BGB §§ 712, 1809, 1813, 1852; HGB § 161
GmbH & Co. KG: Austausch des Komplementärs; familiengerichtliche Genehmigung bei der Änderung des Gesellschaftsvertrags; Begriff des Erwerbsgeschäfts
I. Sachverhalt
In einer GmbH & Co. KG sind vier Kommanditisten, darunter ein minderjähriges Kind. Die Komplementärin ist eine GmbH. Nun soll die Komplementärin durch eine neu gegründete GmbH ausgetauscht werden. Im Zuge des Komplementärwechsels ist auch der privatschriftliche KG-Gesellschaftsvertrag zu ändern. Da die Eltern des minderjährigen Kindes selbst Gesellschafter sind, wird für das minderjährige Kind ein Ergänzungspfleger bestellt.
II. Frage
Ist für die Änderung des KG-Gesellschaftsvertrages eine familiengerichtliche Genehmigung erforderlich?
III. Zur Rechtslage
1. Rechtstechnik eines „Austauschs“ der Komplementärin
Eine Kommanditgesellschaft muss stets einen Komplementär, also persönlich haftenden Gesellschafter haben (§ 161 Abs. 1 HGB). Würde der einzige Komplementär ausscheiden, so würde die KG zur OHG, wenn nicht in angemessener Zeit die Liquidation der KG betrieben wird (vgl. MünchKommHGB/Grunewald, 5. Aufl. 2022, § 161 Rn. 3). Eine unbeschränkte Haftung der Kommanditisten droht jedoch nicht, wenn innerhalb angemessener Zeit ein neuer Komplementär aufgenommen wird (vgl. Schulte/Hushahn, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts Bd. 2, 5. Aufl. 2019, § 37 Rn. 6; Kindler, in: Koller/Kindler/Düren, HGB, 10. Aufl. 2023, § 131 Rn. 8; s. a. BayObLG NZG 2000, 641, 641 f.). Sofern jedoch nach dem Ausscheiden des Komplementärs nur ein Kommanditist verbliebe, käme es zum liquidationslosen Erlöschen der KG und einer Gesamtrechtsnachfolge („Anwachsung“) bei dem einzig verbliebenen Kommanditisten, da es keine Ein-Mann-Personengesellschaft geben kann (vgl. BGH NZG 2004, 611; BeckOGK-HGB/Notz/Zinger, Std.: 1.1.2024, § 161 Rn. 94 f.; vgl. auch seit dem 1.1.2024 die Regelung in § 712a Abs. 1 BGB n. F.). Vorliegend jedoch sind vier Kommanditisten vorhanden, sodass auch nach dem Ausscheiden des einzigen Komplementärs innerhalb angemessener Zeit ein neuer Komplementär aufgenommen werden könnte, ohne dass eine persönliche Haftung der Kommanditisten droht.
Der „Austausch“ der Komplementärin kann im Wege des Eintritts der neuen GmbH in die KG und des Austritts der alten GmbH aus der KG erfolgen. Es würde sich jeweils um eine Änderung des Gesellschaftsvertrags handeln, der alle Gesellschafter zustimmen müssten (vgl. BGH NJW 1998, 1225, 1226; Grunewald, § 161 Rn. 41 Fn. 115; MünchKommHGB/Fleischer, 5. Aufl. 2022, § 105 Rn. 441). Selbst wenn der Austritt der alten Komplementärin eine (juristische) Sekunde vor dem Eintritt der neuen Komplementärin erfolgen und daher die KG für einen kurzen Zeitraum ohne Komplementär wäre, würde nach der oben dargestellten Rechtslage angesichts der sofortigen Neuaufnahme eines anderen Komplementärs keine unbeschränkte Haftung der vier Kommanditisten drohen.
Alternativ ist denkbar, dass der bisherige Komplementär seine Komplementärstellung gem. §§ 413, 398 BGB überträgt, also ein derivativer Rechtserwerb erfolgt. Diese Übertragung ist möglich, bedarf aber wegen der damit ebenfalls verbundenen Änderung des Gesellschaftsvertrags (Zusammensetzung der Mitglieder) ebenfalls der Zustimmung aller Gesellschafter, welche jedoch bereits antizipiert im Gesellschaftsvertrag erklärt sein kann (vgl. Fleischer, § 105 Rn. 453 ff.). Die Gesellschaftsanteile an einer KG sind von Gesetzes wegen vinkuliert (vgl. Binz/Mayer, NZG 2012, 201, 202; Bühler/Meier, MittBayNot 2023, 103, 105).
Nachfolgend wird unterstellt, dass eine Zustimmung zur Anteilsabtretung nicht bereits im Gesellschaftsvertrag enthalten ist (dann würde sich das Problem der Bestellung eines Ergänzungspflegers und der familiengerichtlichen Genehmigung nicht stellen, sofern die minderjährigen Kinder der Gesellschaft auf Basis dieses Gesellschaftsvertrags wirksam beigetreten waren). Da die Rechtstechnik (Zustimmung zur Änderung des Gesellschaftsvertrags wegen Ein-/Austritts oder wegen Anteilsübertragung) nicht geschildert wird, werden nachfolgend beide Varianten untersucht.
2. Familiengerichtliche Genehmigung
Über die Änderung des Gesellschaftsvertrags fassen die Gesellschafter regelmäßig einen Beschluss; dieser betrifft die Grundlagen der Gesellschaft (sog. Grundlagenbeschluss). Bei einem Grundlagenbeschluss gilt das Verbot des § 181 BGB für die (gesetzlichen) Vertreter von Gesellschaftern (vgl. OLG München BeckRS 2022, 7476 Rn. 58 zu § 1795 BGB a. F.). Angesichts der Gesellschafterstellung der Eltern gehen wir daher davon aus, dass die Bestellung eines Ergänzungspflegers für jeden minderjährigen Kommanditisten erforderlich ist. Ein Ergänzungspfleger bedarf gem. §§ 1809, 1813 Abs. 1, § 1799 Abs. 1 BGB grundsätzlich der Genehmigung des Familiengerichts in den Fällen, in denen ein Betreuer nach den §§ 1848 bis 1854 Nr. 1 bis 7 BGB der Genehmigung des Betreuungsgerichts bedarf.
a) Erwerbsgeschäft i. S. d. § 1852 BGB
Vorliegend kommt nur eine Genehmigungspflicht nach § 1852 BGB in Betracht. Der Katalog dieser Norm ist abschließend (vgl. Everts, MittBayNot 2023, 9, 12; Werner, ZEV 2021, 618, 622). Wann ein „Erwerbsgeschäft“ i. S. d. Norm vorliegt, ist – wie schon vor Inkrafttreten der Reform am 1.1.2023 (damals maßgeblich: § 1822 Nr. 3 BGB a. F.) – umstritten. Definiert wird es im Ausgangspunkt als „jede regelmäßig ausgeübte, auf selbstständigen Erwerb gerichtete Tätigkeit, die mit dem Willen zur Gewinnerzielung ausgeübt wird und auf eine gewisse Dauer angelegt ist“ (OLG München MittBayNot 2019, 132 Rn. 14; OLG Schleswig NJW-RR 2020, 805 Rn. 12; BayObLG DNotZ 1995, 941, 942; Münch/Lotte, Familienrecht in der Notar- und Gestaltungspraxis, 4. Aufl. 2023, § 13 Rn. 215; jurisPK-BGB/Herberger, 10. Aufl. 2023, Std.: 17.4.2024, § 1852 Rn. 24 ff.; Eble, RNotZ 2021, 117, 119 m. N.).
Nach h. M. unterfallen rein vermögensverwaltende Gesellschaften nicht dem Genehmigungserfordernis des § 1852 Nr. 1 BGB (vgl. OLG München MittBayNot 2019, 132 Rn. 14 und OLG Schleswig NZG 2020, 593 Rn. 12 jeweils zu § 1822 Nr. 3 BGB a. F.; Grüneberg/Götz, BGB, 83. Aufl. 2024, § 1852 Rn. 6; Menzel/Wolf, MittBayNot 2010, 186, 186 f.; Staake/Weinmann, RFamU 2022, 493, 495). Die Abgrenzung zwischen vermögensverwaltender Tätigkeit und Erwerbsgeschäft im Einzelfall ist jedoch schwierig (vgl. Eble, RNotZ 2021, 117, 120; Harbecke, RNotZ 2022, 521, 539). Es wird vielfach bedauert, dass der Gesetzgeber anlässlich der aktuellen Reform keine klareren Vorgaben zur Abgrenzung von Erwerbsgeschäft und Vermögensverwaltung schuf (vgl. Everts, MittBayNot 2023, 9, 13; ähnlich Harbecke, RNotZ 2022, 521, 539).
Häufig jedoch wird ein Erwerbsgeschäft auch angenommen bei einer Gesellschaft, deren Gegenstand die Verwaltung, Vermietung und Verwertung gewerblich nutzbarer Immobilien von erheblichem Wert ist (vgl. BayObLGZ 1995, 230; BayObLGZ 1997, 113; OLG Zweibrücken FamRZ 2000, 117, 119; OLG Schleswig NJW-RR 2020, 805 Rn. 12; tendenziell auch OLG Dresden MittBayNot 2019, 270 Rn. 12; Münch/Lotte, § 13 Rn. 216). Insofern soll es vor allem auf das unternehmerische Risiko sowie die geschäftsmäßige Tätigkeit der Verwaltung, Vermietung und Verwertung von gewerblich nutzbaren Immobilien ankommen (vgl. OLG Dresden MittBayNot 2019, 270 Rn. 12). Mitunter wird pauschal postuliert, Familiengrundstücksgesellschaften seien stets auf den Betrieb eines Erwerbsgeschäfts gerichtet (so KG NZG 2020, 548 Rn. 9; BeckOK-BGB/Kadelbach, Std.: 1.2.2024, § 1852 Rn. 4; jurisPK-BGB/Herberger, § 1852 Rn. 37; differenzierend hingegen OLG München MittBayNot 2019, 132 Rn. 14: jedenfalls Verwaltung eines selbstgenutzten Wohnhauses kein Erwerbsgeschäft).
Im Schrifttum wird angesichts der schwierigen Grenzziehung sowie der umstrittenen Maßstäbe dazu geraten, sicherheitshalber vom Vorliegen eines Erwerbsgeschäfts auszugehen (Herrler/Berkefeld, in: Hauschild/Kallrath/Wachter, Notarhandbuch Gesellschafts- und Unternehmensrecht, 3. Aufl. 2022, § 14 Rn. 23; Bock, DNotZ 2020, 643, 648; Everts, MittBayNot 2023, 9, 13; Harbecke, RNotZ 2022, 521, 539 f.). Selbst wenn die KG also – wozu im Sachverhalt nichts geschildert wird – eine rein vermögensverwaltende Gesellschaft sein sollte, wäre sicherheitshalber davon auszugehen, dass die Genehmigungstatbestände der § 1852 Nr. 1 und Nr. 2 BGB im Grundsatz anwendbar sind.
b) Tatbestand des § 1852 Nr. 1 BGB
Auf den ersten Blick kommt bei der hier in Rede stehenden Zustimmung zum Eintritt/Austritt oder der Anteilsabtretung der Komplementär-GmbH nur der Tatbestand des § 1852 Nr. 2 BGB in Betracht, da die minderjährigen Kommanditisten in diesem Fall selbst keine Anteile erwerben oder veräußern. Jedoch ist zu bedenken, dass der etwaige Austritt der „alten“ GmbH die Anwachsung deren Anteils bei den Mitgesellschaftern und damit auch bei den minderjährigen Kommanditisten auslösen würde (§ 161 Abs. 2, § 105 Abs. 3 HGB i. V. m. § 738 Abs. 1 S. 1 BGB). Folge der Anwachsung gem. § 738 Abs. 1 S. 1 BGB a. F. (seit 1.1.2024 mit Inkrafttreten des MoPeG: § 712 Abs. 1 BGB n. F.) ist der kraft Gesetzes erfolgende anteilige Übergang der Mitgliedschaft des Ausscheidenden, insbesondere von seinem Kapitalanteil sowie von seiner Gesamthandsberechtigung, auf die übrigen Gesellschafter (vgl. MünchKommBGB/Schäfer, 9. Aufl. 2024, § 712 Rn. 4 f.).
Streng genommen „erwerben“ die minderjährigen Gesellschafter damit kraft gesetzlich angeordneter Anwachsung in Folge des Austritts der GmbH jedoch keine „Anteile“. Denn die Anwachsung bewirkt bei rechtsfähigen Personengesellschaften keinen dinglichen Erwerbsakt und lässt die dingliche Zuordnung des Vermögens unberührt (Schäfer, § 712 Rn. 4; K. Schmidt, in: FS Huber, 2006, 969, 975 ff. und 981 ff.). Dies dürfte nach unserem Dafürhalten keine „Verfügung“ i. S. d. § 1852 Nr. 1 BGB darstellen. Diese Form des bloßen anteiligen Übergangs der Mitgliedschaft dürfte als nur mittelbare Folge des Austritts eines anderen Gesellschafters nicht vom Zweck des § 1852 Nr. 1 BGB erfasst sein. Diese Frage wird aber, soweit ersichtlich, nicht spezifisch thematisiert, sodass beim Modell des Eintritts/Austritts der Komplementärin (vgl. Ziff. 1) samt Anwachsung gem. § 738 Abs. 1 BGB a. F. bzw. § 712 Abs. 1 BGB n. F. ein Restrisiko verbleibt.
Dem sichersten Weg entspräche es daher, in der rechtstechnischen Konstruktion des Austritts/Eintritts bereits eine § 1852 Nr. 1 BGB unterfallende Verfügung zu sehen, sodass die Zustimmung hierzu das Erfordernis einer Genehmigung nach dieser Norm nach sich zieht. Würde hingegen der Komplementäranteil der „alten“ an die „neue“ GmbH (Komplementärin) gem. §§ 413, 398 BGB übertragen, so wäre § 1852 Nr. 1 BGB nicht einschlägig, da keine Anwachsung einträte.
c) Tatbestand des § 1852 Nr. 2 BGB
Denkbar ist ferner ein Genehmigungserfordernis gem. § 1852 Nr. 2 BGB. Diese Norm ist wortgleich mit der Vorgängervorschrift des § 1822 Nr. 3 Var. 2 BGB, sodass insofern auf die Diskussion zur alten Rechtslage zurückgegriffen werden kann (vgl. auch Eble, RNotZ 2021, 117, 125). Der Wortlaut der Norm nennt das „Eingehen“ eines solchen Gesellschaftsvertrags, vorliegend steht jedoch dessen Änderung im Raum (vgl. oben Ziff. 1).
Es ist umstritten, ob bzw. wann die Änderung eines Gesellschaftsvertrags der familiengerichtlichen Genehmigung bedarf (hierzu Übersichten bei Eble, RNotZ 2021, 117, 125 f.; Fleischer, § 105 Rn. 193; BeckOGK-HGB/Sanders, Std.: 1.1.2024, § 105 Rn. 174-176; jurisPK-BGB/Herberger, § 1852 Rn. 47-47.3). Im Ergebnis wird überwiegend davon ausgegangen, dass eine Änderung des Gesellschaftsvertrags keine „Eingehung des Betriebs eines Erwerbsgeschäfts“ i. S. d. Norm darstellt. Ausnahmen sollen nur in Betracht kommen, wenn Vertragsänderungen in Rede stehen, die einem partiellen Neueintritt des Minderjährigen gleichstehen. Insbesondere hat der BGH in einer älteren Entscheidung deutlich ausgesprochen:
„Nicht aber ist die Genehmigung erforderlich, wenn ein anderer Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheidet (…). Die Tatsache, daß durch das Ausscheiden der Kl. die Stellung ihres Sohnes als Gesellschafter mittelbar berührt worden ist, kann dabei entgegen der Meinung der Kl. nicht von Bedeutung sein.“
(BGH NJW 1961, 724, 725)
Gerade für den Aus- oder Eintritt eines anderen Gesellschafters wird damit ein Genehmigungserfordernis verneint (so etwa auch Ebenroth/Boujong/Wertenbruch, HGB, 5. Aufl. 2024, § 105 Rn. 173 ff., 491). Dasselbe Ergebnis ergibt sich, wenn man von einer generellen Genehmigungsfreiheit bei Änderungen des Gesellschaftsvertrags ausgeht (so etwa Sanders, § 105 Rn, 174-176; Lamberz, NJW 2023, 249, 254 Rn. 41). Eine verbreitete Ansicht geht grundsätzlich von einer Genehmigungsfreiheit aus, macht jedoch eine Ausnahme im Falle der Änderung des Gesellschaftszwecks, insbesondere wenn durch die Änderung des Unternehmensgegenstands nunmehr erstmals ein Erwerbsgeschäft betrieben wird (vgl. OLG München MittBayNot 2019, 132 Rn. 16; OLG Dresden NZG 2018, 1108 Rn. 14; Staudinger/Veit, BGB, 2020, § 1822 Rn. 95 f.; Stenert/Gravenhorst, GmbHR 2022, 1232, 1240; Staake/Weinmann, RFamU 2022, 493, 498). Nach all diesen Auffassungen wäre vorliegend keine Genehmigungsbedürftigkeit in Bezug auf die Zustimmung der minderjährigen Kommanditisten zu dem Austritt/Eintritt bzw. der Anteilsübertragung erforderlich. Im konkreten Fall spricht dafür überdies, dass sich die Stellung der minderjährigen Gesellschafter durch den bloßen „Austausch“ der Komplementärin nicht nachteilig verändert.
Allerdings wird im Schrifttum mitunter dafür plädiert, generell eine Änderung des Gesellschaftsvertrags als genehmigungsbedürftig anzusehen (so etwa MünchKommBGB/Kroll-Ludwigs, 9. Aufl. 2024, § 1852 Rn. 26; Kölmel, RNotZ 2010, 1, 21). Dem (aller)sichersten Weg würde es daher entsprechen, aufgrund der Existenz dieser Mindermeinung vorsichtshalber vom Erfordernis einer familiengerichtlichen Genehmigung gem. § 1852 Nr. 2 BGB auszugehen.