30. April 2019
BauGB § 24; InsO § 270; BGB § 463; BGB § 471; BGB § 433; BauGB § 28

Verkauf eines Grundstücks während des Insolvenzverfahrens bei angeordneter Eigenverwaltung

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Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 167697
letzte Aktualisierung: 30. April 2019

BGB §§ 433, 463, 471; BauGB §§ 24, 28; InsO §§ 270 ff.
Verkauf eines Grundstücks während des Insolvenzverfahrens bei angeordneter Eigenverwaltung

I. Sachverhalt

Über das Vermögen einer GmbH & Co. KG wurde das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung
eröffnet. Die GmbH & Co. KG möchte während der Eigenverwaltung ein Grundstück verkaufen.

II. Frage

Ist das Vorkaufsrecht der Gemeinde nach § 28 Abs. 2 S. 2 BauGB, § 471 BGB auch bei einem
Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung ausgeschlossen?

III. Zur Rechtslage

1. Anwendbarkeit des § 471 BGB im Falle der Eigenverwaltung

Nach § 28 Abs. 2 S. 2 BauGB sind die §§ 463, 464 Abs. 2, §§ 465 bis 468 und 471 BGB auf
das gemeindliche Vorkaufsrecht (§§ 24 ff. BauGB) anzuwenden. Nach dem in Bezug genommenen
§ 471 BGB ist das Vorkaufsrecht ausgeschlossen, wenn der Verkauf im Wege
der Zwangsvollstreckung oder aus einer Insolvenzmasse erfolgt. Es stellt sich die Frage, ob die
letztgenannte Bestimmung auch für ein Insolvenzverfahren in Gestalt der sog. Eigenverwaltung
(unter Aufsicht eines Sachwalters) gem. §§ 270 ff. InsO gilt.

Nach § 270 Abs. 1 InsO ist der Schuldner berechtigt, unter der Aufsicht eines Sachwalters
die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen, wenn das Insolvenzgericht in
dem Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Eigenverwaltung anordnet.
Der Wortlaut der Norm steht u. E. einer Anwendbarkeit des § 471 BGB nicht entgegen, da
auch im Falle der Eigenverwaltung der Verkauf des Grundstücks aus der Insolvenzmasse erfolgt.
Wir gehen daher davon aus, dass ein Vorkaufsrecht auch dann ausgeschlossen ist,
wenn der Verkauf des Grundstücks durch den Insolvenzschuldner unter Aufsicht des Sachverwalters
stattfindet (in diesem Sinne auch BeckOGK-BGB/Daum, Std.: 1.4.2019, § 471
Rn. 7).

Dieses Gesetzesverständnis dürfte nicht nur mit dem Wortlaut der Norm, sondern auch mit
dem Willen des Gesetzgebers im Einklang stehen. Die ursprüngliche Formulierung des
§ 471 BGB (vormals § 457 BGB a. F.) lautete dahingehend, dass ein Vorkaufsrecht ausgeschlossen
ist, wenn der Verkauf „durch den Konkursverwalter“ erfolgt. Mit dem Einführungsgesetz
zur Insolvenzordnung (EGInsO) v. 5.10.1994 (BGBl. I, 2911) wurden die Worte
„durch den Konkursverwalter“ durch die Worte „aus einer Insolvenzmasse“ ersetzt. In der Gesetzesbegründung
(BT-Drs. 12/3803, 78) heißt es hierzu:

„Nach dem Entwurf der Insolvenzordnung kann anstelle des Insolvenzverwalters
der Schuldner über das zur Insolvenzmasse gehörende
Vermögen verfügen, wenn das Gericht die Eigenverwaltung
unter Aufsicht eines Sachwalters (§ 331 des Entwurfs der
Insolvenzordnung) oder die Eigenverwaltung ohne Sachwalter
(§ 347 des Entwurfs der Insolvenzordnung) angeordnet hat. Die
vorgeschlagene Formulierung „aus einer Insolvenzmasse“ berücksichtigt
diese Besonderheiten.“

Mit der Änderung des Wortlauts des § 471 BGB (§ 457 BGB a. F.) wollte der Gesetzgeber
folglich der Einführung des insolvenzrechtlichen Instituts der Eigenverwaltung Rechnung
tragen und auch dieses Institut in den Anwendungsbereich der Norm einbeziehen.
Die Bestimmung des § 1098 Abs. 1 S. 2 BGB, nach der ein dingliches Vorkaufsrecht auch
dann ausgeübt werden kann, wenn das Grundstück von dem Insolvenzverwalter aus freier
Hand verkauft wird, ist in § 28 Abs. 2 S. 2 BauGB nicht für anwendbar erklärt.

Im Ergebnis gehen wir daher davon aus, dass in dem von Ihnen geschilderten Fall ein
gemeindliches Vorkaufsrecht wegen § 471 BGB (i. V. m. § 28 Abs. 2 S. 2 BauGB) ausgeschlossen
ist. Wir erlauben uns allerdings darauf hinzuweisen, dass wir keinerlei Rechtsprechung
zu der Frage der Anwendbarkeit des § 471 BGB ausfindig machen konnten und
auch die Literaturlage als spärlich zu bezeichnen ist.

2. Prüfungsrecht und Prüfungspflicht des Grundbuchamts betreffend die Einschlägigkeit
von § 28 Abs. 2 S. 2 BauGB i. V. m. § 471 BGB

Nach § 28 Abs. 1 S. 2 BauGB darf das Grundbuchamt den Käufer als Eigentümer in das
Grundbuch nur eintragen, wenn ihm die Nichtausübung oder das Nichtbestehen des Vorkaufsrechts
nachgewiesen ist. Es stellt sich daher die Frage, ob das Grundbuchamt im vorliegenden
Fall dazu verpflichtet wäre, auch ohne das Vorliegen eines Negativzeugnisses die
Eigentumsumschreibung zu veranlassen, also die Einschlägigkeit des § 471 BGB von sich
aus zu prüfen und bejahendenfalls von der Vorlage eines Negativzeugnisses abzusehen.
Nach Ansicht des BGH (NJW 1979, 875) darf das Grundbuchamt die Vorlage eines Negativzeugnisses
der Gemeinde dann nicht verlangen, wenn sich aus dem zu vollziehenden
notariellen Vertrag ergibt, dass ein Vorkaufsfall nicht vorliegt. Dies hat das Grundbuchamt
selbstständig und eigenverantwortlich zu prüfen mit der Folge, dass es beispielsweise
bei einer Grundstücksschenkung nicht die Vorlage eines Negativzeugnisses verlangen
kann (vgl. aus jüngerer Zeit auch OLG Köln NJW-RR 2011, 307; OLG Celle
BeckRS 2013, 21107; EZBK/Stock, 131. EL Okt. 2018, § 28 BauGB Rn. 17; BeckOKBauGB/
Grziwotz, 44. Ed. 1.2.2019, § 28 Rn. 7; Schöner/Stöber, 15. Aufl. 2012, Rn. 4130).
Im vorliegenden Fall wäre allerdings dem Grunde nach ein Vorkaufsfall infolge des Abschlusses
eines Kaufvertrages gegeben und das Vorkaufsrecht wäre „nur“ wegen § 471 BGB
ausgeschlossen. Das LG Gera (BeckRS 2007, 13405) nimmt – u. E. zu Recht – auch in
diesem Fall an, dass die Vorlage eines Negativzeugnisses für den grundbuchlichen Vollzug
entbehrlich ist (in diesem Sinne auch LG Lübeck Rpfleger 1990, 159; BeckOKGBO/
Wilsch, 35. Ed. 1.3.2019, Insolvenzrecht und Grundbuchverfahren, Rn. 109). Die
Entscheidung betraf allerdings die Veräußerung durch einen Insolvenzverwalter. Unmittelbar
einschlägige Rechtsprechung für die Situation der Eigenverwaltung, die dadurch gezeichnet
ist, dass der Insolvenzschuldner den Vertrag abschließt, konnten wir leider nicht
ausfindig machen. Sofern allerdings aus der notariellen Urkunde bzw. aus dem Beschluss
über die Insolvenzeröffnung für das Grundbuchamt erkennbar ist, dass der Verkauf „aus der
Insolvenzmasse“ erfolgt, kann u. E. jedoch nichts anderes gelten als bei einem Verkauf durch
den Insolvenzverwalter.

Im Ergebnis gehen wir daher davon aus, dass auch im Falle der Eigenverwaltung i. S. v.
§ 270 Abs. 1 BGB ein Zeugnis gem. § 28 Abs. 1 S. 2 BauGB entbehrlich ist, sofern für das
Grundbuchamt erkennbar ist, dass der Verkauf aus der Insolvenzmasse erfolgt.

Gutachten/Abruf-Nr:

167697

Erscheinungsdatum:

30.04.2019

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Kaufvertrag
Öffentliches Baurecht
Vorkaufsrecht schuldrechtlich, Wiederkauf
Insolvenzrecht

Normen in Titel:

BauGB § 24; InsO § 270; BGB § 463; BGB § 471; BGB § 433; BauGB § 28