OLG Jena 22. April 2020
4 W 23/19
GNotKG § 95 S. 2; BGB § 925a; BeurkG § 17 Abs. 2a

Zur (un)richtigen Sachbehandlung bei Kaufvertrag über unvermessene Teilfläche

letzte Aktualisierung: 6.4.2022
OLG Jena, Beschl. v. 22.4.2020 – 4 W 23/19

GNotKG § 95 S. 2; BGB § 925a; BeurkG § 17 Abs. 2a
Zur (un)richtigen Sachbehandlung bei Kaufvertrag über unvermessene Teilfläche

1. Eine ermessensfehlerfreie Schätzung des Verkehrswerts gem. § 95 GNotKG ist bindend und kann
nicht mehr nachträglich korrigiert werden.
2. Das Zuwarten mit der Auflassung, bis Vermessungsergebnis und Fortführungsnachweis vorliegen,
ist bei einem Kaufvertrag über eine unvermessene Teilfläche die richtige Sachbehandlung.
3. Obwohl sich die Vertretungsmacht einer Partei aus dem Handelsregister ergibt und vom
Grundbuchamt eingesehen werden kann, schafft die Vertretungsbescheinigung des Notars einen
Mehrwert und stellt keine unrichtige Sachbehandlung dar, da sie bereits bei der Beurkundung für
Klarheit über die vertretungsrechtliche Wirksamkeit sorgt.
4. § 17 Abs. 2a BeurkG gilt nur für das Grundgeschäft.

(Leitsätze der DNotI-Redaktion)

Gründe:

I.
Die Antragsteller wenden sich gegen eine Notarkostenrechnung des Antragsgegners.
Die Antragsteller kauften durch einen notariellen Grundstückskaufvertrag vom 12.07.2013 (Urkundenrolle
Nr. L-_/_ des Notars L_) von einer M_ GmbH & Co. KG eine noch herauszumessende
Teilfläche eines Grundstücks in W_ zu einem vorläufigen Kaufpreis von 138.230,00 €. Dem Kaufvertrag
war als Anlage ein Lageplan beigefügt, in den die verkaufte Teilfläche eingezeichnet war.
Die Größe war mit „ca. 601 qm“ angegeben. Der vorläufige Kaufpreis war auf der Grundlage eines
Quadratmeterpreises von 230,00 € ermittelt worden. Die Teilfläche erhielt später die Flurstücksnummer
_/_der Flur _.

Der Antragsgegner beurkundete etwa eineinhalb Jahr später, nämlich am 02.12.2014, für die Antragsteller
in der Urkundenrolle Nr. W-_/_ eine sog. Messungsanerkennung sowie die Auflassung.
Die Grundstücksvermessung hatte ergeben, dass das Grundstück sechs Quadratmeter
größer war als vermutet. Deshalb wurde in der Urkunde eine Nachzahlung von 1.380,00 EUR vereinbart
(6 x 230,00 €). Ferner stellte der Antragsgegner eine notarielle Bescheinigung über die
vertretungsberechtigten Personen der M_ aus.

Am 03.12.2014 erteilte der Antragsgegner den Antragstellern für seine notarielle Amtstätigkeit eine
Gebührennote wie folgt:

Wertvorschrift Wert/€ Gebühr/€
- 21101 Beurkundungsverfahren §§ 97, 46 500.000,00 467,50
- 21100 Beurkundungsverfahren §§ 97, 47 1.380,00 120,00
- 25200 Vertretungsbescheinigung M_ KG 30,00
- 32011 Auslagen Grundbucheinsicht 8,00
- 32001 Dokumentenpauschale (s/w) 8,10
- 32005 Post- und Telekommunikationspauschale 14,15
Gebührensumme: 647,75
32014 19 % Mehrwertsteuer 123,07
Rechnungsbetrag: 770,82
Die Kostenrechnung enthielt eine Erläuterung, dass es sich bei den Nummern um diejenigen
aus dem Kostenverzeichnis, Anlage 1 zum Gerichts- und Notarkostengesetz (GNotKG), handele.
Mit einem Schreiben vom 01.01.2015 (Bl. 40) monierten die Antragsteller, der Geschäftswert
von 500.000,00 € sei unzutreffend, maßgeblich sei der Grundstückskaufpreis von 139.610,00 €.
Ferner machten sie geltend, die Gebühren für das Vertretungsattest in Höhe von 30,00 € seien
unberechtigt, da ein solches Attest nicht erforderlich gewesen sei. Das Grundbuchamt benötige
dieses nicht, sondern entnehme die Vertretungsberechtigung dem Handelsregister.

Mit ihrem Kostenprüfungsantrag wiederholen die Antragsteller diese Einwände und machen weiter
geltend, der Antragsgegner habe die Verbraucherschutzfrist nicht eingehalten. Die getrennte
Beurkundung von Kaufvertrag und Auflassung stelle eine unrichtige Sachbehandlung dar und habe
unnötige Mehrkosten verursacht. Die Festsetzung des Geschäftswerts von 500.000,00 € sei
verfahrensfehlerhaft ohne vorherigen Anhörung der Antragsteller erfolgt. Der Geschäftswert könne
auf höchstens den Betrag der im Zeitpunkt der Beurkundung aufgewendeten Grundstücksund
Baukosten in Höhe von 404.876,35 € festgesetzt werden, wie er sich aus einer vorgelegten
Aufstellung ergebe (Bl. 31, 45).

Der Antragsgegner verteidigt seine Kostenrechnung.

Das Landgericht hat nach vorherigen Einholung einer Stellungnahme der Ländernotarkasse
und Anhörung des Landgerichtspräsidenten den Kostenprüfungsantrag durch Beschluss vom
08.11.2018 zurückgewiesen und eine Berechtigung der angesetzten Gebühren bejaht. Auf die
Gründe des Beschlusses wird Bezug genommen.

Der Beschluss ist den Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller am 15.11.2018 zugestellt
worden. Diese haben mit Schriftsatz vom 12.12.2018, eingegangen am selben Tag, Beschwerde
eingelegt und zur Begründung einen weiteren Schriftsatz angekündigt. Auf telefonischen Hinweis,
dass bislang kein Begründungsschriftsatz eingegangen sei, haben die Verfahrensbevoll-
mächtigten der Antragsteller erklärt, dass man hiermit fernmündlich die bisherigen Einwände wiederhole
und insbesondere den von der Ländernotarkasse befürworteten ermäßigten Geschäftswert
für zutreffend halte.

Der Antragsgegner hat sich zur Beschwerde nicht geäußert.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien
nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Beschwerde durch Beschluss vom 17.01.2019 nicht abgeholfen und
sie dem Thüringer Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.
1. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht innerhalb eines Monats
nach Zustellung des Beschlusses des Landgerichts eingelegt worden (§§ 129 Abs. 1, 130 Abs.
3 S. 1 GNotKG i.V.m. § 63 Abs. 1, 3, 64 Abs. 2 FamFG).

Das Gesetz verlangt keine Begründung der Beschwerde (Sikora, in: Korintenberg, GNotKG, 21.
Aufl. 2020, § 129 Rn. 11). Dies ergibt sich aus § 130 Abs. 3 S. 1 GNotKG in Verbindung mit § 65
Abs. 1 FamFG (Sikora, a.a.O.). Es handelt sich um eine Soll-Vorschrift. Eine fehlende Begründung
führt nicht zur Unzulässigkeit der Beschwerde (Fischer, in: MünchKomm-FamFG, 3. Aufl.
2018, § 65 Rn. 5). Soweit die Antragsteller keinen förmlichen Beschwerdeantrag gestellt haben,
war ein solcher ebenfalls entbehrlich. Das Gesetz verlangt nicht, dass ein bestimmter Sachantrag
gestellt wird (Wudy, in: Leipziger Gerichts- und Notarkostenkommentar, 2. Aufl. 2016, § 129
Rn. 17). Bei Fehlen einer Beschwerdebegründung oder eines Beschwerdeantrags gilt die Entscheidung
als insgesamt angefochten (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27. Dezember 2010 –
II-7 UF 182/10 , NJW-RR 2011, 808-809, Rn. 16; Holzwarth, a.a.O.). Das Beschwerdegericht
hat in diesem Fall den bisherigen Sach- und Streitstand zugrunde zu legen (Kräft, in: Bahrenfuss,
FamFG, 3. Aufl. 2017, § 65 Rn. 2). Soweit die Beschwerde im vorliegenden Fall fernmündlich
begründet worden ist, war dies ausnahmsweise zulässig. Denn die Antragsteller wiederholen
damit lediglich ihren erstinstanzlichen Vortrag. Auch ihr Einwand, es sei der von der Ländernotarkasse
befürwortete ermäßigte Geschäftswert zu berücksichtigen, ist bereits im erstinstanzlichen
Verfahren vorgebracht worden (Schriftsatz vom 09.01.2018, Bl. 59 ff.). Die Beschwerde ist
auch ohne Begründung dahin auszulegen, dass sie sich auf den erstinstanzlichen Vortrag bezieht
(Holzwarth, FamRZ 2011, 933 ff., 943). Eine mündliche oder fernmündliche Begründung
dient insoweit der Klarstellung und ist daher zulässig (Fischer, in: MünchKomm-FamFG, 3. Aufl.
2018, § 65 Rn. 8; Keidel/Sternal, FamFG, 20. Aufl. 2020, § 25 Rn. 13).

Das Rechtsschutzbegehren ist dahin auszulegen, dass eine Aufhebung, hilfsweise Ermäßigung
der Kostenrechnung beantragt wird.

Da bereits das Landgericht eine Stellungnahme der Ländernotarkasse eingeholt hat, bedarf es
keiner erneuten Einholung durch den Senat (Wudy, in: Leipziger Kommentar zum GNotKG, 2.
Aufl. 2016, § 129 Rn. 38).

2.
Die Beschwerde ist in der Sache unbegründet. Denn die Kostenrechnung des Antragsgegners
vom 03.12.2014 ist rechtmäßig.

a.
Der Antragsgegner hat den Geschäftswert zutreffend im Wege der Schätzung auf 500.000,00 €
bemessen. Eine Herabsetzung auf den von der Ländernotarkasse befürworteten ermäßigten Geschäftswert
von 404.876,35 € scheidet aus. Deren Bericht befasst sich nicht mit der Bindungswirkung
einer Schätzung.

Die Schätzung entsprach der Vorschrift des § 95 Satz 2 GNotKG, wonach der Notar den Wert
nach billigem Ermessen zu bestimmen hat, wenn die Beteiligten ihrer Mitwirkungspflicht nicht
nachkommen.

Im vorliegenden Fall ist die Schätzung zwar verfahrensfehlerhaft zustande gekommen, weil der
Antragsgegner versäumt hat, die Antragsteller vorher zu hören. Zu einer solchen Anhörung war
er verpflichtet, bevor er eine Schätzung vornahm (Hey’l, in: Korintenberg, GNotKG, 21. Aufl.
2020, § 95 Rn. 5; Heit/Genske, in: Leipziger Kommentar zum GNotKG, 2. Aufl. 2016, § 95 Rn. 8;
Greipl, in: Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, GNotKG § 95 Rn. 4).
Dieser Verfahrensfehler wurde jedoch geheilt. Denn der Antragsgegner hat die Anhörung zeitnah
mit Schreiben vom 16.01.2015 (Bl. 13 d.A.) nachgeholt und sich bereit erklärt, seine Kostenrechnung
zu ändern. Einem Notar steht insoweit das Recht zu, einen Ermessensfehler zu korrigieren
(BGH Beschluss vom 23.10.2008, V ZB 89/08, JurBüro 2009, 152 ff., Rn. 11; OLG Düsseldorf,
Beschluss vom 14.06.2018, 10 W 29/18, JurBüro 2019, 35, Rn. 5). Die Mitwirkungspflicht
aus § 95 GNotKG, sachdienliche Angaben zur Ermittlung des Geschäftswerts zu machen, besteht
unabhängig vom Rechtsstandpunkt der Antragsteller. Sie endet nicht mit Erteilung der Kostennote
(Hey’l, in: Korintenberg, GNotKG, 21. Aufl. 2020, § 95 Rn. 4 a.E.; Diehn, in: Bormann
u.a., GNotKG, 3. Aufl. 2019, § 95 Rn. 6). Es ist zwar gesetzlich nicht geregelt, wie lange sich ein
Notar bezüglich der Erfüllung der Mitwirkungspflicht gedulden muss, bevor er eine Schätzung vornehmen
darf (Hey’l, in: Korintenberg, GNotKG, 21. Aufl. 2020, § 95 Rn. 5). Als durchschnittliche
Frist dürfte aber ein Zeitraum von drei Monaten meist angemessen sein (Hey’l, in: Korintenberg,
GNotKG, 21. Aufl. 2020, § 95 Rn. 5). Im vorliegenden Fall haben die Antragsteller trotz des Hinweises
des Antragsgegners auf ihre Mitwirkungspflicht im Schreiben vom 16.01.2015 eine Aufstellung
der Baukosten erst zwei Jahre später, nämlich erstmals im vorliegenden Verfahren mit
Schriftsatz vom 10.05.2017 vorgelegt (Bl. 27 ff., 31, 45). So lange brauchte der Antragsgegner
nicht zu warten, bevor er eine Schätzung vornahm. Aus dem Verhalten der Antragsteller ist ferner
zu schließen, dass eine Anhörung vor Erteilung der Kostenrechnung zu keinem Erfolg geführt
hätte. Die Antragsteller behaupten nicht, dass sie im Falle rechtzeitiger Anhörung vor Erteilung
der Kostenrechnung ihrer Mitwirkungspflicht nachgekommen wären.

Die Schätzung des Geschäftswerts auf 500.000,00 € erscheint nicht als offensichtlich unbillig.
Immerhin hat sich der Antragsgegner an der unstreitig bestehenden Grundschuld in Höhe von
400.000 €, dem geschätzten Einsatz von Eigenmitteln des Bauherrn und den Angaben des Veräußerers
zum Bautenstand orientiert. Dieser hatte das aufgelassene Grundstück mit Bauwerk
anlässlich der Aufgabe des ihm eingeräumten Wiederkaufsrechts unmittelbar vor der Beurkundung
besichtigt. Außerdem haben die Vertragsbeteiligten in Ziffer III.5. der Urkunde vom
02.12.2014 erklärt: „Auf die Eintragung der Vormerkung gemäß Abschnitt VIII der Vorurkunde
(Wiederkaufsrecht) wird nunmehr beidseitig verzichtet, da der Erwerber nach Angabe die Bauverpflichtung
erfüllt hat." Daraus folgt, dass der Antragsgegner annehmen durfte, das Bauvorhaben
sei fertiggestellt und das Grundstück dadurch aufgewertet.

Bei der Beurkundung der Auflassung eines Grundstücks ist der ursprüngliche Kaufpreis als anzunehmender
Verkehrswert des Grundstücks dann nicht mehr maßgebend, wenn sich der Verkehrswert
des Grundstücks in der Zwischenzeit erhöht hat, etwa - wie hier - infolge einer vorgenommenen
Bebauung (§§ 46 Abs. 1, 96 GNotKG). Nach diesen Vorschriften kommt es auf den
Verkehrswert im Zeitpunkt der Fälligkeit der Gebühren an. Maßgebend sind alle den Preis beeinflussenden
Umstände (§ 46 Abs. 1 GNotKG). Belastungen werden nach dem sog. Bruttoprinzip
grundsätzlich nicht abgezogen (§ 38 GNotKG). Ein Ausnahmefall liegt hier nicht vor (vgl. die Aufzählung
der Ausnahmevorschriften bei Heinemann, in: Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht,
GNotKG § 38 Rn. 13). Das frühere Bewertungsprivileg aus § 20 Abs. 1 S. 2 Hs. 2
KostO, wonach beim Kauf eines Grundstücks eine für Rechnung des Erwerbers vorgenommene
Bebauung bei der Ermittlung des Verkehrswerts außer Betracht blieb, ist nach dem Willen
des Gesetzgebers nicht in das GNotKG übernommen worden (OLG Stuttgart, Beschluss vom
25.06.2014, 5 W 32/14, NotBZ 2014, 391 m.w.N.; Tiedtke, in: Korintenberg, GNotKG, 21. Aufl.
2020, § 47 Rn. 50 f.; Heinze, in: Leipziger Kommentar zum GNotKG, 2. Aufl. 2016, § 47 Rn. 6;
Krauß, Immobilienkaufverträge in der Praxis, 8. Aufl. 2017, Rn. 4450).

Da der Antragsgegner den Verkehrswert zutreffend nach § 95 GNotKG geschätzt hat, kann diese
Schätzung nicht mehr nachträglich korrigiert werden, auch wenn sich nunmehr andere Beträge
ergeben. Eine ermessensfehlerfreie Wertbestimmung ist bindend (OLG Düsseldorf, Beschluss
vom 14.06.2018, 10 W 29/18, JurBüro 2019, 35; KG Beschluss vom 02.05.2018, 9 W
76/16; Heit/Genske, in: Leipziger Kommentar zum GNotKG, 2. Aufl. 2016, § 95 Rn. 14; Hey’l, in:
Korintenberg, GNotKG, 21. Aufl. 2020, § 95 Rn. 9; Diehn, in: Bormann u.a., GNotKG, 3. Aufl.
2019, § 95 Rn. 12). Der Antragsgegner durfte auf die Richtigkeit seiner Schätzung vertrauen,
nachdem sich die Antragsteller mehr als ein Jahr lang trotz Hinweises nicht zu den Baukosten
geäußert hatten. Dieses Vertrauen ist schutzwürdig, da der Antragsgegner seiner Hinweispflicht
zeitnah nach Erteilung seiner Kostenrechnung nachgekommen war, die Antragsteller aber ihre
gesetzliche Mitwirkungspflicht aus § 95 GNotKG verletzt haben. Die Antragsteller standen nicht
schutzlos. Sie haben lediglich von ihrem Schutzrecht nicht Gebrauch gemacht und die Baukostenaufstellung
verspätet vorgelegt.

Es war nicht erforderlich, in der Kostenrechnung anzugeben, dass der Geschäftswert auf einer
Schätzung nach § 95 GNotKG beruhte. Denn § 19 GNotKG schreibt dies nicht vor und erklärt
§ 95 GNotKG auch nicht für zitierpflichtig.

b.
Die getrennte Beurkundung von Kaufvertrag und Auflassung stellte keine unrichtige Sachbehandlung
im Sinne von § 21 GNotKG dar, die zu einer unberechtigten Kostenerhebung geführt hätte.
Hierbei kann dahinstehen, ob der Antragsgegner als Notar am Zustandekommen des Kaufvertrags,
der Anlass zu einer gleichzeitigen Beurkundung der Auflassung hätte geben können, überhaupt
mitgewirkt hat oder ob nicht vielmehr Notar L_ diesen Vertrag alleine beurkundet hat. Im
letzteren Fall würde eine Pflichtverletzung des Antragsgegners schon deshalb ausscheiden,
weil im Notarhaftungsrecht grundsätzlich keine Sozietätshaftung besteht (Arndt/Lerch/Sandkühler,
BNotO, 8. Aufl. 2016, § 19 Rn. 15; Ganter/Hertel/Wöstmann, Handbuch der Notarhaftung,
4. Aufl. 2018, Rn. 2361).

Es ist zwar richtig, dass ein Kaufvertrag und eine Auflassung nach § 925a BGB grundsätzlich
nicht getrennt beurkundet werden sollen. Diese Vorschrift will aber nur verhindern, dass die Vertragspartner
sich auf eine Beurkundung der Auflassung beschränken, um über die Heilungsrege-
lung des § 311b Abs. 1 S. 2 BGB die Beurkundungskosten für den Kaufvertrag zu sparen (Artz,
in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 925a Rn. 1). Darum geht es im vorliegenden Fall nicht. Denn
der Kaufvertrag war bereits eineinhalb Jahre vor der Auflassung beurkundet worden.
Zwar wäre es möglich gewesen, die Auflassung im Grundstückskaufvertrag mitzubeurkunden
(Krüger/Hertel, Der Grundstückskauf, 11. Aufl. 2016, Rn. 1512; Krauß, in: Beck`sches Notar-
Handbuch, 7. Aufl. 2019, § 1 Rn. 608). Für den grundbuchamtlichen Vollzug hätte aber eine
Ergänzungsurkunde nach § 29 GBO errichtet werden müssen, in der das Grundstück vermessungsgenau
bezeichnet wird (Krauß, a.a.O.). Denn hier geht es um den Verkauf einer noch
nicht vermessenen Teilfläche. Insoweit war zwar der Abschluss eines Grundstückskaufvertrags
möglich, da diesem ein Lageplan mit hinreichender Beschreibung der Teilfläche beigefügt war.
Dadurch war der Kaufgegenstand ausreichend festgelegt (Krüger/Hertel, a.a.O., Rn. 1513).
Auch eine gleichzeitige Auflassung wäre insoweit möglich gewesen, da auch für diese eine solche
Bezeichnung der Teilfläche ausreicht (Hügel, in: Hügel, GBO, 4. Aufl. 2020, § 20 Rn. 10;
Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl. 2012, Rn. 877). Anderes gilt für den grundbuchamtlichen
Vollzug. Er setzt voraus, dass ein Veränderungsnachweis (auch: Fortführungsnachweis)
nach § 2 Abs. 3 GBO existiert, der die amtlich vermessene Teilfläche als neues Flurstück ausweist
und auf den das Grundbuchamt im elektronischen Rechtsverkehr zugreifen kann (Holzer,
in: Hügel, GBO, 4. Aufl. 2020, § 2 Rn. 40; Hügel, in: Hügel, a.a.O., § 20 Rn. 11; Demharter,
GBO, 31. Aufl. 2018, § 2 Rn. 24). Damit soll gewährleistet werden, dass das Grundbuch mit
dem Liegenschaftskataster des Vermessungsamts übereinstimmt (Keller/Munzig, Grundbuchrecht,
8. Aufl. 2019, GBO § 2 Rn. 13). Weiter war für den grundbuchamtlichen Vollzug Voraussetzung,
dass die neu vermessene Teilfläche mit der in der Auflassung bezeichneten „exakt übereinstimmte“
(Wilsch, in: Hügel, GBO, 4. Aufl. 2020, § 28 Rn. 107; Grziwotz, ZfIR 2016, 103 f.: „millimetergenaue
Übereinstimmung“). Das war hier nicht der Fall, da die Vermessung eine Abweichung
von sechs Quadratmetern ergeben hatte. Das Grundbuchamt hätte daher die Eintragung
verweigern dürfen. In einem solchen Fall ist eine notarielle Identitätserklärung erforderlich, um
zu bestätigen, dass die vermessene Teilfläche mit der aufgelassenen übereinstimmt (Hügel, in:
Hügel, GBO, 4. Aufl. 2020, § 20 Rn. 11). Deshalb bedurfte es der Nachtragsurkunde vom
02.12.2014 (vgl. Hügel, a.a.O.). Die Messungsanerkennung ist eine Identitätserklärung (BGH, Beschluss
vom 01. Oktober 2015, V ZB 181/14, DNotZ 2016, 115-119; Bayerisches Oberstes Landesgericht,
Urteil vom 28. Juni 1999, 1Z RR 170/98, BayObLGZ 1999, 183-191; OLG München,
Beschluss vom 09. September 2014, 34 Wx 309/14, NotBZ 2015, 353-355).

Wegen der darüber hinaus in solchen Fällen bestehenden Gefahr, dass die Vermessung zu einer
derart erheblichen Abweichung führt, dass das vermessene Grundstück nicht mehr mit dem
aufgelassenen übereinstimmt, wird es in der Rechtsprechung und Literatur allgemein für ratsam
gehalten, mit der Auflassung zuzuwarten, bis das Vermessungsergebnis und der Fortführungsnachweis
vorliegen. Andernfalls müsste die Auflassung wiederholt werden, um wirksam
zu sein (Waldner, Praktische Fragen des Grundstückskaufvertrages, 2003, Rn. 206; Hügel, in:
Hügel, GBO, 4. Aufl. 2020, § 20 Rn. 11). Die Eintragung im Grundbuch könnte nach § 311b Abs.
1 S. 2 BGB allenfalls einen Formfehler des Kaufvertrags, nicht aber einen Formfehler der Auflassung
heilen (Krüger/Hertel, Der Grundstückskauf, 11. Aufl. 2016, Rn. 1515; Krauß, in:
Beck`sches Notar- Handbuch, 7. Aufl. 2019, § 1 Rn. 608). Die Fachliteratur empfiehlt daher, im
Falle des Verkaufs einer unvermessenen Teilfläche mit der Auflassung „unbedingt“ zuzuwarten,
bis das Vermessungsergebnis vorliegt (Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl. 2012, Rn.
878; Wilsch, in: Hügel, GBO, 4. Aufl. 2020, § 28 Rn. 108; Krauß, in: Beck`sches Notar-Handbuch,
7. Aufl. 2019, § 1 Rn. 609; Krüger/Hertel, Der Grundstückskauf, 11. Aufl. 2016, Rn. 1516).
In einem Zuwarten liegt keine unrichtige Sachbehandlung im Sinne von § 21 GNotKG (OLG Düsseldorf,
Beschluss vom 04.05.2000, 10 W 35/00, MittRhNotK 2000, 261-262; Beschluss vom
13.03.1980, 10 W 121/79, DNotZ 1981, 74 ff.; LG Düsseldorf, Beschluss vom 19.06.2017, 19 T
55/16, JurBüro 2017, 595). Das Zuwarten stellt vielmehr eine richtige Sachbehandlung dar und
entspricht der Verpflichtung des Notars, den sichersten Verfahrensweg zu beschreiten (Tiedtke,
in: Korintenberg, GNotKG, 21. Aufl. 2020, § 21 Rn. 22; Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO, 8. Aufl.
2016, § 14 Rn. 174).

c.
Die Ausstellung der Vertretungsbescheinigung stellt ebenfalls keine unrichtige Sachbehandlung
dar. Zwar ergibt sich die Vertretungsmacht der Verkäuferin M_ KG auch aus dem elektronischen
Handelsregister, das vom Grundbuchamt eingesehen werden kann (§ 32 Abs. 2 GBO). Deshalb
könnte die Ausstellung einer Vertretungsbescheinigung „eindeutig überflüssig“ gewesen sein
und somit eine unrichtige Sachbehandlung darstellen (vgl. Neie, in: Bormann u.a., GNotKG, 3.
Aufl. 2019, § 21 Rn. 13). Gleichwohl handelt ein Notar nicht pflichtwidrig, wenn er eine Vertretungsbescheinigung
nach § 21 Abs. 1 BNotO ausstellt und hierfür Zusatzgebühren in Rechnung
stellt. Denn die Vertretungsbescheinigung schafft einen „Mehrwert“, indem sie bereits bei der Beurkundung
für Klarheit über die vertretungsrechtliche Wirksamkeit sorgt (Wudy, in: Leipziger
Kommentar zum GNotKG, 2. Aufl. 2016, § 21 Rn. 142; Tiedtke, in: Korintenberg, GNotKG, 21.
Aufl. 2020, § 21 Rn. 16; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl. 2012, Rn. 3640).

d.
Soweit die Antragsteller einen Verstoß gegen § 17 Abs. 2a BeurkG geltend machen, wonach ein
Notar einem Verbraucher vor der Beurkundung eine Überlegungsfrist von grundsätzlich zwei Wo-
chen einzuräumen hat (sog. Regelfrist, Wartefrist oder Schutzfrist), ist auch dieser Einwand unter
dem Gesichtspunkt einer Nichtberechtigung der Kostenerhebung wegen unrichtiger Sachbehandlung
nach § 21 GNotKG zu prüfen (Wudy, in: Leipziger Kommentar zum GNotKG, 2. Aufl.
2016, § 127 Rn. 68). Eine Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch aus Amtshaftung
des Notars (§ 19 Abs. 1 BNotO), die ebenfalls in Betracht käme (Wudy, a.a.O.), wird nicht geltend
gemacht. Ein Verstoß gegen § 17 Abs. 2a BeurkG liegt nicht vor, da diese Vorschrift - wie
der Antragsgegner und die Ländernotarkasse zu Recht ausgeführt haben - nur auf das Grundgeschäft
(den Grundstückskaufvertrag) anzuwenden ist, nicht auf das vorliegend in Rede stehende
Erfüllungs- oder Vollzugsgeschäft. Dies ergibt sich hinsichtlich § 17 Abs. 2a S. 2 Nr. 1
BeurkG aus einer teleologischen Reduktion, da diese Vorschrift nicht bezweckt, Erfüllungs- und
Vollzugsvollmachten auszuschließen (Staudinger/Hertel, BGB, §§ 125-129/BeurkG, Neubearb.
2017, Rn. 523; Maaß, ZNotP 2004, 216 ff., 220). Hinsichtlich § 17 Abs. 2a S. 2 Nr. 2 BeurkG ergibt
es sich aus der dortigen Verweisung auf die Vorschrift des § 311b Abs. 1 S. 1 BGB, die nur
das Verpflichtungsgeschäft (Grundstückskaufvertrag) betrifft. Erfüllungs- und Vollzugsgeschäfte
sind vom Verpflichtungsgeschäft zu unterscheiden und fallen nicht unter § 17 Abs. 2a BeurkG.
Abgesehen davon hat der Antragsgegner die Regelfrist unstreitig eingehalten und am
13.11.2014 einen Entwurf übersandt und sowohl Gelegenheit zur Stellungnahme als auch zur
Teilnahme an der Beurkundung gegeben. Die Antragsteller haben davon keinen Gebrauch gemacht.
Soweit die Antragsteller eine unrichtige Sachbehandlung darauf stützen, dass die im Grundstückskaufvertrag
erteilte Vollzugsvollmacht eine Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung
nicht gedeckt habe, kann darauf eine Nichtberechtigung zur Kostenerhebung nicht gestützt
werden. Denn der Antragsgegner hat hierfür keine Kosten berechnet. Die vorliegende Kostenrechnung
betrifft nicht die Beurkundung des Grundgeschäfts, sondern des Vollzugsgeschäfts.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 130 Abs. 3 S. 1 GNotKG, 81 Abs. 1 S. 1, 84 FamFG.
Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof scheidet aus, da die Voraussetzungen
hierfür nicht vorliegen (§§ 130 Abs. 3 S. 1 GNotKG, 70 Abs. 2 FamFG). Der Senat
weicht nicht von einer höchstrichterlichen Entscheidung ab. Die Sache hat auch weder grundsätzliche
Bedeutung für die Rechtsanwendung, noch erfordert sie eine Fortbildung des Rechts.

4 W 23/19 - Seite 11 -

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Jena

Erscheinungsdatum:

22.04.2020

Aktenzeichen:

4 W 23/19

Rechtsgebiete:

Unternehmenskauf
Notarielles Berufsrecht
Beurkundungsverfahren
Sachenrecht allgemein
Allgemeines Schuldrecht
Grundbuchrecht
Kostenrecht
Beurkundungserfordernis
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Normen in Titel:

GNotKG § 95 S. 2; BGB § 925a; BeurkG § 17 Abs. 2a