01. Januar 1999

Ersitzung von volkseigenem Grund und Boden

DNotI
Deutsches Notarinstitut

Dokumentnummer: Erstelldatum:

1620 21.03.2002

GBVerfO-DDR § 11 Ersitzung von volkseigenem Grund und Boden

I.

Sachverhalt Das in den neuen Bundesländern belegene Land X. ist an Sie herangetreten, um die Auflassung eines Bodenreformgrund stückes auf das Land zu beurkunden. Als Anspruchsgrund lage wurde Art. 233 § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. § 12 Abs. 2 Nr. 2 lit. c EGBGB ge nannt. Im Grundbuch ist als Eigentümer eine LPG eingetragen. Grundlage der Eintragung war ein Ersuchen des Rates des Kreises. Die Eintragung erfolgte im Jahre 1957. Ob die LPG umgewandelt oder liquidiert wurde, ist nicht bekannt. Für den unbekannten Eigentümer ist ein Vertreter vom Landkreis bestellt worden.

II. Rechtsfragen 1. Konnte die LPG aufgrund eines Ersuchens des Rates des Kreises Eigentum erwerben oder lediglich Rechtsträgerschaft? Falls es lediglich eine Rechtsträgerschaft war und ,,nur versehentlich" Eigentum eingetragen wurde, konnte eine Ersitzung stattfinden oder ist das Grundbuch unrichtig? Auf welcher Grundlage kann das Land X. die Übertragung verlangen?

2.

3.

III. Zur Rechtslage 1. Eigentum oder bloße Rechtsträgerschaft der LPG Mit der Bodenreform entstand Volkseigentum an den Bodenflächen, die nicht in das ­ gesetzlich stark eingeschränkte ­ Privateigentum von sog. Neubauern überführt wurden (staatlicher Bodenfonds). Soweit für Bodenreformland der Neubauern kein Nachfolger gefunden wurde, fiel dieses Land zurück in den staatlichen Bodenfonds und wurde (wieder) Volkseigentum (Eickmann, Grundstücksrecht in den neuen Bundesländern, 3. Aufl. 1996, Rn. 6). Derartige dem staatlichen Bodenfonds zugehörigen Bodenreformgrundstücke wurden in großem Umfang an LPG's zur sog. Rechtsträgerschaft übertragen (Heuer, Grundzüge des Bodenrechts der DDR 1949 bis 1990, 1990, Rn. 9). Rechtliche Grundlage für eine derartige Übertragungen der Rechtsträgerschaft war in dem hier maßgeblichen Jahr 1957 die ,,Anordnung über das Verfahren bei Veränderungen in der Rechtsträgerschaft an volkseigenen Grundstücken" am 21.8.1956 (GBl. der DDR, Teil I, S. 702). Auf der Grundlage dieser Anordnung war indessen nur ein Rechtsträgerwechsel zulässig, nicht dagegen eine Eigentumsübertragung, wie sich schon aus dem Begriff Rechtsträgerwechsel und vor allem aus dessen Legaldefinition in § 2 der genannten Anordnung ergibt. Es ist zwar nicht gänzlich ausge schlossen, dass die LGP das volkseigene Grundstück vom Staat durch gewöhnliche Übereignung zu Eigentum
Deutsches Notarinstitut · Gerberstraße 19 · 97070 Würzburg · Telefon 09 31/3 55 76-0 · Telefax 09 31/3 55 76-2 25 email: dnoti@dnoti.de · internet: http://www.dnoti.de
wa Report 2002 Fax-

Seite 2 erworben hat (Heuer, Rn. 21). Indessen spricht schon die Tatsache, daß die LPG auf Ersuchen des Rates des Kreises als Eigentümer eingetragen wurde, dafür, dass vorliegend lediglich ein Rechtsträgerwechsel stattfinden sollte, denn gemäß § 11 Abs. 2 der genannten Anordnung erfolgte der Vollzug des Rechtsträgerwechsels in der Liegenschaftskartei bei Beteiligung sog. nutznießender Rechtsträger wie LPG´s (§ 1 Nr. 3 der genannten Anordnung) auf Ersuchen des Rates des Kreises. Überdies hätte gem. Art. 28 der Verfassung der DDR eine Übertragung des Volkseigentums der Zustimmung des Landtages(!) mit 2/3-Mehrheit bedurft (OG-DDR NJ 1951, 562; Heuer, Rn. 3). Es ist daher u. E. davon auszugehen, dass die LPG aufgrund des Ersuchens des Rates des Kreises Eigentum weder erwerben sollte noch erworben hat. 2. Ersitz durch LPG? Die Möglichkeit einer Ersitzung des Eigentums an dem fraglichen Grundstück richtet sich gem. § 11 Abs. 2 EGZGB-DDR nach § 11 GBVerfO -DDR, denn dieser bestimmte die Anwendbarkeit der Ersitzungsvorschriften der GBVerfO -DDR auf die Ersitzung aller Rechte, hinsichtlich derer bei Inkrafttreten der GBVerfO -DDR Ersitzungsfristen noch liefen (OLG Naumburg MDR 1993, 811). So liegt es hier, denn die 30-jährige Ersitzungsfrist des bis zum 31.12.1975 auch in der ehemaligen DDR noch geltenden § 900 BGB war im vorliegenden Fall am 1.1.1976 noch nicht abge laufen. § 11 Abs. 2 GBVerfO-DDR bestimmt aber nun ausdrücklich, dass bei Grundstücken ,,sozialistischen Eigentums", wozu auch (und gerade) Volkseigentum zählt (§ 18 Abs. 1 ZGBDDR), eine Ersitzung nicht in Betracht kommt. Auch ein Eigentumserwerb der LPG durch spätere Ersitzung scheidet daher u. E. im vorliegenden Fall aus. 3. Eigentumsübertragungsanspruches des Landes? Das fragliche Grundstück ist also bis zum Ende der DDR in Volkseigentum verblieben. Im Zuge der Wiedervereinigung ist es dann gem. § 3 der 3. Durchführungsverordnung zum Treuhandge setz vom 29. August 1990 (GBl. der DDR, Teil I, S. 1333) in das Treuhand eigentum der Treuhandanstalt übergegangen (Eickmann, Rn. 34), es sei denn, wegen der fehlerhaften Eintragung des Rechtsträgerwechsels in das Grundbuch (= ,,die Liegenschaftskartei" [Heuer, Rn. 11]) hat überhaupt kein wirksamer Rechtsträgerwechsel stattgefunden. In dem zuletzt genannten Fall ist das Grundstück u. E. gemäß Art. 22 Abs. 1 Satz 1 EV am 03.10.1990 in das treuhänderische Eigentum der Bundesrepublik Deutschland übergegangen. In beiden Fällen könnte wiederum bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift die LPG am 01.10.1998 gemäß Art. 237 § 2 EGBGB Eigentum an dem Grundstück erworben haben, der jedoch gemäß Art. 237 § 2 Abs. 4 Satz 1 EGBGB nicht rechtsbeständig wäre. Beide Fragen können jedoch letztlich offenbleiben, denn für einen Anspruch auf Übertragung des Eigentums an dem Grundstück zugunsten des Landes X. gem. Art. 233 § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. § 12 Abs. 2 Nr. 2 lit. c EGBGB ist in allen drei Fällen kein Raum, weil die Voraussetzungen dieser Vorschrift, nämlich die Eintragung einer verstorbenen natürlichen Person als Eigentümer des Grundstücks zum Ablauf des 15. März 1990, nicht gegeben ist, und zwar unabhängig davon, ob man insoweit die zum damaligen Zeitpunkt vorliegenden materiell-rechtlich richtigen Eigentumsverhältnisse als maßgeblich ansieht, oder die unrichtige Grundbucheintragung.

Gutachten/Abruf-Nr:

1620

Erscheinungsdatum:

01.01.1999

Rechtsbezug

National