OLG Schleswig 15. Juli 2014
2 W 48/14
GBO § 35 Abs. 1; BGB § 164

Kein Erbschein bei Veräußerung durch trans- oder postmortale Vollmacht

OLG Schleswig

Kein Erbschein bei Veräußerung durch trans- oder postmortale Vollmacht
Der grundbuchliche Vollzug eines Rechtsgeschäfts, das ein Bevollmächtigter aufgrund einer trans- oder postmortal wirkenden Vollmacht des verstorbenen eingetragenen Berechtigten vornimmt, ist auch dann nicht von einem Erbnachweis nach § 35 GBO abhängig, wenn der Bevollmächtigte Miterbe ist. (amtlicherLeitsatz)
OLG Schleswig, Beschl. v. 15.7.2014 – 2 W 48/14
BGB § 164; GBO § 35 Abs. 1

Entscheidung:
Im Grundbuchist die Erblasserin in Abt. I eingetragen. Sie wurde von ihrem Ehemann und der Tochter je zur Hälfte beerbt. Die Ehegatten hatten sich eine gegenseitige, jeweils über den Tod hinaus geltende Generalvollmacht erteilt. Mit dieser Generalvollmacht wurde nach dem Tod der Erblasserin das Eigentum an den Ehemann aufgelassen. Das Grundbuchamt erließ eine Zwischenverfügung und verlangte einen Erbschein zum Nachweis der eigenen VerfügungsbefugnisdesBevollmächtigtenalsErbe. DasGrundbuchamt war unter Berufung auf die Entscheidung des OLG Hamm vom 10.1.2013 der Ansicht, dass insoweit die Vollmacht erloschen sei und der Ehemann seine Willenserklärung auf Veräußererseite nicht wirksam abgegeben habe. Fürdie Tochterdagegen konnte nach Ansicht des Grundbuchamts auf der Grundlage der transmortalen Vollmacht gehandelt werden. Die gegen die Zwischenverfügung eingelegte Beschwerde hatte Erfolg. In der Entscheidungsbegründung werden vom OLG Schleswig die füreinen solchen Fall zu beachtenden Punkte anschaulich aufgezeigt: Zu-nächst istzufragen,obes einer Voreintragungder Erbenbedarf(§39 GBO) oder ob diese nach § 40 GBO entbehrlich ist. Wie das OLG richtig ausführt, bedarf es im Fall der Eigentumsübertragung durch die Erben keiner vorherigen Grundbuchberichtigung.1Im nächsten Schrittist§ 20GBO zu prüfen. Dieaufgrundder Gesamtrechtsnachfolge verfügungsbefugten Erben sind durch eine trans-bzw. postmortale Vollmacht des Erblassers gebunden, solange die Vollmacht nichtwiderrufenist.Wennder Bevollmächtigte im Besitz der Vollmachtsurkundeist(hier die Ausfertigung nach § 47 BeurkG),hatdas Grundbuchamt vom Fortbestand der Vollmacht auszugehen. Die über den Tod hinauswirkende Vollmacht erlischt nicht partiell in der Person des Bevollmächtigten, falls dieser zugleich Miterbe ist.
Anmerkung:
Mit Beschluss vom 10.1.2013 hatte das OLG Hamm2 entschieden, dass eine transmortale Vollmacht durch Konfusion erlischt, wenn der Bevollmächtigte Alleinerbe des Vollmachtgebers wird, da § 164 BGB eine Personenverschiedenheit zwischen dem Vertreter und dem Vertretenen fordere. In der Folge wurde dieser Beschluss in der Literatur rege diskutiert, wobei schnell deutlich wurde, dass das Problem rechtsdogmatisch nicht ganz einfach zu lösen ist. Diese Frage soll auch hier dahinstehen. Vielmehr sollen mögliche FalllagenundGestaltungsalternativenfürdenNotardargestelltwerden. Für den beurkundenden Notar wurde die Arbeit aufgrund der Entscheidung des OLG Hamm nicht gerade einfacher, wobei erschwerend für die Beteiligten hinzukommt, dass der Erbschein fürGrundbuchzwecke durch das GNotKG abgeschafft wurde. Liegt eine notariell beurkundete Verfügung vonTodes wegen(oder einErbschein) vor, sollte diese (dieser) Grundlage für die Legitimation des/der Erben sein (§ 35 GBO). Von der Vollmacht sollte im notariellen Vertrag kein Gebrauch gemacht werden, da schlicht kein Bedürfnis besteht. Ist gesetzliche Erbfolge eingetreten oder beruht das Erbrecht auf einem privatschriftlichen Testament und soll für eine Erbengemeinschaft gehandelt werden, kann nach der Entscheidung des OLG Schleswig auf die notarielle Vollmacht zurückgegriffen werden. Handelt ein gesetzlicher oder in einem privatschriftlichen Testament eingesetzter Alleinerbe, kann daran gedacht werden, dem Grundbuchamt eine auszugsweise Ausfertigung des Vertrags (ohne die Vorbemerkung mit den Sachverhaltsdarstellungen über die eingetretene Erbfolge) zu übersenden. In einem solchen Fall darf das Grundbuchamt keine weiteren Nachforschungenanstellen,sondernhatvomFortbestandderVollmacht auszugehen.3 Materiell-rechtlich und für die notarielle Vertragsgestaltung spielt es, wie Keim4 anschaulich und ausführlich darstellt, keine Rolle, ob rechtsdogmatisch von einem Fortbestand der Vollmacht oder von deren Erlöschenauszugehenist.Ist derBevollmächtigte tatsächlich Alleinerbe des eingetragenen Erblassers, kann das aufgrund Vollmacht vorgenommene Rechtsgeschäft als Handeln im eigenen Namen ausgelegt werden. Stellt sich heraus, dass der Bevollmächtigte doch nicht Alleinerbe, sondern nur Miterbe oder Nichterbe ist, ist sein Handeln aufgrund Vollmacht wirksam.

Dr. Christian Rupp, Ehingen
1 Beachte: Muss für den Erwerber ein Finanzierungsgrundpfandrecht eingetragen werden, bedarf es nach herrschender Meinung der vorigen Grundbuchberichtigung auf die Erben und dementsprechend der Vorlage eines Erbscheins.
2 OLG Hamm, Beschl. v. 10.1.2013 – 15 W 79/12.
3 BeckOK-GBO/Hügel, § 20 Rn 63; BeckOK-GBO/Reetz, Vertretungsmacht Rn 43a, 44, 47h.
4 Keim, DNotZ 2013, 692 ff.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Schleswig

Erscheinungsdatum:

15.07.2014

Aktenzeichen:

2 W 48/14

Rechtsgebiete:

Vollmacht, Genehmigung, Ermächtigung
Grundbuchrecht

Erschienen in:

notar 2015, 20

Normen in Titel:

GBO § 35 Abs. 1; BGB § 164