Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche ggü. Bevollmächtigtem des Erblassers
DNotI
Deutsches Notarinstitut
letzte Aktualisierung: 29.11.2016
LG Bonn, Urt. v. 20.5.2016 - 1 O 80/16
BGB §§ 13, 157, 242, 662, 666, 1833, 1908i, 1922;
Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche ggü. Bevollmächtigtem des Erblassers
1. Ein Auskunfts- und Rechenschaftsanspruch steht dem Alleinerben gegenüber einnem
Bevollmächtigten des Erblassers nur zu, wenn ein gesetzliches oder vertragliches Schuldverhältnis besteht.
2. Ein rechtsgeschäftlich begründetes Auftragsverhältnis zwischen Bevollmächtigtem und Erblasser lässt sich
nicht allein aufgrund einer erteilten Vollmacht annehmen, wenn kein Bindungswille der
Beteiligten festgestellt werden kann. An einem solchen fehlt es regelmäßig, wenn der
Vollmachtserteilung ein besonderes Freundschafts- und Vertrauensverhältnis zugrunde liegt.
(Leitsätze der DNotI-Redaktion)
Entscheidungsgründe
Die gemäß
Da in Ermangelung eines gesetzlichen oder vertraglichen Schuldverhältnisses zwischen den Parteien und / oder zwischen der
Erblasserin und dem Beklagten schon dem Grunde nach keine Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche des Klägers gegen den
Beklagten bestehen, war die Klage insgesamt und damit auch in Bezug auf den in der mündlichen Verhandlung noch nicht zur
Entscheidung gestellten (unbezifferten) Zahlungsantrag abzuweisen (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 254 Rd.14).
Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Erteilung der mit dem Klageantrag zu Ziffer 1. begehrten Auskunft aus den
§§ 666, 662, 1922 Abs.1 BGB oder unmittelbar aus
Begründung eines rechtsgeschäftlichen Auftrages zwischen dem Beklagten und der Erblasserin voraus. Ein Auftragsverhältnis
zwischen der Erblasserin und dem Beklagten kann indes nicht allein aufgrund der unter dem 21.06.2001 erteilten Vollmacht bejaht
werden. Denn es fehlt an hinreichenden objektiven Kriterien, anhand derer positiv festgestellt könnte, dass sich der Beklagte und die
Erblasserin insoweit rechtlich binden wollten (vgl. OLG Köln, Urteil vom 19.09.2012 – 16 U 196/11 =
Brandenburg, Urteil vom 07.12.2011 – 3 U 94/11 =
Für die Auslegung des Erklärungsverhaltens des Beklagten und der Erblasserin kommt es unter Berücksichtigung aller Umstände des
Einzelfalles entscheidend darauf an, ob für die Erblasserin wesentliche wirtschaftliche Interessen bei der Erteilung und Ausübung der
Vollmacht auf dem Spiel standen, ob sie sich deshalb auf eine rechtsgeschäftliche Verpflichtung des Beklagten verlassen wollte, ob
dies für den Beklagten erkennbar war und ob der Beklagte sich seinerseits nach Treu und Glauben den Gefahren einer vertraglichen
Haftung aussetzen wollte (
Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, Stand 01.08.2015, § 662 Rd.3ff.; MüKo/Seiler, BGB, 6. Aufl. 2012, § 662 Rd.59ff.;
Staudinger/Martinek, BGB, 2006, § 662 Rd.8 jeweils m.w.N.).
Schon hinreichend konkrete Tatsachen, die einen Rückschluss auf den erforderlichen Rechtsbindungswillen des Beklagten und der
Erblasserin tragen könnten, hat der Kläger weder vorgetragen noch unter Beweis gestellt (vgl. zur Darlegungs- und Beweislast:
Fischer, aaO., § 662 Rd.17). Indes ergibt sich bereits aus einer Gesamtschau der zu den Akten gereichten Unterlagen in Verbindung
mit dem insoweit unstreitigen substantiierten Vorbringen des Beklagten, dass der Vollmachterteilung im Sommer 2001 ein besonderes
Freundschafts- und Vertrauensverhältnis zwischen dem Beklagten und der Erblasserin zugrunde gelegen hat, das gegen den
Abschluss eines Auftragsvertrages spricht. In Abgrenzung zu einem rechtlich bindenden Auftrag wird nämlich im Rahmen eines
solchen Vertrauensverhältnisses keine Auskunft oder gar Rechenschaft verlangt, insbesondere soll der mit der Bevollmächtigung
besonders Betraute nicht im Nachhinein dem einseitigen (Haftungs-) Risiko ausgesetzt werden, Ausgaben genauer angeben und
belegen zu müssen (OLG Köln, aaO.; OLG Brandenburg, aaO., LG Bonn, aaO.).
Ausgehend von diesen Erwägungen kann für den Zeitraum 2001 bis in das Jahr 2007 hinein schon in tatsächlicher Hinsicht keine
Bindung des Beklagten im Rahmen eines Auftragsverhältnisses bejaht werden. Denn der Beklagte hat bereits in der Klageerwiderung
im Einzelnen dargelegt, dass er erst mit dem Umzug der Erblasserin in das Senioren- beziehungsweise Pflegeheim im Jahre 2007
Anlass hatte, von der ihm erteilten Vollmacht Gebrauch zu machen. Dafür, dass der Beklagte bereits zu einem früheren Zeitpunkt für
die Erblasserin tätig geworden ist, ist nichts ersichtlich. Die abweichenden Angaben in der Klageschrift beruhen nach den Angaben der
Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung auf einem Missverständnis.
Aber auch die beklagtenseits ab dem Jahr 2007 für die Erblasserin entfalteten Tätigkeiten beruhten nicht auf einem
rechtsgeschäftlichen Auftrag in dem vorbezeichneten Sinn. Vielmehr handelte es sich bei diesen Unterstützungs- und Hilfeleistungen
um solche, die aufgrund eines besonderen Freundschafts- und Vertrauensverhältnisses von dem Beklagten für die Erblasserin
erbracht worden sind. Dies wird im Einzelnen schon aus der im Tatbestand dargestellten familiären und gesundheitlichen Lage der
Erblasserin deutlich, die mit Ausnahme des Beklagten keinerlei nennenswerte Unterstützung bei der Bewältigung des von ihr
gewünschten Umzuges und dessen Finanzierung erfahren hat. Die in den von dem Kläger als Anlagen K9 bis K12 (Bl.### – ### d.A.)
eingereichten Schreiben der Erblasserin zum Ausdruck kommende Dankbarkeit gegenüber dem Beklagten unterstreicht diese
Würdigung. Denn hierin ist dokumentiert, dass die Erblasserin dem Beklagten für seine ehrenamtlichen Betreuerleistungen (vgl.
Schreiben vom 22.08.2007) Zahlungen als Anerkennungs- und Ausgleichsbeträge beziehungsweise Aufwandsentschädigungen
zuwenden wollte, um dem Beklagten gegenüber damit zugleich ihre Dankbarkeit für dessen Unterstützungsleistungen zu zeigen.
Zugleich wird hiermit deutlich, dass die Unterstützungsleistungen des Beklagten die volle Billigung der Erblasserin erfahren haben. Der
Umstand, dass die Erblasserin den Beklagten nach seinem insoweit unwidersprochenen Vortrag (S. 4 der Klageerwiderung) auch in
der Vergangenheit nie zu einer näheren Auskunftserteilung oder gar Rechnungslegung aufgefordert hat, unterstreicht diese
Würdigung. Das aus dieser Gesamtentwicklung klar zu Tage tretende besondere persönliche Nähe- und Vertrauensverhältnis
zwischen dem Beklagten und der Erblasserin bestand, wie nicht zuletzt die allein von dem Beklagten organisierte Bestattung zeigt, bis
zum Tode der Erblasserin fort. Ein rechtsgeschäftlicher Bindungswille der Erblasserin und des Beklagten kann in Anbetracht dieser
Gesamtumstände nicht bejaht werden.
Vor diesem Hintergrund begründet auch allein der Rechtsgedanke von Treu und Glauben (
Klägers gegen den Beklagten. Es fehlt an der hierfür erforderlichen Sonderverbindung zwischen den Parteien (vgl. OLG Köln, aaO.,
unter II.2.; Palandt/Grüneberg, aaO., § 242 Rd.5 jeweils m.w.N.).
Die Frage, ob der Beklagte von der ihm unter dem 21.06.2001 erteilten Vollmacht überhaupt als Vorsorgevollmacht im Rechtssinne
(vgl. zum Begriff nur Palandt/Götz, BGB, 75. Aufl. 2016, Einf.v. § 1896 Rd.5 m.w.N.) Gebrauch gemacht hat, ob die tatsächlichen
Voraussetzungen dafür vorlagen und ob deshalb ein bindendes Auftragsverhältnis zwischen dem Beklagten und der Erblasserin eher
bejaht werden kann (so etwa OLG Brandenburg, aaO., unter I.1.a.; Palandt/Götz, aaO., Einf.v. § 1896 Rd.6), bedarf hier keiner
Vertiefung. Denn der Kläger hat dazu nichts vorgetragen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf
Streitwert: 25.000,00 € (Beschluss vom 08.04.2016 = Bl.### d.A.).
Entscheidung, Urteil
Gericht:LG Bonn
Erscheinungsdatum:20.05.2016
Aktenzeichen:1 O 80/16
Rechtsgebiete:
Vormundschaft, Pflegschaft (familien- und vormundschaftsgerichtliche Genehmigung)
Gesetzliche Erbfolge
Betreuungsrecht und Vorsorgeverfügungen
Allgemeines Schuldrecht
AGB, Verbraucherschutz
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
BGB §§ 13, 157, 242, 662, 666, 1833, 1908i, 1922; ZPO § 254