31. Dezember 1998
WEG § 25; BGB § 1030; BGB § 1008

Wohnungseigentum; (Kopf-) Stimmrecht bei Miteigentümergemeinschaft bzw. Nießbrauch

Wohnungseigentum; (Kopf-) Stimmrecht bei Miteigentümergemeinschaft bzw. Nießbrauch - WEG § 25

BGB §§ 1008, 1030

I. Sachverhalt

Eine Wohnungseigentumsanlage besteht aus vier Einheiten, von denen zwei dem Eigentümer A und die beiden anderen den Eigentümern B bzw. C jeweils zu Alleineigentum gehören. Für Mehrheitsbeschlüsse gilt in der Gemeinschaft - dem gesetzlichen Leitbild des § 25 Abs. 2 S. 1 WEG folgend - das Kopfprinzip mit der Folge, daß A nur eine Stimme besitzt und regelmäßig von B und C überstimmt werden kann.

Zum Zwecke der Änderung der Mehrheitsverhältnisse erwägt A, seinem Sohn D an einer seiner Wohnungen einen hälftigen Miteigentumsanteil vorbehaltlos oder das Alleineigentum unter Vorbehalt des Nießbrauchs zu übertragen. Es fragt sich, ob die jeweilige Konstruktion ge-eignet ist, im Ergebnis eine Verdoppelung der im familiären Einflußbereich des A stehenden Stimmen in der Wohnungseigentümergemeinschaft zu erreichen.

II. Frage

1. Wie gestaltet sich das Stimmrecht und dessen Ausübung bei vorbehaltloser Übertragung eines hälftigen Miteigentumsanteils an einer Wohnung auf D?

2. Wie gestaltet sich das Stimmrecht und seine Ausübung bei Übertragung einer Wohnung zu Alleineigentum auf D, jedoch unter Vorbehalt des Nießbrauchs für A? Ist es bei der Bestellung des Nießbrauchs insbesondere möglich, dem Eigentümer (D) das Stimmrecht (zur Ausübung) ausschließlich zuzuweisen?

III. Rechtslage

1. (Kopf-) Stimmrecht bei Miteigentum

a) Gem. § 25 Abs. 2 S. 1 WEG hat jeder Wohnungseigentümer eine Stimme. Nach ganz herrschender Lehre und Rechtsprechung ergibt sich daraus ein Stimmrecht nach Köpfen (Kopfprinzip), so daß jeder Wohnungseigentümer unabhängig von der Größe, dem Wert seines Miteigentumsanteils und insbesondere der Anzahl seiner Wohnungseigentumsrechte nur eine Stimme hat (vgl. Merle, in: Bärmann/Pick/Merle, WEG, 7. Aufl. 1997, § 25 Rn. 27; Lüke, in: Weitnauer, WEG, 8. Aufl. 1995, § 25 Rn. 8; Bärmann/Pick, WEG, 13. Aufl. 1994, § 25 Rn. 10, jeweils m. w. N.; a. A. lediglich Schöne, NJW 1981, 435: Objektprinzip). Das Kopfprinzip gilt freilich nur vorbehaltlich einer abweichenden Regelung in der Gemeinschaftsordnung insbesondere hinsichtlich der Größe der Miteigentumsanteile (Wertprinzip) oder der Anzahl der dem jeweiligen Wohnungseigentümer zustehenden Wohnungseigentumsrechte (Objektprinzip; vgl. zum ganzen Merle, a. a. O., § 25 Rn. 28 ff.).

b) Steht ein Wohnungseigentum mehreren gemeinschaftlich zu, so können sie gem. § 25 Abs. 2 S. 2 WEG das Stimmrecht nur einheitlich ausüben. Die Frage, wie im Streitfalle unter den Mitberechtigten eine einheitliche Stimmabgabe erreicht werden kann, richtet sich nach deren Innenverhältnis, bei der Miteigentümergemeinschaft also nach § 745 Abs. 2 BGB. Dem steht eine im Außenverhältnis unbeschränkte Vollmacht an einen Miteigentümer zur Stimmabgabe grundsätzlich nicht entgegen (vgl. Lüke, a. a. O., § 25 Rn. 9 unter Hinweis auf BayObLG WE 1991, 226; Merle, a. a. O., § 25 Rn. 44). Unter Geltung des Kopfprinzips ist aber insbesondere fraglich, welche Wohnungseigentümer jeweils als ein "Kopf" im Sinne des § 25 Abs. 2 S. 1 WEG anzusehen sind, wenn einer von ihnen an mehreren Einheiten (mit)berechtigt ist. Als Grundsatz gilt, daß bei völliger Personenidentität der Gemeinschaften von nur einem "Kopf" und damit einer Stimme auszugehen ist. Ist aber - wie im gegebenen Fall - ein Beteiligter Alleineigentümer eines Wohnungseigentums und darüber hinaus an einem anderen Wohnungseigentum zusammen mit einem Dritten als Miteigentümer berechtigt, so entstehen auch unter dem Kopfprinzip nach ganz h. M. im Ergebnis zwei Stimmen, da in diesem Fall die Gewährung nur eines Stimmrechts eine völlige Ignorierung des lediglich als Miteigentümer Beteiligten (hier D) bedeuten würde (so Merle, a. a. O., § 25 Rn. 50; Bärmann/Pick, a. a. O., § 25 Rn. 11; Lüke, a. a. O., § 25 Rn. 8; Palandt/Bassenge, BGB, 57. Aufl. 1998, § 25 WEG Rn. 3; Lotz-Störmer, Stimmrechtsausübung und Stimmrechtsbeschränkung im Wohnungseigentumsrecht, 1993, S. 143 ff.; KG OLGZ 1988, 434; OLG Frankfurt a. M. ZMR 1997, 156). Wegen Umgehung der gesetzlichen Intention des Kopfprinzips soll eine Einschränkung nur dann gelten, wenn ein Wohnungseigentümer an mehreren unterschiedlich zusammengesetzten Gemeinschaften mehrheitlich beteiligt ist (Lotz-Störmer, a. a. O., S. 146; Merle, a. a. O., § 25 Rn. 50; vgl. auch KG OLGZ 1988, 434, 436), was aber bis zu einer paritätischen Beteiligung von je ½-Miteigentumsanteil noch nicht der Fall ist. Es kann also davon ausgegangen werden, daß die hier beabsichtigte objektbezogene Stimmenverdopplung in der Familie des A durch Übertragung eines Miteigentumsanteils an einem Wohnungseigentum auf D erreicht werden kann.

2. (Kopf-) Stimmrecht bei Nießbrauchsvorbehalt

a) Überträgt A eine seiner Wohnungen auf den Sohn D zu Alleineigentum und behält er sich den Nießbrauch vor, so wäre unter Geltung des Kopfprinzips der beabsichtigte Zweck jedenfalls dann erreicht, wenn das Stimmrecht nur noch dem neuen Eigentümer D zustünde, da dieser als weiterer "Kopf" zu werten wäre. Aufgrund der vorstehend erörterten Rechtslage bei der Miteigentümergemeinschaft wird aber entsprechendes gelten, wenn man zu dem Ergebnis gelangt, daß Eigentümer und Nießbraucher das Stimmrecht - wie bei § 25 Abs. 2 S. 2 WEG - nur gemeinschaftlich (einheitlich) ausüben können. Ungeeignet wird die Regelung aber sein, wenn dem Nießbraucher in einzelnen Angelegenheiten, die einem Mehrheitsbeschluß gem. § 25 WEG zugänglich sind, das ausschließliche Stimmrecht zustehen würde.

b) Wie sich das Stimmrecht bzw. seine Verteilung bei der Belastung eines Wohnungseigentums mit einem Nießbrauch gestaltet, ist in Rechtsprechung und Literatur sehr umstritten. Über die hier gegebene Konstellation hinaus ist die Fragestellung aber zunehmend von großem praktischen Interesse, da in den letzten Jahren zahllose Eigentumswohnungen gegen Nießbrauchsvorbehalt übertragen wurden (eingehend hierzu Schmidt, MittBayNot 1997, 65). Es werden folgende Ansichten vertreten (vgl. auch Staudinger/Bub, WEG, 12. Aufl. 1997, § 25 WEG Rn. 125 ff.):
aa) Spaltung der Stimmrechtsausübung

Die bisher ergangene Rechtsprechung und ein Teil der Literatur gehen von einer unmittelbaren Anwendbarkeit des § 1066 Abs. 1 BGB aus, wonach bei einem Nießbrauch an einem einfachen Miteigentumsanteil der Nießbraucher die Rechte ausübt, "die sich aus der Gemeinschaft der Miteigentümer in Ansehung der Verwaltung der Sache und der Art ihrer Benutzung ergeben." Hieraus wird für das Wohnungseigentum gefolgert, daß der Nießbraucher über Angelegenheiten der ordnungsmäßigen Verwaltung und Benutzung des belasteten Wohnungseigentums zur alleinigen Stimmrechtsausübung befugt ist (KG MittRhNotK 1987, 257 = WE 1987, 126 mit abl. Anm. Weitnauer; Haegele/Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 11. Aufl. 1997, Rn. 2927 unter Hinweis auf OLG Hamburg NJW-RR 1988, 267 und LG München II NJW-RR 1994, 1497; Palandt/Bassenge, a. a. O., § 25 WEG Rn. 2 b; Bärmann/Pick, a. a. O., § 25 Rn. 22; Staudinger/Frank, BGB, 13. Aufl. 1994, § 1066 Rn. 12; MünchKomm-Petzoldt, BGB, 3. Aufl. 1997, § 1030 Rn. 26; differenzierend - wegen der Kostentragungspflicht gem. §§ 16 Abs. 2, 21 Abs. 3 WEG kein Stimmrecht in Angelegenheiten der ordnungsmäßigen Verwaltung - Merle, a. a. O., § 25 Rn. 12, 13 unter weiterem Hinweis auf Becker, Die Teilnahme an der Versammlung der Wohnungseigentümer, Diss. Potsdam 1996, § 13 I 2 und Bornheimer, Das Stimmrecht im Wohnungseigentumsrecht, 1993, S. 164). Unter den Vertretern dieser Meinung besteht Einigkeit, daß sich das Stimmrecht des Nießbrauchers nicht auf Angelegenheiten erstreckt, die - etwa bei baulichen Veränderungen oder besonderen Aufwendungen im Sinne von § 22 Abs. 1 WEG - über die ordnungsmäßige Verwaltung hinausgehen (zum Meinungsstand ausführlich Merle, a. a. O., § 25 Rn. 12; Schmidt, a. a. O., S. 67 ff.; Staudinger/Bub, a. a. O., § 25 WEG Rn. 125 ff.). Diese Literaturansicht kann sich auf ein Urteil des BGH vom 26.11.1976 (DNotZ 1978, 157) zur Belastung eines Wohnungseigentums mit einem Wohnungsrecht gem. § 1093 BGB stützen: Erstrecke sich das Wohnungsrecht auf alle Räume des Sondereigentums, so stehe "die Ausübung des Stimmrechts des Wohnungseigentümers dem Wohnungsberechtigten zu, soweit die Beschlußfassung der Eigentümergemeinschaft die Benutzung dieser Räume und die Mitbenutzung der zum gemeinschaftlichen Gebrauch der Bewohner bestimmten Anlagen und Einrichtungen" (LS) berühre. Für den Fall eines nießbrauchsbelasteten Wohnungseigentums hat der BGH außerdem mit Urteil vom 20.12.1982 (NJW 1983, 932) entschieden, daß sich ein (alleiniges) Stimmrecht des Nießbrauchers aus § 1066 BGB für solche Maßnahmen nicht ableiten lasse, zu denen er gegenüber dem Eigentümer aus seinem Nießbrauchsrecht nicht befugt sei (in casu eine in die Substanz des Wohnungseigentums eingreifende Umgestaltungsmaßnahme, zu der der Nießbraucher gem. § 1037 Abs. 1 BGB nicht berechtigt ist; vgl. auch Lüke, a. a. O., § 25 Rn. 11). Aus den genannten BGH-Entscheidungen könnte allgemein zu folgern sein, daß dem Nießbraucher immer und nur dann in der Eigentümerversammlung die Ausübung des Stimmrechts zusteht, wenn eine Maßnahme betroffen ist, über die er auch in seinem Verhältnis zum Wohnungseigentümer allein entscheiden könnte, und im übrigen der Eigentümer stimmberechtigt bleibt.

bb) Ausschließliches Stimmrecht des Eigentümers

Gegen die vorstehend erörterte Ansicht vom gespaltenen Stimmrecht wird von einem großen Teil der Literatur vor allem eingewandt, daß eine Unterscheidung nach Beschlußgegenständen unpraktikabel sei und der Sache nach auch nicht auf § 1066 BGB gestützt werden könne, da diese Vorschrift primär das Innenverhältnis zwischen Eigentümer und Nießbraucher, nicht jedoch das bei der Abstimmung betroffene Außenverhältnis gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft regele (Schmidt, a. a. O., S. 67 ff.; Soergel/Stürner, BGB, 12. Aufl. 1989, § 25 WEG Rn. 7; MünchKomm-Röll, a. a. O., § 25 WEG Rn. 22; Staudinger/Bub, a. a. O., § 25 WEG Rn. 129; Lotz-Störmer, a. a. O., S. 61 ff.; Bader, in: PIG, Versammlung der Wohnungseigentümer, 1987, 67, 71 ff.; Rieke, DWE 1991, 58, 59). Aufgrund dieser Erwägungen weist diese Autorengruppe mit auch konstruktiv beachtlichen Argumenten (eingehend Schmidt, a. a. O., S. 68 ff.) das Stimmrecht und seine Ausübung bei einem nießbrauchsbelasteten Wohnungseigentum ausschließlich dem Eigentümer zu, und zwar grundsätzlich unabhängig davon, wie der Nießbrauch im einzelnen ausgestaltet ist. Der Gefahr, daß die Rechte des Nießbrauchers bei ausschließlichem Stimmrecht des Eigentümers ausgehöhlt werden könnten, sei im Verhältnis zwischen Eigentümer und Nießbraucher entgegenzuwirken, was bis hin zur Verpflichtung des Eigentümers gehen könne, dem Nießbraucher für die Eigentümerversammlung Vertretungsvollmacht zu geben (vgl. Schmidt, a. a. O., S. 71; Lotz-Störmer, a. a. O., S. 66; Staudinger/Bub, a. a. O., § 25 WEG Rn. 132). Auch hält es Röll (a. a. O., § 25 Rn. 5; vgl. auch Merle, a. a. O., § 25 Rn. 70 ff.) zu Recht für möglich, über die Aufteilung des Stimmrechts zwischen Eigentümer und Nießbraucher in Abhängigkeit vom jeweiligen Beschlußgegenstand eine vertragliche (schuldrechtlich wirkende) Absprache herbeizuführen, welche das nach außen hin bestehende Stimmrecht des Eigentümers unberührt läßt.

cc) Gemeinsames Stimmrecht von Nießbraucher und Eigentümer analog § 25 Abs. 2 WEG

Mit Rücksicht auf die schutzbedürftigen Rechte des Nießbrauchers auch im Verhältnis zur Eigentümerversammlung bei gleichzeitiger Vermeidung der Nachteile eines gespaltenen Stimmrechts wird von einem Teil der Literatur analog § 25 Abs. 2 S. 2 WEG die unabhängig vom Beschlußgegenstand gemeinschaftliche (einheitliche) Stimmrechtsausübung durch Eigentümer und Nießbraucher befürwortet (Schöner, DNotZ 1975, 80; Weitnauer, Anm. zu KG vom 01.04.1987, WE 1987, 131; Lüke, a. a. O., § 25 Rn. 11). Dabei empfiehlt auch Schöner (a. a. O., S. 84) als praktische Lösung die Erteilung einer Stimmrechtsvollmacht vom Eigentümer an den Nießbraucher, damit dieser in der Eigentümerversammlung in allen Fällen - sei es aus eigenem Recht, sei es aufgrund der Vollmacht für den Eigentümer - mitstimmen könne. Eine etwa in der Gemeinschaftsordnung vorgesehene Einschränkung hinsichtlich der Person des Bevollmächtigten (Ehegatte, anderer Wohnungseigentümer, Rechtsanwalt) könne in diesem Fall ihrem Sinn und Zweck nach nicht wirken (Schöner, a. a. O., S. 84; zustimmend Schmidt, a. a. O., S. 71).

ff) Stellungnahme

Zum Verständnis und zur Lösung der Problematik wird es zunächst erforderlich sein, das Innehaben des Stimmrechts (das in jedem Fall beim Eigentümer verbleibt) konstruktiv von dessen Ausübung zu unterscheiden (vgl. BGH DNotZ 1978, 157 zum Wohnungsrecht). Eine Trennung von Recht und Ausübung unterstellt auch § 1066 Abs. 1 BGB, wobei für den einfachen Miteigentumsanteil - in Übereinstimmung mit dem Wortlaut der Vorschrift - unstreitig ist, daß sich die Ausübungsbefugnis des Nießbrauchers gerade auch auf Beschlußfassungen in der Miteigentümergemeinschaft (§ 745 BGB) bezieht (MünchKomm-Petzoldt, a. a. O., § 1066 Rn. 3; Staudinger/Frank, a. a. O., § 1066 Rn. 4; Palandt/Bassenge, a. a. O., § 1066 Rn. 1). Andererseits kann den Kommentierungen zu § 1066 BGB nicht entnommen werden, daß bei Beschlußfassungen, die das Nießbrauchsrecht berühren könnten, von vornherein nur noch der Nießbraucher einzig und allein entscheidungszuständig ist, auch wenn er entsprechende Rechte nicht für sich beansprucht. Vielmehr ist insoweit nur von einem Mitwirkungsrecht die Rede, auch soweit dem Nießbraucher die Befugnis eingeräumt wird, insbesondere einen Beschluß nach § 745 Abs. 2 BGB zu verlangen (vgl. MünchKomm-Petzoldt, a. a. O., § 1066 Rn. 3; Staudinger/Frank, a. a. O., § 1066 Rn. 4). Auch wird - soweit ersichtlich - nirgends vertreten, daß im Anwendungsbereich des § 1066 Abs. 1 BGB zwingend nur noch der Nießbraucher (und nicht der Eigentümer) zu Beschlußfassungen zu laden ist und eine tatsächliche Stimmrechtsausübung nur durch den Eigentümer etwa zur Unwirksamkeit gefaßter Beschlüsse führen könnte. Selbst auf dem Boden der herrschenden Rechtsprechung und der wohl insgesamt h. M. könnte daher wohl angenommen werden, daß der Eigentümer in allen Angelegenheiten der Wohnungseigentümergemeinschaft auch zur Ausübung des ihm zustehenden Stimmrechts befugt bleibt, solange der Nießbraucher dieses Recht (in einzelnen ihn betreffenden Angelegenheiten) nicht für sich beansprucht. Zumindest eine derartige Einschränkung wird man für das Wohnungseigentum machen können, das nicht ohne weiteres mit dem einfachen Miteigentumsanteil gleichzustellen ist. Angesichts der unsicheren Rechtslage wird es sich jedoch für die Praxis unbedingt empfehlen, die Frage der Stimmrechtsausübung insbesondere mit Hilfe entsprechender Vollmachten ausdrücklich zu regeln. Im Falle der Vollmacht an den Nießbraucher wird man konstruktiv wohl davon auszugehen haben, daß dieser immer im Namen des Eigentümers handelt, da das Stimmrecht als solches beim Eigentümer verbleibt und nur seine Ausübung (im Sinne einer eigenen Willensbildung durch den Vertreter, vgl. § 166 BGB) u. U. bereits kraft Gesetzes dem Nießbraucher zusteht (vgl. Merle, a. a. O., § 25 Rn. 51).

3. Dingliche Zuordnung der Stimmrechtsausübung

a) Da eine stimmrechtsverdrängende Vollmacht, durch die der Vollmachtgeber umfassend auf die eigene Ausübung seines Stimmrechts verzichtet, auch in WEG-Sachen nicht zulässig ist (vgl. Merle, a. a. O., § 25 Rn. 58; Schmidt, a. a. O., S. 71, jeweils m. w. N.), kann die Vollmachtslösung im praktischen Ergebnis versagen, wenn zwischen Eigentümer und Nießbraucher hinsichtlich der Stimmrechtsausübung Streit entsteht. Stärkere (auch nach außen und insbesondere gegenüber den übrigen Wohnungseigentümern wirkende) Rechtssicherheit könnte erreicht werden, wenn eine dingliche Zuweisung der Stimmrechtsausübung entweder an den Eigentümer oder an den Nießbraucher (umfassend oder in hinreichend bestimmtem Umfang) bereits bei der Bestellung des Nießbrauchs möglich wäre. Eine derartige Regelung über die Stimmrechtsausübung wäre bei der Bestellung des Nießbrauchs als Konkretisierung seines Inhalts (Umfang der Nutzungen im Sinne von § 1030 Abs. 1 BGB) aufzufassen. Unabhängig davon, ob und in welchem Umfang die Stimmrechtsausübung dem Eigentümer oder dem Nießbraucher zugewiesen wird, käme es hierdurch - auf Grundlage der herrschenden Rechtsprechung - zu einer (teilweisen) Abbedingung des § 1066 Abs. 1 BGB. Im Grundsatz besteht Einigkeit, daß die gesetzlichen Vorschriften über den Nießbrauch insoweit auch mit dinglicher Wirkung einer abweichenden Vereinbarung zwischen den Parteien zugänglich sind, als dadurch gegen das Wesen des Nießbrauchs nicht verstoßen wird und insbesondere die begriffswesentlichen Grenzen zwischen Eigentum und Nießbrauch nicht verletzt werden (vgl. MünchKomm-Petzoldt, a. a. O., vor § 1030 Rn. 15 ff. m. w. N.). Bereits die Differenziertheit des hier erörterten Meinungsstreits spricht dagegen, bei einer klarstellenden Regelung, ob und inwieweit das Stimmrecht des Eigentümers durch diesen selbst oder durch den Nießbraucher ausgeübt werden soll, einen wesentlichen Substanzeingriff in das Nießbrauchsrecht anzunehmen. Auch der BGH erwägt in seiner Entscheidung vom 26.11.1976 (a. a. O., 158), "ob sich der Wohnungseigentümer vor einer Beeinträchtigung seiner eigenen Interessen durch Mitwirkung des dinglich Benutzungsberechtigten schützen kann, indem er sich die Ausübung des Stimmrechts auch in Angelegenheiten des Gebrauchs (§ 15 Abs. 2 WEG) bei der Bestellung des Wohnungsrechts vorbehält", geht hierauf jedoch mangels Entscheidungsrelevanz nicht weiter ein.

b) Wenngleich also - soweit ersichtlich - zu diesen Fragen ausdrückliche Stellungnahmen aus Literatur und Rechtsprechung nicht vorliegen, erscheint es im Interesse der Rechtssicherheit durchaus erwägenswert und möglich, den für die Praxis so mißlichen Meinungsstreit bereits auf der Ebene des Nießbrauchsrechts zu vermeiden. Insbesondere dürften keine zwingenden Gründe dagegen sprechen, bereits bei der Bestellung des Nießbrauchs als dessen Inhalt (klarstellend) zu vereinbaren, daß auch die Ausübung des Stimmrechts umfassend beim Eigentümer verbleibt, wobei - zur Wahrung der Interessen des Nießbrauchers - je nach Interessenlage eine Verpflichtung des Eigentümers zur Erteilung einer Stimmrechtsvollmacht an den Nießbraucher aufgenommen werden könnte. Um Streitigkeiten über den Umfang der Vollmacht in den Eigentümerversammlungen vorzubeugen und gleichzeitig im Innenverhältnis zwischen den Parteien einen Gleichlauf mit dem sonstigen Umfang des Nießbrauchs zu ermöglichen, könnte die Vollmacht an den Nießbraucher nach außen grundsätzlich unbeschränkt erteilt und im Innenverhältnis zwischen Eigentümer und Nießbraucher auf die Wahrnehmung der aus dem Nießbrauch fließenden Rechte beschränkt werden. Weniger eindeutig erscheint aber umgekehrt die Möglichkeit, von Anfang an nicht dem Eigentümer, sondern dem Nießbraucher die Ausübung des Stimmrechts ausschließlich und umfassend zuzuweisen, da dies wohl (aus wohnungseigentumsrechtlichen Gründen) gegen das Verbot der (den Eigentümer) verdrängenden Stimmrechtsvollmacht verstoßen würde. Auf Grundlage der herrschenden Rechtsprechung wäre wohl insoweit nur eine (dann allerdings auch dinglich wirkende) Konkretisierung derjenigen Gegenstände möglich, über die dem Nießbraucher das alleinige Recht zur Abstimmung zustehen soll. Im Sinne Merles (a. a. O., § 25 Rn. 13) und des BGH (Urt. v. 26.11.1976, a. a. O.) müßte dies auch dahin gehend möglich sein, daß der Nießbraucher nur hinsichtlich der Nutzung des Sonder- und Gemeinschaftseigentums unter Ausschluß der Fragen über die ordnungsmäßige Verwaltung im Sinne von § 21 Abs. 3 WEG anstelle des Eigentümers stimmberechtigt sein soll. Auch dann wird sich aber zusätzlich eine (ggf. gegenseitige und im Außenverhältnis unbeschränkte) Vollmacht nicht nur aus praktischen Gründen, sondern auch wegen der verbleibenden Zweifel über die Zulässigkeit einer nießbrauchsrechtlichen Regelung empfehlen.

Zusammenfassend läßt sich daher sagen, daß für die vorliegende Sachverhaltskonstellation unabhängig vom bestehenden Meinungsstreit im Ergebnis wohl eine Verdoppelung der Stimmrechte in der Familie des A erreicht werden kann, wenn dieser eine seiner Wohnungen auf den Sohn D unter Vorbehalt des Nießbrauchs und ausdrücklicher Zuweisung der alleinigen Stimmrechtsausübung an den Eigentümer überträgt. Da klärende Rechtsprechung auch zu der Frage des dinglich wirkenden Vorbehalts zugunsten des Eigentümers noch nicht vorliegt, bleibt diese Lösung aber mit einer gewissen Rechtsunsicherheit behaftet.

c) Wegen des hier verfolgten Zwecks, für Mehrheitsbeschlüsse eine potentielle Pattsituation herbeizuführen, verbleiben - unabhängig davon, welcher Weg hier konkret eingeschlagen wird - gewisse Bedenken, die zwar die Wirksamkeit der Überlassung nicht berühren dürften, jedoch unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) im Streitfall eine abweichende Beurteilung des Kopfstimmrechts ergeben könnten. In einem derartigen Zusammenhang hat allerdings das OLG Frankfurt in dem bereits genannten Beschluß vom 01.08.1996 (ZMR 1997, 156) zu dem Fall der Allein- und Mitberechtigung von Familienmitgliedern entschieden, daß die Gewährung zweier Stimmen dem Zweck des Kopfstimmrechts, eine Majorisierung durch Mehrfachberechtigte zu verhindern, nicht entgegenstehe. Auch die anderen möglichen Stimmrechtsregelungen (Wertprinzip, Objektprinzip) könnten einer Majorisierung nicht generell vorbeugen, so daß von unzulässiger Rechtsausübung auch im Hinblick darauf nicht gesprochen werden könne, daß es sich im konkreten Fall bei den Allein- und Mitberechtigten um die Mitglieder derselben Familie handele. Unabhängig hiervon wird jedoch zu berücksichtigen sein, daß die Wohnungseigentümerversammlung durch die potentielle Stimmengleichheit praktisch lahmgelegt werden kann, womit eine Anrufung des Gerichts nach § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG erforderlich werden könnte (vgl. MünchKomm-Röll, a. a. O., § 25 WEG Rn. 9).

Erscheinungsdatum:

31.12.1998

Rechtsbezug

National

Erschienen in:

DNotI-Report 1998, 21-25

Normen in Titel:

WEG § 25; BGB § 1030; BGB § 1008