31. Dezember 2002
AktG § 134; AktG § 118 Abs. 1; AktG § 3; AktG § 130

Teilnahme an einer Hauptversammlung und Verlassen derselben während des Abstimmungsvorganges; Auswirkungen auf das Teilnehmerverzeichnis und die Stimmauswertung

Teilnahme an einer Hauptversammlung und Verlassen derselben während des Abstimmungsvorganges; Auswirkungen auf das Teilnehmerverzeichnis und die Stimmauswertung - AktG § 3 130, 134, 118 Abs. 1

I. Sachverhalt und Frage

Welchen Einfluss hat es auf die Abstimmung in der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft, wenn Aktionäre während des eigentlichen Abstimmungsvorgangs die Hauptversammlung verlassen oder erst während dieses Zeitraums hinzukommen und erst nach Beginn der Abstimmung, jedoch vor Beendigung derselben an der Hauptversammlung teilnehmen?

II. Rechtslage

1. Versammlungsgebundene Aktionärsrechte

Nach § 118 Abs. 1 AktG üben die Aktionäre ihre Rechte in den Angelegenheiten der Gesellschaft grundsätzlich "in der Hauptversammlung" aus. Erfasst werden von diesen sog. versammlungsgebundenen Aktionärsrechten insbesondere das Stimmrecht nach §§ 133 ff. AktG sowie das Recht, Widerspruch zur Niederschrift zu erklären, § 245 Nr. 1 AktG. Erfasst wird darüber hinaus von § 118 Abs. 1 AktG das in § 131 AktG enthaltene Auskunftsrecht als auch das Rederecht des Aktionärs in der Hauptversammlung. Dieses Rederecht ist zwar selbst nicht im Aktiengesetz enthalten. Gleichwohl steht dieses Recht im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Auskunftsrecht des § 131 AktG. Eine Parallele besteht ebenso zu dem Antragsrecht der Aktionäre, unter bestimmten Voraussetzungen eine Beschlussfassung in der Hauptversammlung über bestimmte Tagesordnungspunkte zu verlangen. Daher entspricht es allgemeiner Meinung, dass auch das Rederecht seine Grundlage letztlich in § 118 Abs. 1 AktG hat (Obermüller/Werner/Winden/Butzke, Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft, 4. Aufl. 2001, G Rn. 7 f.; KölnKomm-Zöllner, AktG, 1. Aufl. 1973, § 118 Rn. 18; Semler/Volhard, Arbeitshandbuch für die Hauptversammlung (HVHdb), 1999, I F Rn. 1 ff., jeweils m. w. N.).

Soweit hiernach die Aktionäre diese Rechte gem. § 118 Abs. 1 AktG in der Hauptversammlung ausüben, bedeutet dies, dass die Aktionäre entweder in eigener Person oder mittels eines Stellvertreters an der Hauptversammlung "teilnehmen" müssen. Der in § 118 Abs. 1 AktG enthaltene Begriff "in der Hauptversammlung" geht von einer sog. "Präsenzversammlung" aus. Eine ganz oder teilweise beispielsweise im Internet durchgeführte Hauptversammlung ist deshalb - jedenfalls nach derzeitiger Rechtslage - unzulässig (Riegger/Mutter, ZIP 1998, 637, 638; Zätzsch/Gröning, NZG 2000, 393, 396; Zuther, in: Semler/Volhard, HVHdb, I B 576; Hüffer, AktG, 5. Aufl. 2002, § 118 Rn. 5a).

2. Änderung der Präsenz während der Hauptversammlung

Keine ausdrücklichen Stellungnahmen in Rechtsprechung und Literatur konnten wir zu der Frage finden, welche Auswirkungen es auf das Abstimmungsergebnis über die Beschlussfassung in der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft hat, wenn ein an der Hauptversammlung zunächst teilnehmender Aktionäre noch vor Beendigung des Abstimmungsvorganges die Hauptversammlung wieder verlässt bzw. wie die Rechtslage zu beurteilen ist, wenn ein Aktionär erst nach Beginn, jedoch noch vor Beendigung des eigentlichen Abstimmungsvorgangs an der Hauptversammlung teilnimmt.
a) Soweit § 118 Abs. 1 Akt voraussetzt, dass die Aktionäre ihre Rechte in der Hauptversammlung ausüben (müssen), bedeutet dies zunächst nicht, dass die Aktionäre an der gesamten Hauptversammlung von Anfang bis Ende teilnehmen müssen. Hinweise für eine derartige Interpretation des § 118 AktG sind dem Gesetz nicht zu entnehmen. Dies dürfte auch nicht sachgerecht sein. Der Aktionär muss selbst autonom darüber entscheiden können, in welchem Umfang er an der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft teilnimmt. So kann er beispielsweise seine Teilnahme nur auf den eigentlichen Abstimmungsvorgang beschränken (so auch Zöllner, ZGR 1974, 1, 8 f.). Andererseits muss sich der teilnehmende Aktionär hierbei der Organisationshoheit des Versammlungsleiters unterordnen. Der Vorsitzende in der Hauptversammlung leitet die Hauptversammlung. Dabei entscheidet er auch über den organisatorischen Ablauf der Versammlung und kann insbesondere festlegen, dass beispielsweise die Beschlussfassung in einem einheitlichen Abstimmungsvorgang nach Beendigung der Aussprache der Aktionäre stattfindet.

b) Unter dieser Prämisse erscheint es ebenso nicht erforderlich, dass ein Aktionär, der an der Beschlussfassung in der Hauptversammlung teilnehmen will, der Hauptversammlung während des gesamten Abstimmungsvorgangs beiwohnt (Zöllner, ZGR 1974, 1, 8 f.). Auch die organisatorische Durchführung des Abstimmungsvorgangs selbst verlangt es u. E. nicht, dass ein Aktionär während des ganzen Abstimmungsvorganges an der Hauptversammlung teilnehmen muss, um an der Abstimmung wirksam teilzunehmen.

3. Ermittlung des Abstimmungsergebnisses

a) Im Übrigen ist hierbei danach zu unterscheiden, nach welchem Abstimmungsverfahren die Beschlussfassung in der Hauptversammlung durchgeführt wird. Hierbei werden im Allgemeinen zwei Verfahren unterschieden, nämlich einmal das sog. Additionsverfahren sowie zum anderen das Subtraktionsverfahren. Während beim Additionsverfahren die Ja-Stimmen und die Nein-Stimmen getrennt gezählt und die Zahl der abgegebenen Stimmen durch Addition ermittelt wird, eine Erfassung der Stimmenthaltungen dagegen nicht erfolgt, weil es insoweit auf sie für die Feststellung der Mehrheit nicht ankommt (Hüffer, § 133 Rn. 23; Obermüller/Werner/Winden/Butzke, E Rn. 107 f.; Richter, in: Semler/Volhard, HVHdb., I D Rn. 165), werden bei der sog. Subtraktionsmethode nur die Nein-Stimmen und die Stimmenthaltungen gezählt. Ausgangsgröße ist im Übrigen die Gesamtzahl der an der Hauptversammlung teilnehmenden Aktionäre. Von ihr werden alsdann zunächst die Stimmenthaltungen abgezogen, woraus sich die Zahl der abgegebenen Stimme errechnet. Davon ist sodann die Zahl der Nein-Stimmen zu subtrahieren. Die Differenz entspricht der Zahl der Ja-Stimmen (OLG Frankfurt AG 1999, 231, 232; Hüffer, § 133 Rn. 24; Obermüller/Werner/Winden/Butzke, E Rn. 109; Richter, in: Semler/Volhard, HV Hdb., I D Rn. 167, MünchHdb.-AG/Semler, 2. Aufl. 1999, § 39 Rn. 35).

b) Wichtigste Voraussetzung ist beim Subtraktionsverfahren die jederzeit aktuelle Erfassung der jeweils insgesamt in der Hauptversammlung anwesenden bzw. vertretenen Aktionäre (sog. Präsenz). Es muss dabei vor Beginn der Abstimmung deutlich darauf hingewiesen werden, dass alle Aktionäre, die nicht mit Ja stimmen wollen, ausdrücklich ihre Nein-Stimmen bzw. Stimmenthaltungen abgeben müssen. Bleiben die Aktionäre indessen innerhalb des Präsenzbereichs in der Hauptversammlung anwesend, werden ihre Stimmen auch ohne ausdrückliche Stimmabgabe als Ja-Stimmen gewertet (Obermüller/Werner/Winden/Butzke, E Rn. 110; Richter, in: Semler/Volhard, HVHdb., I D Rn. 167).

Keine ausdrücklichen Aussagen in Rechtsprechung und Literatur konnten wir dabei zu der Frage finden, auf welchen Zeitpunkt bei der Präsenzerfassung im Rahmen des Subtraktionsverfahrens abzustellen ist. Obgleich der Abstimmungsvorgang sich über einen bestimmten Zeitraum erstreckt, so dass von vornherein nicht auf einen bestimmten Zeitpunkt Bezug genommen werden kann, könnte man hierbei entweder auf den Zeitpunkt des Beginns der Abstimmung oder aber auch auf den Zeitpunkt der Beendigung der Abstimmung abstellen. Stellt man auf den Beginn der Abstimmung ab, so sind spätere Veränderungen in der Präsenz unschädlich. Die Stimmen der zu diesem Zeitpunkt anwesenden Aktionäre werden berücksichtigt, nicht aber dagegen die Stimmen der nach Beginn der Abstimmung hinzukommenden Aktionäre. Stellt man demgegenüber auf das Ende des Abstimmungsvorgangs ab, so wirken sich Veränderungen in der Präsenz auch noch nach Beginn der Abstimmung auf das Abstimmungsergebnis aus. Dann aber müssten die Aktionäre letztlich bis zum Ende des Abstimmungsvorgangs anwesend sein, damit ihre Stimmen im Abstimmungsergebnis berücksichtigt werden können.

Soweit man in der Literatur Hinweise zu diesem Problem findet, heißt es an einer Stelle, die Präsenz sei zu Beginn der Abstimmung festzustellen und zu verkünden, während des Abstimmungsvorgangs sei die "Stimmenfluktuation zu unterbinden" (Pickert, in: Semler/Volhard, HVHdb. I D Rn. 256). Es wird also auf den Beginn der Abstimmung abgestellt, Zu- und Abgänge von Aktionären zum Versammlungsraum nach Beginn und vor Beendigung der Abstimmung werden untersagt. Zöllner (ZGR 1974, 1, 7; 8 f.) und ihm folgend Richter (in: Semler/Volhard, HV Hdb. I D Rn. 172 Fn. 187) fordern demgegenüber, dass Aktionäre, die die Hauptversammlung vorzeitig verlassen, aus der Präsenzliste zu löschen sind, ihre Stimmen also bei der Stimmrechtsauswertung in keiner Weise berücksichtigt werden (d. h. Präsenzerfassung bei Beendigung des Abstimmungsvorgangs). Ähnlicher Ansicht ist Eckardt (Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropf, AktG, 1974, § 133 Rn. 18), der ausführt, die Stimmen der Aktionäre und Aktionärsvertreter, die neu erschienen sind oder die inzwischen den Versammlungsraum verlassen haben, müssten in die Präsenzliste aufgenommen oder gestrichen werden.

U. E. ist der zuletztgenannten Ansicht zu folgen. Es erscheint nicht geboten, Aktionäre zu zwingen, nur zum Zwecke ihrer wirksamen Stimmrechtsausübung während des gesamten Zeitraums des Abstimmungsvorgangs, also über den Zeitpunkt der eigenen Stimmrechtsausübung hinaus im Hauptversammlungsraum anwesend zu sein. Ausreichend ist es, nur zum Zwecke der eigenen Stimmabgabe beim eigentlichen Abstimmungsvorgang in der Hauptversammlung anwesend zu sein, ohne dass es im Übrigen darauf ankommt, ob man deshalb auch zu Beginn oder am Ende der Abstimmung bzw. während des gesamten Zeitraums der Abstimmung anwesend ist.

c) Wird sonach die Beschlussfassung in der Hauptversammlung mittels Additionsverfahren durchgeführt, so kommt es - wie bereits erwähnt - allein darauf an, dass der anwesende Aktionär sich aktiv an der Abstimmung beteiligt, sei es dass er mit Ja oder mit Nein stimmt. Verlässt deshalb der Aktionär vor Stimmabgabe und ohne Vollmachterteilung die Hauptversammlung, so wird deshalb seine Stimme in keiner Weise bei dem Abstimmungsvorgang erfasst. Umgekehrt ist es deshalb nicht schädlich, wenn der Aktionär nach Stimmabgabe die Hauptversammlung verlässt. Da beim Additionsverfahren nur die tatsächlich abgegebenen Ja- und Nein-Stimmen gezählt werden, kommt es allein auf die tatsächliche Stimmabgabe an. Unschädlich ist es deshalb, wenn der Aktionär nach Stimmabgabe die Hauptversammlung verlässt. Gleichfalls unschädlich ist es beim Additionsverfahren, wenn ein Aktionär erst während des laufenden Abstimmungsverfahrens zu der Hauptversammlung hinzukommt und hierbei noch sein Stimmrecht ausübt. Auch hier kann die tatsächlich abgegebene Stimme des Aktionärs im Rahmen des Abstimmungsvorgangs noch berücksichtigt werden. Es kommt allein auf die tatsächlich abgegebenen Ja- und Nein-Stimmen an. Eine Anwesenheit während des gesamten Abstimmungsvorgangs in der Hauptversammlung ist beim Additionsverfahren nicht erfoderlich.

d) Differenziert zu beurteilen ist demgegenüber die Rechtslage, wenn in der Hauptversammlung das Abstimmungsergebnis im Wege des Subtraktionsverfahrens ermittelt wird. Da beim Subtraktionsverfahren nur die Nein-Stimmen sowie die Stimmenthaltungen erfasst werden, im Übrigen jeder an der Hauptversammlung teilnehmende Aktionär so behandelt wird, als ob er mit Ja stimmen würde, hat dies zur Folge, dass ein Aktionär, der die Hauptversammlung vor Beendigung des Abstimmungsvorgangs und ohne Vollmachtserteilung und Stimmrechtsausübung verlässt, grundsätzlich so zu behandeln ist, wie wenn er an der Hauptversammlung gar nicht teilgenommen hätte. Sein Stimmrecht wird mithin hierbei nicht berücksichtigt.

Übt der Aktionär jedoch sein Stimmrecht aus, indem er mit Nein stimmt oder sich ausdrücklich der Stimme enthält, und verlässt er danach die Hauptversammlung, so besteht - ebenso wie bei Anwendung des Additionsverfahrens - zunächst kein Grund, weshalb insoweit sein Stimmrecht nicht berücksichtigt werden sollte. Wird bei der Präsenzerfassung auf den Zeitpunkt des Beginns der Abstimmung abgestellt, so ist der Aktionär im Teilnehmerverzeichnis und in der sog. Präsenzliste erfasst. Ebenso möglich ist die Erfassung seiner Stimmenthaltung bzw. der von ihm abgegebenen Nein-Stimmen. Wird dagegen bei der Präsenzerfassung auf den Zeitpunkt der Beendigung des Abstimmungsvorgangs abgestellt, so ist festzustellen, dass der Aktionär zwar sein Stimmrecht ausgeübt hat (Abgabe einer Nein-Stimme bzw. einer Stimmenthaltung), jedoch ist er wegen seines vorzeitigen Verlassens des Versammlungsraums aus der Präsenzliste zu streichen. Folge wäre, dass sein Stimmrecht trotz ausdrücklicher Stimmabgabe nicht berücksichtigt werden könnte, weil er nicht mehr als in der Versammlung präsent behandelt wird. Diese Unstimmigkeit bei der Abstimmung mittels Subtraktionsverfahrens lässt sich u. E. einmal dadurch lösen, dass man ein Verlassen des Hauptversammlungsraums während des Abstimmungsvorgangs entsprechend dem Vorschlag Pickerts (in: Semler/Volhard, HVHdb. I D Rn. 256) untersagt. Da u. E. jedoch unklar ist, wie dieses Verbot in der Praxis durchgesetzt werden soll ("Freiheitsberaubung"), lässt sich dieses Problem dadurch lösen, dass die Liste mit den abgegebenen Nein-Stimmen und Stimmenthaltungen mit der Präsenzliste abgeglichen wird. Aktionäre, die auf der Präsenzliste zwar als Abgang gebucht wurden, sind gleichwohl als anwesend zu behandeln, wenn ihre Stimmen auf der Liste der abgegebenen Stimmen als Nein-Stimmen oder Stimmenthaltungen vermerkt sind (ähnlich wohl im Ergebnis Pickert, in: in: Semler/Volhard, HVHdb. I D Rn. 257).

Will dagegen der Aktionär mit Ja stimmen, gleichwohl aber die Hauptversammlung noch vor Beendigung des Abstimmungsverfahrens verlassen, so kann sein Stimmrecht berücksichtigt werden, wenn bei der Präsenzerfassung allein auf den Zeitpunkt des Beginns der Abstimmung abgestellt wird. Stellt man jedoch bei der Präsenzerfassung auf das Ende des Abstimmungsvorgangs ab, muss der Aktionär eine andere Person mit der Ausübung seines Stimmrechts bevollmächtigen. Anderenfalls wird er mit Verlassen der Hauptversammlung aus dem Teilnehmerverzeichnis gestrichen, so dass seine Stimme dann auch nicht im Wege der Subtraktion als Ja-Stimme mit erfasst werden kann.
e)
Bezüglich der Stimmrechtsvollmacht stellt sich dann weiter das Problem, wie diese nachgewiesen werden kann. Wird wie nach der bisherigen Fassung des § 134 Abs. 3 AktG für die Vollmacht Schriftform verlangt, ist dieser Nachweis jedenfalls dann erbracht, wenn die Vollmacht gegenüber der Gesellschaft gem. § 167 Abs. 1, 2. Alt. BGB erteilt wird. Wird die Vollmacht jedoch gegenüber dem Bevollmächtigten erteilt oder wird dabei von der Möglichkeit einer mündlichen Vollmachtserteilung bei entsprechender statutarischer Regelung nach § 134 Abs. 3 AktG n. F. Gebrauch gemacht, so kommt es in der Praxis wohl darauf an, ob der Aktionär seine Stimmrechtskarten bei der Einlass-/Auslasskontrolle des Präsenzbereichs abgibt oder nicht. Gibt er diese ab, so ist vom Fehlen einer Bevollmächtigung auszugehen. Der Aktionär wird aus dem Teilnehmerverzeichnis gestrichen. Seine Stimmen werden nicht berücksichtigt. Gibt er seine Stimmkarten demgegenüber nicht zurück, so ist von einer entsprechenden Bevollmächtigung auszugehen, dass also der Aktionäre in der Hauptversammlung durch einen Bevollmächtigten vertreten wird. Demgemäß werden seine Stimmen im Teilnehmerverzeichnis mit berücksichtigt und sodann als Ja-Stimmen gewertet.

f) Aus der Praxis ist dabei bekannt, dass der Vorsitzende der Hauptversammlung bei der Erläuterung des Abstimmungsverfahrens ausdrücklich darauf hinweist, dass Aktionäre, die sich bei Verlassen der Hauptversammlung nicht aus der Präsenz abmelden, als anwesend betrachtet werden. Ihre Stimmen werden daher in der Abstimmung erfasst. Geben sie jedoch ihren Stimmkartenblock ab, so werden ihre Stimmen bei der Abstimmung nicht mitgezählt - weder als Ja-Stimmen noch als Nein-Stimmen noch als Stimmenenthaltung.

g) Ohne Bedeutung ist schließlich auch hier, wenn ein Aktionär erst während des Abstimmungsvorgangs neu in der Hauptversammlung erscheint und an der bereits laufenden Abstimmung noch teilnehmen will. Wird bei der Erstellung der Präsenzliste auf das Ende des Abstimmungsvorgangs abgestellt, so ist es ohne Weiteres möglich, diesen Aktionär noch in der Präsenzliste zu erfassen. Allein diese Erfassung in der Präsenzliste genügt alsdann, seine Stimmen als Ja-Stimmen zu werten. Will er dagegen mit Nein stimmen, bzw. sich der Stimme enthalten, so muss er in diesem Fall ausdrücklich noch an der Abstimmung teilnehmen. Stellt man bei der Präsenzerfassung dagegen auf den Beginn des Abstimmungsvorgangs ab, so kann der Aktionär, der erst später kommt, sein Stimmrecht nicht mehr ausüben. Gerade dieser Aspekt zeigt u. E., dass die Zulässigkeit einer Präsenzerfassung, die allein auf den Beginn des Abstimmungsvorgangs abstellt, zweifelhaft ist, da hierbei das Stimmrecht der Aktionäre erheblich eingeschränkt wird: Der Aktionär ist in der Hauptversammlung anwesend, der Abstimmungsvorgang ist auch noch nicht beendet, gleichwohl aber soll der Aktionär nicht mehr sein Stimmrecht ausüben können, nur weil er zu Beginn des Abstimmungsvorgangs noch nicht anwesend war.

4. Teilnehmerverzeichnis und Zu- oder Abgänge während des Abstimmungsverfahrens

Nach § 129 Abs. 1 S. 2 AktG ist in der Hauptversammlung ein sog. Teilnehmerverzeichnis aufzustellen. Dabei ist u. a. darzustellen, ob die Aktionäre persönlich anwesend sind oder durch einen Bevollmächtigten vertreten werden. § 129 Abs. 4 S. 1 AktG verlangt darüber hinaus, dass dieses Verzeichnis vor der ersten Abstimmung allen Teilnehmern zugänglich gemacht werden muss. Dabei entspricht es h. M., dass Aktionäre, die nachträglich erscheinen oder die die Hauptversammlung vorzeitig verlassen, im Teilnehmerverzeichnis zu vermerken sind, weil anderenfalls nur eine Momentaufnahme für den Beginn der Hauptversammlung entstünde, die dem Dokumentationszweck nicht gerecht werden würde (Hüffer, § 129 AktG Rn. 10; MünchHdb.-AG/Semler, § 36 Rn. 30). Von besonderer Bedeutung ist es schließlich, wenn das Teilnehmerverzeichnis zugleich als sog. Präsenzliste im Rahmen des Subtraktionsverfahrens bzw. die Präsenzliste als Teilnehmerverzeichnis verwendet wird. Entscheidend ist hierbei, dass zu jeder Abstimmung die Präsenzliste unter Berücksichtigung zwischenzeitlicher Zu- und Abgänge stets auf den neusten Stand gebracht wird (MünchHdb.-AG/Semler, § 39 Rn. 35 a. E.; v. Hülsen, in: Semler/Volhard, HVHdb I D Rn. 44 und Rn. 172).

Erscheinungsdatum:

31.12.2002

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Aktiengesellschaft (AG)

Erschienen in:

DNotI-Report 2002, 169-172

Normen in Titel:

AktG § 134; AktG § 118 Abs. 1; AktG § 3; AktG § 130