07. Juni 2018
BGB § 1896; GmbHG § 47; BGB § 164

Vorsorgevollmacht des Gesellschafters einer GmbH; Zustimmung der Mitgesellschafter

GmbHG § 47; BGB §§ 164, 1896
Vorsorgevollmacht des Gesellschafters einer GmbH; Zustimmung der Mitgesellschafter

I. Sachverhalt
U ist zusammen mit seiner Schwester S Gesellschafter einer GmbH. U möchte eine General- und Vorsorgevollmacht zugunsten seiner Ehefrau errichten. Die Vollmacht soll sich auch auf die Wahrnehmung seiner Gesellschafterrechte in der GmbH erstrecken. Das Verhältnis zwischen U und S ist angespannt. S ist mit der Bevollmächtigung ihrer Schwägerin nicht einverstanden.

II. Frage
Kann die Vertretung des Gesellschafters in der GmbH durch eine Vorsorgevollmacht geregelt werden?

III. Zur Rechtslage
1. Wahrnehmung der Gesellschafterrechte durch einen Vorsorgebevollmächtigten
Dem Grunde nach ist es unproblematisch zulässig, dass ein Bevollmächtigter für den GmbH-Gesellschafter dessen Gesellschafterrechte wahrnimmt (Muster für die Erteilung entsprechender Vorsorgevollmachten bei Heckschen, in: Heckschen/Heidinger, Die GmbH in der Gestaltungspraxis, 4. Aufl. 2018, Kap. 14 Rn. 113; Jocher, notar 2014, 4, 12; Heinze, in: Münchener Vertragshandbuch, Band 6, 7. Aufl. 2016, VIII. 53b).

Allerdings darf die Vollmacht nicht gegen das auch im GmbH-Recht geltende Abspaltungsverbot verstoßen (vgl. allg. BGH NJW 1965, 1378, 1379; MünchKommGmbHG/Liebscher, 2. Aufl. 2016, § 45 Rn. 132). Hiernach können die mitgliedschaftlichen Rechte nicht ohne den Anteil selbst übertragen werden. Ein Verstoß gegen das Abspaltungsverbot liegt vor, wenn die Vollmacht unwiderruflich ausgestaltet ist oder verdrängend wirkt, d. h. der Vollmachtgeber das Gesellschafterrecht selbst nicht mehr ausüben kann (vgl. KG NZG 1999, 446, 447; Wicke, GmbHG, 3. Aufl. 2016, § 47 Rn. 10).

Ist die Vollmacht jedoch weder unwiderruflich noch verdrängend, ist sie zu­lässig, soweit es um die Ausübung von Gesellschafterrechten in der GmbH geht, insbesondere um das Stimmrecht (vgl. KG NZG 1999, 446, 447; Heinze, VIII. 53b; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. 2017, § 47 Rn. 50; MünchKommGmbHG/Drescher, § 47 Rn. 93; Wedemann, ZIP 2013, 1508, 1511; vgl. allg. auch G. Müller, in: Müller/Renner, Betreuungsrecht und Vor­sorgeverfügungen in der Praxis, 5. Aufl. 2018, Teil 3 Rn. 1045). Anderes würde gelten, wenn die Satzung der GmbH Einschränkungen zur Bevollmächtigung enthält (G. Müller, Teil 3 Rn. 1046). Hiervon ist im vorliegenden Fall jedoch nicht auszugehen. Es ist darauf zu achten, dass die Vollmacht mindestens die Schriftform erfüllt (§ 47 Abs. 3 GmbHG). Die notarielle Beurkundung ersetzt diese Form (§ 126 Abs. 4 BGB).

2. Zustimmung der Mitgesellschafter erforderlich?
Umstritten ist, ob eine Zustimmung der Mitgesellschafter zur Erteilung der General- und Vorsorgevollmacht erforderlich ist, wenn sich diese auch auf die Vertretung des Gesellschafters bezieht.

a) Strenge Auffassung
Nach einer Auffassung soll eine solche Zustimmung erforderlich sein. Die Mitgesellschafter seien davor zu schützen, dass ein außenstehender Dritter im Falle der Ge­schäftsunfähigkeit die Rechte des vertretenen Gesellschafters wahrnehme. Anders als bei einem Betreuer bestehe bei einem Vorsorgebevollmächtigten keine vergleichbare Aufsicht durch ein Gericht. Nur bei Einverständnis der Gesellschafter hätten diese hinzunehmen, dass ein Generalbevollmächtigter für ihren Mitgesellschafter handele (Wedemann, ZIP 2013, 1508, 1511 f.; offen lassend: Hüffer/Schürnbrand, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, 2. Aufl. 2014, § 47 Rn. 101).

b) Entbehrlichkeit der Zustimmung
Nach der Gegenauffassung ist eine Zustimmung der Mitgesellschafter zur Erteilung der Vorsorgevollmacht nicht erforderlich. Die Vollmacht müsse sich auf die Vertretung des Gesellschafters erstrecken, weil anderenfalls die Anordnung einer Betreuung erforderlich werde. Eine Betreuung sei im Verhältnis zur Vollmacht aber subsidiär (Heckschen/Kreußlein, NotBZ 2012, 321, 322; Wachter, GmbHR 2014, 206, 208; MünchKommGmbHG/Drescher § 47 Rn. 93; implizit wohl auch Heckschen, NZG 2012, 10, 14 f.).

c) Stellungnahme
Wir halten die zuletzt genannte Auffassung für vorzugswürdig. Es ist kein überzeugender Grund dafür erkennbar, in der GmbH die Ausübung der Gesellschafterrechte durch einen Vorsorgebevollmächtigten von der Zustimmung der Mitgesellschafter abhängig zu machen. Zunächst spricht hiergegen bereits der Umstand, dass auch die Vorsorge­vollmacht in aller Regel, wie jede andere Vollmacht eines Gesellschafters, im Außenverhältnis unbeschränkt ist und unabhängig vom Vorsorgefall gilt. Ist der Vorsorgefall aber für das Außenverhältnis von keiner Relevanz, kann man im GmbH-Recht die Vorsorgevollmacht nicht anders als andere Generalvollmachten behandeln. Sie sind grds. zulässig. Insbesondere wird die Vollmacht nicht in dem Moment von der Zustimmung der Mitgesellschafter abhängig, in dem der Vollmachtgeber die Vollmacht faktisch nicht widerrufen kann. Es entspricht gerade dem Wesen der Vollmacht, dass sie auch dann eingreift, wenn der Vollmachtgeber handlungsunfähig ist.

Ferner dürfte es wohl kaum den Interessen der Mitgesellschafter entsprechen, dass anstelle eines Vorsorgebevollmächtigten ein Betreuer zu bestellen ist. Auf dessen Auswahl haben die Mitgesellschafter ebenso wenig Einfluss. Außerdem kann mit der Bestellung eines Betreuers ein empfindlicher Zeitverlust verbunden sein, der gerade im Vorsorgefall zu einer vorübergehenden Handlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen kann. So­weit sich die Vertreter der Gegenauffassung darauf berufen, die Bestellung eines Betreuers sei zum Schutz der Mitgesellschafter geboten, ist dies nicht nachvollziehbar. Der Betreuer soll (nur) die Interessen des Gesellschafters wahrnehmen, der Schutz der Mitgesellschafter gehört nicht zu seinen Aufgaben.

Gegen ein entsprechendes Zustimmungserfordernis spricht auch eine Parallele zur Testamentsvollstreckung. Auch bei einer personalistisch strukturierten GmbH bedarf die Anordnung der Testamentsvollstreckung nicht der Zustimmung der Mitgesellschafter, es sei denn, dass die Satzung etwas anderes bestimmt (MünchKommBGB/Zimmermann, 7. Aufl. 2017, § 2205 Rn. 51; Todtenhöfer, RNotZ 2017, 557, 560). Die Mitgesellschafter müssen also auch hier hinnehmen, dass ein außenstehender Dritter das Stimmrecht eines Gesellschafters für einen längeren Zeitraum ausübt.

Schlussendlich wäre es auch im Lichte der Wertung des § 1896 Abs. 2 S. 2 BGB sehr bedenklich, wenn der vom Gesellschafter privatautonom ausgewählte Bevollmächtigte dessen Rechte nur bei einem Einverständnis der Mitgesellschafter wahrnehmen könnte und der Gesellschafter im Übrigen zwingend auf die Einschaltung eines vom Gericht bestellten Betreuers angewiesen wäre. Die Betreuung ist nur ultima ratio. Vorrang hat ein Bevollmächtigter, den die betreuungsbedürftigte Person privatautonom legitimiert hat (Grundsatz der Subsidiarität der Betreuung gegenüber der Vorsorgevollmacht).

3. Ergebnis
U kann seine Ehefrau bevollmächtigen, ihn bei der Wahrnehmung seiner Rechte als GmbH-Gesellschafter zu vertreten. Die Zustimmung der Mitgesellschafter ist u. E. entbehr­lich.

Gutachten/Abruf-Nr:

160796

Erscheinungsdatum:

07.06.2018

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Vollmacht, Genehmigung, Ermächtigung
GmbH
Betreuungsrecht und Vorsorgeverfügungen

Erschienen in:

DNotI-Report 2018, 81-83

Normen in Titel:

BGB § 1896; GmbHG § 47; BGB § 164