OLG München 21. Dezember 2018
8 U 3464/17
BGB §§ 133, 157, 2042, 2048, 2150, 2204 Abs. 1, 2216

Widerruf der Zustimmung zur teilungsanordnungswidrigen Veräußerung durch den Testamentsvollstrecker

letzte Aktualisierung: 27.6.2019
OLG München, Beschl. v. 21.12.2018 – 8 U 3464/17

BGB §§ 133, 157, 2042, 2048, 2150, 2204 Abs. 1, 2216
Widerruf der Zustimmung zur teilungsanordnungswidrigen Veräußerung durch den
Testamentsvollstrecker

1. Eine als „Vorausvermächtnis“ bezeichnete Anordnung eines Erblassers stellt entgegen des
Wortlautes eine Teilungsanordnung i. S. d. § 2048 BGB dar, sofern in der Anordnung nur festgelegt
wird, welche konkreten Nachlassgegenstände die Miterben im Rahmen der Erbauseinandersetzung
erhalten und auch kein Miterbe begünstigt werden sollte.

2. Die Teilungsanordnung ist für den Testamentsvollstrecker bei der Auseinandersetzung des
Nachlasses bindend. Hat der Erblasser in Bezug auf ein Nachlassgrundstück die Übertragung der
Immobilie zu gleichen Teilen an zwei Miterben verfügt, hat der Testamentsvollstrecker jegliche
Verwertung des Grundstücks durch Verkauf an einen Dritten zu unterlassen.

3. Haben sich die Erben zunächst mit einem Verkauf des Grundstücks an einen Dritten
einverstanden erklärt, kann das Einverständnis mit der Vornahme einer von der Teilungsanordnung
des Erblassers abweichenden Veräußerung durch einen Erben frei widerrufen werden. Insoweit
bedarf es nicht eines einstimmigen Beschlusses der Erbengemeinschaft, da die Miterben durch die
Einsetzung eines Testamentsvollstreckers von der Verwaltung ausgeschlossen sind.

4. Im Übrigen ist der Testamentsvollstrecker nur an die Teilungsanordnung des Erblassers und nicht
an abweichende Vereinbarungen der Erben gebunden. Das Einverständnis der Erben, von der
Anordnung abzuweichen und eine anderweitige Teilung vorzunehmen führt nicht zur Aufhebung
der Teilungsanordnung. (Leitsätze der DNotI-Redaktion)

Gründe

I.
Die Klägerin verlangt mit ihrer Klage vom Beklagten zu 1) als von der Erblasserin eingesetztem
Testamentsvollstrecker, die Verwertung des Nachlassgrundstücks (E. Str. 50 in W.), insbesondere im Wege
des Verkaufs (Klageantrag I.) zu unterlassen. Ferner begehrt sie Feststellung, dass der Beklagte zu 2)
verpflichtet ist, dem Nachlass der am ...4.2015 verstorbenen C. H. alle Schäden zu ersetzen, die dadurch
entstanden sind, dass er in seiner Eigenschaft als Testamentsvollstrecker das zum Nachlass gehörende
Grundstück W., E. Straße 50, im Wege des Verkaufs veräußern wollte (Klageantrag II.).

Der Bruder der Klägerin, G. H., ist dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten als Streithelfer beigetreten.
Hinsichtlich der weiteren tatsächlichen Feststellungen nimmt der Senat auf die Feststellungen im
landgerichtlichen Urteil Bezug, das der Klage stattgegeben hat, jedoch auf S. 19 ausgeführt hat, dass das
erteilte Einverständnis der Klägerin nach deren Schreiben vom 12.7.2016 (Anl. K 2) hinfällig gewesen sei.
Die Beklagten zu 1) und 2) sowie der Streithelfer verfolgen ihre erstinstanzlichen Anträge auf
Klageabweisung mit ihren Berufungen weiter.

Die Klägerin beantragt,
die Berufungen zurückzuweisen.

Unter dem 29.8.2018 hat der Senat den aus Bl. 211/225 d.A. ersichtlichen Hinweisbeschluss im Sinne des §
522 Abs. 2 Satz 2 ZPO erlassen, auf den die Beklagten zu 1) und 2) sowie der Streithelfer jeweils mit
Schriftsatz vom 25.10.2018 erwidert haben.

Zur weiteren Ergänzung des Sach- und Streitstands nimmt der Senat auf alle zwischen den Parteien im
Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf alle gerichtlichen Entscheidungen
und Protokolle Bezug.

II.
Das Endurteil des Landgerichts München II vom 19.04.2017 weist in Ziff. 2 eine offenbare Unrichtigkeit im
Sinne von § 319 Abs. 1 ZPO auf, sodass es von Amts wegen zu berichtigen war.

Das Landgericht hat auf S. 19 des angegriffenen Urteils ausgeführt, dass die Klagepartei einer zunächst
einvernehmlichen Hinwegsetzung über die getroffene Anordnung (der Erblasserin) nicht mehr zugestimmt
habe, wie sich ihrem Schreiben vom 12.07.2016 (Anl. K 2) und ihrer Klage entnehmen ließe. Damit hat das
Landgericht eine zeitliche Einschränkung dahingehend vorgenommen, dass der Beklagte zu 2) in seiner
Eigenschaft als Testamentsvollstrecker das Grundstück ab dem Widerruf des von der Klägerin zunächst
erteilten Einverständnisses am 12.7.2016 nicht mehr verwerten durfte, sodass der Feststellungsantrag auf
Ersatz etwaiger, ab diesem Zeitpunkt entstandener Schäden beschränkt war. Diese, in den
Entscheidungsgründen erörterte zeitliche Einschränkung hat das Erstgericht offenbar versehentlich nicht in
den Tenor in Ziff. 2 aufgenommen, so dass es sich um einen Fehler in der Verlautbarung handelt, der
jederzeit auch durch das Berufungsgericht von Amts wegen gemäß § 319 Abs. 1 ZPO berichtigt werden
kann (Thomas/Putzo, 39. Aufl. § 319 Rn. 5).

III.
Alle Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO liegen vor.

Der Senat nimmt insoweit auf den soeben erwähnten Beschluss vom 29.8.2018 Bezug; die hierauf
erwidernden Schriftsätze der Beklagten zu 1) und 2) sowie des Streithelfers vom 25.10.2018 sind nicht
geeignet, die in diesem Beschluss aufgeführten Argumente zu entkräften bzw. den Berufungen zum Erfolg
zu verhelfen. Im Einzelnen:

A.
Schriftsatz der Rechtsanwälte B., Bl. 251/255 d.A. (Beklagte zu 1) und 2)

1. Klageantrag I.

a) Soweit die Beklagten zu1) und 2) geltend machen - und insoweit übergangenen Vortrag im Schriftsatz des
Beklagten vom 22.3.2017 rügen -, dass ein Rechtsschutzbedürfnis für die von der Klägerin erhobenen
Unterlassungsklage fehle, da der Beklagte zu 1) der Klägerin im Schreiben vom 21.7.2016 (Anl. K 6) - mithin
noch vor Klageerhebung - bestätigt habe, dass er bis zur rechtskräftigen Klärung der Frage, ob das
Grundstück verwertet werden dürfe, weder Maklerverträge abschließen noch Verkaufsgespräche oder
diesbezügliche Verhandlungen bezüglich des Grundstücks führen würde, greift dieser Einwand nicht durch.
Denn das vorliegende Verfahren dient gerade der rechtskräftigen Klärung dieser Frage.

Darüber hinaus hat auch der Beklagte zu 1) selbst die Auffassung vertreten, dass eine gerichtliche
Entscheidung zur Frage seiner Verwertungsbefugnis bzw. der Rechtsnatur der testamentarischen
Anordnung erforderlich sei, wie sich dem Schriftsatz vom 22.3.2017 entnehmen lässt, so dass sich auch
hieraus ein Rechtsschutzbedürfnis für die von der Klägerin mit dem Ziel der Untersagung einer Verwertung
des Grundstücks erhobenen Klage ergibt.

b) Der Beklagten-Schriftsatz vom 25.10.2018 greift die Ausführungen im Hinweisbeschluss auf S. 8 an
(“freier Widerruf des von der Klägerin erteilten Einverständnisses zur Verwertung des Grundstücks“…) und
macht geltend, dass der Senat nicht die Frage eines Verzichtes bzw. einer Ausschlagung eines etwaigen
Vorausvermächtnisses und/oder einer Teilungsanordnung durch Vereinbarung der Erben geprüft habe. Hätte
er dies getan, wäre er zu dem Ergebnis gelangt, dass der Anspruch untergegangen ist.

Die Beklagten verkennen insoweit jedoch, dass die Erblasseranordnungen für den Testamentsvollstrecker
gemäß §§ 2203, 2204 BGB bindend sind, worauf der Senat bereits in seinem Beschluss vom 29.08.2018
hingewiesen hat (dort S. 7/8). Die Erben, zwischen denen eine Teilungsanordnung nur eine schuldrechtliche
Wirkung entfaltet, können zwar anstelle des ihnen jeweils zustehenden Auseinandersetzungsanspruchs
(BGH NJW 81, 1837) einvernehmlich eine davon abweichende Teilung miteinander vereinbaren, so dass der
Testamentsvollstrecker abweichend von der testamentarischen Anordnung eine andere, dinglich wirksame
Aufteilung des Nachlasses vornehmen kann. Gleichwohl hat eine solche Vereinbarung der Erben keinen
Einfluss auf den Bestand der von der Erblasserin getroffenen Anordnung, die daher weiterhin für den
Testamentsvollstrecker bindend ist. Aufgrund der Einsetzung des Beklagten zu 1) als Testamentsvollstrecker
unterlag der gesamte Nachlass seiner Verwaltung (§ 2205 Abs. 1 S. 1 und 2 BGB), sodass die Miterben von
der Verwaltung ausgeschlossen sind und daher nicht berechtigt waren, über Nachlassgegenstände zu
verfügen.

Darüber hinaus erfordert ein Verzicht bzw. eine Ausschlagung wegen der weitreichenden Folgen eine klare
und eindeutige Erklärung der Miterben, woran es vorliegend jedenfalls fehlen würde.

c) Soweit der Beklagten-Schriftsatz auf S. 4 (ohne Angabe einer Fundstelle) Ausführungen im
Senatsbeschluss angreift, kann bereits nicht nachvollzogen werden, auf welche Stelle im Senatsbeschluss
Bezug genommen wird, da sich die zitierte Aussage (“… dass der Testamentsvollstrecker auf alle Fälle
wegen § 2216 BGB an eine Verwaltungsanordnung gebunden sei“) nicht darin befindet. Auch ist weder
ersichtlich noch vorgetragen, welche Schlussfolgerungen die Beklagtenseite hieraus zieht, sodass hierauf
nicht weiter einzugehen ist.

2. Klageantrag II.

a) Ohne Erfolg machen die Beklagten geltend, dass kein Fall des § 319 ZPO vorliegen würde, da sich das
Landgericht in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils nicht mit einer etwaigen zeitlichen
Einschränkung auseinandergesetzt habe. Auf die vorstehenden Ausführungen unter II. wird insoweit Bezug
genommen.

b) Der Beklagten-Schriftsatz vom 25.10.2018 greift ferner die Ausführungen im Hinweisbeschluss auf S.
11/12 an (“Grundsätzlich steht ihm bei Auslegungsfragen keine Entscheidungsmacht zu, so dass er zur
Vermeidung einer Haftung bei einer Fehlinterpretation ggfs. Feststellungsklage erheben muss“) und trägt vor,
dass der Beklagte zu 1) unstreitig am 24.8.2016 eine Feststellungsklage beim Landgericht München II
eingereicht habe, um den Auslegungsstreit unter den Erben klären zu lassen. Jedenfalls sei die vom
Beklagten zu 1) vorgenommene Auslegung vertretbar gewesen, wie daraus ersichtlich sei, dass das
Erstgericht und der Senat eine unterschiedliche rechtliche Qualifizierung der Anordnung der Erblasserin
vorgenommen hätten. Das Vorbringen der Beklagten führt gleichfalls nicht zum Erfolg.

Wie der Senat bereits im Hinweisbeschluss ausgeführt hat (LGU S.11unten/12 oben), ist die Annahme des
rechtskundigen Beklagten zu 2), dass die von der Erblasserin getroffene Anordnung eines
„Vorausvermächtnisses“ in Bezug auf die Immobilie aufgrund der Erbeinsetzung der beiden Miterben zu je
1/2 keinen Sinn mache und daher so ausgelegt werden müsse, dass nach dem Willen der Erblasserin die
Testamentsvollstreckung im Vordergrund gestanden habe und der Beklagte daher zur Verwertung des
Grundstücks berechtigt gewesen sei, nicht vertretbar. Ob es sich bei der fraglichen Anordnung um eine
Teilungsanordnung handelt, wie der Senat mangels einer erkennbaren Begünstigungsabsicht in Bezug auf
einen Miterben angenommen hat, oder um ein Vorausvermächtnis, wie das Erstgericht meint, ist im Ergebnis
nicht entscheidend, da der Beklagte zu 1) in beiden Fällen zur Übereignung von hälftigem
Bruchteilseigentum an die beiden Miterben verpflichtet wäre, so dass die unterschiedliche rechtliche
Qualifizierung der Anordnung durch das Erstgericht und den Senat nicht als Argument für die Vertretbarkeit
der vom Beklagten zu 2) vorgenommenen Auslegung herangezogen werden kann.

c) Die Behauptung der Beklagtenseite, das Erstgericht habe Vortrag im Schriftsatz vom 22.3.2017
übergangen, wonach dieser unstreitig eine Feststellungsklage zur Klärung seiner Verwertungsbefugnis beim
Landgericht München I eingereicht habe, führt gleichfalls nicht zum Erfolg.

aa) Es handelt sich insoweit um neuen Tatsachenvortrag, den die Berufung erstmals im Schriftsatz vom
25.10.2018 (dort S. 2 = Bl. 252 d.A.) gebracht hat, so dass das Vorbringen verspätet ist (§ 530 ZPO) und
daher nicht berücksichtigt werden kann. § 529 Abs. 2 S. 1 ZPO bestimmt für nicht von Amts wegen zu
berücksichtigende Fehler, wie den hier gerügten Fehler, dass diese vom Berufungsgericht nur geprüft
werden, wenn sie gemäß § 520 Abs. 3 S. 2 ZPO gerügt worden sind. Hierauf hat der Senat bereits in seinen
allgemeinen Verfahrenshinweisen hingewiesen. Es kann indes dahingestellt bleiben, ob das Landgericht
entsprechenden Vortrag übergangen hat, da sich ein Rechtsschutzbedürfnis hinsichtlich der mit Klageantrag
Ziff. 2 begehrten Feststellung aufgrund folgender Erwägungen ergibt:

bb) Da der Beklagte zu 2) in seinem Schriftsatz vom 21.07.2016 erklärt hat, Verwertungshandlungen in
Bezug auf die Immobilie zu unterlassen, bezieht sich diese Erklärung lediglich auf den Zeitraum ab dem
21.07.2016, sodass im Zeitraum ab Widerruf des von der Klägerin erteilten Einverständnisses mit dem
Verkauf des Grundstücks am 12.7.2016 bis zur Erklärung im Schriftsatz vom 21.07.2016 nicht geklärt ist, ob
der Beklagte zu 2) in dieser Zeit Verkaufsbemühungen unternommen hat, und daher insoweit ein
Rechtsschutzbedürfnis an der von der Klägerin begehrten Feststellung der Verpflichtung des Beklagten zu
2), dem Nachlass den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen, besteht.

cc) Darüber hinaus fehlt aber auch ein Nachweis, dass der Beklagte zu 2) in der Zeit ab der im Schriftsatz
vom 21.07.2016 erklärten Abstandnahme tatsächlich keine Verkaufsbemühungen unternommen bzw. Makler
beauftragt hat, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt ein Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin an einer
entsprechenden Feststellung nicht verneint werden kann. Entgegen der Auffassung der Beklagten (vgl.
Schriftsatz der Rechtsanwälte F., dort unter 5.) ist eine Klage auf Feststellung der Verpflichtung eines
Schädigers zum Ersatz künftiger Schäden zulässig, wenn die Möglichkeit eines Schadenseintritts, wie
vorliegend, besteht.

dd) Wenn es so wäre, wie der Beklagte zu 2) behauptet, dass keine Maklerkosten angefallen sind, dann
hätte dies letztlich nur zur Folge, dass kein Schaden entstanden ist und den Beklagten daher auch keine
Ersatzpflicht trifft. Das Rechtsschutzbedürfnis an der mit der Klage begehrten Feststellung in Ziff. 2 bleibt
jedoch bestehen.

B.
Schriftsatz der Rechtsanwälte F., Bl. 239/250 d.A. (Beklagte zu 1) und 2))

Klageantrag I.

1. Soweit die Beklagten das Fehlen eines Rechtsschutzbedürfnisses in Bezug auf die erhobene
Unterlassungsklage rügen, wird auf die vorstehenden Ausführungen unter A. 1.a) Bezug genommen.
2./3. Soweit die Beklagten zwar die Auffassung des Senats teilen, dass die fragliche Anordnung der
Erblasserin rechtlich nicht als Vorausvermächtnis zu qualifizieren sei, jedoch die Ausführungen zur
Teilungsanordnung im Hinweisbeschluss angreifen (S. 7 ff.) und geltend machen, dass die Erblasserin nur
versehentlich den Begriff „Wert“ bei der Formulierung des „Vorausvermächtnisses“ in Bezug auf die
Immobilie nicht verwendet habe, vermag dieses Vorbringen einen Rechtsfehler des Landgerichts bei der
vorgenommenen Auslegung nicht zu begründen.

Das Landgericht hat vielmehr die höchstrichterlichen Rechtssätze bei der Auslegung der
streitgegenständlichen Anordnung beachtet und weder Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt noch
wesentlichen Auslegungsstoff außer Acht gelassen. Es hat sich gerade nicht nur am Wortlaut der von der
Erblasserin getroffenen Anordnung in Ziff. 2 des Testaments orientiert, sondern den gesamten Text des
Testaments in den Blick genommen und ist wegen der in Ziff. 2 vorgenommenen Differenzierung (zwischen
der streitgegenständlichen Immobilie einerseits und dem „Wert“ einer kleineren Immobilie im Falle des
Verkaufs des Hauses andererseits) sowie der auch an anderen Stellen des Testaments vorgenommenen
Unterscheidung zwischen einem Nachlassgegenstand, einem Anteil daran sowie dessen Wert zu der - auch
den Senat überzeugenden - Auffassung gelangt, dass die Erblasserin den beiden Miterben jeweils hälftiges
Bruchteilseigentum am streitgegenständlichen Grundstück zuwenden wollte. Eine versehentliche
Auslassung des Wortes „Wert“ in Satz 1 von Ziff. 2, wie die Beklagten geltend machen, kann bereits
aufgrund des Satzbaus ausgeschlossen werden.

Auch kann entgegen der Auffassung der Beklagtenseite aus der Verwendung des Begriffs „Wert“ bei der
Zuteilung der übrigen Vermögenswerte nicht abgeleitet werden, dass die Erblasserin jegliche
Berührungspunkte zwischen ihren beiden Kindern vermeiden wollte, sodass durch eine Übertragung des
hälftigen Miteigentums an der Immobilie dieser Wunsch der Klägerin konterkarriert würde. Denn ein solcher
tatsächlicher Wille der Erblasserin kann der Anordnung der Testamentsvollstreckung in Verbindung mit der
Anordnung der wertmäßigen Aufteilung des Nachlasses in Bezug auf die Bankkonten nicht entnommen
werden. Selbst wenn man unterstellen würde, dass die Erblasserin die Testamentsvollstreckung angeordnet
hat, um jegliche Berührungspunkte zwischen ihren Kindern bei der Aufteilung ihres Nachlasses zu
vermeiden, wie die Beklagten vortragen, würde dies der vom Landgericht vorgenommenen Auslegung nicht
entgegenstehen, da eine Veräußerung der Immobilie bei nicht erzielbarer Einigung über einen freihändigen
Verkauf unter den Geschwistern jederzeit im Wege der Zwangsversteigerung möglich wäre. Dass hierbei in
der Regel ein erheblich schlechterer Kaufpreis erzielt wird als bei einem freihändigen Verkauf, ist allgemein
bekannt und war auch den beiden Miterben bekannt, wie sich aus der vorgelegten Korrespondenz ergibt.

Dass es der Erblasserin bei der getroffenen Anordnung in erster Linie darauf ankam, ihren Kindern den
höchsten erzielbaren Verkehrswert des Hauses zuzuwenden, ergibt sich weder bei Vornahme einer
Gesamtbetrachtung der testamentarischen Verfügungen noch kann unterstellt werden, dass eine aus
objektiver Sicht vorzugswürdige Verwertung der Immobilie im Wege eines freiwilligen Verkaufs dem
tatsächlichen Willen der Erblasserin entsprach.

Klageantrag II.

1. - 3. Soweit die Beklagtenpartei den Tenor des Erstgerichts mit der Begründung als rechtsfehlerhaft rügt,
dass § 2219 BGB nur einen Schadensersatzanspruch des einzelnen Erben begründe, so dass die Klägerin
als Miterbin zu 1/2 nur die Hälfte des geltend gemachten Betrages erstattet erhalten könne, greift dieser
Einwand gleichfalls nicht durch.

Anspruchsberechtigter Gläubiger des Anspruchs aus § 2219 Abs. 1 BGB ist der Erbe. Bei einer Mehrheit von
Erben ist für die Geltendmachung des Ersatzanspruchs allerdings § 2039 BGB maßgebend
(MüKoBGB/Zimmermann BGB § 2219 Rn. 6-8, beck-online). Gehört ein Anspruch zum Nachlass, kann der
Verpflichtete bei einer ungeteilten Erbengemeinschaft - wie im Streitfall - mit befreiender Wirkung nur an alle
Miterben gemeinschaftlich leisten. Danach ist zwar die Geltendmachung des Ersatzanspruchs durch jeden
Miterben allein zulässig, jeder Miterbe kann jedoch nur die Leistung an alle Erben verlangen. Dies hat die
Klägerin in Klageantrag II. zutreffend beantragt.

4. Soweit der Beklagte zu 2) die Ausführungen im Hinweisbeschluss auf S. 11 ff. angreift (“Haftung des
Beklagten zu 2) für Schäden, die aufgrund einer nicht autorisierten Verwertung der Immobilie nach Widerruf
des Einverständnisses gemäß § 2219 BGB entstanden sind“) und geltend macht, dass der Beklagte zu 2)
nicht schuldhaft gehandelt habe, wird zunächst auf die vorstehenden Ausführungen unter A. 2. a) und b) zur
Unvertretbarkeit jeder anderen Auslegung Bezug genommen. Wie oben bereits ausgeführt, hat der Beklagte
zu 1) im Schreiben vom 21.7.2016 (Anl. K 6) selbst bestätigt, dass er bis zur rechtskräftigen Klärung der
Frage, ob das Grundstück verwertet werden dürfe, weder Maklerverträge abschließen noch
Verkaufsgespräche oder diesbezügliche Verhandlungen bezüglich des Grundstücks führen würde. Er hat
somit die Klärungsbedürftigkeit dieser Frage selbst erkannt; damit wäre ein Verstoß gegen diese
„Selbstverpflichtung“ auch ohne weiteres schuldhaft für den Beklagten zu 2) persönlich.

C.
Schriftsatz der Rechtsanwältin Dr. K., Bl. 236/238 d.A. (Streithelfer)
Soweit der Streithelfer lediglich pauschal rügt, dass sich der Senat in dem Hinweisbeschluss vom
29.08.2018 weder mit den Berufungsangriffen der Beklagten noch denen des Streithelfers
auseinandergesetzt habe, verhilft dieses Vorbringen seinem Rechtsmittel nicht zum Erfolg, da sich der
Streithelfer weder mit den Argumenten im Hinweisbeschluss auseinandersetzt noch vorträgt, mit welchen
konkreten Berufungsangriffen der Beklagten und des Streithelfers sich der Senat nicht auseinandergesetzt
hat, so dass das Vorbringen nicht einlassungsfähig ist.

Soweit der Streithelfer vorträgt, dass die Erblasserin keinesfalls eine Teilungsanordnung hinsichtlich des
streitgegenständlichen Anwesens in W. habe bestimmen wollen, wie der Senat angenommen habe, lässt
das Vorbringen gleichfalls jegliche Auseinandersetzung mit den Gründen im Hinweisbeschluss vermissen, in
welchem der Senat ausführlich dargelegt hat (vgl. dort S. 3/7), weshalb er die von der Erblasserin getroffene
testamentarische Anordnung vom 24.10.2010 unter Ziff. 2 (“Vorausvermächtnisse“) als Teilungsanordnung
ausgelegt hat. Auf die Ausführungen wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Soweit
der Streithelfer den tatsächlichen Willen der Erblasserin, keinesfalls eine Teilungsanordnung hinsichtlich der
Immobilie in W. treffen zu wollen, aus der ausdrücklichen Anordnung einer
Auseinandersetzungsvollstreckung herleitet, werden lediglich die bereits vorgetragenen Argumente
wiederholt. Der Beklagte verkennt insoweit, dass eine Auseinandersetzungsvollstreckung auch dann vorliegt,
wenn der Testamentsvollstrecker lediglich Teilungsanordnungen bzw. Vorausvermächtnisse der Erblasserin
ausführt, worauf der Senat gleichfalls im Hinweisbeschluss hingewiesen hat (vgl. dort S. 7). Die Anordnung
einer Auseinandersetzungsvollstreckung lässt daher nicht lediglich die vom Streithelfer gezogenene
Schlussfolgerung zu.

III.
1. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 1, 101 Abs. 1 2. Hs., 708 Nr. 10, 711 ZPO;
für die Anwendung von § 100 Abs. 2 ZPO sieht der Senat - wie im Ergebnis schon das Landgericht - keinen
Anlass.

2. Zum Streitwert:

Abweichend von III. des Hinweisbeschlusses vom 29.8.2018 hält der Senat als Streitwert für den Antrag zu I.
doch nur 10.000,- € für angemessen. Auch wenn bei der Bewertung eines Veräußerungsverbots gemäß § 6
S. 1 Alt. 1 ZPO grundsätzlich auf den Verkehrswert abzustellen ist, bewertet der Senat das wirtschaftliche
Interesse der Klägerin hier entsprechend ihrer eigenen Bezifferung und der Auffassung der Beklagten
deutlich niedriger. Denn auch der Verwertungserlös würde der Erbengemeinschaft zugute kommen, so dass
es hier nicht um die Realisierung des Verkehrswertes geht, sondern um das geringere Interesse der
Klägerin, das Anwesen als Nachlassgegenstand zu erhalten. Das wirtschaftliche Interesse an der positiven
Feststellungsklage (Klageantrag II.) bewertet der Senat mit 2.500,- € (vgl. S. 14 des Hinweisbeschlusses),
sodass der Streitwert auf 12.500,- € festzusetzen war.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG München

Erscheinungsdatum:

21.12.2018

Aktenzeichen:

8 U 3464/17

Rechtsgebiete:

Testamentsvollstreckung
Vermächtnis, Auflage
Erbengemeinschaft, Erbauseinandersetzung
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Erschienen in:

MittBayNot 2019, 166-170
ZEV 2019, 237

Normen in Titel:

BGB §§ 133, 157, 2042, 2048, 2150, 2204 Abs. 1, 2216