AktG §§ 291, 293 Abs. 3, 295, 304, 305, 307
Gewinnabführungsvertrag mit einer GmbH; analoge Anwendung des § 307 AktG bei Hinzutreten eines Gesellschafters; Form der Vertragsänderung
I. Sachverhalt
Eine GmbH (Tochter-GmbH) will mit ihrer alleinigen Gesellschafterin (Mutter-GmbH) einen Gewinnabführungsvertrag abschließen. Es ist denkbar, dass in Zukunft bei der Tochter-GmbH ein weiterer Gesellschafter als Minderheitsgesellschafter hinzukommt.
Die Beteiligten sind zwar bereit, bei Hinzukommen des Minderheitsgesellschafters eine Ausgleichs- und Abfindungsverpflichtung i. S. d. §§ 304, 305 AktG in den Vertrag aufzunehmen; sie wollen die Details aber erst bei Hinzukommen des weiteren Gesellschafters aushandeln und privatschriftlich regeln. Die Beteiligten möchten vermeiden, in diesem Fall einen neuen Gewinnabführungsvertrag abzuschließen, denn hiermit seien immer steuerliche Risiken im Hinblick auf die Mindestlaufzeit des Gewinnabführungsvertrages verbunden.
II. Frage
Ist die spätere Vereinbarung ohne Neuabschluss des Gewinnabführungsvertrages möglich?
III. Zur Rechtslage
1. Abschluss des Gewinnabführungsvertrages, §§ 291 ff. AktG analog
Der Gewinnabführungsvertrag ist ein Unternehmensvertrag (§§ 291 ff. AktG), durch den sich die beherrschte Gesellschaft verpflichtet, ihren ganzen Gewinn an ein anderes Unternehmen abzuführen (§ 291 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 AktG). Beherrschte Gesellschaft eines Gewinnabführungsvertrages i. S. d. § 291 AktG kann auch eine GmbH sein (vgl. BGH DNotZ 1989, 102; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 10. Aufl. 2022, § 291 AktG Rn. 91; Hölters/Weber/Deilmann, AktG, 4. Aufl. 2022, § 291 Rn. 6 m. w. N.).
Materiell-rechtlich bedarf der Gewinnabführungsvertrag zu seiner Wirksamkeit analog § 293 Abs. 1 AktG der Zustimmung durch einen Beschluss der Gesellschafterversammlung der beherrschten Gesellschaft (auch Organgesellschaft genannt, hier die Tochter-GmbH; vgl. Krafka, Registerrecht, 12. Aufl. 2024, Rn. 1110; Mayer/Weiler, in: Beck’sches Notar-Handbuch, 8. Aufl. 2024, § 22 Rn. 410). Nach allgemeiner Meinung erfordert der Unternehmensvertrag rechtsformübergreifend analog § 293 Abs. 3 AktG die Schriftform (Boor, RNotZ 2017, 65, 70 m. w. N.). Enthält der Vertrag allerdings eine Regelung zur Abfindung nach § 305 AktG (analog), so ist der Unternehmensvertrag aufgrund der enthaltenen Erwerbsverpflichtung gem. § 15 Abs. 4 GmbHG notariell zu beurkunden (Servatius, in: Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 4. Aufl. 2023, KonzernR Rn. 77; Hermanns, RNotZ 2015, 632, 633).
Der Zustimmungsbeschluss der Gesellschafterversammlung der beherrschten Gesellschaft muss notariell beurkundet werden (BGH NJW 1989, 295, 298; Krafka, Rn. 1110 m. w. N.). Nach h. M. ist aufgrund des Eingriffs in die Organisationsstruktur der GmbH die Zustimmung aller Gesellschafter der beherrschten Gesellschaft notwendig (Beurskens, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 24. Aufl. 2025, Anh. § 13 Rn. 110 m. w. N.; Heidel/Peres, Aktienrecht, 6. Aufl. 2024, § 293 AktG Rn. 27; BeckOK-GmbHG/Servatius, Std.: 1.3.2023, KonzernR Rn. 88 f.; ausf. Emmerich, § 293 AktG Rn. 42 ff., auch zur a. A.). Ein Beherrschungs- und/oder Gewinnabführungsvertrag soll zudem analog § 293 Abs. 2 AktG der Zustimmung durch Beschluss der Gesellschafter der Obergesellschaft (oder Organträgergesellschaft bzw. herrschende Gesellschaft) bedürfen (vgl. BGH DNotZ 1989, 102, 105; NJW 1992, 1452, 1453; ebenso Koch, AktG, 19. Aufl. 2025, § 293 Rn. 18a; Emmerich, § 293 AktG Rn. 46; Grigoleit/Servatius, AktG, 2. Aufl. 2020, § 293 Rn. 21; a. A. MünchKommAktG/Altmeppen, 6. Aufl. 2023, § 293 Rn. 107 ff.). Begründet wird dies u. a. mit der Belastung des herrschenden Unternehmens mit den unternehmerischen Risiken der beherrschten Gesellschaft, auf die unmittelbar kein Einfluss genommen werden kann (BGH DNotZ 1989, 102, 107; BeckOK-GmbHG/Servatius, KonzernR Rn. 80 ff.). Wirksam wird der Unternehmensvertrag mit der konstitutiv wirkenden Eintragung in das Handelsregister der beherrschten Gesellschaft analog § 294 Abs. 2 AktG.
Ob der Gewinnabführungsvertrag mit einer GmbH als beherrschter Gesellschaft Regelungen i. S. d. §§ 304, 305 AktG analog aufweisen muss, ist umstritten (Vogt, in: Beck’sches Handbuch der GmbH, 6. Aufl. 2021, § 21 Rn. 234; Emmerich, § 304 AktG Rn. 11–14; MünchKommAktG/van Rossum, § 304 Rn. 21; Hommelhoff, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 21. Aufl. 2023, Anh. § 13 Rn. 91 m. w. N.). Nach § 304 Abs. 1 S. 1 AktG muss ein Gewinnabführungsvertrag einen angemessenen Ausgleich für die außenstehenden Aktionäre durch eine auf die Anteile am Grundkapital bezogene wiederkehrende Geldleistung (Ausgleichszahlung) vorsehen. Nach § 305 Abs. 1 S. 1 AktG muss ein solcher Vertrag die Verpflichtung des anderen Vertragsteils enthalten, auf Verlangen des außenstehenden Aktionärs dessen Aktien gegen eine im Vertrag bestimmte angemessene Anbindung zu erwerben. Unabhängig davon, ob die Normen analog auf eine GmbH als beherrschte Gesellschaft Anwendung finden, ist eine diesbezügliche Regelung nach dem Sachverhalt jedenfalls entbehrlich, denn zumindest derzeit ist kein außenstehender Gesellschafter vorhanden (vgl. BeckOGK-AktG/Veil/Preisser, Std.: 1.6.2025, § 304 Rn. 3).
2. Analoge Anwendung von § 307 AktG?
Zu untersuchen ist, wie es sich rechtlich auswirkt, wenn nach Abschluss des Gewinnabführungsvertrags ein Minderheitsgesellschafter in die beherrschte Gesellschaft eintritt.
Im vorliegenden Sachverhalt könnte dabei § 307 AktG analog anwendbar sein, mit dem der Gesetzgeber das Interesse des neu hinzutretenden Gesellschafters der beherrschten Gesellschaft schützen wollte. Nach § 307 AktG endet ein Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag spätestens zum Ende des Geschäftsjahrs, in dem ein außenstehender Aktionär beteiligt ist, wenn die Gesellschaft im Zeitpunkt des Beschlusses ihrer Hauptversammlung keinen außenstehenden Aktionär hatte. Damit soll Druck auf die Vertragsbeteiligten ausgeübt werden, einen Vertrag mit Regelungen nach §§ 304, 305 AktG abzuschließen (BeckOGK-AktG/Veil/Walla, Std.: 1.6.2025, § 307 Rn. 3).
Die analoge Anwendung des § 307 AktG auf einen Gewinnabführungsvertrag mit einer GmbH als beherrschter Gesellschaft ist strittig. Teilweise wird sie bejaht, denn auch nachträglich hinzutretende externe Gesellschafter der GmbH seien schutzbedürftig (Servatius, KonzernR Rn. 296 m. w. N.; ohne Begründung LG Köln, Beschl. v. 23.8.2018 – 88 O 23/18 Rn. 115 [juris]). Die Gegenauffassung sieht ein solches Schutzbedürfnis nicht, da gerade bei der GmbH der Erwerber das Bestehen des Unternehmensvertrags aus dem Handelsregister ersehen und zum Gegenstand von Vertragsverhandlungen machen könne (Mues, RNotZ 2005, 2, 29 f.; Katschinski, FS Reuter, 2010, S. 1043, 1048 f.; Göhmann/Winnen, RNotZ 2015, 53, 64; wohl auch BeckOGK-AktG/Veil/Walla, § 307 Rn. 4). Die obergerichtliche Rechtsprechung hat diese Frage – soweit ersichtlich – noch nicht entschieden, sodass die Rechtsfrage insgesamt als offen zu bewerten ist. Gewärtig sein sollte man sich allerdings der Rechtsfolgen der Anwendbarkeit im konkreten Fall: Die vorsorglich getroffenen Regelungen i. S. d. §§ 304, 305 AktG würden – seien sie nun konkret oder abstrakt – den Eintritt der Rechtsfolge des § 307 AktG nicht verhindern. Der Vertrag würde unabdingbar automatisch enden, sodass bei Fortsetzungsinteresse nur ein Neuabschluss in Betracht käme (Grigoleit/Servatius, § 307 Rn. 3; BeckOGK-AktG/Veil/Walla, § 307 Rn. 7 m. w. N.).
3. Nachträgliche Anpassung des Vertrags als Änderung analog § 295 AktG
Unabhängig davon, ob bei der Aufnahme eines Minderheitsgesellschafters in der beherrschten GmbH § 307 AktG überhaupt zur analogen Anwendung kommt und damit indirekt eine Pflicht zum Neuabschluss des Gewinnabführungsvertrags besteht (vgl. Ziff. 2), stellt sich die Frage der Praktikabilität der vorgeschlagenen Gestaltung (rudimentäre Regelung im Gewinnabführungsvertrag mit späterer Präzisierung).
a) Einordnung als Vertragsänderung
Zunächst ist zu untersuchen, ob die später vorzunehmende Präzisierung der Regelungen zu Ausgleich und Abfindung gem. §§ 304 f. AktG eine Änderung i. S. d. § 295 AktG darstellt, sodass die formalen Anforderungen der Vertragsänderung einzuhalten wären.
Unter einer Vertragsänderung i. S. v. § 295 Abs. 1 AktG ist grundsätzlich jede Änderung des Vertragsinhalts durch zweiseitige rechtsgeschäftliche Vereinbarung zu verstehen, die während der Laufzeit des Vertrages wirksam werden soll (BGH NZG 2013, 53; MünchKommAktG/Altmeppen, § 295 Rn. 3; Emmerich, § 295 AktG Rn. 6; Koch, § 295 Rn. 3). Um rechtliche Unsicherheiten zu vermeiden, sind auch unwesentliche Änderungen oder redaktionelle Änderungen bzw. Neufassungen von Bestimmungen als Änderung i. S. d. § 295 AktG zu qualifizieren (MünchKommAktG/Altmeppen, § 295 Rn. 3 m. w. N.; Koch, § 295 Rn. 3).
Daher ist auch die geplante Präzisierung als Änderung i. S. d. § 295 AktG zu betrachten. Die besonderen Voraussetzungen des § 295 AktG für eine Vertragsänderung gelten somit analog.
b) Voraussetzungen einer Vertragsänderung
Für eine nachträgliche Änderung des Gewinnabführungsvertrags bedarf es grundsätzlich einer schriftlichen Änderungsvereinbarung der Vertragsparteien, §§ 293 Abs. 3, 295 Abs. 1 S. 2 AktG analog. Enthielte die Änderung jedoch eine Verpflichtung zur Abtretung von Geschäftsanteilen, so wäre sie gem. § 15 Abs. 4 GmbHG notariell zu beurkunden (vgl. Ziff. 1).
Die Gesellschafterversammlung der beherrschten GmbH muss der Änderung des Gewinnabführungsvertrags nach h. M. durch Gesellschafterbeschluss zustimmen (BFH NZG 2009, 277, 278; Servatius, KonzernR Rn. 210 m. w. N.). Der Zustimmungsbeschluss ist notariell zu beurkunden (BGH NJW 1989, 295, 298; Krafka, Rn. 1110 m. w. N.). Ob der Zustimmungsbeschluss eine Dreiviertelmehrheit der Gesellschafter erfordert oder die Zustimmung sämtlicher Gesellschafter, ist wiederum umstritten (MünchKommAktG/Altmeppen, 6. Aufl. 2023, § 295 Rn. 19; Emmerich, § 295 AktG Rn. 4a; Vogt, § 21 Rn. 209 m. w. N.). Schließlich muss der Vertragsänderung auch die Gesellschafterversammlung der herrschenden Gesellschaft analog § 295 Abs. 1 S. 2 AktG, § 293 Abs. 2 AktG mit einer Dreiviertelmehrheit zustimmen (MünchKommGmbHG/Liebscher, 5. Aufl. 2025, Anh. § 13 Rn. 1006 m. w. N.). Mit ihrer Eintragung in das Handelsregister der beherrschten Gesellschaft wird die Vertragsänderung sodann wirksam, §§ 295 Abs. 1 S. 2, 294 Abs. 2 AktG analog.
4. Ergebnis
Im Ausgangspunkt ist keine Regelung zu etwaigen Ausgleichsleistungen und Abfindungen analog §§ 304 f. AktG erforderlich, da die beherrschte Gesellschaft zu 100 % von der herrschenden Gesellschaft gehalten wird und deshalb kein „außenstehender Gesellschafter“ vorhanden ist.
Die analoge Anwendung des § 307 AktG ist in der vorliegenden Konstellation umstritten. Der sicherste Weg besteht darin, von der Anwendung auszugehen und den Gewinnabführungsvertrag bei Hinzutreten eines weiteren Gesellschafters unter Beachtung der §§ 293 ff. AktG erneut abzuschließen. Denn im Fall der analogen Anwendung hindern vorsorgliche Ausgleichs- und Abfindungsregelungen im Gewinnabführungsvertrag den Eintritt der Rechtsfolge (Beendigung des Vertrags) nicht. Das von den Beteiligten verfolgte Ziel lässt sich damit wohl nicht erreichen.
Selbst wenn zunächst rudimentäre Regelungen zu einer Ausgleichsleistung und Abfindung in den Gewinnabführungsvertrag aufgenommen werden sollten und diese bei Hinzutreten eines weiteren Gesellschafters zur beherrschten Gesellschaft nachträglich präzisiert würden, stellte dies eine Änderung des Gewinnabführungsvertrags i. S. d. § 295 Abs. 1 S. 1 AktG analog dar, sodass die besonderen Wirksamkeitsvoraussetzungen der §§ 295 Abs. 1 S. 2, 293 f. AktG zu beachten wären.