OLG Düsseldorf 31. Mai 1995
9 U 235/94
BGB §§ 1090, 874

Zu den Anforderungen an die Bestimmtheit einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit

freiheit restriktiv auszulegen. Deshalb sind Leistungsvorbehaltsklauseln genehmigungsfrei. Ein Leistungsvorbehalt liegt
vor, wenn die Höhe der Geldschuld bei Eintritt bestimmter Voraussetzungen durch die Parteien oder einen Dritten neu festgesetzt werden soll. Im Gegensatz zu einer genehmigungsbedürftigen Gleitklausel ist hier für die Parteien oder den Dritten
ein (begrenzter) Ermessensspielraum gegeben (vgl. Palandt/
Heinrichs, 54. Aufl., Rz. 18, 22, 26 zu § 245 BGB m.w.N.; Räfle,
Die neue Rechtsprechung des BGH zum Erbbaurecht, WM
1982, 1038, 1042). Im vorliegenden Fall ist es den Parteien
bzw. den Schiedsgutachtern/dem Sachverständigen ein Ermessensspielraum bei der Bewertung der Änderung der Lebenshaltungskosten und der Einkommensverhältnisse durch das
Merkmal der Wesentlichkeit der Veränderung dieser Verhältnisse sowie des Einflusses des einzelnen Verhältnisses auf das
Gesamtergebnis gegeben. Die Parteien können auch eine dem
Umfange nach unter der Höchstgrenze des § 9 a ErbbauVO
bleibende Anpassung vereinbaren. Eine automatische Anpassung an einen bestimmten Index ist gerade nicht vereinbart.
Somit bedarf die vorliegende Klausel keiner Genehmigung
durch die Bundesbank.
Andere Eintragungshindernisse sind nicht ersichtlich. Mithin
sind die Entscheidung des LG und, auf die Erstbeschwerde,
auch die Entscheidung des AG aufzuheben, und es ist das AG
zur Eintragung der beantragten Vormerkung anzuweisen.
7. Liegenschaftsrecht/Grundbuchrecht — Zu den Anforderungen an die Bestimmtheit einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit
(OLG Düsseldorf, Urteil vom 31. 5. 1995-9 U 235/94 — mitgeteilt von Richter am OLG Helmut Schmidt, Düsseldorf)
BGB §§ 1090; 874
Die allgemeine Bezeichnung einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit im Grundbuch als „Nutzungsbeschränkung" genügt jedenfalls dann nicht dem das
Sachenrecht und das Grundbuchsystem beherrschenden
Bestimmtheitsgrundsatz, wenn sich aus der Eintragungsbewilligung keine aus sich heraus hinreichend klare und
bestimmte Beschränkung der Nutzung ergibt.
Zum Sachverhalt:
Der KI. verkaufte dem Bekl. mit notariellem Kaufvertrag vom B. 11. 1991
das Grundstück M in R. Der Kaufpreis in Höhe von 540.000,— DM war bis
zum 15. 1. 1992 auf Notaranderkonto zu zahlen und bei Zahlungsverzug
mit 15% zu verzinsen.
Das Grundstück war in Abt. II Nr. 1 belastet mit einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit (Nutzungsbeschränkung) für den Verein Waldsiedlung in D.
In der Eintragungsbewilligung zur beschränkt persönlichen Dienstbarkeit
vom 2. 4. 1954 heißt es u. a.:
„Der jeweilige Eigentümer des Grundstücks ...ist verpflichtet, das belastete Grundstück nur nach Maßgabe der Satzung und der satzungsgemäß gefaßten Beschlüsse des Vereins Waldsiedlung zu nutzen."
Die Parteien bemühten sich um einen Rangrücktritt bezüglich der beschränkt persönlichen Dienstbarkeit. Sie vereinbarten deshalb am 5. B.
1992, Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zunächst nicht durchzuführen
und Verzugsschaden nicht weiter durchzusetzen.
Der Bekl. leistete Abschlagszahlungen in Höhe von insgesamt 72.284,21
DM.
Da der Bekl. keine weiteren Zahlungen leistete, trat der KI. vom Vertrag
zurück. Er macht Verzugszinsen und Rechtsverfolgungskosten in Höhe
von zuletzt 64.876,51 DM geltend.
Der Bekl. verlangt widerklagend Rückzahlung der Abschlagszahlung
und Schadensersatz.
Das LG hat die Klage abgewiesen und den KI. auf die Widerklage antragsgemäß verurteilt.
Aus den Gründen:
Die zulässige Berufung hat in der Sache überwiegend Erfolg
Die Klage ist bis auf einen Teilbetrag der Verzugszinsen, einen
Teil der geltend gemachten Rechtsanwaltskosten und einen
Teil der Rechtshängigkeitszinsen begründet. Die Widerklage ist
unbegründet.
I. 1. Der KI. kann von dem Bekl. Zahlung von 58.964,33 DM
verlangen. Der Anspruch des KI. ist gern. §§ 286, 288 Abs. 1
S. 2 BGB gerechtfertigt.
a) Der Bekl. befand sich mit der Zahlung des am 15. 1. 1992
fälligen Kaufpreises in Verzug. Unstreitig hat er seine Zahlungspflicht während der vom KI. angegebenen Zeiträume nicht
erfüllt. Die kalendermäßig auf den 15. 1. 1992 bestimmte Fälligkeit des Kaufpreisanspruches war nicht infolge Stundung verschoben. Die Vereinbarung der Parteien vom 5. B. 1992 enthält
entgegen der Ansicht des Bekl. keine Stundung. Vereinbart
war, daß der Kl. die bereits begonnene Zwangsvollstreckung
zunächst aussetze, damit der Bekl. die Gelegenheit habe, die
Finanzierung des Kaufpreises sicherzustellen. Ein solches
Versprechen des Gläubigers, die Forderung zeitweilig nicht zu
vollstrecken, enthält grundsätzlich keine Stundung des Anspruches (BGH NJW 1968, 700). Auch im vorliegenden Fall ergeben sich weder aus dem Inhalt der Vereinbarung noch aus
sonstigen Umständen, insbesondere der Interessenlage
tatsächliche Anhaltspunkte dafür, daß sich der Ki. durch Stundung in der Verfolgung des ihm nach seiner Ansicht zustehenden Anspruches habe binden und dem Bekl. eine materiellrechtliche Einrede gegen seinen Zahlungasanspruch habe
gewähren wollen. Eine Mahnung war gem. § 284 Abs. 2 S. 1
BGB entbehrlich.
b)Der Verzug des Bekl. ist nicht gem. § 320 BGB ausgeschlossen. Zwar würde bereits das bloße objektive Bestehen dieses
Leistungsverweigerungsrechtes den Eintritt des Schuldnerverzuges hindern (BGHZ 84, 42, 44; Palandt/Heinrichs,
53. Aufl., § 284 BGB, Anm. 12 und § 320, Anm. 12). Einer Geltendmachung dieser Einrede bedarf es — anders als im Falle
des Zurückbehaltungsrechtes des § 273 BGB — nicht. Die Einrede des nicht erfüllten Vertrages gem. § 320 BGB steht dem
Bekl. jedoch nicht zu.
aa) Der Bekl. hat die auf dem Kaufgrundstück lastende beschränkt persönliche Dienstbarkeit vereinbarungsgemäß übernommen. Die Übernahme kann zwar nicht aus § 6 Nr. 3 des
Kaufvertrages hergeleitet werden. Diese Bestimmung regelt
ersichtlich nur den Gefahrübergang und in diesem Zusammenhang die Frage der Verteilung der auf dem Grundstück ruhenden Lasten. Damit sind diejenigen auf ihm liegenden Verpflichtungen zu Leistungen gemeint, die aus dem Grundstück zu
entrichten sind (§ 103 BGB). Grunddienstbarkeiten gehören
nicht dazu (Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 103 BGB, Anm. 1; RGZ
66, 316, 318).
Eine konkludente Übernahme der Dienstbarkeit folgt jedoch
aus §§ 2 Nr. 2, 6 Nrn. 2 und 7 des Kaufvertrages. In § 2 Nr. 2 ist
die in Abt. II Nr. 1 eingetragene beschränkt persönliche Dienstbarkeit ausdrücklich genannt. Damit verbunden ist in § 6 Nr. 2
S. 2 des Kaufvertrages die Erklärung des KI., weitere Beschränkungen seien ihm nicht bekannt. Angesichts dieser Hinweise auf die Belastung des Kaufgrundstückes in Abt. II Nr. 1
zwingt die Vereinbarung in § 7 des Kaufvertrages, wonach das
Grundstück frei von Eintragungen in Abt. III übertragen wird, zu
dem Schluß, daß der KI. eine Übertragung frei von Rechten in
Abt. II gerade nicht schuldete, mithin die ausdrücklich erwähnte
Dienstbarkeit vom Bekl. übernommen wurde.
bb) Der Übernahme der Dienstbarkeit durch den Bekl. steht
nicht entgegen, daß die Parteien sich über den Inhalt der eingetragenen Belastung unzutreffende Vorstellungen gemacht
haben.
Weder der KI. noch der Bekl. wußten, welchen Inhalt die eingetragene Nutzungsbeschränkung hatte. Die Prozeßbevollmächtigten des KI. selbst sind ursprünglich davon ausgegangen, es
Heft Nr. 11 . MittRhNotK • November 1995 319


handele sich um ein Wegerecht. Dem Schreiben ist weiter zu
entnehmen, daß offenbar beide Parteien bei Vertragsschluß
dies angenommen haben. Die Ungewißheit beider Parteien
über den Inhalt der Nutzungsbeschränkung ergibt sich auch
aus dem Schreiben der Prozeßbevollmächtigten der KI. vom
14. 4. 1992 an den Verein Waldsiedlung, in dem um Darlegung
des Umfanges der Nutzungsbeschränkung bzw. Vorlage der
Eintragungsbewilligung gebeten wird. Unstreitig ist es erst dem
Zeugen B später gelungen, diese Eintragungsbewilligung zu beschaffen. Der Bekl. konnte daher nicht damit rechnen, daß der
Verein Waldsiedlung in Ausübung der als Nutzungsbeschränkung bezeichneten beschränkt persönlichen Dienstbarkeit Bebauungsbeschränkungen würde durchsetzen wollen. Nach dem
allgemeinen Sprachgebrauch fällt eine Baubeschränkung nicht
unter den Begriff Nutzungsbeschränkung, weil es sich um eine
wesentlich verschiedene Eigentumsbelastung handelt (BGH
NJW 1965, 2398, 2399 = DNotZ 1966, 486). Vielmehr konnte
die Bezeichnung als Nutzungsbeschränkung allenfalls die Annahme rechtfertigen, die beschränkt persönliche Dienstbarkeit
bedeute eine Gebäudebenutzungsbeschränkung (BGH a.a.O.).
cc) Auf die (falsche) Vorstellung des Bekl. und seinen damit
verbundenen Irrtum über Umfang und Inhalt der von ihm übernommenen Dienstbarkeit kommt es jedoch deshalb nicht an,
weil die Dienstbarkeit unwirksam ist, der Begünstigte somit
keine Rechte aus ihr herleiten kann und ihre vertragliche Übernahme durch den Bekl. dazu führt, daß er selbst für eine Berichtigung des Grundbuches zu sorgen hatte.
Die beschränkt persönliche Dienstbarkeit ist nicht wirksam. Sie
hätte nicht im Grundbuch eingetragen werden dürfen. Ihr Inhalt
wird dem das Sachenrecht und das gesamte Grundbuchsystem beherrschenden Bestimmtheitsgrundsatz nicht gerecht.
Der Zweck des Grundbuchs, sichere Rechtsverhältnisse an
Grundstücken zu schaffen und zu erhalten, verlangt klare und
eindeutige Erklärungen der Beteiligten und dementsprechende
Eintragungen (BayObLG NJW 1982, 1054, 1055). Grundsätzlich ist daher der Inhalt einer Grundstücksbelastung selbst
durch Angabe von Art und Rechtsnatur im Grundbuch kenntlich
zu machen. Es ist anerkannt, daß bei Rechten, die im Gesetz
erschöpfend geregelt sind (z. B. bei einem Nießbrauch, Erbbaurecht, Vorkaufsrecht), die allgemeine Bezeichnung des
Rechtes genügt. In anderen Fällen muß jedoch der wesentliche
Inhalt des Rechtes wenigstens schlagwortartig gekennzeichnet
sein. Da Dienstbarkeiten einen verschiedenartigen Inhalt
haben können, genügt es nicht, daß im Grundbuch das Recht
lediglich als Grunddienstbarkeit oder beschränkt persönliche
Dienstbarkeit eingetragen und im übrigen auf die Eintragungsbewilligung Bezug genommen wird (BGH NJW 1961, 2157,
2158 m.w.N. = DNotZ 1963, 42; MünchKomm/Wacke, § 874
BGB, Anm. 3 m.N.). Daher muß bei einer Nutzungsbeschränkung des Grundstückes in der Eintragung das Recht selbst
z. B. als Verbot der Errichtung bestimmter Betriebe oder ähnliches gekennzeichnet werden (vgl. BGH a.a.O.). Bereits daran
fehlt es im vorliegenden Fall. Denn durch die allgemeine Bezeichnung „Nutzungsbeschränkung" wird der Inhalt dieses
Rechtes nicht hinreichend klar gekennzeichnet. Es bleibt offen,
in welcher Hinsicht die Nutzung des Grundstückes beschränkt
werden soll. Erst recht deckt dieser Begriff nicht die vom begünstigten Verein geltend gemachte Baubeschränkung ab
(BGH NJW 1965, 2398, 2399 = DNotZ 1966, 486).
Aber auch die Eintragungsbewilligung vom 2. 4. 1954, auf die
gem. § 874 BGB zur näheren Bezeichnung des Inhalts des eingetragenen Rechtes Bezug genommen werden konnte, ist
keine ausreichende Eintragungsgrundlage. Auch für eine wirksame Eintragungsbewilligung sind Klarheit und Bestimmtheit
wesentliche Voraussetzungen. Wo die Eintragungsbewilligung
nicht zuverlässig über den Inhalt des dinglichen Rechts Aufschluß gibt und Zweifel darüber offen bleiben, kann sie weder
Eintragungsgrundlage sein, noch nach § 874 BGB zur näheren
Bezeichnung des Inhalts einer Grundstücksbelastung dienen.
Dingliche Rechte sind solange nicht hinreichend bestimmt, wie
der Inhalt der Eintragungsbewilligung nicht aus sich selbst heraus klar und eindeutig ist und für einen Dritten Zweifel über den
sachlichen Inhalt des dinglichen Rechtes nicht aufkommen läßt
(vgl. BayObLGZ 1967, 48 ff., 52, 53 = DNotZ 1967, 759).
Die hier zugrunde liegende Eintragungsbewilligung ist nicht hinreichend bestimmt. Sie legt dem jeweiligen Grundstückseigentümer die Pflicht auf, das Grundstück nur nach Maßgabe
der Satzung und der satzungsgemäß gefaßten Beschlüsse des
Vereins zu nutzen, ohne näher zu beschreiben, was darunter
zu verstehen sein soll. Insoweit ist die Eintragungsbewilligung
in gleicher Weise unbestimmt, wie die Grundbucheintragung
selbst. Dabei kann hier offen bleiben, inwieweit zur näheren Bestimmung der beschränkt persönlichen Dienstbarkeit außer auf
die Eintragungsbewilligung auf die dort in Bezug genommenen
(nicht zu den Grundakten genommenen) Unterlagen verwiesen
werden kann. Denn diese Unterlagen sind weder ausreichend
bezeichnet (welche Satzung, welche satzungsgemäßen Beschlüsse?), noch wäre beispielsweise die Satzung vom 17. 4.
1958 hinreichend klar, wenn sie in § 2 als Vereinszweck die
Wahrung und Förderung aller gemeinsamen Interessen der
Mitglieder in ihrer Eigenschaft als Siedler insbesondere die
Pflege des Landschaftsbildes und die Wahrung des Landschaftsschutzes, die Sorge für eine landschaftsgerechte Bauweise der Häuser festlegt.
Die Beseitigung der entgegen der Annahme der Parteien nicht
wirksamen Belastung des Grundstückes mit der beschränkt
persönlichen Dienstbarkeit ist infolge ihrer Übernahme Sache
des Bekl. Grundsätzlich ist allerdings nach § 435 BGB der Verkäufer verpflichtet, die Eintragung eines zu Unrecht eingetragenen Rechtes auf seine Kosten löschen zu lassen. Eine
Besonderheit gilt aber, wenn die Parteien bei Abschluß des
Kaufvertrages das eingetragene Recht irrtümlich als existierend ansahen und der Käufer die vermeintliche Belastung vertraglich übernommen hat. Stellt sich in einem solchen Fall
nachträglich heraus, daß die vom Käufer übernommene Belastung nicht besteht, so ist es Sache des Käufers, sich um die
Löschung zu bemühen und die Löschungskosten zu bezahlen
(vgl. Soergel/Huber, 12. Aufl., § 439 BGB, Rd.-Nr. 29, § 435
BGB, Rd.-Nr. 3).
c) Der Bekl. hat auch schuldhaft seine Zahlungspflicht nicht erfüllt. Dabei obliegt es ihm, den Nachweis zu führen, daß ihn an
der Verzögerung der Leistung kein Verschulden trifft (§ 285
BGB). Daß er sich in einem unverschuldeten Rechtsirrtum
befunden hat, kann nicht festgestellt werden.
Es ist zwar grundsätzlich anerkannt, daß der Schuldner für unverschuldeten Rechtsirrtum nicht einzustehen hat (BGH NJW
1951, 398; NJW 1972, 1045). An die ihm insoweit obliegenden
Sorgfaltspflichten und damit an den Entlastungsbeweis sind jedoch strenge Anforderungen zu stellen. Bloße Zweifel an der
Rechtslage entschuldigen nicht; der Schuldner ist vielmehr verpflichtet, Erkundigungen einzuholen und die Rechtslage gewissenhaft zu prüfen (Soergel/Wiedemann, 12. Aufl., § 285 BOB,
Anm. 11 f.). Grundsätzlich trägt der pflichtwidrig Handelnde das
Risiko seines Irrtums. Kann er sich weder auf höchstrichterliche
Rechtsprechung noch eine herrschende Meinung berufen, so
handelt der Schuldner grundsätzlich auf die Gefahr hin, daß
sein Rechtsstandpunkt von den Gerichten nicht geteilt wird
(Soergel/Wiedemann, a.a.O., m.N.). Demzufolge trägt der Verpflichtete das Risiko eines Irrtums über die Rechtslage in der
Regel selbst und kann es nicht dem Gläubiger zuschieben
(BGH NJW 1983, 2320, 2321). So entschuldigt nicht einmal das
Vertrauen auf eine Rechtsauffassung, die in den Gründen eines
zwischen den Parteien ergangenen rechtskräftigen oberlandesgerichtlichen Urteils zum Ausdruck gekommen ist, wenn mit
einer abweichenden Beurteilung anderer Gerichte oder des
BGH gerechnet werden mußte (BGH, a.a.O.).
Gemessen hieran wäre ein Irrtum des Bekl. über seine Zahlungspflicht nicht unentschuldbar. Angesichts der von ihm
selbst geltend gemachten Unklarheit über den Inhalt der von
ihm übernommenen beschränkt persönlichen Dienstbarkeit
hätte er bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt
nicht ungeprüft von der Wirksamkeit der Dienstbarkeit ausgehen dürfen. (...)
Heft Nr. 11 . MittRhNotK • November 1995
außerhalb des Grundbuchs privatschriftlich abgetretenen
Eigentümergrundschuld
(OLG Köln, Beschluß vom 19. 7. 1995 — 2 Wx 36/94 — mitgeteilt
von Notar Wolfram Kasper, Bergheim und Richter am OLG
Torsten Schmidt-Eichhorn, Köln)
BGB §§ 891; 1155
GBO §§ 19; 39
Der im Grundbuch eingetragene Berechtigte gilt auch
gegenüber dem GBA als Rechtsinhaber, sofern diese Vermutung nicht mit Sicherheit widerlegt ist (Bestätigung von
OLG Köln MittRhNotK 1983, 52).
(Leitsatz nicht amtlich)
Zum Sachverhalt:
1. Durch notariellen Vertrag vom 1. 10. 1992 verkauften die Bet. zu 1)
und 2) das vorstehend bezeichnete, ihnen damals als Eigentümern zu je
'/ 2-Anteil gehörende Grundstück an die Bet. zu 3) und 4). Zugunsten der
Bet. zu 1) und 2) waren und sind im Grundbuch in Abt. III unter den lfd.
Nrn. 25 und 26 zwei Grundschulden in Höhe von jeweils 13.000,— DM
eingetragen, nämlich das Grundpfandrecht 111125 zugunsten der Bet. zu
2) an ihrem, das Grundpfandrecht Nr. 111/26 zugunsten des Bet. zu 1) an
seinem 1 / 2-Anteil. Im Vertrag vom 1. 10. 1992 heißt es, nach den Angaben der Verkäufer seien die Grundpfandrechte Abt. III Nrn. 25 und 26
an das FA abgetreten.
Unter dem 5. 5. 1993 hat der Notar u. a. beantragt, die Löschung der
Grundpfandrechte Abt. III Nrn. 25 und 26 einzutragen. Diesen Antrag hat
das GBA beanstandet und den Ast. durch Zwischenverfügung des
Rechtspflegers vom 20. B. 1993 die Vorlage einer Rückabtretungserklärung des FA in grundbuchmäßiger Form aufgegeben.
Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde der Bet. hat das LG Köln durch
Beschluß vom 17. 1. 1994 (MittRhNotK 1995, 27) die Zwischenverfügung vom 20. B. 1993 aufgehoben.
Das GBA hat den Ast. nunmehr aufgegeben, eine privatschriftliche
Rückabtretungserklärung des FA betreffend die Grundpfandrechte 111/25
und 111/26 vorzulegen. Nach erfolgloser Erinnerung und Beschwerde legten die Ast. weitere Beschwerde ein.
Aus den Gründen:
Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Beschwerde der Bot.
gegen den Beschluß des LG ist begründet: Die angefochtene
Entscheidung beruht auf einer Verletzung des Gesetzes (§§ 78
GBO, 550 ZPO). Denn die Vorinstanzen haben zu Unrecht als
Voraussetzung für die Löschung der in Abt. III unter lfd. Nrn. 25
u. 26 eingetragenen Grundpfandrechte verlangt, daß eine
(Rück-)Abtretungserklärung des FA vorgelegt wird.
Bei der Prüfung des Löschungsantrages hat das GBA — abgesehen von der Feststellung der weiteren Löschungsvoraussetzungen der §§ 27, 41, 42 GBO — auch festzustellen, ob die
Bewiligung des Betroffenen und seine Voreintragung vorliegen,
§§ 19, 39 GBO. Dabei hat das GBA neben den vorgelegten
Antragsunterlagen und dem Inhalt der Grundakten auch die
ihm sonst bekannt gewordenen Umstände zu berücksichtigen,
jedoch nur insoweit, als die Vorschriften der §§ 29 ff. GBO oder
der §§ 891, 1155, 1192 BGB nicht entgegen stehen (vgl. Senat
MittRhNotK 1983, 52, 53). Soweit nämlich eine gesetzliche Vermutung dafür spricht, daß der Verfügende der Berechtigte ist,
hat das GBA diese Vermutung — hier die des § 891 BGB — zu
beachten und seiner Entscheidung zugrunde zu legen (vgl.
Senat a.a.O.; OLG Frankfurt Rpfleger 1991, 361; Demharter,
21. Aufl. 1995, Anh. zu § 13 GBO, Rd.-Nr. 10; Schmitz, JuS
1995, 333, 335). Dies gilt solange, als die Vermutung nicht
widerlegt ist. Dafür genügt es nicht, daß die Rechtsvermutung
lediglich erschüttert ist. Zur Widerlegung einer Rechtsvermutung ist vielmehr erforderlich, daß ihr Gegenteil feststeht, daß
also das GBA Tatsachen kennt, die ihm die sichere Überzeugung vermitteln, daß die gesetzliche Vermutung der Wahrheit
widerspricht (vgl. BGH NJW 1980, 1047, 1048 = DNotZ 1980,
354; Senat a.a.O.; OLG Frankfurt a.a.O.; Baumgärtel, Handbuch der Beweislast, Bd. 2, 1985, § 891 BGB, Rd.-Nr. 9; Demharter, a.a.O.; Schmitz, a.a.O.).
Heft Nr. 11 • MittRhNotK • November 1995
Diese Grundsätze haben die Vorinstanzen nicht hinreichend
beachtet. Daß im notariellen Vertrag vom 1. 10. 1992 von einer
Abtretung der Grundpfandrechte 111/25 und 111/26 an das FA gesprochen wird, ist entgegen der Auffassung des LG nur geeignet, die Vermutung der Rechtsinhaberschaft der Bet.
zu 1) und
2) zu erschüttern, nicht aber diese Vermutung zu widerlegen.
Nach § 891 Abs. 1 BGB wird dann, wenn für jemanden im Grundbuch ein Recht eingetragen ist, vermutet, daß ihm dieses Recht
zusteht. Für den Gläubiger eines Briefgrundpfandrechts streitet
diese Vermutung allerdings nur, wenn er den Brief besitzt (vgl.
Demharter, a.a.O., Anh. zu § 13 GBO m.w.N.). Dies ist hier nach
den vom LG getroffenen Feststellungen jedoch der Fall: Die
Bet. zu 1) und 2), für die die Grundpfandrechte 111/25 und 111/26
im Grundbuch eingetragen sind, sind Besitzer der entsprechenden Grundschuldbriefe. Daß der Notar diese Briefe von ihnen
erhalten hat, steht, wie das LG rechtsfehlerfrei dargelegt hat,
aufgrund seiner diesbezüglichen Erklärung zweifelsfrei fest.
Widerlegt ist die Vermutung der Rechtsinhaberschaft des Eingetragenen nach § 891 Abs. 1 BGB dann, wenn feststeht, daß
er die Grundschuld durch öffentlich beglaubigte Erklärung unter
Übergabe des Briefs an einen Dritten abgetreten hat. Von diesem Zeitpunkt an wird nach §§ 891 Abs. 1, 1155, 1192 Abs. 1
BGB die Rechtsinhaberschaft des Erwerbers vermutet. Diese
Vermutung geht derjenigen nach § 891 Abs. 1 BGB zugunsten
des Eingetragenen vor. Die Voraussetzungen der §§ 1155,
1192 Abs. 1 BGB sind hier aber nicht erfüllt: Daß eine Abtretung durch öffentlich beglaubigte Erklärung erfolgt ist, hat
das LG nicht festgestellt.
Die von ihm festgestellte Erklärung der Bet. zu 1) und 2) im Vertrag vom 1. 10. 1992, die Grundschulden 111/25 und 111/26 seien
— bei anderer Gelegenheit — an das FA abgetreten worden, vermag die Vermutung der Rechtsinhaberschaft der Bet. zu 1) und
2) nicht zu widerlegen. Durch die Erklärung im Vertrag vom
1. 10. 1992 wurde keine Vermutung der Rechtsinhaberschaft
des FA begründet, die derjenigen aus § 891 Abs. 1 BGB vorgehen könnte. Aus der Erklärung, die Grundschulden seien an
das FA abgetreten worden, folgt auch — selbst wenn man diese
Erklärung als zutreffend ansieht — nicht, daß das Grundbuch
(auch jetzt noch) unrichtig ist, daß die dort eingetragene Tatsache der Rechtsinhaberschaft der Bet. zu 1) und 2) also derzeit nicht richtig ist.
Denn die Vermutung aus § 891 Abs. 1 BGB ist nicht nur eine
Erwerbsvermutung. Es wird zwar auch vermutet, daß der Eingetragene das Recht mittels der Eintragung erworben hat (vgl.
MünchKomm/Wacke, 2. Aufl. 1986, § 891 BGB, Rd.-Nr. 15).
Vermutet wird indes auch und gerade, daß das Recht dem im
Grundbuch als Rechtsinhaber Eingetragenen (jetzt) zusteht.
Diese Vermutung wird durch die bloße Tatsache einer Abtretung an einen Dritten, der keine Legitimationswirkung zugunsten des Dritten zukommt, noch nicht widerlegt, weil sie die
Möglichkeit eines Rückerwerbs des Eingetragenen nicht ausschließt. Solange aber diese Möglichkeit nicht ausgeschlossen
ist, steht nicht fest, daß die Eintragung jetzt, im Zeitpunkt der
vom GBA zu treffenden Entscheidung, nicht (wieder) richtig ist,
und ist somit die Vermutung des § 891 Abs. 1 BGB nicht widerlegt. Dabei handelt es sich im Streitfall bei der Möglichkeit eines
Rückerwerbs der Bet. zu 1) und 2) entgegen der Auffassung
des LG auch nicht nur um eine abstrakte Möglichkeit, die für die
praktische Rechtsanwendung vernachlässigt werden könnte.
Vielmehr ist diese Möglichkeit hier konkret gegeben und liegt
angesichts des Umstandes, daß die Bet. zu 1) und 2) — wieder — im Besitz der Grundschuldbriefe sind, sogar nahe.
Der abweichenden, auf die Begründung einer Entscheidung
des BayObLG (MittBayNot 1991, 256ff. = DNotZ 1993, 335)
gestützten Auffassung des LG, daß schon die bloße Erklärung
des eingetragenen Rechtsinhabers, er habe das Grundpfandrecht abgetreten, zur Widerlegung der Vermutung des § 891
Abs. 1 BGB ausreiche, vermag der Senat daher nicht zu folgen.
Mit Recht hält Amann (MittBayNot 1991, 258 f.) der Entscheidung des BayObLG entgegen, daß auf der Grundlage der von
ihr vertretenen Rechtsauffassung die Vermutung der §§ 891,

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Düsseldorf

Erscheinungsdatum:

31.05.1995

Aktenzeichen:

9 U 235/94

Erschienen in:

MittRhNotK 1995, 319-320
NJW-RR 1996, 15

Normen in Titel:

BGB §§ 1090, 874