10. September 2011
EGBGB Art. 25

Kosovo: Erbvertrag deutsch-kosovarischer Eheleute

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G u t a c h t e n d e s D e u t s c h e n No t a r i n s t i t u t s Abruf-Nr.: 108931 l e t zt e A k t u a l i s i e r un g : 9. Februar 2011

EGBGB Art. 25, 26 Kosovo: Erbvertrag deutsch-kosovarischer Eheleute

I. Sachverhalt
Eine deutsche Staatsangehörige und ein kosovarischer Staatsangehöriger haben im Jahr 1999 einen Ehe- und Erbvertrag geschlossen. Ehevertraglich soll der Güterstand der Gütergemeinschaft nach deutschem Recht bestimmt werden. Die Ehegatten haben keine gemeinsamen Kinder. Der Ehemann hat keine Abkömmlinge, die Ehefrau hat zwei Kinder. Die Eheleute möchten sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzen. Alleinige Schlusserbin soll die Tochter der Ehefrau sein. Der Sohn der Ehefrau soll nichts erhalten, auch keinen Pflichtteil.

II. Fragen
1. Ist ein Erbvertrag mit dem vorstehend gewünschten Inhalt möglich und rechtswirksam oder ist vielmehr zu zwei Einzeltestamenten zu raten? Ist eine Alleinerbeinsetzung der Ehefrau durch den Ehemann nach dem Recht des Kosovo möglich oder bestehen Noterbrechte bzw. Pflichtteilsansprüche Dritter, etwa der Eltern?

2.

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III. Zur Rechtslage
1. Das auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anwendbare Recht a) Erbstatut Gem. Art. 25 Abs. 1 EGBGB richtet sich die Rechtsnachfolge von Todes wegen aus deutscher Sicht grundsätzlich nach dem Recht des Staates, dem der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes angehört, hier also bezüglich der deutschen Staatsangehörigkeit nach deutschem Recht und hinsichtlich des Ehemannes nach dem Recht des Kosovo. Der Kosovo ist seit dem 17.2.2008 unabhängig und seit dem 20.2.2008 von Deutschland als unabhängige Republik völkerrechtlich anerkannt. Verwiesen wird hier also auf das aktuell in Kosovo geltende Recht. Nach dem Grundsatz der Gesamtverweisung (Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB) ist jedoch zunächst das IPR der berufenen Rechtsordnung zu fragen, ob es eine Rück- oder Weiterverweisung ausspricht. Das auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anwendbare Recht ist nunmehr in dem am 4.2.2005 für den Kosovo in Kraft getretenen neuen Erbgesetz geregelt. Nach Art. 146.1 ErbG gilt das Erbgesetz für alle Kosovaren, die zum Zeitpunkt ihres Todes ihren Aufenthalt im Kosovo haben; befindet sich der Wohnsitz eines solchen Erblassers außerhalb des Kosovo, kann er testamentarisch für die Anwendbarkeit seines Wohnsitzrechts optieren (Art. 146.2 ErbG). Art. 147 ErbG 2005 regelt das auf die Rechtsnachfolge anwendbare Recht für Personen, die nicht kosovarische Staatsangehörigkeit besitzen: Die Erbfolge nach ihnen soll dem Heimatrecht des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes folgen (Art. 147.1 ErbG). Welches Recht gilt, wenn ein Staatsangehöriger des Kosovo seinen Wohnsitz zum Zeitpunkt seines Todes im Ausland und nicht für das Wohnsitzrecht optiert hat, lässt sich den Bestimmungen der Art. 146 f. ErbG nicht entnehmen. Jedoch muss man wohl davon ausgehen, dass dann das Recht des Kosovo gilt (Argument aus Art. 146.2 ErbG). b) Rechtswahl Aus deutscher Sicht ist gem. Art. 25 Abs. 2 EGBGB eine auf das inländische unbewegliche Vermögen beschränkte Rechtswahl zulässig. Da dann das übrige Vermögen des Erblassers weiterhin dem jeweils berufenen Heimatrecht unterliegt, führt die Rechtswahl zu einer Nachlassspaltung. Die hierdurch entstandenen Nachlassmassen sind grundsätzlich voneinander unabhängig. Insbesondere sind die Wirksamkeit und die Wirkungen letztwilliger Verfügungen bezüglich jeder der Nachlassmassen grundsätzlich getrennt zu beurteilen.

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Eine weitergehende Rechtswahlmöglichkeit als das deutsche Recht sieht das kosovarische Kollisionsrecht vor (vgl. oben). Nach kosovarischem Recht hätte hier der Ehemann die Möglichkeit das deutsche Wohnsitzrecht zu wählen (Art. 146.2 ErbG). Nicht bekannt ist uns allerdings, ob die zugunsten des Wohnsitzrechts getroffene Rechtswahl auch dann noch wirkt, wenn der Erblasser seinen Wohnsitz vor seinem Tod verlegt, also mit Wohnsitz in einem anderen Staat verstirbt. Sollte allerdings vorliegend der Ehemann mit kosovarischer Staatsangehörigkeit mit Wohnsitz in Deutschland versterben und eine Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts in seiner letztwilligen Verfügung getroffen haben, käme es zu einer Rückverweisung auf das deutsche Recht. 2. Zulässigkeit einer gemeinschaftlichen letztwilligen Verfügung a) Anwendbares Recht Die materielle Wirksamkeit und die Bindungswirkung eines gemeinschaftlichen Testaments unterliegen dem Statut, das im Zeitpunkt der Errichtung der gemeinschaftlichen Verfügung auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anwendbar wäre (hypothetisches Erbstatut, Art. 26 Abs. 5 S. 1 EGBGB). Dieses ist vorliegend für die Ehefrau das deutsche Recht und für den Ehemann das kosovarische Recht. Gelangen auf einen zweiseitigen Erbvertrag/ein gemeinschaftliches Testament unterschiedliche Errichtungsstatute zur Anwendung und wäre der Erbvertrag/das gemeinschaftliche Testament nur nach einem der beteiligten Rechte wirksam, befindet das andere Recht über die Konsequenzen, die sich hieraus für die letztwillige Verfügung der Beteiligten ergeben und damit letztlich für die gesamte letztwillige Verfügung (Staudinger/Dörner, Neubearb. 2007, Art. 25 EGBGB Rn. 355). Wäre also vorliegend der Erbvertrag nach dem zur Anwendung gelangenden kosovarischen Recht nicht zulässig, so wären im Zweifel auch die wechselbezüglichen Verfügungen der deutschen Testierenden gem. § 2298 Abs. 1 BGB unwirksam. b) Zulässigkeit bindender Verfügungen nach dem Erbrecht des Kosovo Das Erbrecht des Kosovo ist, wie oben ausgeführt, neu geregelt worden. Es gilt für alle Bevölkerungsgruppen, also auch für Moslems. Nach Art. 6 des kos. ErbG wird jede Vereinbarung zwischen den zukünftigen Erben oder zwischen zukünftigen Erben und einer dritten Person über eine noch nicht eröffnete Erbschaft als null und nichtig angesehen. Daneben bestimmt Art. 153 ErbG, dass die Ausschlagung einer Erbschaft, die noch nicht eröffnet ist, nicht wirksam ist. Aus Art. 6 ErbG folgt also, dass ein Erbvertrag nach kosovarischem Recht als unzulässig und unwirksam angesehen wird.

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Daneben bestimmt Art. 69.2. des kos. ErbG, dass zwei oder mehr Personen nicht in ein und derselben letztwilligen Verfügung ihren letzten Willen niederlegen können und zwar weder zugunsten einer dritten Person noch als gegenseitige und gemeinsame Verfügung. Ein gemeinschaftliches Testament kommt also aus der Sicht des kosovarischen Rechts ebenfalls nicht in Betracht. Im Ergebnis ist nach kosovarischem Recht daher lediglich die jeweilige Errichtung eines einseitigen Testaments zulässig. Sollte der kosovarische Staatsangehörige hier somit keine Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts getroffen haben und eine solche auch nicht treffen wollen oder ist abzusehen, dass er seinen Wohnsitz später wieder in den Kosovo verlegt, dürfte die letztwillige Verfügung in der Form eines Erbvertrags nicht wirksam sein. Sollte der Erblasser allerdings eine Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts treffen und seinen Wohnsitz hier auch beibehalten, wäre das auf seine Rechtsnachfolge von Todes wegen anwendbare Recht das deutsche, mit der Folge, dass gegen die Wirksamkeit des Erbvertrags keine Bedenken bestehen. 3. Testamentsform Geht man davon aus, dass das Haager Testamentsformübereinkommen vom 5.10.1961 auch in Kosovo weiter gilt, so ist die Beachtung der Ortsform für die Testamentserrichtung auch aus der Sicht des Kosovo ausreichend (Art. 1 Abs. 1a TestÜb). Das Haager Testamentsformübereinkommen gilt allerdings nicht für Erbverträge, jedoch reicht nach dem kosovarischen Recht (Art. 148.1b ErbG) für eine letztwillige Verfügung ebenfalls die Ortsform aus. Ein nach den deutschen Bestimmungen notariell beurkundeter Erbvertrag wird damit voraussichtlich auch im Kosovo als formwirksam anerkannt werden. Zur materiellen Wirksamkeit s.o. 4. #kosovo einsehen. Nach Art. 31.1. ErbG handelt es sich bei dem Pflichtteilsrecht nach dem Erbgesetz des Kosovo um ein echtes Noterbrecht. Es besteht nach Art. 31.2. ErbG im Hinblick auf die Abkömmlinge und auf den Ehegatten in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Erbrechts und in Bezug auf die anderen Noterben (Eltern) i. H. v. 1/3 des gesetzlichen Erbrechts.

Gutachten/Abruf-Nr:

108931

Erscheinungsdatum:

10.09.2011

Rechtsbezug

International

Normen in Titel:

EGBGB Art. 25