OLG Schleswig 21. August 2020
2 Wx 38/20
BGB § 1105 Abs. 1; EGBGB Art. 115

Eintragung von Reallasten im Grundbuch

letzte Aktualisierung: 9.6.2021
OLG Schleswig, Beschl. v. 21.8.2020 – 2 Wx 38/20

BGB § 1105 Abs. 1; EGBGB Art. 115
Eintragung von Reallasten im Grundbuch

1. Das Gesetz betreffend die Ablösung der Reallasten in der Provinz Schleswig-Holstein vom
3.1.1873 steht der Eintragung von Reallasten, die keine festen Geldrenten zum Gegenstand
haben, nicht entgegen, sofern es sich um nicht beständige Reallasten handelt.
2. Nicht beständig sind Abgaben oder Leistungen, wenn sie zeitlich beschränkt sind. Dafür genügt
es, dass sie auf die Lebensdauer eines Menschen befristet sind.

Gründe

I.
Die Beteiligten begehren die Eintragung des Übergangs eines Miteigentumsanteils, eines
Wohnungsrechts, einer Auflassungsvormerkung sowie die Eintragung eines Pflegerechts als
Reallast im Grundbuch.

Die Beteiligten zu 1) und 2) sind als Miteigentümer zu 1/2 an einem Miteigentumsanteil von
50/100-tel an dem Grundbesitz … in … im zugehörigen Wohnungseigentum-Grundbuch
von … Blatt … des Amtsgerichts Ratzeburg eingetragen. Die Gemeinde … gehört zum
Gebiet des vormaligen Herzogtums Lauenburg. Dieses wurde seit 1865 in Personalunion
mit dem damaligen Königreich Preußen regiert und zum 1. Juli 1876 als Landkreis
Herzogtum Lauenburg in die damalige preußische Provinz Schleswig-Holstein eingegliedert.

Mit notariell beurkundetem Schenkungs- und Übertragungsvertrag vom 13. Februar 2020
übertrugen die Beteiligten zu 1) und 2) ihren Miteigentumsanteil an den Beteiligten zu 3),
ihren Sohn. In § 7 des Vertrags verpflichtete sich der Beteiligte zu 3), die Beteiligten zu 1)
und 2) nach Maßgabe in der Vertragsurkunde näher beschriebener Einzelheiten lebenslang
zu pflegen. Nach § 7 Nr. 8 des Vertrags vereinbarten die Beteiligten, zur Sicherung des
Pflegerechts der Beteiligten zu 1) und 2) eine Reallast zu ihren Gunsten an dem
übertragenen Grundbesitz zu bestellen. In § 9 des Vertrags bewilligten und beantragten die
Beteiligten neben der Eintragung eines ebenfalls vereinbarten Wohnungsrechts und einer
Rückauflassungsvormerkung die Eintragung des Pflegerechts. Diese Rechte sollten nur bei
gleichzeitiger Eintragung des Übergangs des Miteigentumsanteils auf den Beteiligten zu 3)
im Grundbuch eingetragen werden.

Gestützt auf diese Vereinbarung hat der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten
gemeinsam mit der Eintragung des Übergangs des Miteigentumsanteils, des
Wohnungsrechts und der Auflassungsvormerkung die Eintragung der Reallast im
Grundbuch beantragt.

Mit als „Aufklärungsverfügung“ bezeichnetem Schreiben vom 11. Juni 2020 hat das
Grundbuchamt darauf hingewiesen, dass dem Eintragungsantrag nicht entsprochen werden
könne. Nach dem Gesetz betreffend die Ablösung der Reallasten in der Provinz Schleswig-
Holstein vom 3. Januar 1873 könnten in Schleswig-Holstein nur feste Geldrenten durch
eine Reallast im Grundbuch gesichert werden. Dementsprechend seien die gestellten
Eintragungsanträge zu ändern, wozu eine Frist von zwei Monaten bewilligt werde. Das
Schreiben war mit einer Belehrung versehen, wonach gegen „diese Zwischenverfügung“ das
Rechtsmittel der unbefristeten Beschwerde zulässig sei.

Der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten hat gegen die Aufklärungsverfügung
Beschwerde eingelegt. Dass nur feste Geldrenten durch eine Reallast im Grundbuch
gesichert werden könnten, widerspreche der seit Jahrzehnten geübten Grundbuchpraxis.
Das preußische Gesetz betreffend die Ablösung der Reallasten in der Provinz Schleswig-
Holstein sei nach - allerdings ungesicherter - Kenntnis des Verfahrensbevollmächtigten
bereits 1899 wieder aufgehoben worden. Jedenfalls aber sei das Gesetz, wie bereits seine
Bezeichnung erkennen lasse, nur auf die Ablösung von Reallasten, nicht dagegen auf ihre
Eintragung anwendbar.

Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.
Die Beschwerde hat Erfolg.

1. Sie ist zulässig, insbesondere nach § 71 Abs. 1 GBO statthaft. Eine Beschwerde ist
statthaft, wenn sie gegen eine in der Sache entscheidende Maßnahme des Grundbuchamts
gerichtet ist, durch die ein Verfahren jedenfalls in einem Teilbereich abgeschlossen wird
(OLG Celle, Beschluss vom 13. März 2018 - 18 W 11/188, FGPrax 2018, S. 145;
Demharter, GBO 31. Aufl., § 71 Rn. 11). Danach sind auch Zwischenverfügungen im Sinne
von § 18 Abs. 1 Satz 1 GBO mit der Beschwerde anfechtbar. Gegen eine solche
Zwischenverfügung wenden sich die Beteiligten vorliegend.

Die Einordnung einer Äußerung des Grundbuchamtes als Zwischenverfügung bestimmt
sich nach Inhalt und die Ausrichtung der Äußerung. Zielt sie darauf ab, einem Antragsteller
den Rang und die sonstigen Rechtswirkungen seines Antrags zu erhalten, soweit sich diese
nach dem Antragseingang richten und bei Zurückweisung des Antrags verloren gehen,
handelt es sich um eine Zwischenverfügung (OLG Celle, Beschluss vom 13. März 2018 - 18
W 11/188, FGPRax 2018, S. 145). Unbeachtlich für das Vorliegen der Zwischenverfügung
ist dagegen, in welcher Weise das Grundbuchamt seine Äußerung betitelt hat und welche
äußere Form die Äußerung aufweist (OLG Celle, Beschluss vom 13. März 2018 - a.a.O., S.
146; OLG München, Beschluss vom 30. September 2011 - 34 Wx 356/11, FGPrax 2012, S.
11).

Gemessen daran, handelt es sich bei dem Schreiben des Grundbuchamts vom 11. Juni 2020
um eine Zwischenverfügung. Dass das Grundbuchamt die Beteiligten zur Behebung des
von ihm angenommenen Eintragungshindernisses um Änderung der gestellten Anträge
gebeten hat, steht dem nicht entgegen. Zwar darf eine Zwischenverfügung nicht mit dem
Ziel ergehen, einen Eintragungsantrag zurückzunehmen (BGH, Beschluss vom 9. Juni 2016
- V ZB 61/15, FGPrax 2016, S. 246 Rn. 9). Die Bitte des Grundbuchamts um Änderung
der gestellten Anträge ausschließlich als Aufforderung zur Antragsrücknahme zu verstehen,
greift aber ersichtlich zu kurz. Vielmehr hat das Grundbuchamt die in § 9 der notariellen
Vereinbarung enthaltenen Anträge dem Wortlaut der Vereinbarung entsprechend
dahingehend verstanden, dass sie nach § 16 Abs. 2 GBO nur einheitlich mit dem Übergang
des Miteigentumsanteils haben erledigt werden sollen. Beanstandet das Grundbuchamt, wie
hier, einen der solcherart verbundenen Anträge, kann dessen Rücknahme mit Blick auf den
übrigen Antrag ein Eintragungshindernis beseitigen. Ein entsprechender Hinweis des
Grundbuchamts stellt sich danach inhaltlich als Zwischenverfügung dar (BGH, Beschluss
vom 28. April 1978 - V ZB 1/78, NJW 1978, S. 1915).

2. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Mit der Begründung des Grundbuchamts
kann die Eintragung der vereinbarten Reallast nicht zurückgewiesen werden.

a) Nach § 1105 Abs. 1 Satz 1 BGB kann ein Grundstück in der Weise belastet werden, dass
an denjenigen, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, wiederkehrende Leistungen aus
dem Grundstück zu entrichten sind. Eine Beziehung zwischen den vereinbarten Leistungen
und dem belasteten Grundstück muss nicht bestehen (MüKo-BGB/Mohr, 8. Aufl., § 1105
Rn. 14). Die Reallast muss auch nicht auf Erbringen von Geldleistungen gerichtet sein,
sondern kann im Erbringen persönlicher Dienste, wie Pflegeleistungen, bestehen (OLG
Karlsruhe, Urteil vom 31. August 2000 - 19 U 58/99, FamRZ 2001, S. 1455; MüKo-
BGB/Mohr, a.a.O. Rn. 18).

b) Anders, als das Grundbuchamt meint, steht der Eintragung der Reallast § 54 Abs. 2 des
preußischen Gesetzes vom 3. Januar 1873 betreffend die Ablösung der Reallasten in der
Provinz Schleswig-Holstein (GS Pr. S. 3) nicht entgegen.

Dieses Gesetz gilt allerdings im Rahmen des landesrechtlichen Vorbehalts des Art. 115
EGBGB bis heute fort (MüKo-BGB/Mohr, 8. Aufl., § 1105 Rn. 78; Reymann, in:
Staudinger, BGB Neubearb. 2017, Einl. zu §§ 1105-1112 Rn. 18; vgl. auch LT-Drucks
16/239, S. 5). Auf den im Jahr 1873 außerhalb der preußischen Provinz Schleswig-Holstein
gelegenen Grundbesitz der Beteiligten zu 1) und 2) ist es nach Art. 1 des Gesetzes wegen
der Ausdehnung des Gesetzes betreffend die Ablösung der Reallasten in der Provinz
Schleswig-Holstein auf den Kreis Herzogtum Lauenburg vom 29. Mai 1903 (GS Pr. S. 189)
anwendbar.

Nach § 54 Abs. 2 des Gesetzes betreffend die Ablösung der Reallasten in der Provinz
Schleswig-Holstein dürfen mit Ausnahme fester Geldrenten Lasten, welche nach dem
gegenwärtigen Gesetz ablösbar sind, einem Grundstück ab Erlass des Gesetzes nicht
auferlegt werden. Nach den Vorschriften des Gesetzes ablösbar sind nach dessen § 1 als
Grund- oder Reallasten „alle beständigen Abgaben und Leistungen, welche auf
eigenthümlich oder zu Erbzins, Erbfeste oder Erbpacht besessenen Grundstücken oder
Gerechtigkeiten haften“. Untersagt ist nach dem Wortlaut der Bestimmung danach allein
die Belastung eines Grundbesitzes mit beständigen Abgaben oder Leistungen. Nicht
beständige Abgaben und Leistungen können demgegenüber einem Grundstück auferlegt
werden (OLG Köln, Beschluss vom 9. Oktober 1995 - 2 Wx 36/95, juris Rn. 16 zum
wortlautgleichen Art. 30 Abs. 1 PrAGBGB; a.A. OLG Düsseldorf, Urteil vom 23. April
1986 - 9 U 228/85, Rpfleger 1986, S. 366).

Nicht beständig sind Abgaben oder Leistungen, wenn sie zeitlich beschränkt sind. Dafür
genügt es, dass sie auf die Lebensdauer eines Menschen befristet sind (OLG Köln,
Beschluss vom 9. Oktober 1995 - 2 Wx 36/95, juris Rn. 18, 20). Ein solches Verständnis
entspricht dem hinter der landesrechtlichen Beschränkung stehenden Zweck, eine auf
unabsehbare Zeit andauernde Belastung eines Grundstücks durch seit dem Mittelalter
entstandene grundherrschaftliche Lasten, wie Fron-, Hand- oder Spanndienste und daraus
folgende, als übermäßig empfundene Bindungen des Grundbesitzes aufzuheben (MüKo-
BGB/Mohr, 8. Aufl., § 1105 Rn. 1; OLG Köln, Beschluss vom 9. Oktober 1995 - a.a.O.
Rn. 21). Dass auch das Gesetz betreffend die Ablösung der Reallasten in der Provinz
Schleswig-Holstein vordringlich die Ablösung solcher grundherrschaftlichen Lasten
bezweckt, ergibt sich aus den in seinen §§ 6 ff. enthaltenen Ausgleichsregeln, die etwa in § 8
Baudienste, in § 10 Spanndienste und in den §§ 14 ff. nach Körnern bemessene Abgaben
von Getreide betreffen.

Gemessen daran handelt es sich bei dem zugunsten der Beteiligten zu 1) und 2)
vereinbarten Pflegerecht um eine nicht beständige Reallast. Sie ist bereits nach dem
Wortlaut des § 7 der notariellen Vereinbarung auf die Lebenszeit der Beteiligten zu 1) und
2) beschränkt. Eine solche Beschränkung entspricht auch dem erkennbaren Zweck des
Pflegerechts, als Gegenleistung für die Übertragung des Miteigentumsanteils die Pflege der
Beteiligten zu 1) und 2) im Alter durch den Beteiligten zu 3) sicherzustellen (vgl. MüKo-
BGB/Mohr, 8. Aufl., § 1105 Rn. 18).

III.
Gerichtsgebühren fallen wegen des Erfolgs der Beschwerde mit Blick auf § 25 Abs. 1
GNotKG und Nr. 14510 KV GNotKG nicht an. Eine Erstattung von Auslagen der
Beteiligten durch die Staatskasse scheidet im Verfahren über die Grundbuchbeschwerde aus
(OLG München, Beschluss vom 6. Juni 2013 - 34 Wx 360/12, FGPrax 2013, S. 229).
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 78 Abs. 2 Satz 1
GBO liegen nicht vor. Insbesondere gebietet die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung im Sinne von § 78 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GBO keine Entscheidung des
Beschwerdegerichts. Dem steht nicht entgegen, dass das Oberlandesgericht Düsseldorf
(OLG Düsseldorf, Urteil vom 23. April 1986 - 9 U 228/85, Rpfleger 1986, S. 366) den mit §
54 Abs. 2 des Gesetzes betreffend die Ablösung der Reallasten in der Provinz Schleswig-
Holstein wortlautgleichen Art. 30 Abs. 1 PrAGBGB abweichend ausgelegt hat, da diese
Abweichung die Auslegung nicht revisiblen Landesrechts betrifft.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Schleswig

Erscheinungsdatum:

21.08.2020

Aktenzeichen:

2 Wx 38/20

Rechtsgebiete:

Immobilienrechtliches Sonderrecht der neuen Bundesländer
Grundbuchrecht
Kostenrecht
Reallast
Grundpfandrechte

Normen in Titel:

BGB § 1105 Abs. 1; EGBGB Art. 115