11. September 2019
EUErbVO § 63

Deutschland: Abwicklung eines in Frankreich belegenen Nachlassgrundstücks nach einem deutschen Erblasser

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Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 171848
letzte Aktualisierung: 11. September 2019

EuErbVO Art. 63
Deutschland: Abwicklung eines in Frankreich belegenen Nachlassgrundstücks nach
einem deutschen Erblasser

I. Sachverhalt

Der Erblasser ist offenbar mit letztem gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland verstorben. In
Frankreich hat er ein Grundstück hinterlassen (das er allerdings nicht zur Wohnung genutzt hat).
In Deutschland haben die Erben einen Erbschein beantragt und erhalten.

II. Fragen

Genügt in Frankreich die Vorlage eines deutschen Erbscheins zur Umschreibung des Grundstücks
auf die Erben oder ist die Beantragung eines europäischen Nachlasszeugnisses erforderlich?

III. Zur Rechtslage

Nach Art. 4 EuErbVO sind die deutschen Behörden zur Nachlassabwicklung, insbes. auch zur
Ausstellung eines Erbscheins zuständig, wenn dieser (wie hier) seinen gewöhnlichen Aufenthalt
i. S. d. ErwG 23, 24 EuErbVO in Deutschland hatte.

Hinterlässt der Erblasser Vermögen im Inland wie auch in einem anderen Mitgliedsstaat, so haben
die Erben die Wahl, ob sie einen Erbschein i. S. d. BGB beantragen oder aber ein Europäisches
Nachlasszeugnis nach den Vorschriften der Art. 62 ff. EuErbVO. Ein Europäisches
Nachlasszeugnis kann immer dann beantragt werden, wenn ein Nachweis zur Verwendung in
einem anderen Mitgliedsstaat i. S. d. EuErbVO erforderlich ist, Art. 62 Abs. 1 EuErbVO. Die
Kosten für den Erbschein wie auch für das Europäische Nachlasszeugnis sind gleich. Das Europäische
Nachlasszeugnis ist auch von den inländischen Behörden als vollwertiger Nachweis
mit den Gutglaubenswirkungen aus Art. 69 EuErbVO anzuerkennen, Art. 69 Abs. 1 EuErbVO.

Allerdings ist das Formular für das Europäische Nachlasszeugnis sehr umfangreich und es
kommen zahlreiche Anhänge dazu (vgl. insoweit die Durchführungsverordnung (EU)
Nr. 1329/2014 der Kommission v. 9.12.2014 zur Festlegung der Formblätter nach Maßgabe der
EuErbVO, Amtsblatt. Nr. L 359, S. 30. Die Verwendung des Formblatts ist hingegen nicht
zwingend vgl. EuGH DNotZ 2019, 460 ff.). Der Aufwand für die Ausstellung eines ENZ ist
daher ggf. höher.

Wird zunächst ein Erbschein beantragt und nachher festgestellt, dass zur Abwicklung des in
einem anderen Mitgliedsstaat der EU belegenen Nachlasses doch ein Europäisches Nachlasszeugnis
benötigt wird, so ist dieses nachträglich hinsichtlich des gesamten (Welt-)Nachlasses des
Erblassers zu beantragen. Kostenrechtlich sind dann, wenn ein Erbschein bereits erteilt worden
ist und hierfür Kosten entfallen sind, 75 % dieser Gebühr auf die Verfahrensgebühr für die Ausstellung
des Europäischen Nachlasszeugnisses anzurechnen (KG Nr. 12210 Abs. 2 GNotKG).

Es entstehen insoweit dann also regelmäßig für das Europäische Nachlasszeugnis lediglich 25 %
der gerichtlichen Kosten zusätzlich. Allerdings ist zu beachten, dass für die Beantragung des
Europäischen Nachlasszeugnisses auch ein erneuter Antrag erforderlich sein wird. Die hierfür
ggf. entstehenden Notargebühren werden durch diese Sonderregelung nicht ermäßigt.
Nach alledem ist es also ratsam bei Nachlassteilen in einem anderen Mitgliedsstaat vorsichtshalber
sofort zum Europäischen Nachlasszeugnis zu greifen, auch wenn dessen Beantragung mit
zusätzlichem Aufwand verbunden ist.

Was die Abwicklung des Immobiliennachlasses in Frankreich angeht, so ist zur Eintragung der
Erben in das französische Immobilienregister stets eine attestation notariée erforderlich, welche
gem. Art. 710-1 franz. Code Civil zwingend von einem französischen Notar auszustellen ist.
Dies gilt unabhängig davon, ob der Nachweis der Erbfolge durch eine französische Bescheinigung
in Form des acte de notoriété erfolgt oder aber durch ein in einem anderen Mitgliedsstaat der
Europäischen Union ausgestelltes Europäisches Nachlasszeugnis. Wie wir von unserem französischen
Patennotar erfahren durften, werden allerdings für solche Erbfälle, die in den Geltungsbereich
der Europäischen Erbrechtsverordnung fallen (also Eintritt des Erbfalls nach dem
16.8.2015 und letzter gewöhnlicher Aufenthalt des Erblassers in einem anderen Mitgliedsstaat
i. S. d. Europäischen Erbrechtsverordnung) in Frankreich nun auch ausländische Erbnachweise
grundsätzlich anerkannt. Insbesondere wird ein in Deutschland ausgestellter gerichtlicher Erbschein
anerkannt, wenn der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland
hatte und nach den gesetzlichen Regeln des BGB beerbt worden ist. Im Rahmen der
testamentarischen Erbfolge wäre ferner nachzuweisen, dass über das in Frankreich belegene
Grundstück kein Stückvermächtnis angeordnet worden ist.

Nach alledem wäre es im vorliegenden Fall also durchaus einen Versuch wert, mit dem vom
deutschen Gericht ausgestellten Erbschein in einem französischen Notariat eine attestation notariée
zu beantragen. Für den Erbschein in Frankreich wird keine Apostille verlangt. Eine solche ist
sowohl aufgrund des deutsch-französischen Vertrags v. 13.9.1971 (BGBl. 1974 II, S. 1074) als
auch gem. Art. 74 EuErbVO entbehrlich.

Gutachten/Abruf-Nr:

171848

Erscheinungsdatum:

11.09.2019

Rechtsbezug

National

Normen in Titel:

EUErbVO § 63