15. Juli 2022
WEG § 4

Umwandlung von Gemeinschaftseigentum in Sondereigentum; Anforderung an die Grundbucheintragung nach erfolgter Aufteilung und Anlegung der Wohnungsgrundbücher; Rechtsfolgen eines Verstoßes; Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs

WEG § 4
Umwandlung von Gemeinschaftseigentum in Sondereigentum; Anforderung an die Grundbucheintragung nach erfolgter Aufteilung und Anlegung der Wohnungsgrundbücher; Rechtsfolgen eines Verstoßes; Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs

I. Sachverhalt
Durch Teilungserklärung aus dem Jahr 2008 wurde ein mit einem Gebäude bebautes Grundstück in Wohnungs- und Teileigentum aufgeteilt. In dem Gebäude gibt es einen Gewölbekeller, an welchem in der Teilungserklärung kein Sondereigentum begründet wurde, sodass er im Gemeinschaftseigentum stand.

Durch notariell beurkundete Änderung der Teilungserklärung sollte dieser Keller in Sondereigentum überführt werden und künftig zur Wohnung Nr. 9 gehören. Die entsprechende Einigung über den Eigentumsübergang wurde erklärt und die Eintragung im Grundbuch bewilligt und beantragt. Im Folgenden wurde im Grundbuch der Wohnung Nr. 9 eingetragen: „Die Teilungserklärung ist geändert. Bezug: Bewilligung vom ...“. In allen übrigen Grundbüchern der Wohnungseigentumsgemeinschaft erfolgte jedoch keine Eintragung.

Im Februar 2021 hat der aufteilende Eigentümer die Wohnung Nr. 9 mit notariellem Vertrag verkauft. Laut dem Kaufvertrag wurde das Sondereigentum an dem Gewölbekeller, der zum Sondereigentum der Wohnung Nr. 9 gehört, ausdrücklich nicht mitverkauft. Dieses Sondereigentum wurde in das Sondereigentum der Wohnung Nr. 2 unter Abspaltung von dem bisherigen Miteigentumsanteil und Verbindung mit dem Miteigentumsanteil der Wohnung Nr. 2 übertragen.

In der Folge wurde im Grundbuch der Wohnung Nr. 9 und der Wohnung Nr. 2 eingetragen, dass das Sondereigentum am Gewölbekeller ins Grundbuch der Wohnung Nr. 2 übertragen wurde. Nun möchte der aufteilende Eigentümer die Wohnung Nr. 2 verkaufen. Der Gewölbekeller soll erneut auf eine andere Sondereigentumseinheit übertragen werden und künftig zum Sondereigentum der Wohnung Nr. 4 gehören.

II. Fragen
1. Ist es zutreffend, dass am Gewölbekeller kein Sondereigentum entstanden ist, da die Umwandlung von Gemeinschaftseigentum in Sondereigentum nicht in allen Grundbüchern eingetragen wurde?
2. Kommt ein gutgläubiger Erwerb des Gewölbekellers durch den Eigentümer der Wohnung Nr. 2 in Frage?

III. Zur Rechtslage
1. Entstehung von Sondereigentum am Gewölbekeller
Es stellt sich die Frage, ob die gem. § 4 Abs. 1 WEG erforderliche Eintragung im Grundbuch bereits dann vollendet ist, wenn eine Eintragung nur in dem Wohnungsgrundbuch des „gewinnenden“ Wohnungsgrundbuches erfolgt, oder ob nicht die Umwandlung in sämtlichen Wohnungsgrundbüchern vollzogen werden muss.

Die überwiegende Auffassung geht unter Bezugnahme auf einen Beschluss des BayObLG (BayObLGZ 1997, 347, 350) davon aus, dass die Umwandlung in allen Wohnungs- und Teileigentumsgrundbüchern einzutragen ist (BeckOGK-WEG/M. Müller, Std.: 1.6.2022, § 4 Rn. 16; Staudinger/Rapp, WEG, 2018, § 4 Rn. 7; Schneider, in: Bärmann/Seuß, Praxis des Wohnungseigentums, 7. Aufl. 2017, § 2 Rn. 246; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl. 2020, Rn. 2967).

Dem tritt, soweit ersichtlich, nur Böttcher (in: Meikel, GBO, 10. Aufl. 2009, § 3 WGV Rn. 22, s. a. ders., BWNotZ 1996, 80, 83) entgegen. Diese Auffassung wurde mittlerweile von dem Nachfolgeautor Schneider (in: Meikel, GBV, 11. Aufl. 2019, § 3 WGV Rn. 23) aufgegeben. Böttcher hatte sein Ergebnis u. a. mit § 7 Abs. 1 S. 2 WEG begründet, wonach der gegenständliche Bereich des gemeinschaftlichen Eigentums in den Grundbucheintragungen nicht zum Ausdruck komme, sondern allein durch den Aufteilungsplan nachgewiesen werde. Dem tritt Schneider damit entgegen, dass der Aufteilungsplan das gemeinschaftliche Eigentum nur im Zusammenwirken mit der Eintragungsbewilligung umschreibe. Eine Änderung der Bewilligung führe daher auch zu einer Änderung der Eintragung des Gemeinschaftseigentums. Die jeweiligen Miteigentumsanteile erhielten einen veränderten gegenständlichen Anknüpfungsbereich, der auch § 892 BGB zugänglich sei.

Folgt man der h. M., so dürfte das Eintragungsverfahren noch nicht vollendet sein mit der Folge, dass die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 WEG nicht erfüllt sind und (weiteres) Sondereigentum am Gewölbekeller somit nicht entstanden ist.

2. Gutgläubiger Erwerb
Es schließt sich die Frage an, ob vorliegend ein gutgläubiger Erwerb bzgl. des Sondereigentums am Gewölbekeller in Betracht kommt. § 892 Abs. 1 S. 1 BGB knüpft an den Inhalt „des Grundbuchs“ an. Vorliegend ist jedoch das Gemeinschaftseigentum in verschiedenen Wohnungsgrundbüchern unterschiedlich eingetragen. Das BayObLG (BeckRS 1995, 3056) hat einen gutgläubigen Erwerb in einem Fall abgelehnt, in dem eine Grunddienstbarkeit nicht in allen Wohnungsgrundbüchern eingetragen war und dies als Fall der unzulässigen (nicht: unrichtigen) Eintragung behandelt, bei der ein gutgläubiger Erwerb nach allgemeiner Auffassung ausscheide (vgl. zu letzterem BeckOK-WEG/Kral, Std.: 1.3.2022, § 8 Rn. 77; BGH, NJW-RR 2005, 10; OLG München DNotZ 2007, 946; BayObLGZ 1998, 70, 75 f.; OLG Hamm RNotZ 2007, 207, 208; Schöner/Stöber, Rn. 2834b).

Der vorliegende Fall ist u. E. ebenso zu behandeln. Für einen Gutglaubenserwerb bedarf es einer objektiven Rechtsscheinsgrundlage (MünchKommBGB/Kohler, 8. Aufl. 2020, § 892 Rn. 12). Das Grundbuch muss den guten Glauben also abstrakt legitimieren können (MünchKommBGB/Kohler, § 892 Rn. 12). Nicht vollständige oder widersprüchliche Eintragungen genießen keinen Gutglaubensschutz (h. M., siehe nur BeckOGK-BGB/Hertel, Std.: 15.4.2021, § 892 Rn. 55; MünchKommBGB/Kohler, § 892 Rn. 12; speziell zum Wohnungseigentum auch Bärmann/Seuß, § 13 Rn. 139; BayObLG, BeckRS 1995, 3056; LG Hamburg, BeckRS 2011, 13649; s. zu etwaigen Mindermeinungen die Übersicht bei BeckOGK-BGB/Hertel, § 892 Rn. 58.1). Eine in diesem Sinne widersprüchliche Eintragung liegt hier vor.

Es kann hier u. E. auch nicht isoliert auf das einzelne Wohnungsgrundbuchblatt abgestellt werden, in dem die betreffende Änderung des Sondereigentums eingetragen ist. Denn es geht hier nicht um einen nur das konkrete Wohnungseigentum betreffenden Umstand (wie z. B. die unrichtige Eintragung des Eigentümers des Wohnungseigentums), sondern um einen, der auch die Reichweite des Eigentums der anderen Wohnungseigentümer berührt, deren Miteigentum am Gemeinschaftseigentum betroffen ist (vgl. hierzu oben schon die Argumentation von Schneider). Die Umwandlung von Gemeinschafts- in Sondereigentum ist eine inhaltliche Änderung sämtlicher Miteigentumsanteile am aufgeteilten Grundstück, sodass es auf den Inhalt sämtlicher Wohnungsgrundbücher ankommt. In den übrigen Wohnungsgrundbüchern ist der Gewölbekeller allerdings als Gemeinschaftseigentum ausgewiesen, sodass widersprüchliche Grundbucheintragungen vorliegen. Es fehlt somit an einem tauglichen Rechtsschein.

Gutachten/Abruf-Nr:

186613

Erscheinungsdatum:

15.07.2022

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

WEG

Erschienen in:

DNotI-Report 2022, 109-110

Normen in Titel:

WEG § 4