OLG Hamburg 22. Oktober 2020
13 W 142/20
WEG § 1 Abs. 4

Realteilung eines in Wohnungseigentum aufgeteilten Grundstücks

letzte Aktualisierung: 19.11.2020
OLG Hamburg, Beschl. v. 22.10.2020 – 13 W 142/20

WEG § 1 Abs. 4
Realteilung eines in Wohnungseigentum aufgeteilten Grundstücks

1. Die Realteilung eines aus zwei Flurstücken bestehenden, in Wohnungseigentum aufgeteilten
Grundstücks dahingehend, dass zwei Wohnungseigentümergemeinschaften auf zwei Grundstücken
entstehen, setzt nicht die vorherige Aufhebung der ursprünglichen Wohnungseigentümergemeinschaft
voraus.
2. Die Realteilung kann unter Aufteilung der Gemeinschaft und gleichzeitigem Tausch der jeweiligen
Miteigentumsanteile erfolgen, wenn jeder Miteigentümer diejenigen Miteigentumsanteile am Grundstück
abgibt, auf dem sich sein Wohnungseigentum nicht befindet.

(Leitsätze der DNotI-Redaktion)

Gründe:

I.
Die Wohnungs- und Teileigentümer (die Beschwerdeführer) des in Wohnungs- und Teileigentum
aufgeteilten Grundstücks … 1, 3, 3a - Flurstück …, Größe … qm - und … 13, 15, 17 - Flurstück
…, Größe … qm - eingetragen in den Wohnungs- und Teileigentumsgrundbüchern von … Blatt
… bis … beabsichtigen, diese Wohnungseigentümergemeinschaft in zwei
Wohnungseigentümergemeinschaften, nämlich eine für das Grundstück … 1-3 und eine für das
Grundstück … 13-17, aufzuteilen.

Mit Urkunde vom 28.11.2017 (UR-Nr. … des Notars …..) haben die Wohnungseigentümer der
Wohnungen auf dem Grundstück … 1-3 die ihnen gehörenden Miteigentumsanteile an dem
Grundstück … 13-17 auf die Eigentümer der Wohnungen auf dem Grundstück 13-17 übertragen
und die Wohnungseigentümer der Wohnungen auf dem Grundstück … 13-17 haben die ihnen
gehörenden Miteigentumsanteile an dem Grundstück … 1-3 auf die Eigentümer der Wohnungen
auf dem Grundstück … 1-3 übertragen. Zugleich erfolgte in der Urkunde eine Aufteilung des
Grundstücks, bestehend aus den Flurstücken … und … in zwei rechtlich selbständige
Grundstücke. Die Aufteilung und der zeitgleiche Tausch der Miteigentumsanteile erfolgt in der
Weise, dass jeder Miteigentümer die Miteigentumsanteile an dem Grundstück abgibt, auf dem
sich sein Wohnungseigentum nicht befindet. Infolge des Tauschs soll jeder
Wohnungseigentümer nur noch Miteigentum an dem Grundstück haben, auf dem seine
Wohnung liegt.

Sodann enthält die Urkunde eine Verbindung der bestehenden und neu hinzu erhaltenen
Miteigentumsanteile an dem Grundstück, auf dem die Wohnung liegt, mit dem jeweiligen
Sondereigentum und zwar in der Weise, dass der jeweilige Sondereigentümer eine
unveränderte Zahl an Miteigentumsanteilen (allerdings bezogen auf eine verminderte
Gesamtanzahl der Anteile) erhält, verbunden mit dem Sondereigentum an seiner Einheit.

Alle betroffenen Miteigentümer und Pfandrechtsgläubiger haben dem Vorgehen gemäß Urkunde
vom 28.11.2017 zugestimmt.

Mit Beschluss vom 30.06.2020 hat das Amtsgericht Hamburg-Blankenese den Antrag auf
Eintragung der Änderung der Teilungserklärung zurückgewiesen. Hierzu hat es ausgeführt, dass
für eine Teilung der bestehenden WEG in zwei neue eigenständige WEG-Gemeinschaften
zunächst die Rückführung der WEG durch Aufhebung derselben auf ein Blatt und sodann
Neuaufteilung unabdingbar wäre. Die in der vorgelegten Urkunde vorgenommene Aufteilung von
Miteigentumsanteilen an den einzelnen Flurstücken sei willkürlich und nicht rechnerisch aus den
eingetragenen Anteilen ableitbar. Zudem entstünden bei der geplanten Aufteilung gänzlich neue
Miteigentumsanteile, statt dem bestehenden Anteil an zwei Flurstücken entstehe nunmehr ein
jeweils rechnerisch erhöhter Miteigentumsanteil an jeweils einem Flurstück. Es entstehe damit
im Hinblick auf die Grundpfandrechtsgläubiger ein gänzlich neuer Pfandgegenstand, der nur
durch Pfandentlassung und Neubestellung zu erhalten sei.

Zudem stehe § 1 Abs. 4 WEG der Übertragung von Miteigentumsanteilen an einem Flurstück
eines aus zwei Flurstücken bestehenden Wohnungseigentumsgrundstücks entgegen.
Dagegen richtet sich die Beschwerde vom 07.07.2020. Diese führt zur Begründung aus, dass
nach der Teilung der Flurstücke in zwei rechtlich selbständige Grundstücke sachenrechtliche
Verfügungsobjekte für die Übertragung der Miteigentumsanteile vorlägen und dass § 1 Abs. 4
WEG einer Übertragung nicht im Wege stehe, weil durch die Umsetzung der beurkundeten
Erklärungen zwei WEG auf zwei rechtlich selbständigen Grundstücken begründet würden - ein
Zustand, der von § 1 Abs. 4 WEG gerade nicht untersagt werde. Wegen des weiteren Inhalts
der Beschwerde wird auf den Schriftsatz vom 27.02.2020 Bezug genommen.

Das Grundbuchamt hat der Beschwerde mit Beschluss vom 20.07.2020 nicht abgeholfen und
ausgeführt, dass die von den Antragstellern vorgelegte Pfandhaftentlassung zum Fortbestehen
der Grundpfandrechte an den neu zu bildenden Grundbuchblättern nicht ausreiche.

II.
Die gem. § 71 Abs. 1 GBO zulässige Beschwerde hat aus den in der Beschwerdebegründung
näher ausgeführten Gründen, denen sich der Senat anschließt, auch in der Sache Erfolg.
1. Es bestehen keine Hindernisse gegen die beantragte Miteigentumsanteilsübertragung und die
dadurch beabsichtigte Aufteilung der bestehenden Wohnungseigentümergemeinschaft in zwei
selbständige Wohnungseigentümergemeinschaften. Im Einzelnen:

a) Zwar gibt es (sachen-)rechtlich keinen Anteil am Miteigentum eines Flurstücks, das
zusammen mit einem weiteren Flurstück ein Grundstück im rechtlichen Sinne darstellt, so dass
es streng genommen den in der hier streitgegenständlichen Urkunde zugrunde gelegten
Übertragungsgegenstand nicht gibt. Den Beschwerdeführern ist jedoch in ihrer Rechtsansicht
beizupflichten, dass es - zumindest eine logische Sekunde nach der in der Urkunde vom
28.11.2017 neben den Miteigentumsanteilsübertragungen zugleich beurkundeten Teilung des
Grundstücks - sachenrechtlich existierende Verfügungsobjekte - nämlich die beiden dann
rechtlich selbständigen Grundstücke - gibt, auf die sich die Anteilsübertragungen beziehen und
es ist keine Vorschrift ersichtlich, die der beabsichtigten Rechtsübertragung entgegensteht.

Entgegen der ursprünglich vom Grundbuchamt geäußerten Ansicht steht insbesondere § 1
Abs. 4 WEG einer Übertragung von Miteigentumsanteilen an jeweils dem Flurstück, auf dem die
Wohnung des jeweiligen Wohnungseigentümers nicht belegen ist, nicht entgegen, denn mit der
beabsichtigten Rechtsübertragung wird gerade der von § 1 Abs. 4 WEG verfolgte Zweck einer
Vereinigung von Sondereigentum und Miteigentumsanteil auf einem Grundstück erreicht. Es
liegt hier nicht der offensichtlich dem Grundbuchamt vorschwebende Fall vor, dass ein mit zwei
im Sondereigentum stehenden Gebäuden bebautes Grundstück real geteilt werden soll, so dass
das Sondereigentum mit dem Miteigentum an einem anderen Grundstück verbunden wäre, was
§ 1 Abs. 4 WEG in der Tat verhindern will (vgl. Palandt/Wicke, BGB, 78. Aufl. 2019, § 1 WEG
Rn. 5). Zu diesem vom Gesetz nicht gewollten Rechtszustand kommt es wegen der
gleichzeitigen Beurkundung der Teilungs- und der Miteigentumsanteilsübertragungserklärungen
gerade nicht.

b) Die vorgenommene Aufteilung der Miteigentumsanteile ist entgegen der Ansicht des
Grundbuchamts auch nicht willkürlich. Die Beschwerdeführer haben dezidiert dargelegt, dass es
bei der von ihnen vorgenommen Methode der Aufteilung der Grundstücksanteile - Beibehaltung
des Zählers bei gleichzeitiger Veränderung des Nenners entsprechend des Größenverhältnisses
der beiden Flurstücke zueinander - bei den gleichen Anteilen der Wohnungseigentümer an dem
Grundstück bleibt, auf dem sich ihr Sondereigentum befindet. Dass es zu einer Verschiebung
der Anteile in Bezug auf das alte (nach der Aufteilung nurmehr noch fiktiv bestehende)
Grundstück kommt, ist ebenfalls nicht willkürlich, sondern gerade durch das Größenverhältnis
der beiden Flurstücke zueinander bedingt.

c) Der beantragten Eintragung steht schließlich auch nicht entgegen, dass ein neuer
Pfandgegenstand entsteht. Dem Grundbuchamt ist zwar darin zuzustimmen, dass ein solcher
neuer Inhalt des Pfandrechts durch die geplante Vorgehensweise begründet wird, weil sich die
Grundpfandrechte nunmehr lediglich auf den ideellen Miteigentumsanteil an einem statt wie
bisher an zwei Flurstücken beziehen. Das schadet vor dem Hintergrund der Zustimmung der
Gläubiger und einer - soweit sie umfangsmäßig negativ betroffen sind - erklärten teilweisen
Pfandhaftentlassung durch die Gläubiger aber nicht. Soweit sich die Grundpfandrechte auf einen
„vergrößerten“ Anteil an dem Grundstück beziehen, auf dem das Sondereigentum liegt, schadet
das nichts, weil dem die Eigentümer des jeweils anderen Flurstücks zugestimmt haben, die ihre
entsprechenden Miteigentumsanteile übertragen haben. Es ist nicht ersichtlich, warum diese in
der Form des § 15 GBO beigebrachten Erklärungen aller Betroffenen in ihrer Gesamtheit nicht
ausreichen sollten und stattdessen eine - in der Praxis mangels Besicherungsmöglichkeit für die
Grundpfandgläubiger nicht realisierbare - Rückführung auf ein Grundbuchblatt gefordert werden
sollte. Insoweit ist hier auch die dienende Funktion des Grundbuchrechts zu berücksichtigen, die
es den Betroffenen ermöglichen sollte, eine Gestaltungslösung zu realisieren, die exakt der von
§ 1 Abs. 4 WEG gewollten Rechtslage entspricht und der alle Betroffenen zugestimmt haben.

2. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 81 Abs. 1 FamFG).

3. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 Abs. 2 GBO) liegen
nicht vor.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Hamburg

Erscheinungsdatum:

22.10.2020

Aktenzeichen:

13 W 142/20

Rechtsgebiete:

Grundbuchrecht
WEG
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Normen in Titel:

WEG § 1 Abs. 4