Teilnahme an einer Hauptversammlung und Verlassen derselben während des Abstimmungsvorganges; Auswirkungen auf das Teilnehmerverzeichnis und die Stimmauswertung
Teilnahme an einer Hauptversammlung und Verlassen derselben während des Abstimmungsvorganges; Auswirkungen auf das Teilnehmerverzeichnis und die Stimmauswertung - AktG § 3 130, 134, 118 Abs. 1
I. Sachverhalt und Frage
Welchen Einfluss hat es auf die Abstimmung in der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft, wenn Aktionäre während des eigentlichen Abstimmungsvorgangs die Hauptversammlung verlassen oder erst während dieses Zeitraums hinzukommen und erst nach Beginn der Abstimmung, jedoch vor Beendigung derselben an der Hauptversammlung teilnehmen?
II. Rechtslage
1. Versammlungsgebundene Aktionärsrechte
Nach
Soweit hiernach die Aktionäre diese Rechte gem.
2. Änderung der Präsenz während der Hauptversammlung
Keine ausdrücklichen Stellungnahmen in Rechtsprechung und Literatur konnten wir zu der Frage finden, welche Auswirkungen es auf das Abstimmungsergebnis über die Beschlussfassung in der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft hat, wenn ein an der Hauptversammlung zunächst teilnehmender Aktionäre noch vor Beendigung des Abstimmungsvorganges die Hauptversammlung wieder verlässt bzw. wie die Rechtslage zu beurteilen ist, wenn ein Aktionär erst nach Beginn, jedoch noch vor Beendigung des eigentlichen Abstimmungsvorgangs an der Hauptversammlung teilnimmt.
a) Soweit § 118 Abs. 1 Akt voraussetzt, dass die Aktionäre ihre Rechte in der Hauptversammlung ausüben (müssen), bedeutet dies zunächst nicht, dass die Aktionäre an der gesamten Hauptversammlung von Anfang bis Ende teilnehmen müssen. Hinweise für eine derartige Interpretation des
b) Unter dieser Prämisse erscheint es ebenso nicht erforderlich, dass ein Aktionär, der an der Beschlussfassung in der Hauptversammlung teilnehmen will, der Hauptversammlung während des gesamten Abstimmungsvorgangs beiwohnt (Zöllner,
3. Ermittlung des Abstimmungsergebnisses
a) Im Übrigen ist hierbei danach zu unterscheiden, nach welchem Abstimmungsverfahren die Beschlussfassung in der Hauptversammlung durchgeführt wird. Hierbei werden im Allgemeinen zwei Verfahren unterschieden, nämlich einmal das sog. Additionsverfahren sowie zum anderen das Subtraktionsverfahren. Während beim Additionsverfahren die Ja-Stimmen und die Nein-Stimmen getrennt gezählt und die Zahl der abgegebenen Stimmen durch Addition ermittelt wird, eine Erfassung der Stimmenthaltungen dagegen nicht erfolgt, weil es insoweit auf sie für die Feststellung der Mehrheit nicht ankommt (Hüffer, § 133 Rn. 23; Obermüller/Werner/Winden/Butzke, E Rn. 107 f.; Richter, in: Semler/Volhard, HVHdb., I D Rn. 165), werden bei der sog. Subtraktionsmethode nur die Nein-Stimmen und die Stimmenthaltungen gezählt. Ausgangsgröße ist im Übrigen die Gesamtzahl der an der Hauptversammlung teilnehmenden Aktionäre. Von ihr werden alsdann zunächst die Stimmenthaltungen abgezogen, woraus sich die Zahl der abgegebenen Stimme errechnet. Davon ist sodann die Zahl der Nein-Stimmen zu subtrahieren. Die Differenz entspricht der Zahl der Ja-Stimmen (OLG Frankfurt
b) Wichtigste Voraussetzung ist beim Subtraktionsverfahren die jederzeit aktuelle Erfassung der jeweils insgesamt in der Hauptversammlung anwesenden bzw. vertretenen Aktionäre (sog. Präsenz). Es muss dabei vor Beginn der Abstimmung deutlich darauf hingewiesen werden, dass alle Aktionäre, die nicht mit Ja stimmen wollen, ausdrücklich ihre Nein-Stimmen bzw. Stimmenthaltungen abgeben müssen. Bleiben die Aktionäre indessen innerhalb des Präsenzbereichs in der Hauptversammlung anwesend, werden ihre Stimmen auch ohne ausdrückliche Stimmabgabe als Ja-Stimmen gewertet (Obermüller/Werner/Winden/Butzke, E Rn. 110; Richter, in: Semler/Volhard, HVHdb., I D Rn. 167).
Keine ausdrücklichen Aussagen in Rechtsprechung und Literatur konnten wir dabei zu der Frage finden, auf welchen Zeitpunkt bei der Präsenzerfassung im Rahmen des Subtraktionsverfahrens abzustellen ist. Obgleich der Abstimmungsvorgang sich über einen bestimmten Zeitraum erstreckt, so dass von vornherein nicht auf einen bestimmten Zeitpunkt Bezug genommen werden kann, könnte man hierbei entweder auf den Zeitpunkt des Beginns der Abstimmung oder aber auch auf den Zeitpunkt der Beendigung der Abstimmung abstellen. Stellt man auf den Beginn der Abstimmung ab, so sind spätere Veränderungen in der Präsenz unschädlich. Die Stimmen der zu diesem Zeitpunkt anwesenden Aktionäre werden berücksichtigt, nicht aber dagegen die Stimmen der nach Beginn der Abstimmung hinzukommenden Aktionäre. Stellt man demgegenüber auf das Ende des Abstimmungsvorgangs ab, so wirken sich Veränderungen in der Präsenz auch noch nach Beginn der Abstimmung auf das Abstimmungsergebnis aus. Dann aber müssten die Aktionäre letztlich bis zum Ende des Abstimmungsvorgangs anwesend sein, damit ihre Stimmen im Abstimmungsergebnis berücksichtigt werden können.
Soweit man in der Literatur Hinweise zu diesem Problem findet, heißt es an einer Stelle, die Präsenz sei zu Beginn der Abstimmung festzustellen und zu verkünden, während des Abstimmungsvorgangs sei die "Stimmenfluktuation zu unterbinden" (Pickert, in: Semler/Volhard, HVHdb. I D Rn. 256). Es wird also auf den Beginn der Abstimmung abgestellt, Zu- und Abgänge von Aktionären zum Versammlungsraum nach Beginn und vor Beendigung der Abstimmung werden untersagt. Zöllner (
U. E. ist der zuletztgenannten Ansicht zu folgen. Es erscheint nicht geboten, Aktionäre zu zwingen, nur zum Zwecke ihrer wirksamen Stimmrechtsausübung während des gesamten Zeitraums des Abstimmungsvorgangs, also über den Zeitpunkt der eigenen Stimmrechtsausübung hinaus im Hauptversammlungsraum anwesend zu sein. Ausreichend ist es, nur zum Zwecke der eigenen Stimmabgabe beim eigentlichen Abstimmungsvorgang in der Hauptversammlung anwesend zu sein, ohne dass es im Übrigen darauf ankommt, ob man deshalb auch zu Beginn oder am Ende der Abstimmung bzw. während des gesamten Zeitraums der Abstimmung anwesend ist.
c) Wird sonach die Beschlussfassung in der Hauptversammlung mittels Additionsverfahren durchgeführt, so kommt es - wie bereits erwähnt - allein darauf an, dass der anwesende Aktionär sich aktiv an der Abstimmung beteiligt, sei es dass er mit Ja oder mit Nein stimmt. Verlässt deshalb der Aktionär vor Stimmabgabe und ohne Vollmachterteilung die Hauptversammlung, so wird deshalb seine Stimme in keiner Weise bei dem Abstimmungsvorgang erfasst. Umgekehrt ist es deshalb nicht schädlich, wenn der Aktionär nach Stimmabgabe die Hauptversammlung verlässt. Da beim Additionsverfahren nur die tatsächlich abgegebenen Ja- und Nein-Stimmen gezählt werden, kommt es allein auf die tatsächliche Stimmabgabe an. Unschädlich ist es deshalb, wenn der Aktionär nach Stimmabgabe die Hauptversammlung verlässt. Gleichfalls unschädlich ist es beim Additionsverfahren, wenn ein Aktionär erst während des laufenden Abstimmungsverfahrens zu der Hauptversammlung hinzukommt und hierbei noch sein Stimmrecht ausübt. Auch hier kann die tatsächlich abgegebene Stimme des Aktionärs im Rahmen des Abstimmungsvorgangs noch berücksichtigt werden. Es kommt allein auf die tatsächlich abgegebenen Ja- und Nein-Stimmen an. Eine Anwesenheit während des gesamten Abstimmungsvorgangs in der Hauptversammlung ist beim Additionsverfahren nicht erfoderlich.
d) Differenziert zu beurteilen ist demgegenüber die Rechtslage, wenn in der Hauptversammlung das Abstimmungsergebnis im Wege des Subtraktionsverfahrens ermittelt wird. Da beim Subtraktionsverfahren nur die Nein-Stimmen sowie die Stimmenthaltungen erfasst werden, im Übrigen jeder an der Hauptversammlung teilnehmende Aktionär so behandelt wird, als ob er mit Ja stimmen würde, hat dies zur Folge, dass ein Aktionär, der die Hauptversammlung vor Beendigung des Abstimmungsvorgangs und ohne Vollmachtserteilung und Stimmrechtsausübung verlässt, grundsätzlich so zu behandeln ist, wie wenn er an der Hauptversammlung gar nicht teilgenommen hätte. Sein Stimmrecht wird mithin hierbei nicht berücksichtigt.
Übt der Aktionär jedoch sein Stimmrecht aus, indem er mit Nein stimmt oder sich ausdrücklich der Stimme enthält, und verlässt er danach die Hauptversammlung, so besteht - ebenso wie bei Anwendung des Additionsverfahrens - zunächst kein Grund, weshalb insoweit sein Stimmrecht nicht berücksichtigt werden sollte. Wird bei der Präsenzerfassung auf den Zeitpunkt des Beginns der Abstimmung abgestellt, so ist der Aktionär im Teilnehmerverzeichnis und in der sog. Präsenzliste erfasst. Ebenso möglich ist die Erfassung seiner Stimmenthaltung bzw. der von ihm abgegebenen Nein-Stimmen. Wird dagegen bei der Präsenzerfassung auf den Zeitpunkt der Beendigung des Abstimmungsvorgangs abgestellt, so ist festzustellen, dass der Aktionär zwar sein Stimmrecht ausgeübt hat (Abgabe einer Nein-Stimme bzw. einer Stimmenthaltung), jedoch ist er wegen seines vorzeitigen Verlassens des Versammlungsraums aus der Präsenzliste zu streichen. Folge wäre, dass sein Stimmrecht trotz ausdrücklicher Stimmabgabe nicht berücksichtigt werden könnte, weil er nicht mehr als in der Versammlung präsent behandelt wird. Diese Unstimmigkeit bei der Abstimmung mittels Subtraktionsverfahrens lässt sich u. E. einmal dadurch lösen, dass man ein Verlassen des Hauptversammlungsraums während des Abstimmungsvorgangs entsprechend dem Vorschlag Pickerts (in: Semler/Volhard, HVHdb. I D Rn. 256) untersagt. Da u. E. jedoch unklar ist, wie dieses Verbot in der Praxis durchgesetzt werden soll ("Freiheitsberaubung"), lässt sich dieses Problem dadurch lösen, dass die Liste mit den abgegebenen Nein-Stimmen und Stimmenthaltungen mit der Präsenzliste abgeglichen wird. Aktionäre, die auf der Präsenzliste zwar als Abgang gebucht wurden, sind gleichwohl als anwesend zu behandeln, wenn ihre Stimmen auf der Liste der abgegebenen Stimmen als Nein-Stimmen oder Stimmenthaltungen vermerkt sind (ähnlich wohl im Ergebnis Pickert, in: in: Semler/Volhard, HVHdb. I D Rn. 257).
Will dagegen der Aktionär mit Ja stimmen, gleichwohl aber die Hauptversammlung noch vor Beendigung des Abstimmungsverfahrens verlassen, so kann sein Stimmrecht berücksichtigt werden, wenn bei der Präsenzerfassung allein auf den Zeitpunkt des Beginns der Abstimmung abgestellt wird. Stellt man jedoch bei der Präsenzerfassung auf das Ende des Abstimmungsvorgangs ab, muss der Aktionär eine andere Person mit der Ausübung seines Stimmrechts bevollmächtigen. Anderenfalls wird er mit Verlassen der Hauptversammlung aus dem Teilnehmerverzeichnis gestrichen, so dass seine Stimme dann auch nicht im Wege der Subtraktion als Ja-Stimme mit erfasst werden kann.
e)
Bezüglich der Stimmrechtsvollmacht stellt sich dann weiter das Problem, wie diese nachgewiesen werden kann. Wird wie nach der bisherigen Fassung des
f) Aus der Praxis ist dabei bekannt, dass der Vorsitzende der Hauptversammlung bei der Erläuterung des Abstimmungsverfahrens ausdrücklich darauf hinweist, dass Aktionäre, die sich bei Verlassen der Hauptversammlung nicht aus der Präsenz abmelden, als anwesend betrachtet werden. Ihre Stimmen werden daher in der Abstimmung erfasst. Geben sie jedoch ihren Stimmkartenblock ab, so werden ihre Stimmen bei der Abstimmung nicht mitgezählt - weder als Ja-Stimmen noch als Nein-Stimmen noch als Stimmenenthaltung.
g) Ohne Bedeutung ist schließlich auch hier, wenn ein Aktionär erst während des Abstimmungsvorgangs neu in der Hauptversammlung erscheint und an der bereits laufenden Abstimmung noch teilnehmen will. Wird bei der Erstellung der Präsenzliste auf das Ende des Abstimmungsvorgangs abgestellt, so ist es ohne Weiteres möglich, diesen Aktionär noch in der Präsenzliste zu erfassen. Allein diese Erfassung in der Präsenzliste genügt alsdann, seine Stimmen als Ja-Stimmen zu werten. Will er dagegen mit Nein stimmen, bzw. sich der Stimme enthalten, so muss er in diesem Fall ausdrücklich noch an der Abstimmung teilnehmen. Stellt man bei der Präsenzerfassung dagegen auf den Beginn des Abstimmungsvorgangs ab, so kann der Aktionär, der erst später kommt, sein Stimmrecht nicht mehr ausüben. Gerade dieser Aspekt zeigt u. E., dass die Zulässigkeit einer Präsenzerfassung, die allein auf den Beginn des Abstimmungsvorgangs abstellt, zweifelhaft ist, da hierbei das Stimmrecht der Aktionäre erheblich eingeschränkt wird: Der Aktionär ist in der Hauptversammlung anwesend, der Abstimmungsvorgang ist auch noch nicht beendet, gleichwohl aber soll der Aktionär nicht mehr sein Stimmrecht ausüben können, nur weil er zu Beginn des Abstimmungsvorgangs noch nicht anwesend war.
4. Teilnehmerverzeichnis und Zu- oder Abgänge während des Abstimmungsverfahrens
Nach
31.12.2002
RechtsbezugNational
Rechtsgebiete:Aktiengesellschaft (AG)
Erschienen in: Normen in Titel:AktG § 134; AktG § 118 Abs. 1; AktG § 3; AktG § 130