18. Oktober 2024
InsO § 258; BGB § 42; BGB § 47

Insolvenz des Vereins; Auflösung des Vereins; Vertretung des Vereins nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens, jedoch vor Fassung eines Fortsetzungsbeschlusses

BGB §§ 42, 47 ff.; InsO § 258
Insolvenz des Vereins; Auflösung des Vereins; Vertretung des Vereins nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens, jedoch vor Fassung eines Fortsetzungsbeschlusses

I. Sachverhalt
Über das Vermögen eines Vereins war das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Dieses wurde nach Bestätigung des Insolvenzplans wieder aufgehoben, was so auch im Vereinsregister vermerkt ist. Im Insolvenzplan ist folgende Regelung enthalten:

„Der infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über dessen Vermögen aufgelöste Verein wird aufschiebend bedingt auf den Zeitpunkt eines Fortsetzungsbeschlusses der Mitgliederversammlung nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens fortgesetzt.“

Eine Mitgliederversammlung hat bislang noch nicht stattgefunden. Der im Vereinsregister eingetragene Vorstand soll eine Grundschuld bestellen.

II. Frage
1. Ist die Grundschuldbestellung vor dem Fortsetzungsbeschluss möglich

2. Kann der Notar einen entsprechenden Vertretungsnachweis erteilen?

III. Zur Rechtslage
Die Grundschuld soll hier in einer Art „Zwischenphase“ bestellt werden, die nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens, jedoch noch vor Fassung des Fortsetzungsbeschlusses liegt. Während des Insolvenzverfahrens verfügt nach allgemeinen Grundsätzen (§ 80 InsO) der Insolvenzverwalter über das betroffene Vereinsvermögen (Grüneberg/Ellenberger, BGB, 83. Aufl. 2024, § 42 Rn. 1; BeckOK-BGB/Schöpflin, Std.: 1.5.2024, § 42 Rn. 3). Nach Fassung des Fortsetzungsbeschlusses wird der Verein durch den Vorstand vertreten, § 75 Abs. 2 S. 1 BGB (vgl. Leuschner, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 5, 5. Aufl. 2021, § 60 Rn. 120 a. E. zur Pflicht des Vorstands zur Anmeldung der Fortsetzung durch Beschluss).

Fraglich ist im vorliegenden Fall insbesondere, wer den Verein in dieser Zwischenphase vertritt.

1. Ausgangspunkt: § 42 Abs. 1 BGB
a) Auflösung des Vereins durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens
§ 42 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB bestimmt, dass der Verein durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst wird. Folge der Auflösung des Vereins ist grundsätzlich (wie bei einer Gesellschaft) dessen Abwicklung. Im Fall der Auflösung aufgrund Eröffnung des Insolvenzverfahrens findet jedoch nicht die Regelliquidation statt (vgl. § 47 a. E. BGB), sondern eben – sozusagen als besonderes Abwicklungsverfahren – das Insolvenzverfahren nach den Regeln der InsO.

Die Organe des Vereins bestehen im Insolvenzverfahren unverändert fort. Es kommt also nicht – wie etwa bei der Auflösung aufgrund eines Beschlusses der Mitglieder/Gesellschafter – zum Erlöschen der Organstellungen (jurisPK-BGB/D. U. Otto, Std.: 25.8.2023, § 42 Rn. 11; BeckOK-BGB/Schöpflin, § 42 Rn. 3; Leuschner, § 60 Rn. 71). Der Insolvenzverwalter tritt (anders als ein Liquidator) also nicht an die Stelle des Vorstands des Vereins, sondern bildlich gesprochen neben diesen und übt die ihm gesetzlich zugewiesenen Kompetenzen aus (§ 80 InsO), während der Vorstand für bestimmte Aufgaben weiterhin zuständig und (etwa im Hinblick auf das insolvenzfreie Vermögen) vertretungsbefugt bleibt (vgl. Leuschner, § 60 Rn. 72).

b) Einstellung oder Aufhebung des Verfahrens, § 42 Abs. 1 S. 2 BGB
Das Insolvenzverfahren kann „eingestellt“ oder „aufgehoben“ werden. Für diesen Fall bestimmt § 42 Abs. 1 S. 2 BGB:

„Wird das Verfahren auf Antrag des Schuldners eingestellt oder nach der Bestätigung des Insolvenzplans, der den Fortbestand des Vereins vorsieht, aufgehoben, so kann die Mitgliederversammlung die Fortsetzung des Vereins beschließen.“

Im vorliegenden Fall wurde der Insolvenzplan, der den Fortbestand des Vereins auch vorsieht, bestätigt (§ 42 Abs. 1 S. 2 Var. 2 BGB). Nach der Bestätigung des Insolvenzplans wurde das Insolvenzverfahren aufgehoben (s. a. § 258 Abs. 1 InsO).

2. Rechtsfolge der Aufhebung des Insolvenzverfahrens, § 259 InsO
§ 259 Abs. 1 InsO bestimmt, dass mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens die Ämter des Insolvenzverwalters und der Mitglieder des Gläubigerausschusses erlöschen sowie dass der Schuldner das Recht zurückerhält, über die Insolvenzmasse frei zu verfügen. Daraus ergibt sich jedenfalls, dass mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens eine Vertretung des Vereins im Außenverhältnis durch den Insolvenzverwalter nicht mehr stattfindet.

Daraus, dass der Schuldner das Recht zurückerhält, über die Insolvenzmasse frei zu verfügen, ergibt sich für den konkreten Fall, dass der Verein wieder verfügungsbefugt ist, nicht jedoch unmittelbar, wer den Verein insoweit vertritt. Jedoch ist zu fragen, welche Möglichkeiten insofern überhaupt bestehen: Da eine Vertretung durch den Insolvenzverwalter ausscheidet, bleiben letztlich nur noch der Vorstand oder der oder die Liquidatoren (§§ 48 ff. BGB).

3. Vertretung des aufgelösten Vereins durch Liquidatoren
Da der Verein vor der Fassung des Fortsetzungsbeschlusses infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens immer noch aufgelöst ist, § 42 Abs. 1 S. 1 BGB, ist fraglich, ob er nun denklogisch von den Liquidatoren und nicht durch den Vorstand vertreten wird.

Hierfür spricht u. E. die Grundregel, wonach der aufgelöste Rechtsträger nicht mehr durch die bisherigen organschaftlichen Vertreter vertreten wird. Eine Vertretung des aufgelösten Rechtsträgers durch die bisherigen Organe wäre systemfremd. Der Umstand, dass das Amt des Vorstands durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und die damit einhergehende Auflösung des Vereins zunächst nicht erlischt, steht dem nicht entgegen. Denn die Besonderheiten des Insolvenzverfahrens (Nebeneinander von Verwalter und Vorstand) greifen in der jetzigen Phase nach der Aufhebung des Verfahrens gerade keinen Platz mehr. Es mag zwar wertungsmäßig verwundern, ist systematisch aber folgerichtig: Mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens verliert der Vorstand der aufgelösten Gesellschaft seine Organstellung als Vorstand. Der aufgelöste Verein wird bis zur Fassung des Fortsetzungsbeschlusses durch die Liquidatoren vertreten.

Dies gilt u. E. ebenso im Rahmen von § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG, der Parallelvorschrift zu § 42 Abs. 1 S. 2 BGB im GmbH-Recht. Auch entspricht die Ablösung des Insolvenzverfahrens durch das allgemeine gesellschaftsrechtliche Liquidationsregime der soweit ersichtlich h. A. im Schrifttum zu den Kapitalgesellschaften (Scholz/Scheller, GmbHG, 12. Aufl. 2021, § 60 Rn. 32; MünchKommAktG/Koch, 5. Aufl. 2021, § 264 Rn. 84).

Gegen dieses Ergebnis spricht u. E. auch nicht, dass die Liquidatoren sich u. U. einem gewissen Zielkonflikt ausgesetzt sehen könnten: Einerseits sind sie als Vertreter des Vereins an die Umsetzung des Insolvenzplans gebunden, §§ 258 ff. InsO, andererseits bestimmt § 49 BGB allgemeine Aufgaben der Liquidatoren. Sofern sich hieraus allerdings ein Konflikt ergibt, gehen nach unserer Einschätzung die Vorgaben der InsO als leges speciales vor.

4. Konsequenzen der Vertretung des aufgelösten Vereins durch Liquidatoren
Fraglich ist, welche Konsequenzen sich für den vorliegenden Fall daraus ergeben, dass die Liquidatoren den aufgelösten Verein in der Phase zwischen der Aufhebung des Insolvenzverfahrens und vor der Fassung eines Fortsetzungsbeschlusses vertreten.

Materiell-rechtlich ist zunächst von Bedeutung, durch wen die Liquidation erfolgt, wer also Liquidator ist. Insoweit bestimmt § 48 Abs. 1 S. 1 BGB, dass die Liquidation durch den Vorstand erfolgt, jedoch auch andere Personen bestellt werden können (S. 2 Hs. 1). Für den vorliegenden Fall wird davon ausgegangen, dass die Vertretung im Außenverhältnis weiterhin von denjenigen Personen vorgenommen werden soll, die bisher das Vorstandsamt innehatten. Liquidatoren und somit materiell-rechtlich zur Vertretung im Außenverhältnis berufen sind daher die Vorstandsmitglieder. Waren mehrere Vorstandsmitglieder vorhanden, die nun Liquidatoren sind, so sind diese nach § 48 Abs. 3 BGB grundsätzlich nur gemeinschaftlich zur Vertretung befugt.

In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist zu beachten, dass die Liquidatoren durch den Vorstand zum Vereinsregister anzumelden sind, § 76 Abs. 1, 2 S. 1 BGB (zum diesbezüglichen Zuständigkeitsstreit vgl. Gutachten DNotI-Report 2012, 181). Üblicherweise erfolgt die Anmeldung der Liquidatoren wohl gemeinsam mit der Anmeldung der Auflösung, in deren Folge die Liquidation stattfindet, §§ 74 Abs. 2 S. 1 Alt. 1, 76 Abs. 1 BGB.

Die Besonderheit im vorliegenden Fall besteht darin, dass die Auflösung nicht mehr gesondert zum Vereinsregister angemeldet werden muss bzw. kann, da sie dort bereits eingetragen ist. Dies dürfte u. E. aber nicht von der Pflicht des Vereins entbinden, die Liquidatoren zum Vereinsregister anzumelden. Für eine solche Ausnahme ist kein Grund ersichtlich. Unter Wertungsgesichtspunkten ist die Situation im Hinblick auf die Eintragungspflicht der Liquidatoren nicht anders zu beurteilen, als ob das Regelliquidationsverfahren durchgeführt wird. Die materiell-rechtliche Lage (Vertretung des aufgelösten Rechtsträgers durch Liquidatoren) ist im Handelsregister nachzuvollziehen.

Mit Blick auf die Möglichkeiten der Erstellung einer Vertretungsbescheinigung nach § 21 Abs. 3 BNotO durch den Notar (Frage 2) ist damit zu konstatieren, dass eine solche zum jetzigen Zeitpunkt nicht errichtet werden kann, da sich die (materielle) Vertretungsmacht der handelnden Personen als Liquidatoren (noch) nicht aus dem Handelsregister ergibt.

5. Sonstige Beschränkungen mit Blick auf die zu bestellende Grundschuld
Der aufgelöste Verein ist weiterhin rechtsfähig, er ist lediglich nach seinem Zweck bis zur Fassung eines Fortsetzungsbeschlusses auf Abwicklung gerichtet. Dass eine Grundschuldbestellung durch die Liquidatoren der Abwicklung dient, ist zwar unwahrscheinlich, aber auch nicht unmöglich und hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

Ob die Vertretungsbefugnis des Liquidators im Außenverhältnis auf den Liquidationszweck beschränkt ist, ist wegen des Wortlauts von § 48 Abs. 2 BGB („soweit sich nicht aus dem Zwecke der Liquidation ein anderes ergibt“) umstritten. Die h.M. geht allerdings davon aus, dass es im Außenverhältnis keine Beschränkung gibt (BeckOGK-BGB/Könen, Std.: 1.7.2024, § 48 Rn. 20, § 49 Rn. 23; MünchKommBGB/Leuschner, 9. Aufl. 2021, § 49 Rn. 12; Staudinger/Schwennicke, BGB, 2023, § 49 Rn. 30; Weiß, in: Hand- und Formularbuch des Vereinsrechts, 3. Aufl. 2022, § 13 Rn. 277; a. A. Grüneberg/Ellenberger, § 49 Rn. 2, allerdings mit dem Hinweis, dass die Beschränkung nur den „Neuerwerb“ von Rechten betreffe; Stöber/Otto, Handbuch zum Vereinsrecht, 12. Aufl. 2021, Rn. 1345 unter Hinweis darauf, dass die Vertretungsmacht nur fehle, wenn ihr Fehlen für den Vertragspartner erkennbar sei). Ob die Bestellung der Grundschuld auch nach der engeren Auffassung von der Vertretungsmacht der Liquidatoren umfasst ist, ist letztlich Tatfrage. Allerdings kann nach der Rechtsprechung durchaus auch eine Grundschuldbestellung zur Sicherung einer Forderung gegen den Liquidationsverein als Abwicklungsgeschäft dem Aufgabenbereich der Liquidatoren zuzuordnen sein (s. für den Fall einer GmbH & Co. KG: OLG Frankfurt MittBayNot 1980, 158; Stöber/Otto, Rn. 664 Fn. 8).

Der Zweck des Vereins bindet die Liquidatoren u. E. jedenfalls lediglich im Innenverhältnis (§ 49 Abs. 1 BGB), im Außenverhältnis ist ihre Vertretungsmacht grundsätzlich unbeschränkt. Keinerlei Zweifel bestehen u. E. überdies auch für den Fall, dass die Grundschuldbestellung in Umsetzung des Insolvenzplans erfolgt (s. o. Ziff. 3 letzter Absatz).

6. Zusammenfassung
Der Verein wird in der hier betroffenen Zwischenphase durch Liquidatoren vertreten, die zur Eintragung ins Vereinsregister anzumelden sind. Zweifel an der Möglichkeit der Grundschuldbestellung durch den im Übrigen im Außenverhältnis weiterhin uneingeschränkt rechtsfähigen, wenngleich aufgelösten Verein bestehen nicht.

Gutachten/Abruf-Nr:

207711

Erscheinungsdatum:

18.10.2024

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Verein
Insolvenzrecht

Erschienen in:

DNotI-Report 2024, 153-156

Normen in Titel:

InsO § 258; BGB § 42; BGB § 47