1996 (GmbHR 1997, 746)
steht dem nicht entgegen, denn sie leitet die Beurkundungsbedürftigkeit gerade aus dem
korporativen Charakter der Vereinbarung ab. Diesen korporativen Charakter ermittelt
das OLG anhand der „objektiven Interessenlage und dem mutmaßlichen Parteiwillen“
(GmbHR 1997, 746, 747), wobei es die erhebliche wirtschaftliche Bedeutung der
Leistung und das Fehlen einer Gegenleistung als wesentliche Anhaltspunkte wertet. Auf
solche Anhaltspunkte kommt es indes nicht an, wenn ein entgegenstehender tatsächlicher
Parteiwille auszumachen ist. Kurz gesagt: Es ist der Parteiwille im Einzelfall zu ermitteln,
allein die wirtschaftliche Bedeutung ist für die korporative Qualität nicht ausschlaggebend.
Ob das Agio mitbeurkundet werden muss, bleibt am Ende also Tatfrage. Für
die schuldrechtliche Qualität spricht vorliegend die Tatsache, dass es offenbar nur um
eine Verpflichtung unter den Gesellschaftern gehen soll. Bei einer Verpflichtung auch
gegenüber der Gesellschaft muss die Vereinbarung nicht zwingend korporativ sein,
allerdings soll sie dann auch als schuldrechtliche ausnahmsweise beurkundungsbedürftig
sein, weil sie als Entgelt für die Übernahme eines Geschäftsanteils geleistet
werde (vgl. Szalai/Kreußlein, notar 2019, 223, 229). Gleiches soll bei einer Vereinbarung
allein unter Gesellschaftern gelten, wenn das Agio aus gesellschaftsrechtlichen Gründen
zwingend sei, also vor allem wegen der Gefahr, dass Anteile der Altgesellschafter bei
unterwertiger Ausgabe verwässert würden (Szalai/Kreußlein, notar 2019, 223, 229; fraglich,
ob dann nicht gleich ein korporatives Agio angenommen werden müsste, vgl.
Herrler/Blath, Gesellschaftsrecht in der Notar- und Gestaltungspraxis, 2. Aufl. 2021, § 6
Rn. 461).

b) Etwaiger Umfang der Beurkundung

Selbst wenn man im vorliegenden Fall ein korporatives Agio und damit eine Beurkundungspflicht
bejahen müsste, führt dies u. E. noch nicht zur Beurkundungsbedürftigkeit
der gesamten Gesellschaftervereinbarung. Vielmehr ginge es zunächst lediglich darum,
dass das Agio als Teil des Kapitalerhöhungsbeschlusses beurkundet (und als Teil der
Übernahmeerklärung beglaubigt) würde. Ein Vollständigkeitsgrundsatz, der auch
weitere, an sich beurkundungsfreie Vereinbarungen beurkundungsbedürftig machen
würde, müsste sich aus der einschlägigen Formvorschrift überhaupt herleiten lassen.

Soweit es um § 53 Abs. 2 S. 1 GmbHG geht, nimmt man wohl allgemein kein Vollständigkeitsgebot
an (zum Streit über den Formzweck s. im Übrigen
GroßkommGmbHG/Ulmer/Casper, 2. Aufl. 2016, § 53 Rn. 49). So soll der vom
Kapitalerhöhungsbeschluss inhaltlich nicht zu trennende Zulassungsbeschluss nicht zu
beurkunden sein (MünchKommGmbHG/Lieder, 3. Aufl. 2018, § 55 Rn. 105;
Herrler/Blath, § 6 Rn. 477). Speziell für Einbringungsverträge zeigen sich die Grenzen
der Formbedürftigkeit an der h. M. zu § 57 Abs. 3 Nr. 3 GmbHG: Zwar sind hiernach
die Einbringungsverträge („Ausführungsverträge“) der Anlage beizufügen. Die Vorschrift
soll aber keinen Formzwang begründen, sodass Dokumente nur vorzulegen sind,
wenn sie existieren (MünchKommGmbHG/Lieder, § 57 Rn. 25;
Scholz/Priester/Tebben, GmbHG, 12. Aufl. 2021, § 57 Rn. 20;
Lutter/Hommelhoff/Bayer, GmbHG, 20. Aufl. 2020, § 57 Rn. 12). Davon abgesehen
scheint im Rahmen der Kapitalerhöhung das Formgebot des § 55 Abs. 1 GmbHG
(mindestens Beglaubigung der Übernahmeerklärung) anderweitige Formvorschriften im
Hinblick auf den Übernahmevertrag zu „sperren“ (so zumindest zu § 15 Abs. 4 GmbHG
das OLG Frankfurt, Beschl. v. 12.5.2015, BeckRS 2015, 11018; offen BGH NZG 2018,
29 Rn. 34; vgl. auch MünchKommGmbHG/Lieder, § 55 Rn. 128).

2. Beurkundungsbedürftigkeit gem. § 15 Abs. 4 S. 1 GmbHG

Anknüpfungspunkt für eine Beurkundungsbedürftigkeit aus § 15 Abs. 4 S. 1 GmbHG könnte
die ursprüngliche Gesellschaftervereinbarung mitsamt ihrer Call- und Put-Optionen sein (vgl.
zur Beurkundungsbedürftigkeit von Optionen Scholz/Seibt, GmbHG, 12. Aufl. 2018, § 15
Rn. 55), wenn man die neue Gesellschaftervereinbarung als Änderung dieser
beurkundungsbedürftigen Vereinbarung begriffe. Im Prinzip sind auch Vertragsänderungen
im Geltungsbereich von § 15 Abs. 4 S. 1 GmbHG beurkundungsbedürftig (vgl.
Servatius, § 15 Rn. 30; MünchKommGmbHG/Weller/Reichert, 4. Aufl. 2022, § 15 Rn. 110).

Selbst wenn sich die neue Vereinbarung als Änderung der ursprünglichen verstehen ließe,
bestünde die Änderung jedoch in einer Aufhebung der Abtretungsverpflichtungen. Die
Aufhebung einer Verpflichtung i. S. d. § 15 Abs. 4 S. 1 GmbHG ist indes nicht
beurkundungsbedürftig (Servatius, § 15 Rn. 35; Heidinger/Blath, in:
Heckschen/Heidinger, Die GmbH in der Gestaltungs- und Beratungspraxis, 4. Aufl. 2018,
Kap. 13 Rn. 9).

Hinsichtlich der Aufnahme der Optionen in die Satzung ist zu unterscheiden: Hätte sie
den Zweck, die Optionen zu korporativen Satzungsbestandteilen zu machen (davon soll
bei Aufnahme in die Satzung regelmäßig auszugehen sein, vgl. OLG München NZG 2021,
1454 Rn. 73; Scholz/Cziupka, § 3 Rn. 97; anders Servatius, § 3 Rn. 55), müsste § 15 Abs. 4
GmbHG u. E. eher zurücktreten. Eine Brücke von korporativen Satzungsbestandteilen zu
einfach-schuldrechtlichen Abreden lässt sich u. E. nicht ohne Weiteres schlagen. Freilich ließe
sich fragen, ob weitere Abreden aus der Gesellschaftervereinbarung nach dem Parteiwillen
eigentlich korporative Qualität haben sollen und daher ebenfalls in die Satzung aufzunehmen
wären.

Anders könnte man die Beurkundungsbedürftigkeit gem. § 15 Abs. 4 GmbHG beurteilen,
wenn die Verlagerung von Abtretungsverpflichtungen aus der Gesellschaftervereinbarung in
die Satzung allein dazu diente, die Gesellschaftervereinbarung zu einem beurkundungsfreien
Rechtsgeschäft zu machen – was nicht nur für den Abschluss, sondern auch für etwaige
spätere Vertragsänderungen Bedeutung hätte. Ob insoweit von einer Umgehung des § 15
Abs. 4 GmbHG die Rede sein kann, erscheint bisher kaum diskutiert. Denkmöglich scheint
eine solche Umgehung jedenfalls. Unseres Erachtens dürfte es jedoch schwer fallen, insoweit
praxistaugliche Kriterien aufzustellen. Auch sollte zu berücksichtigen sein, dass sich
korporative Bestimmungen auf einer anderen Regelungsebene bewegen und andere
Wirkungen zeitigen. Soweit sich die Beteiligten für diese Regelungsart mitsamt ihrer rechtlichen
Konsequenzen entscheiden, muss ihnen die Möglichkeit dazu eröffnet sein. Dann sind
grundsätzlich aber auch nur die Formvorgaben einzuhalten, die der Gesetzgeber speziell für
die Einführung (sowie Veränderung und Abschaffung) dieser Regelungen vorgesehen hat.

Wenn man die fraglichen Call- und Put-Optionen lediglich als unechte Satzungsbestandteile
einzuordnen hätte, also als schuldrechtliche Abreden, die nur der Form nach
Satzungsbestandteil sind, wäre die Fortgeltung des § 15 Abs. 4 GmbHG naheliegend.

Zunächst müssten die Abreden durch Willenserklärungsbeurkundung in die Satzung aufgenommen
werden, um wirksam entstehen zu können. Sodann wäre es denkbar, dass von
den formbedürftigen Optionen die weiteren Abreden der Gesellschaftervereinbarung abhingen
und darum mitbeurkundet werden müssten.

3. Ergebnis

Ein schuldrechtliches Agio, das im Zusammenhang mit einer Kapitalerhöhung der GmbH
vereinbart wird, ist auch dann nicht beurkundungsbedürftig, wenn es für die Gesellschaft von
erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung ist.

Ein korporatives Agio ist als Nebenvereinbarung i. S. d. § 3 Abs. 2 GmbHG beurkundungsbedürftig.
Wird es im Rahmen einer Kapitalerhöhung begründet, so muss es als Teil des
Kapitalerhöhungsbeschlusses gem. § 53 Abs. 2 S. 1 GmbHG mitbeurkundet und daneben in
die Übernahmeerklärung aufgenommen werden. Aus § 53 Abs. 2 S. 1 GmbHG folgt u. E.
kein Vollständigkeitsgrundsatz, sodass eine begleitende Gesellschaftervereinbarung aufgrund
dieser Norm nicht mitbeurkundet werden muss.

Werden im Rahmen einer Satzungsänderung Geschäftsanteilsabtretungsverpflichtungen aus
einer Gesellschaftervereinbarung in die Satzung verlagert, so ist diese Änderung der Gesellschaftervereinbarung
als Aufhebung einer Verpflichtung gem. § 15 Abs. 4 S. 1 GmbHG
regelmäßig nicht beurkundungsbedürftig.

Gutachten/Abruf-Nr:

187499

Erscheinungsdatum:

25.03.2022

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

GmbH

Normen in Titel:

GmbHG § 15 Abs. 4; GmbHG § 55; GmbHG § 53; GmbHG § 3 Abs. 2