OLG Brandenburg 18. November 2022
5 W 110/21
BGB § 1030

Anforderungen an einen aufschiebend oder auflösend bedingten Nießbrauch

letzte Aktualisierung: 10.7.2023
OLG Brandenburg, Beschl. v. 18.11.2022 – 5 W 110/21

BGB § 1030
Anforderungen an einen aufschiebend oder auflösend bedingten Nießbrauch

Ein Nießbrauch kann aufschiebend oder auflösend bedingt bestellt werden. Das Recht muss in
seinem Entstehens- wie in seinem Erlöschenstatbestand so genau bezeichnet werden, dass seine
Existenz – im Streitfall ggf. vom Prozessgericht – eindeutig festzustellen ist. Dabei
können die objektiven Umstände jedoch außerhalb des Grundbuchs liegen, sofern sie nachprüfbar
sind. Das Ereignis, welches die Bedingung auslöst, muss nicht sogleich und in der Weise
feststellbar sein, dass es über seinen Eintritt keine Meinungsverschiedenheiten oder Streit geben
könnte.

(Leitsatz der DNotI-Redaktion)

Gründe

I.

Die Beschwerdeführer wenden sich gegen die Zurückweisung eines Antrages auf Eintragung eines aufschiebend und auflösend bedingten Nießbrauchs durch das Grundbuchamt.

Der Antragsteller zu 1 räumte der Antragstellerin zu 2 mit notarieller Urkunde vom 5. Januar 2021 (Urkundenrolle Nr. …/2021 des Notars Dr. J… R… in L…) einen Nießbrauch an dem Grundstück Flur …, Flurstücke (X1) und (X2), eingetragen im Grundbuch von D..., Blatt ..., ein, kraft dessen Nutzungen und Lasten grundsätzlich der Antragstellerin zu 2 zustehen sollten. Das Recht steht nach Ziffer II.1 der Urkunde unter der aufschiebenden Bedingung des Todes des Antragstellers zu 1 sowie unter der auflösenden Bedingung der lebzeitigen Beendigung der Lebensgemeinschaft der Antragsteller zu 1 und 2, gleich aus welchem Grund und auf wessen Betreiben. Die Lebensgemeinschaft soll danach als beendet gelten, wenn zwischen den beiden Antragstellern keine häusliche Gemeinschaft besteht und der Lebensgefährte sie erkennbar nicht herstellen will, weil er sie ablehnt. Die Rechtsprechung zu § 1567 BGB solle entsprechend gelten. Unabhängig von ihrem tatsächlichen Eintritt soll die auflösende Bedingung jedenfalls dann als eingetreten gelten, wenn einer der Antragsteller aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen ist. Die Antragsteller beantragten in der Urkunde die Eintragung dieses bewilligten Nießbrauchs.

Mit Schreiben vom 12. Januar 2021 beantragte der Notar beim Grundbuchamt die Eintragung des Nießbrauchrechts.

Das Grundbuchamt hat den Antrag auf Eintragung des Nießbrauchs mit Beschluss vom 16. Juli 2021 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es unter Verweis auf Beschlüsse des Senats (5 W 13/19 und 5 W 93/19) ausgeführt, dass das Entstehen des Rechts nicht in der Form des § 29 GBO nachgewiesen werden könne.

Gegen diese Entscheidung wenden sich die Antragsteller mit ihrer, vom Notar eingelegten Beschwerde vom 3. August 2021. Er macht geltend, die Eintragung einer auflösenden Bedingung im Grundbuch setze nicht voraus, dass der Eintritt der auflösenden Bedingung in grundbuchtauglicher Form nachgewiesen sei. Der Eintritt der aufschiebenden Bedingung müsseebenfalls nicht mit den Mitteln des § 29 GBO nachweisbar sein. Die Frage, ob die auflösende Bedingung eingetreten sei oder nicht, stelle sich zudem nicht bei Eintragung des Rechts, sondern allenfalls im Zeitpunkt des Todes des Eigentümers für die Frage der Erstarkung zum Vollrecht bzw. im Fall der Löschung, wenn der Eigentümer vom Berechtigten infolge der Beendigung der Lebensgemeinschaft die Löschung verlange. Voraussetzung für die Eintragung des bedingten Nießbrauchs sei lediglich, dass die Bedingung den Bestimmtheitsgrundsatz wahre. Dies sei auch hinsichtlich der lebzeitigen Beendigung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft der Fall. Deren Existenz ließe sich anhand einer Vielzahl von Indizien ermitteln. Die grundbuchrechtliche Form des § 29 GBO spiele für die Bestimmbarkeit des Rechts keine Rolle.

Das Grundbuchamt hat der Beschwerde mit weiterem Beschluss vom 31. August 2021 nicht abgeholfen und dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Beschwerde der Antragsteller ist zulässig (§§ 71 Abs. 1, 73 GBO) und hat auch in der Sache Erfolg. Der Senat hält an seiner in den Verfahren 5 W 13/19 und 5 W 93/19 geäußerten Rechtsauffassung nicht länger fest.

1.

Gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 GBO soll eine Eintragung nur vorgenommen werden, wenn die Eintragungsbewilligung oder die sonstigen zur Eintragung erforderlichen Erklärungen durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen werden. Andere Voraussetzungen der Eintragung bedürfen nach § 29 Abs. 1 Satz 2 GBO, soweit sie nicht beim Grundbuchamt offenkundig sind, ebenfalls des Nachweises durch öffentliche Urkunden.

Grundsätzlich bedarf die Bestellung eines Nießbrauchs an beweglichen und unbeweglichen Sachen keiner Form. Die Einräumung eines Nießbrauchs im Wege der Schenkung nach § 518 Abs. 1 BGB erfordert die notarielle Beurkundung (Ring/Grziwotz/Schmidt-Räntsch, NK-BGB, Band 3, 5. Aufl. 2022, Rn. 12 zu § 1030). Auch die dingliche Einigung zwischen dem Besteller und dem Nießbraucher ist grundsätzlich formfrei. Bei Grundstücken ist die für die Eintragung des Nießbrauchs in das Grundbuch notwendige Eintragungsbewilligung des Eigentümers (§ 19 BGO) immer formgebunden und muss dem Grundbuchamt durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen werden, § 29 Abs. 1 Satz 1 GBO.

Erklärungen sind im Grundbuchverfahren nur verwertbar, wenn sie nicht an Bedingungen, Zeitbestimmungen oder sonstige Vorbehalte geknüpft sind, es sei denn, das Grundbuchamt kann deren Eintritt mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln prüfen (Beck-OK, GBO, Rn. 129 zu § 29).

Vorliegend steht die von dem Antragsteller zu 1 vor dem Notar erklärte Eintragungsbewilligung für die Einräumung des Nießbrauchs zugunsten der Antragstellerin zu 2 nicht unter einer Bedingung. Sie wurde vielmehr in der Form des § 29 GBO erklärt.

Ob ein einzutragendes Recht hingegen unter einer Bedingung oder Befristung eingetragen werden kann, ist eine Frage des materiellen Rechts, die im Allgemeinen zu bejahen ist (Demharter GBO, 32. Aufl. 2021, § 19 Rn. 32). Ausnahmen gelten etwa für die Auflassung (§ 925 Abs. 2 BGB) oder für die Bestellung und Übertragung eines Erbbaurechts (§ 1 Abs. 4, 11 Abs. 1 S. 2 ErbbauRG), nicht aber für die Bestellung eines Nießbrauchs.

2.

Ein Ereignis, das zur Bedingung für das Entstehen oder Erlöschen eines Rechts gemacht werden soll, muss mit genügender Bestimmtheit feststellbar sein, nicht erforderlich ist aber, dass ein Streit über den Eintritt des Ereignisses ausgeschlossen ist (BayObLG, Beschluss vom 7. August 1997, Az. 2Z BR 61/97, FGPrax 1997, 210).

Ein Nießbrauch (§ 1030 BGB) kann als dingliches Grundstücksrecht aufschiebend und/oder, wenn er nicht auf Lebenszeit des Berechtigten bestellt wird (vgl. § 1061 BGB), auflösend bedingt (§ 158 Abs. 1 bzw. Abs. 2 BGB) bestellt werden. Für die Art der Bedingung(en) bestehen wegen des grundbuchrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes regelmäßig keine Beschränkungen.

Allerdings ist das Recht in seinem Entstehens- wie in seinem Erlöschenstatbestand so genau zu bezeichnen, dass seine Existenz - im Streitfall gegebenenfalls durch das Prozessgericht - eindeutig feststellbar ist. Das Recht muss aufgrund objektiver Umstände bestimmbar und für einen Dritten erkennbar und verständlich sein. Dabei können die objektiven Umstände jedoch außerhalb des Grundbuchs liegen, sofern sie nachprüfbar und wenigstens in der Eintragungsbewilligung angedeutet sind (OLG München, Beschluss vom 9. Dezember 2016, Az. 34 Wx 417/16, ZWV 2017, 167 m.w.N.). Unsicherheiten im Einzelfall stehen dem Bestimmtheitserfordernis nicht entgegen. Das Ereignis, welches die Bedingung auslöst, mussnicht sogleich und ohne weiteres feststellbar sein, ohne dass es über seinen Eintritt Meinungsverschiedenheiten oder gar Streit geben könnte (vgl. OLG München, a.a.O., Rz. 9).

Die Bestimmtheit ist meist dann sichergestellt, wenn der verwendete Begriff oder die verwendete Umschreibung durch Gesetz oder Rechtsprechung näher ausgefüllt ist und dadurch einen objektiv bestimmbaren Bedeutungsinhalt gewonnen hat (vgl. z. B. BGHZ 151, 116/123 f.).

Dies ist hinsichtlich der von den Antragstellern im notariellen Vertrag verwandten Bedingungen zu bejahen.

Vorliegend handelt es sich nicht um zwei eigenständige Bedingungen, die selbständig nebeneinander stehen, sondern um eine einheitliche Bedingung, die zugleich aufschiebend und auflösend ausgestaltet ist. Die aufschiebende Bedingung für das Entstehen des Rechts, das Vorversterben des Antragstellers zu 1, kann nur eintreten, wenn zuvor zu Lebzeiten des Antragstellers zu 1 die auflösende Bedingung der lebzeitigen Beendigung der Lebensgemeinschaft der Beteiligten nicht eingetreten ist.

Die Beendigung der Lebensgemeinschaft der Beteiligten ist hinreichend, notfalls durch das Gericht, bestimmbar.

Ausgehend von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur „eheähnlichen Gemeinschaft“ als einer typischen Erscheinung des sozialen Lebens hebt sie sich hinreichend deutlich von anderen Gemeinschaften ab. Verstanden wird sie als eine Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau, die auf Dauer angelegt ist, daneben keine andere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die Beziehungen einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen (BVerfG, Urteil vom 17. November 1992, Az. 1 BvL 8/87; Grüneberg/Götz, BGB, Einl. v. § 1297 Rn. 10). Im Rechtssinne ist sie mehr als die bloße Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft und lässt sich als sog. Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft charakterisieren, bei der nicht die persönlichen Bedürfnisse im Vordergrund stehen, sondern primär der gemeinsame Lebensbedarf (BGH, Urteil vom 5 Juli 2003, Az. XII ZR 11/04; Wellenhöfer in MüKoBGB, 9. Aufl., nach § 1302 Rn. 3 m.w.N.). Deren Existenz ist aufgrund von Indizien zu ermitteln wie Bestand einer häuslichen Gemeinschaft und deren Anlegung auf Dauer, gemeinsames Wirtschaften, gemeinsame Lebensführung, geschlechtliche Beziehungen, Verfügungsmacht über Konten u.s.w. (Wellenhöfer a.a.O.). Abgrenzungsprobleme verbleiben indessen (BGH, Beschluss vom 13. Januar 1993 – VIII ARZ 6/92, NJW 1993, 999; Wellenhöfer, a.a.O.).

Dem Vertrag ist zu entnehmen, dass die Parteien jedenfalls das gemeinsame Wohnen allein nicht als hinreichenden Umstand für eine bestehende Lebensgemeinschaft erachten. Sie formulieren insoweit, dass die Lebensgemeinschaft beendet sei, wenn zwischen den beteiligten Lebensgefährten keine häusliche Gemeinschaft besteht und ein Lebensgefährte sie erkennbar nicht herstellen will, weil er die Lebensgemeinschaft ablehne. Welche sonstigen Merkmale über das gemeinsame Wohnen hinaus indessen die Lebensgemeinschaft der Parteien (positiv) begründet, ist zwar nicht festgelegt. Allerdings sind auch hier die Kriterien für das Bestehen einer derartigen Gemeinschaft durch die höchstrichterliche Rechtsprechung, auf die die Beteiligten ausdrücklich Bezug nehmen, näher ausgefüllt, so dass ihm ein objektiv bestimmbarer Bedeutungsinhalt zukommt (BGH, Beschluss vom 13. Juni 2002, Az. V ZB 30/01).

3.

Die Kostenfolge hinsichtlich der Gerichtskosten ergibt sich aus dem Gesetz (§ 22 Abs. 1, 25 Abs. 1 GNotGK); eine Entscheidung über die Erstattung außergerichtlicher Kosten ist nicht veranlasst.

4.

Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 36 Abs. 3 GNotKG.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Brandenburg

Erscheinungsdatum:

18.11.2022

Aktenzeichen:

5 W 110/21

Rechtsgebiete:

Sachenrecht allgemein
Ehevertrag und Eherecht allgemein
Grundbuchrecht
Kostenrecht
Dienstbarkeiten und Nießbrauch
Erbbaurecht
Grundstücksübergabe, Überlassungsvertrag

Normen in Titel:

BGB § 1030