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G u t a c h t e n d e s D e u t s c h e n No t a r i n s t i t u t s Abruf-Nr.: 107248# l e t zt e A k t u a l i s i e r un g : 23. November 2010
EGBGB Art. 25 USA: Bestimmung des Erben für ein deutsches Grundstück, wenn im Testament ein trust eingesetzt worden ist
I. Sachverhalt Es geht um die Erbfolge nach einem deutschen Staatsangehörigen mit letztem gewöhnlichen Aufenthalt im US-Staat Washington. Der Erblasser war Eigentümer eines Grundstücks. In einem von ihm errichteten Testament hat er diverse Vermächtnisse ausgeworfen. Diese begünstigen die Ehefrau. Über das übrige Vermögen verfügte er wie folgt: ,,I give the residue of my estate to the trustee named thereafter ("trustee") in trust, to be held, administered and distributed as provided for in Article 4.1. as the Family Trust." Dabei ergibt sich aus dem genannten Artikel 4, dass Begünstigte des trusts die Ehefrau und die Kinder des Verstorbenen sein sollen. Trustee soll die Ehefrau sein. II. Frage Wer ist im vorliegenden Fall für die Zwecke des Erbscheinsverfahrens als Erbe anzusehen und wie ist ggf. das deutsche Grundbuch zu berichtigen? III. Zur Rechtslage 1. Erbstatut Aus deutscher Sicht bestimmt sich das auf die Erbfolge anwendbare Recht gem. Art. 25 Abs. 1 EGBGB anhand der Staatsangehörigkeit des Erblassers. Da im vorliegenden Fall der Erblasser Deutscher war, unterliegt die Erbfolge nach seinem Tode mithin dem deutschen Recht. Ausgenommen von dieser Verweisung auf das deutsche Recht ist gem. Art. 3a Abs. 2 EGBGB im Ausland belegenes Vermögen, soweit sich hierfür nach dem dort geltenden
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Recht ein sog. vorrangiges Einzelstatut ergibt. Ein solches vorrangiges Einzelstatut wird nach der ständigen Rechtsprechung und der wohl überwiegenden Auffassung in der deutschen Lehre insbesondere dann angenommen, wenn eine kollisionsrechtliche Sonderanknüpfung erfolgt, also ausschließlich aufgrund der Belegenheit des Vermögens das jeweilige Belegenheitsrecht angewandt wird. Dies gilt z. B. für in den USA belegene Immobilien, weil insoweit ohne Rücksicht auf Staatsangehörigkeit und Wohnsitz des Erblassers stets USRecht angewandt wird (vgl. insoweit Palandt/Thorn, 70. Aufl. 2011, Art. 3a EGBGB Rn. 6). Darüber hinaus dürfte dies aber auch für die Nachlassabwicklung in Bezug auf in den USA belegenes Vermögen gelten. Da im vorliegenden Fall jedoch Gegenstand der Betrachtung ausschließlich das in Deutschland belegene Vermögen des Erblassers ist, und § 2369 BGB aufgrund der Neufassung durch das FamFG auch dann, wenn der Erblasser deutscher Staatsangehöriger war, die Beschränkung des Erbscheins auf das in Deutschland belegene Vermögen zulässt, kann die kollisionsrechtliche Behandlung des im Ausland belegenen Vermögens im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben. 2. Zur Erbeinsetzung Im vorliegenden Fall hat der Erblasser ein Testament errichtet, welches sich ausschließlich an den Besonderheiten des US-amerikanischen Erb- und Nachlassverfahrensrechts orientiert. Eingenheit des Rechts der vom common law geprägten US-Staaten (das sind sämtliche US-Staaten ausgenommen Louisiana und Puerto Rico) ist, dass diese eine Gesamtrechtsnachfolge des Nachlasses auf einen oder mehrere ,,Erben" nicht kennen. Vielmehr geht der Nachlass auf einen sog. personal representative über. Dieser agiert als Treuhänder und hat den Nachlass abzuwickeln (insbesondere die Nachlassverbindlichkeiten zu begleichen etc.). Nach dieser Abwicklung kann er den verbleibenden Nachlass (Nettonachlass) nach Maßgabe der testamentarischen Verfügungen bzw. im Fall einer fehlenden Testamentserrichtung nach Maßgabe der gesetzlichen Erbregeln an die erbberechtigten Angehörigen (die beneficiaries) auskehren. Ein derartiger Nachlassabwickler wird regelmäßig durch Testament ernannt. In diesem Fall handelt es sich um einen executor. Fehlt eine testamentarische Benennung oder tritt die testamentarisch benannte Person das Amt aus welchem Grund auch immer nicht an, so ernennt das Gericht eine entsprechende Person (administrator). Aus diesen Regeln ergibt sich, dass in einem nach den Vorgaben des Erbrechts der US-Staaten errichteten Testament keine Erbeinsetzung erfolgt, sondern stattdessen die Benennung eines executors und die Verfügung über das Vermögen in Form von Vermächtnissen (legacies bzw. devices je nachdem ob es sich um bewegliches oder unbewegliches Vermögen handelt). Die Nachlassabwicklung erfolgt in den USA aufgrund der Geltung der lex fori nach den Nachlassverfahrensregeln des US-amerikanischen Rechts, so dass das Testament insoweit aus US-Sicht den einschlägigen Regeln entsprechend verfasst wäre. Aus deutscher Sicht unterliegt die Nachlassabwicklung jedoch aufgrund der deutschen Staatsangehörigkeit des Erblassers ausschließlich den Regeln des deutschen Rechts. Das den Regeln des US-Rechts entsprechende Testament entspricht den Vorgaben des deutschen Rechts daher nicht (Fall des ,,Handelns unter falschem Recht"). Insoweit sind daher nach in Deutschland wohl überwiegender Auffassung die vom Erblasser getroffenen Verfügungen unter Zugrundelegung des deutschen Rechts so umzudeuten, dass ihnen wirtschaftlich ein Ergebnis zukommt, welches weitgehend den Zielen nahe kommt, die der Erblasser mit der Verfügung beabsichtigt hat. Hier geht man daher regelmäßig davon aus, dass ein executor,
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den der Erblasser testamentarisch ernannt hat, jedenfalls dann in Deutschland als Testamentsvollstrecker i. S. d. §§ 2197 ff. BGB behandelt werden kann, wenn der Erblasser ihn mit Aufgaben betraut, die denen eines Testamentsvollstreckers nach deutschem Recht entsprechen, sich die Einsetzung auch auf das in Deutschland belegene Vermögen bezieht und insbesondere dann auch über die Aufgaben hinausgeht, die einem executor nach dem US-Recht zwingend zustehen (s. insoweit die Ausführungen bei Staudinger/Dörner, Neubearb. 2007, Art. 25 EGBGB Rn. 893). Dagegen dürfte die Zuwendung von Vermächtnissen an sich noch nicht als Erbeinsetzung i. S. d. deutschen Rechts zu sehen sein. Wohl aber gilt dies für die Benennung als residuary legatee, also die Zuwendung des gesamten, nach Erfüllung einzelner Einzelvermächtnisse verbleibenden Restnachlasses. 3. Einordnung des trust Eine weitere Besonderheit ergibt sich im vorliegenden Fall daraus, dass der Erblasser jeden Rest des Nachlasses nicht einer bestimmten Person zugewandt hat, sondern einem trust. Der trust ist eine dem common law eigentümliche Rechtsfigur, die zu einem rechtlich teilweise verselbständigten Vermögen führt. Es handelt sich hierbei um eine treuhänderische Beziehung, in der eine Person als formeller Inhaber der Rechte an dem trust-Vermögen auftritt und eine andere Person Anspruch auf die Erträge aus dem Vermögen hat. In einer dem deutschen Recht unbekannten Weise wird die formelle Inhaberschaft an dem trust-Gut (legal title) dem trust-Verwalter (trustee) zugewiesen, während der Begünstigte (beneficiary) materiell nach Billigkeitsgrundsätzen als Eigentümer angesehen wird (vgl. Waters, The Common Law Trust in the Modern World, 1984, S. 4 f.). Die Frage, ob an bestimmten Rechten bzw. Sachen ein trust-Verhältnis begründet werden kann, wird in Deutschland nach h. M. dem für die Sachen maßgeblichen Statut unterstellt (vgl. von Bar, IPR, Bd. 2, Besonderer Teil, 1991, Rn. 500; Kötz, IPRax 1985, 205, 206). Im Fall eines Grundstücks, wie im vorliegenden Fall, wäre mithin insoweit gem. Art. 43 EGBGB das Belegenheitsrecht, also das deutsche Recht, anwendbar. Dabei nimmt die h. M. in Deutschland an, dass der numerus clausus der Sachenrechte der Aufspaltung der Eigentümerstellung in die formelle Berechtigung des trustee und die materielle Rechtsinhaberschaft des beneficiary entgegensteht. An in Deutschland belegenen Sachen könne daher kein trust-Verhältnis begründet werden (BGH IPRax 1995, 221, 223; von Caemmerer, FS Zepos, 1973, S. 25, 34; von Bar, a. a. O., Bd. 2, Rn. 500). In gleicher Weise kann der trust auch mangels Rechtsfähigkeit nicht Erbe oder Vermächtnisnehmer sein. Dennoch ist das Testament nicht insgesamt als nichtig anzusehen. Vielmehr wäre in Zusammenschau des Testaments sowie der trust-Errichtungsurkunde zu überlegen, wie die dort getroffenen Verfügungen in sinnvoller Weise in das deutsche Erbrecht ,,übersetzt" werden können, also unter weitestgehender Wahrung der Absichten des Testators mit den vom deutschen Erbrecht bereitgestellten Formen der letztwilligen Verfügung umgesetzt werden kann. Dabei geht die in Deutschland wohl überwiegende Ansicht davon aus, dass der beneficiary, also der Begünstigte des trusts, regelmäßig als ,,Erbe" anzusehen ist, dem trustee hingegen allenfalls die Stellung eines Testamentsvollstreckers zukommen kann (vgl. Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB Rn. 427 m. w. N.). Insoweit könnte man im vorliegenden Fall also unter Rückgriff auf diese trust-Klausel eine Erbeinsetzung der Ehefrau und der Kinder des Verstorbenen zu den dort angegebenen Quoten annehmen. Die Ehefrau wäre darüber hinaus, da sie als trustee die alleinige Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über diesen Nachlassteil hat, als Testamentsvollstreckerin i. S. d. des deutschen Rechts anzusehen.
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Je nachdem, wie sich die Wertverhältnisse in Bezug auf das der Ehefrau vorab zugewandte Vermögen gestalten, könnte man auch überlegen, ob hier nicht die Ehefrau aufgrund einer sich daraus möglicherweise ergebenden eindeutig dominierenden Stellung (also ggf. einem Voraus in Bezug auf einen wesentlichen Teil des Vermögens, Beteiligung auch am übrigen Vermögen wobei sich hier aus den trust-Regeln möglicherweise eine Bevorzugung gegenüber den Kindern ergeben könnte und Stellung als Nachlassverwalterin über das verbleibende Vermögen unter Ausschluss der Verwaltungsbefugnisse der übrigen Kinder) nicht auch eine Alleinerbenstellung der Ehefrau ergeben könnte, wobei die Beteiligung der Kinder am ,,residue of my estate" dann allenfalls noch als Vermächtnis behandelt werden könnte. Insoweit wäre daher eine genauere Auslegung der testamentarischen Bestimmungen sowie gleichzeitig eine Übersicht über das Vermögen des Erblassers erforderlich.