Keine familiengerichtliche Genehmigung gegen den Willen des Ergänzungspflegers; Schenkung von Wohnungseigentum nicht lediglich rechtlich vorteilhaft
letzte Aktualisierung: 29.12.2021
OLG Brandenburg, Beschl. v. 1.7.2021 – 9 WF 158/21
BGB §§ 107, 1629, 1643, 1795
Keine familiengerichtliche Genehmigung gegen den Willen des Ergänzungspflegers; Schenkung
von Wohnungseigentum nicht lediglich rechtlich vorteilhaft
1. Will der Ergänzungspfleger an dem Abschluss des Rechtsgeschäfts nicht oder nicht mehr
festhalten, so darf das Gericht den Abschluss des Rechtsgeschäfts nicht gegen seinen Willen
genehmigen.
2. Es liegt kein lediglich rechtlicher Vorteil nach § 107 BGB bei schenkweiser Übertragung von
Wohnungseigentum vor, weil sich mit der Eigentümerstellung die Mitgliedschaft in der
Wohnungseigentümergemeinschaft verbindet, aus der sich persönliche Verpflichtungen ergeben können.
(Leitsätze der DNotI-Redaktion)
Gründe
I.
Die nicht verheirateten Beteiligten sind die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern ihrer minderjährigen Tochter, der Betroffenen.
Die Kindeseltern sind zu je ½ Eigentümer von Wohnungs- und Teileigentum. Der hälftige Anteil des Kindesvaters soll auf die Betroffene übertragen werden. Hierzu war bereits unter dem 27. Februar 2020 ein entsprechender Notarvertrag geschlossen worden, dessen begehrte familiengerichtliche Genehmigung versagt wurde (die zugehörige Senatsentscheidung v. 11. September 2020 – 9 WF 198/20 – ist in der NJW 2021 S. 477 veröffentlicht).
Mit weiterer notarieller Urkunde vom 08. Dezember 2020 (Notar B… in … – Urk.-Nr. …/…) überließ der Beteiligte zu 1. seinen ideellen hälftigen Miteigentumsanteil am Grundbesitz unentgeltlich der Betroffenen, die insoweit, vorbehaltlich nachträglicher Genehmigung durch einen noch zu bestellenden Ergänzungspfleger, von den gemeinsam sorgeberechtigten Kindeseltern vertreten wurde. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zur Akte (Bl. 2 ff.) gereichte Ausfertigung der vorgenannten Notarurkunde Bezug genommen.
Mit Schriftsatz vom 09. Dezember 2020 bat der beurkundende Notar um Einleitung einer Ergänzungspflegschaft mit dem Aufgabenbereich Vertretung bei der Übertragung von Wohnungseigentum gem.
Mit Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 29. Mai 2021 ist die familiengerichtliche Genehmigung mit der Begründung, der Notarvertrag sei rechtlich nicht vorteilhaft für die Betroffene, versagt worden. Auf die Gründe dieser Entscheidung wird Bezug genommen. Gegen diesen Beschluss richtet sich die mit Schriftsatz vom 08. Juni 2021 eingelegte Beschwerde, mit welcher die Erteilung der beantragten Genehmigung weiterhin verfolgt wird.
II.
1.
Die Beschwerde ist gemäß §§ 58 ff. FamFG statthaft. Gemäß § 111 Nr. 2, 151 Nr. 4 FamFG i.V.m. § 58 FamFG ist die Verweigerung einer gemäß §§ 1819 ff. BGB erforderlichen familiengerichtlichen Genehmigung als Endentscheidung mit der Beschwerde anfechtbar (Senat
Die Beschwerde ist auch in zulässiger Weise gemäß §§ 58 ff. FamFG eingelegt worden. Wird, wie hier, die familiengerichtliche Genehmigung versagt, steht das Beschwerderecht gemäß §§ 59, 60 FamFG nicht nur dem Kind, sondern auch den Eltern im eigenen Namen zu (Senat
2.
In der Sache bleibt die Beschwerde ohne Erfolg, sie ist unbegründet. Das Amtsgericht hat die in der angefochtenen Entscheidung ausgesprochene Versagung der familiengerichtlichen Genehmigung zutreffend ausgesprochen. Letztendlich folgt dies aus vergleichbaren Gründen, die der Senat bereits seiner Entscheidung v. 11. September 2020 – 9 WF 198/20 (
a.
Die Voraussetzungen für die Erteilung einer familiengerichtlichen Genehmigung liegen (noch immer) nicht vor, weil die Ergänzungspflegerin das Rechtsgeschäft (noch) nicht genehmigt hat.
Die familiengerichtliche Genehmigung eines Rechtsgeschäfts kommt nur dann in Betracht, wenn die dafür erforderlichen gesetzlichen Voraussetzungen gegeben sind. Gleiches gilt auch im Hinblick auf eine – damit verbundene – Bestellung eines Ergänzungspflegers. Die entsprechenden Voraussetzungen müssen dafür jeweils konkret festgestellt werden. Eine lediglich vorsorgliche Ergänzungspflegerbestellung oder ein vorsorgliches Genehmigungserfordernis sind in Ermangelung einer gesetzlichen Grundlage abzulehnen (vgl. [zur Ergänzungspflegerbestellung] BGH
Die Erteilung einer familiengerichtlichen Genehmigung setzt zwingend voraus, dass das minderjährige Kind – ordnungsgemäß vertreten – den Abschluss des genehmigungspflichtigen Rechtsgeschäfts begehrt. Dies ist aber – jedenfalls in der Person der Ergänzungspflegerin als Vertreter der minderjährigen Betroffenen – nicht (mehr) der Fall. Die Ergänzungspflegerin hat bislang keine Zustimmung zu den abgegebenen Erklärungen ausgesprochen, lehnt diese vielmehr nach dem bisherigen Inhalt ihres Schriftsatzes eher ab. Will aber der Ergänzungspfleger an dem Abschluss des Rechtsgeschäfts nicht oder nicht mehr festhalten, so darf das Gericht den Abschluss des Rechtsgeschäfts nicht gegen seinen Willen genehmigen (Senat
b.
Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn es der Bestellung eines Ergänzungspflegers gar nicht bedurft hätte und die Minderjährige bei Abschluss des Notarvertrags bereits wirksam durch ihre Eltern vertreten worden wären. Dies ist aber nicht der Fall.
aa.
Im Verfahren über die familiengerichtliche Genehmigung eines von Eltern als gesetzliche Vertreter ihres minderjährigen Kindes abzuschließenden Vertrages bedarf es zur Vertretung des nicht verfahrensfähigen Kindes im Verfahren und für die Bekanntgabe der die Genehmigung aussprechenden Entscheidung zwar grundsätzlich keines Ergänzungspflegers (BGH
Ein Vertretungsausschluss gem.
bb.
Gemäß § 1629 Abs. 1 BGB umfasst die elterliche Sorge zwar grundsätzlich die Vertretung des Kindes. Davon macht jedoch
§ 107 BGB ist eine formal zu handhabende Ordnungsvorschrift, bei der es lediglich auf die rechtlichen Folgen eines Rechtsgeschäfts für den Minderjährigen ankommt. Lediglich rechtlich vorteilhaft sind insbesondere dingliche Rechtsgeschäfte, aufgrund derer der Minderjährige ein Recht erwirbt, ohne dass zugleich unmittelbar aus dem Rechtsgeschäft auch ein rechtlicher Nachteil zu Lasten des Minderjährigen erwächst. Das gilt etwa für die Einigung über den Eigentumsübergang einer Sache an den Minderjährigen wie z.B. bei einer Übertragung von Grundeigentum. Die mit jedem Rechtserwerb, insbesondere dem Erwerb von Grundstückseigentum, notwendig verbundenen allgemeinen öffentlichen Lasten (z.B. Steuer-, Abgaben-, Gebühren-, Verkehrssicherungs-, Polizeipflicht etc.) stellen lediglich mittelbare Rechtsnachteile dar, die das dingliche Rechtsgeschäft nach ganz h.M. nicht zustimmungspflichtig machen (allg. Ansicht, vgl. nur BGH
cc.
Die in 2013 geborene Minderjährige ist nach
Ob bei einer Schenkung des gesetzlichen Vertreters an den Minderjährigen die Frage einer nicht lediglich rechtlich vorteilhaften und zustimmungsbedürftigen Gestaltung einer Gesamtbetrachtung des schuldrechtlichen und des dinglichen Geschäftes heraus beantwortet werden muss (so BGH
dd.
In seiner Entscheidung v. 11. September 2020 – 9 WF 198/20 (
ee.
Dies ändert aber nichts an dem Umstand, dass auch im Übrigen der Vertrag auf seine rechtliche Vorteilhaftigkeit zu überprüfen ist. Insoweit hat die Ergänzungspflegerin zu Recht ausgeführt, dass die Mitgliedschaft der Minderjährigen innerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft Verpflichtungen mit sich bringt, die einer Bewertung als lediglich rechtlicher Vorteil entgegenstehen.
Generell gilt, dass kein lediglich rechtlicher Vorteil nach § 107 BGB bei schenkweiser Übertragung von Wohnungseigentum vorliegt, weil sich mit der Eigentümerstellung die Mitgliedschaft in der Wohnungseigentümergemeinschaft verbindet, aus der sich persönliche Verpflichtungen ergeben können. Anders ausgedrückt: der dingliche Erwerb einer Eigentumswohnung ist ausnahmslos „nicht lediglich rechtlich vorteilhaft“ im Sinne des § 107 BGB (BGH
Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass die von den Kindeseltern zitierte Entscheidung des BGH v. 11. März 2021 – V ZB 127/19 – (
ff.
Ist ein Vertrag nicht in diesem Sinne rechtlich vorteilhaft, so soll die Entscheidung darüber, ob der Vertrag rückwirkend wirksam werden soll (vgl. § 184 Abs. 1 BGB), dem gesetzlichen Vertreter obliegen, der durch Abwägung der sich für den Minderjährigen ergebenden Rechte und Verpflichtungen ermitteln soll, ob der Vertrag dem Minderjährigen im Ergebnis wirtschaftlich vorteilhaft ist (Senat
gg.
Die Frage, ob eine familienrechtliche Genehmigung hier überhaupt notwendig und (bejahendenfalls) angesichts des Inhalts des Notarvertrags zu Recht versagt wurde, stellt sich damit (erneut, wie schon im Verfahren 9 UF 198/20) gar nicht erst.
Und um dies nochmals klarzustellen:
Erst (und nur!) wenn die Ergänzungspflegerin die nachträgliche Zustimmung nach § 177 Abs. 1 BGB bzgl. der schwebend unwirksamen Willenserklärungen erteilt, kommt es auf die weitere Frage, ob das Rechtsgeschäft einer familiengerichtlichen Genehmigung nach
III.
Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 84 FamFG. Die Festlegung des Verfahrenswertes beruht auf § 36 FamGKG. Danach ist auf den Wert des Übertragungsgegenstandes abzustellen, den der Senat angesichts der Vertragsurkunde (vgl. dort § 11 letzter Absatz) mit 92.500 € bemisst. Gründe, gemäß
Die Entscheidung ergeht schriftlich gemäß § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG. Eines vorherigen Hinweises darauf bedarf es nicht (BGH
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Brandenburg
Erscheinungsdatum:01.07.2021
Aktenzeichen:9 WF 158/21
Rechtsgebiete:
Vormundschaft, Pflegschaft (familien- und vormundschaftsgerichtliche Genehmigung)
Vollmacht, Genehmigung, Ermächtigung
In-sich-Geschäft
Elterliche Sorge (ohne familiengerichtliche Genehmigung)
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
BGB §§ 107, 1629, 1643, 1795