OLG Zweibrücken 30. August 2022
3 W 61/22
GBO §§ 19, 29, 35

Wirksamkeit einer Erbausschlagung; keine abschließende Entscheidung im Grundbuchverfahren

letzte Aktualisierung: 6.10.2022
OLG Zweibrücken, Beschl. v. 30.8.2022 – 3 W 61/22

GBO §§ 19, 29, 35
Wirksamkeit einer Erbausschlagung; keine abschließende Entscheidung im Grundbuchverfahren

Die Frage der Wirksamkeit einer Erbausschlagung kann im Regelfall angesichts der Möglichkeit
einer vorherigen Annahme durch den Ausschlagenden nicht im grundbuchrechtlichen Verfahren
durch Auslegung entschieden werden (§§ 29, 35 GBO).

Gründe

I.
1 Hinsichtlich des im Rubrum näher bezeichneten Grundbesitzes ist die Antragstellerin und
Beschwerdeführerin jeweils als Eigentümerin eingetragen. In der Zweiten Abteilung des
Grundbuchs ist jeweils vermerkt:

„Die B. ist Vorerbin; Nacherben des A. sind C., D. und E.; Eintritt der Nacherbfolge beim
Tod des Vorerben; gemäß Erbvertrag vom 17.03.1998 (Ur.Nr. …, Notar ...) eingetragen am
10.08.2000.“

In dem o.g. zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem am … verstorbenen Ehemann, A.,
geschlossenen Erbvertrag vom … heißt es u.a.:

„ § 2

Wir setzen uns gegenseitig zu nicht befreiten Vorerben ein.

Diese gegenseitige Vorerbeinsetzung erfolgt mit erbvertraglicher Bindung und ohne
Rücksicht darauf, ob und welche Pflichtteilsberechtigte beim Tode des Erstversterbenden
von uns vorhanden sein werden. (...)

Zum Nacherben des Erstversterbenden wie auch zum Schlußerben des Längstlebenden
setzen wir ein:

die Kinder des Ehemannes aus erster Ehe

1. C. zu 1/3 Anteil,

2. D. zu 1/3 Anteil,

die Tochter der Ehefrau

3. E. (...) zu 1/3 Anteil,

ersatzweise jeweils deren Abkömmlinge im Verhältnis der gesetzlichen Erbteile.

Sollte einer der eingesetzten Nacherben und Schlußerben vor dem Erstversterbenden ohne
Hinterlassung von Abkömmlingen versterben, so soll dessen Anteil den übrigen Erben,
ersatzweise deren Abkömmlingen, gleichmäßig nach Stämmen und nach den Regeln der
gesetzlichen Ordnung zuwachsen.

Sollte er nach Eintritt des Vorerbfalls jedoch vor dem Nacherbfall verstorben sein, gelten
die gesetzlichen Regeln. (...)“

Die Beschwerdeführerin hat am 13. Januar 2022 u.a. unter Vorlage der Kopie einer
Ausschlagungserklärung des D. vom 3. Januar 2001 [Amtsgericht - Nachlassgericht - Bingen
am Rhein] die Löschung des jeweils zu seinen Gunsten eingetragenen Nacherbenvermerks
beantragt. D. habe seine Pflichtteilsansprüche geltend gemacht und sich im Juli 2001 mit
einer Zahlung von 35.500,- DM für abgefunden erklärt. Das Grundbuchamt hat sich mit
Zwischenverfügung vom 2. März 2022 auf den Standpunkt gestellt, der Nacherbenvermerk
könne nur bei Einreichung der Bewilligung (§ 29 GBO) nebst Bewilligung der
Ersatznacherben, ggf. eines zu bestellenden Pflegers, oder bei Nachweis der Unrichtigkeit
gelöscht werden. Unabhängig von der Fristenregelung des § 1944 BGB ergebe sich aus §
1943 BGB, dass der Nacherbe die Nacherbschaft nicht mehr ausschlagen könne, wenn er
sie angenommen habe. Schließlich müsse ermittelt werden, ob die Ersatznacherben an die
Stelle des Nacherben treten. Der Erbvertrag enthalte keine Angabe, was bei
Geltendmachung des Pflichtteils eintreten solle. Die Prüfungspflicht des Grundbuchamts
habe ihre Grenze dort, wo hinsichtlich des behaupteten Erbrechts Zweifel tatsächlicher Art
verblieben, die nur durch weitere Ermittlungen geklärt werden könnten. Hierzu bedürfe es
eines Erbscheins nach A.

Das Grundbuchamt hat den Antrag vom 13. Januar 2022 schließlich mit
Zurückweisungsbeschluss vom 5. Juli 2022 zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die
Beschwerdeführerin mit ihrer Beschwerde, mit der sie geltend macht, das Grundbuchamt
sei nicht berechtigt, sich auf die Vorlage eines Erbscheins gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO
zum Nachweis der Erbfolge zu berufen. Vielmehr sei es zur Auslegung der letztwilligen
Verfügung verpflichtet, und zwar auch dann, wenn rechtlich schwierige Fragen zu
beurteilen seien. Gründe oder Anhaltspunkte, weshalb die Erbausschlagungserklärung des
D. unwirksam sein könnte, ergeben sich gerade nicht aus der Erklärung selbst. Ebenso gebe
es keine Anhaltspunkte für eine mögliche vorherige Annahme der Nacherbschaft, bevor
diese selbst eingetreten sei. Auch wenn D. zwei leibliche Töchter habe, sei Anwachsung
gemäß § 2094 BGB bei den übrigen Nacherben eingetreten, weil die Ausschlagung lediglich
zum Zwecke des Pflichtteilsverlangens vorgenommen worden sei. Dies sei sogar der
Ausschlagungserklärung selbst zu entnehmen. In diesem Fall entspreche es
erfahrungsgemäß dem Willen des Erblassers, dass nicht Ersatznacherbfolge eintrete,
sondern die Erbschaft dem Vorerben verbleibe, da sonst eine Doppelbegünstigung des
Stammes eintreten würde. Dies gelte wiederum auch dann, wenn der Erblasser ausdrücklich
die Abkömmlinge seiner Kinder zu Ersatznacherben berufen habe.

Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.
Die nicht fristgebundene Beschwerde ist gemäß §§ 71 Abs. 1 GBO, 11 Abs. 1 RPflG
statthaft, formgerecht eingelegt worden und auch im Übrigen zulässig. Der Senat ist gemäß
§§ 72 GBO, §§ 13a, 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) GVG, § 4 Abs. 3 Nr. 2 lit. a) GerOrgG
Rheinland-Pfalz zur Entscheidung hierüber berufen. In der Sache ist dem Rechtsmittel der
Erfolg zu versagen. Das Grundbuchamt hat sich in dem angefochtenen Beschluss in
Verbindung mit der Zwischenverfügung vom 2. März 2022 im Ergebnis zu Recht an der
beantragten Löschung gehindert gesehen und u.a. auf das Erfordernis der Vorlage eines
Erbscheins nach A. verwiesen. Im hiesigen Verfahren ist bei Würdigung der nach der
Beweismittelbeschränkung des § 35 Abs. 1 GBO zur Verfügung stehenden Beweismittel der
Nachweis, dass bezogen auf den gegenständlichen Nacherbenvermerk zugunsten des D. der
Nacherbfall nicht (mehr) eintreten könnte, nicht zu führen. Im Einzelnen gilt Folgendes:

1. Der Löschungsantrag kann vorliegend von vorneherein nicht an der Ausschlagungsfrist
gemäß §§ 1943 Alt. 2, 1944, 2142 BGB scheitern. Nach dem Vorbringen der
Beschwerdeführerin ist die Ausschlagung durch D. nämlich am 3. Januar 2001 erfolgt und
damit jedenfalls innerhalb der Ausschlagungsfrist, die bei der Nacherbschaft erst mit
Kenntnis vom Nacherbfall beginnt, §§ 2139, 2142 BGB i.V.m. § 1944 Abs. 2 BGB (vgl.
Weidlich, in: Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022, § 2142 BGB, Rdnr. 2; Litzenburger, in:
BeckOK BGB, 62. Ed. 1. Mai 2022, § 2142 BGB, Rdnr. 1). Zum Zeitpunkt der
Ausschlagung war der Nacherbfall nicht eingetreten.

2. Der Beschwerdeführerin ist auch zuzugeben, dass das Grundbuchamt zur Auslegung der
letztwilligen Verfügung in Form des Erbvertrags vom 17. März 1998 verpflichtet ist, und
zwar auch hinsichtlich rechtlich schwieriger Fragestellungen. Dabei sind ggf. auch weitere
öffentliche Urkunden zu würdigen (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 19. Dezember 2019,
Az.: I-2 Wx 343/19, zit. n. Juris, dort Rdnr. 11; OLG Frankfurt, Beschluss vom 8. Januar
2018, Az.: 20 W 215/17, zit. n. Juris, dort Rdnr. 10 ff.; OLG Hamm, Beschluss vom 22.
März 2017, Az.: I-15 W 354/16, zit. n. Juris, dort Rdnr. 3 ff.; Demharter, GBO, 32. Aufl.
2021, § 35 GBO, Rdnr. 40 u. 43). Da in dem Erbvertrag als Ersatznacherben die jeweiligen
Abkömmlinge der Nacherben bestimmt wurden (§ 2096 BGB) und eine Ausschlagung
durch D. zwecks Geltendmachung des Pflichtteils im Raum steht, entspricht es
erfahrungsgemäß dem Willen des Erblassers, dass nicht Ersatznacherbfolge eintritt, sondern
die Erbschaft bei der Vorerbin verbleibt. Die Anwendbarkeit von § 2069 BGB ist in solch
einer Konstellation mit besonderer Sorgfalt zu prüfen (vgl. OLG Düsseldorf NJW 1956,
1880, hier zit. n. Juris) bzw. nach nunmehr wohl ganz überwiegend vertretener Auffassung
zu verneinen, anderenfalls es zu einer Doppelbegünstigung des Stammes kommen würde
(vgl. BGH, Urteil vom 29. Juni 1960, Az.: V ZR 64/59, zit. n. beck-online; OLG Bamberg,
Urteil vom 23. April 2013, Az.: 5 U 34/12, zit. n. Juris, dort Rdnr. 32 f.; Bayerisches
Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 2. März 2000, Az.: 2Z BR 144/99, zit. n. Juris, dort
Rdnr. 23 f.; R. Kössinger/Zintl, in: Nieder/Kössinger, Handbuch der Testamentsgestaltung,
6. Aufl. 2020, § 10, Rdnr. 86).

3. Gleichwohl hat das Grundbuchamt zu Recht ein Eintragungshindernis angenommen,
weil anhand der zum Antrag vorgelegten Unterlagen und weiterer zu berücksichtigender
Urkunden (§§ 29, 35 GBO), insbesondere ggf. aus der Nachlassakte desselben
Amtsgerichts, eine abschließende Feststellung, ob D. (noch) Nacherbe ist oder der
Nacherbfall bezogen auf seine Person nicht mehr eintreten kann, nicht zu treffen ist.
Letzteres würde nämlich den Nachweis einer wirksamen Erbausschlagung in
grundbuchrechtlich zulässiger Form erfordern, der hier nicht zu bejahen ist. Insoweit
kommt nämlich nach §§ 2142 Abs. 1, 1943 Alt. 1 BGB eine Ausschlagung nicht mehr in
Betracht, wenn der (Nach-)Erbe sie – ggf. auch durch schlüssiges Verhalten – angenommen
hat. Darauf hat das Grundbuchamt zutreffend abgestellt. Die Beschwerde übersieht, dass es
wohl einhelliger Auffassung entspricht, dass die Frage der Wirksamkeit der
Erbausschlagung im Hinblick auf die Möglichkeit einer vorherigen Annahme im Regelfall
nicht im grundbuchrechtlichen Verfahren durch Auslegung abschließend entschieden
werden kann (vgl. hierzu OLG Köln aaO.; OLG Frankfurt aaO.; OLG Hamm aaO.;
Demharter aaO.; OLG München, Beschluss vom 24. August 2016, Az.: 34 Wx 216/16, zit.
n. Juris, dort Rdnr. 20; Böhringer, in: ZEV 2017, 68 (70); Wilsch, in: BeckOK GBO, 46. Ed.
1. Jun. 2022, § 35 GBO, Rdnr. 123c; Egerland, in: Burandt/Rojahn, Erbrecht, 4. Aufl. 2022,
§ 35 GBO, Rdnr. 16). So liegen die Dinge auch hier, weil sich die Frage der fortbestehenden
Berechtigung zum Zeitpunkt der Erbausschlagung, § 1943 Alt. 1 BGB, die nicht allein
rechtlicher, sondern auch tatsächlicher Natur ist, anhand der im grundbuchrechtlichen
Verfahren zu berücksichtigenden Urkunden nicht beantworten lässt. Anhaltspunkte für eine
Ausnahme vom vorgenannten Regelfall bestehen nicht, zumal nach Aktenlage zwischen der
Eröffnung der letztwilligen Verfügung am 16. Juni 2000 bzw. der Eintragung im
Grundbuch am 10. August 2000 auf einen Berichtigungsantrag der Beschwerdeführerin hin
und der Erbausschlagung unter Datum vom 3. Januar 2001 immerhin mehrere Monate
lagen. Gegen das vom Grundbuchamt aufgestellte Erfordernis einer Erbscheinsvorlage ist
somit vorliegend nichts zu erinnern. Denn auch bei bestmöglicher Auslegung der in Bezug
genommenen Urkunden kann die entscheidende Frage der (Nicht-)Annahme der
Nacherbschaft (§§ 2142 Abs. 1, 1943 Alt. 1 BGB), im grundbuchrechtlichen Verfahren
keiner abschließenden Klärung zugeführt werden.

4. Diesem Ergebnis steht auch nicht eine häufig in Bezug genommene abweichende
Auffassung des Landgerichts Aschaffenburg gemäß Urteil vom 12. August 2009, Az.: 4 T
113/09, hier zit. n. Juris, zu einer ähnlich gelagerten Konstellation entgegen. Die dort
vertretene Auffassung, die Vorlage eines Erbscheines sei nicht nötig, soweit das
Grundbuchamt das Vorliegen einer form- und fristgerechten Ausschlagungserklärung als
offenkundige oder aktenkundige Tatsache selbst anhand vorgelegter öffentlicher Urkunden
oder beigezogener Nachlassakten feststellen könne, ist vereinzelt geblieben (so auch die
Einschätzung von OLG Frankfurt aaO.). Hinzu tritt, dass die Entscheidung durch die unter
Ziff. 3. dargelegte Rechtsprechung der Oberlandesgerichte, der sich der Senat ausdrücklich
anschließt, zeitlich überholt ist. Schließlich ist zu sehen, dass sich die Entscheidung des
Landgerichts Aschaffenburg aaO, dort Rdnr. 16, zwar mit der Annahme der Erbschaft
durch den Antragsteller des dortigen Grundbuchberichtigungsverfahrens befasst, nicht aber
mit der Möglichkeit einer vorherigen Annahme der Erbschaft durch den Ausschlagenden.
Im dortigen Fall hatte das einzige gemeinsame Kind der Eheleute (Nacherbe) nach dem
Versterben der eingetragenen Eigentümerin (Mutter), der Eröffnung des Erbvertrages am
26. Januar 2009 und der Ausschlagungserklärung des Ehemanns der Erblasserin (Vater des
Antragstellers und Vorerbe) mit Schreiben vom 1. März 2009, weitergeleitet vom
Nachlassgericht an das Grundbuchamt am 12. März 2009, die Grundbuchberichtigung
beantragt. Während das Landgericht Aschaffenburg aaO., dort Rdnr. 14 f., u.a. umfassend
die Frage der Rechtzeitigkeit der Ausschlagungserklärung des Vaters des Antragstellers in
den Fokus genommen hat (§§ 1943 Alt. 2, 1944 BGB), ist es in seiner Entscheidung auf die
hier relevante Frage einer möglichen vorherigen Annahme der Erbschaft durch den
ausschlagenden Vater des Antragstellers (§ 1943 Alt. 1 BGB) überhaupt nicht eingegangen.

5. Nach alledem hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.

Eine Kostenentscheidung ist im Hinblick auf die gesetzlich geregelte Kostenfolge nicht
veranlasst (§§ 22 Abs. 1, 25 Abs. 1 GNotKG). Die Wertfestsetzung folgt aus §§ 79 Abs. 1
Satz 1, 61 Abs. 1, 36 Abs. 3 GNotKG.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 78 Abs. 2 GBO
nicht vorliegen.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Zweibrücken

Erscheinungsdatum:

30.08.2022

Aktenzeichen:

3 W 61/22

Rechtsgebiete:

Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Erbeinsetzung, Vor- und Nacherbfolge
Grundbuchrecht
Kostenrecht

Normen in Titel:

GBO §§ 19, 29, 35