BGH 11. Juli 1997
V ZR 246/96
BGB §§ 133, 634

Wohnflächenangaben und Sachmangel

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Deutsches Notarinstitut
Dokumentnummer: 610
letzte Aktualisierung: 15. Oktober 1997
BGH
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 246/96
11. Juli 1997
Tatbestand
Mit notariellem Vertrag vom 27.Dezember 1991 „kauften“" die Kläger von den Rechtsvorgängern Beklagten
eine noch zu erstellende Dachgeschoßwohnung: zum Preis von 276.9Q0 DM. Die Wohnung wurde nach
den mitbeurkundeten Unterlagen (Baubeschreibung und "vermaßter Ausbauplan,") mit der dort
vorgesehenen Grundfläche erstellt. Eine ausdrückliche Wohnflächenangabe ist in dem Vertrag und den
Anlagen nicht enthalten. Vor Abschluß des Kaufvertrages. hatten die Kläger ,einen Gesamtprospekt mit
Unterlagen(Wohnungsgrundriß und Preisübersicht) erhalten, in denen für die Dachgeschoßwohnung die
Angabe,“Wohnfläche ,gesamt ca. 78,00 qm,Kaufpreis 276.900 DM" gemacht ist. Der Gesamtprospekt
enthält
ferner den Hinweis, daß ausschließlich der Kaufvertrag und die notariell beurkundete Baubeschreibung
gelten. Eine "'Flächenberechnung nach DIN 2777283" des Streithelfers vom 14. Dezember 1993 ergab unter
Berücksichtigung der Dachschrägen eine WOFA 68,410 qm"
Die Kläger verlangen für einen Flächenunterschied von 9,5 qm von der Beklagten den Ersatz des
Wohnungsminderwertes und der zuviel bezahlten Erwerbskosten. Das Landgericht hat der Klage in Höhe
von insgesamt 39.897,88 DM stattgegeben. Die Berufung der Beklagten gegen diese Entscheidung hat das
Oberlandesgericht zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die --zugelassene - Revision der Beklagten. Die
Kläger beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht geht davon aus, daß eine Wohnfläche von 78 qm Vertragsinhalt geworden sei. Die
Kläger konnten daher eine Minderung von 31.950 DM, nämlichh je 3.550 DM für 9 qm Minderfläche geltend
machen. Ferner stünde ihnen' hinsichtlich der höheren Erwerbskosten 'ein Schadensersatzanspruch' aus §
463 BGB zu, weil] hinsichtlich der' Wohnfläche w n-78 qm von einer zugesicherten Eigenschaft auszugehen
sei-; Jedenfalls setzt der Anspruch nach den Grundsätzen über das Verschulden' bei Vertragsschluß
begründet, weil die Kläger nicht darauf hingewiesen worden seien, daß im Prospekt nur die Grundfläche der
Wohnung angegeben sei.
Dies hält den Angriffen der Revision -im Ergebnis stand.
II.
Den Klägern steht gegen die Beklagte wegen der geltend gemachten Mindergröße der Wohnfläche ein
Minderungsrecht und ein Schadensersatzanspruch in der zugesprochenen Höhe zu (§§ 633 Abs. 1, 634 Abs
-1 Satz 3, Abs. 2, 635 BGB).
1. Auf das Vertragsverhältnis der Parteien sind die Regelungen des Werkvertrages anzuwenden, auch wenn
der Vertrag als "Kaufvertrag" bezeichnet wurde und die Wohnung im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses
bereits im wesentlichen fertiggestellt war. Entscheidend ist insoweit, ob - wie hier - eine Verpflichtung der
Veräußerer zur Herstellung der Eigentumswohnung bestand (BGHZ 68, 372; 74, 204, 206; 87, 112, 117).
eine zugesicherte Eigenschaft fehlt oder wenn sie mit einem Fehler behaftet ist (§ 633 Abs. 1 in Verbindung


mit § 634 Abs. 1 und 2 BGB). Es kann hier dahinstehen, ob allein die vertragliche Verpflichtung zur
Schaffung einer "Wohnfläche" bestimmter Größe als Zusicherung einer entsprechenden Eigenschaft
anzusehen ist, weil die Mindergröße der "Wohnfläche -um mehr als 10 % jedenfalls ein Fehler nach § 633
Abs. 1 BGB ist, der die Kläger zur Minderung berechtigt.
a) Zu Recht stellt das Berufungsgericht fest' daß eine "Wohnfläche von 78 m2 Vertragsinhalt geworden ist.
Dabei kommt es entgegen der Auffassung der Revision nicht darauf an, ob der notarielle Kaufvertrag auf
den Gesamtprospekt" und die entsprechenden Unterlagen verweist. Die Kläger gingen aufgrund dieser
Unterlagen davon aus, daß sie eine "Wohnfläche" von 78 m2 erwarben. Eine andere Größe war im
notariellen Vertrag und seinen Anlagen nicht genannt. Die einseitige Vorstellung einer Vertragspartei ist für
die Bestimmung des Vertragsinhalts allerdings nur dann von Bedeutung, wenn der Erklärungsempfänger
den wirklichen Willen des Erklärenden erkennt und in Kenntnis dieses Willens den Vertrag abschließt (BGH,
Urt. v. 13. Februar 1989, II ZR 179/88, BGHR BGB § 133 - Wille 6 m.w.N.; Urt. v. 28. Februar 1997, ~ Z~
27/96, NJW 1997r 1778, 1779). Nicht erforderlich ist, daß sich der Erklärungsempfänger den wirklichen
Willen des Erklärenden zu eigen macht.
Die Veräußerer haben nach dem eigenen Vortrag der Beklagten gewußt, daß in den Prospektunterlagen als
"Wohnfläche die ca. 78 m2 Grundfläche der Dachgeschoßwohnung angegeben war.Sie wußten damit auch,
daß die Kläger von 78 m2 "Wohnfläche" ausgingen, da im notariellen Vertrag und seinen Anlagen eine
andere Größe weder angegeben noch aus der Baubeschreibung oder den Planunterlagen erkennbar war.
Die Verkäufer haben deshalb die falsche Vorstellung der Käufer über die Größe der zu erwerbenden
Wohnfläche gekannt. Damit wird die Vereinbarung von 78 qm Wohnfläche von einem übereinstimmenden
Willen der Parteien bei Vertragsabschluß getragen.
aa) Die Revision kann sich insoweit nicht darauf berufen, daß der "ca.-Zusatz bei den Angaben in den
Prospektunterlagen die vertragliche Angabe unverbindlich mache. Dies ließe sich allenfalls für eine
geringfügige Abweichung vertreten nicht aber für einen Unterschied von mehr als 10 %.
bb} Auch soweit die Revision meint, durch den Prospektvorbehalt hinsichtlich der endgültigen
Baubeschreibung sei die. Wohnflächenangabe unverbindlich gewesen, kann sie keinen Erfolg haben. Dieser
Vorbehalt bezieht sich nur auf die tatsächliche Bauausführungr die: hier nicht in Rede steht, nicht aber auf
die Wohnflächenangabe, die in der endgültigen Baubeschreibung nicht anders angegeben ist.
b) Das Berufungsgericht hat entgegen der Meinung.der Revision den vertraglich verwendeten Begriff der
"Wohnfläche" bei Dachgeschoßwohnungen mit Schrägen nicht verkannt.
aa) Vertragliche Regelungen der Parteien oder Bezugnahmen auf andere Regelungen zum Inhalt des
Begriffes "Wohnfläche" und ihrer Berechnung liegen hier nicht vor. Ein allgemeiner Sprachgebrauch für den
Begriff der "Wohnfläche" hat sich nicht entwickelt (BGH, Urt. v. 30.11.1990, V ZR 91/89, NJW 1991,
912,913; v. 15.5.1991, VIII ZR 123/90, NJW 1991, 1120,1121; BayObLGZ 1996., 58, 61). Der Begriff ist
.daher auslegungsbedürftig. Dabei durfte das Berufungsgericht auch eine festgestellte Verkehrssitte
berücksichtigen (BayObLG aaO).
bb) Einen Auslegungsfehler des Berufungsgericht vermag die Revision nicht aufzuzeigen. Gestützt auf das
Sachverständigengutachten ist es rechtsfehlerfrei von einer Verkehrssitte ausgegangen, nach der hier die
Wohnfläche nicht nach der Grundfläche, sondern in Anlehnung an die: DIN 283 oder die 2.
erechnungsverordnung ermittelt wird. Danach bleiben Flächen unter Schragen bei bei der
Wohnflächenberechnung unberücksichtigt, soweit der Raum über ihnen eine lichte Höhe von weniger als 1
m hat. Soweit diese Höhe zwischen 1 m und 2 m liegt, werden die Flächen nur zur Hälfte angerechnet.
Die Angriffe der Revision gegen das Gutachten gehen fehl. Die Gültigkeit der DIN 283 ist für die Bildung
einer entsprechenden Verkehrssitte unbeachtlich. Die vom Gutachter ausgewerteten Antworten der örtlichen
Maklerfirmen haben ergeben, daß diese Verkehrssitte der Wohnflächenberechnungen für alle Wohnungen,
also auch für Dachgeschoßwohnungen, gilt.
c) Entgegen der Meinung der Revision ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, daß die
Wohnfläche nur 69 m2 beträgt und darin ein Fehler nach § 633 Abs. 1 BGB liegt, der zur Minderung
berechtigt.
aa) Im Verfahren vor dem Landgericht haben die Parteien hinsichtlich einer tatsächlichen Minderwohnfläche
von 9 qm einen entsprechenden Zwischenvergleich geschlossen. In der Berufungsinstanz war dies ebenfalls
unstreitig. Die Beklagte hat sich der nachträglichen Berechnung des Streithelfers mit 69 qm in der
Berufungsbegründung zu eigen gemacht. Entgegen der Meinung der Revision durfte damit das
ansehen und ohne weitere Beweisaufnahme: von einer tatsächlichen Wohntlache von 69 qm ausgehen.
:Die. Wohnung ist wegen dieser Miindergröße von mehr als 10% der Wohnfläche fehlerhaft (§ 633 Abs. l
BGB), weil dies ihren Wert entsprechend mindert. Denn die Wohnfläche einer Wohnung -ist nach der
Verkehrsauffassung ein Merkmal, das von wesentlicher Bedeutung für den Wert ist. Die Beseitigung dieses
Mangels ist nicht möglich (§ 634 Abs. 2 BGB), weil die fehlende Wohnfläche nicht nachgeliefert werden
kann.
3. Gegen die zutreffende Berechnung des Minderungsanspruchs in Höhe von 31.950 DM erhebt die
Revision keine Einwendungen.
4. Soweit sie den zuerkannten Schadensersatzanspruch hinsichtlich der entsprechenden höheren
Erwerbskosten (Finanzierungsaufwand, Grundsteuer und Notarkosten) angreift, kann sie keinen Erfolg
haben. Dieser Anspruch folgt aus § 635 BGB, da die damaligen Gesellschafter den Mangel zu vertreten
hatten. Wie das Berufungsgericht in anderem Zusammenhang festgestellt hat, wußten sie bei
Vertragsabschluß, daß die Prospektangabe von 78 m2 die Grundfläche, nicht aber die tatsächliche
"Wohnfläche", betraf und haben die Kläger nicht auf die fehlerhafte Bezeichnung hingewiesen. Zwischen
dieser zumindest fahrlässigen Pflichtverletzung (§ 276 BGB; vgl. RGZ 58, 173, 180) und dem Entschluß der
Kläger, die Dachgeschoßwohnung zum vereinbarten Preis zu erwerben, besteht der erforderliche
Ursachenzusammenhang. Denn ohne die falsche Wohnflächenangabe hätten die Kläger die höheren
Erwerbskosten nicht aufzuwenden brauchen (vgl. BGH, Urt. v. 31. Mai 1990, VII ZR 340/88, NJW 1990,
2461, 2463 f; v. 25. Oktober 1990, VII ZR 230/88, NJW-RR 1991, 218, 219).

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

11.07.1997

Aktenzeichen:

V ZR 246/96

Erschienen in:

DNotI-Report 1997, 205-206
MittBayNot 1997, 356-358
MittRhNotK 1997, 389-390
DNotZ 1998, 873-875
NJW 1997, 2874-2875

Normen in Titel:

BGB §§ 133, 634