OLG Bremen 09. Dezember 2022
4 U 20/21
BGB §§ 242, 305, 343

AGB; Abgrenzung zur Individualvereinbarung; Vertragsstrafe

letzte Aktualisierung: 22.3.2023
OLG Bremen, Urt. v. 9.12.2022 – 4 U 20/21

BGB §§ 242, 305, 343
AGB; Abgrenzung zur Individualvereinbarung; Vertragsstrafe

1. Eine Individualvereinbarung und keine Allgemeine Geschäftsbedingung liegt vor, wenn
zwischen den Parteien Verhandlungen stattgefunden haben, bei denen beide Parteien die
Möglichkeit hatten, ihre Prioritäten deutlich zu machen, bei denen verschiedene Vertragsteile
zueinander ins Verhältnis gesetzt wurden und die in Rede stehende vorformulierte Klausel letztlich
abgeändert worden ist.
2. Ein Vertragsstrafeversprechen, das für den Fall des Verzugs der Übergabe einer erst noch zu
errichtenden Gewerbeimmobilie die Verwirkung einer täglichen Summe vorsieht, ist auch ohne
Vereinbarung einer Obergrenze zulässig. Es muss jedoch im Einzelfall geprüft werden, ob eine
zeitliche Grenze erreicht ist, jenseits derer sich das Verlangen nach Fortzahlung der Vertragsstrafe
nach § 242 BGB als treuwidrig erweisen würde (im Anschluss an BGH, Urteil vom 12.03.2003, XII
ZR 18/00, juris Rn. 50 ff.).
3. Das Recht auf Herabsetzung der Vertragsstrafe setzt nach § 343 setzt voraus, dass die verfallene
Vertragsstrafe unverhältnismäßig hoch ist. Für die Angemessenheit der Strafe sind alle Umstände
des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere Schwere, Art und Ausmaß der Zuwiderhandlung,
Grad des Verschuldens, die wirtschaftliche Lage des Schuldners, die Funktion der Strafe als Druckund
Sicherungsmittel und dass diese den Gläubiger im Falle der Zuwiderhandlung von der
Notwendigkeit des Schadensnachweises entheben soll. Allein das Fehlen eines Schadens rechtfertigt
die Herabsetzung der Strafe nicht. Entscheidend ist, welchen Schaden der Vertragsbruch hätte
herbeiführen können.

Gründe:

I.
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit und Verwirkung einer Vertragsstrafe aus einem
Gewerberaummietvertrag sowie in der Berufung noch über eine durch den Beklagten
zur Aufrechnung gestellte Forderung.
Zwischen den Parteien besteht ein Mietvertrag über Geschäftsräume in der X-Straße
in Y. Es handelt sich um eine Gewerbefläche über drei Etagen eines Geschäftshauses,
die zum Betrieb eines Textil-Einzelhandelsgeschäfts [ ] vom Beklagten an die Klägerin
vermietet wird.

Der von den Parteien am 18./23.01.2017 unterzeichnete Mietvertrag enthält u.a. folgende
Regelungen:

Baugenehmigung/aufschiebende Bedingung
Die Baugenehmigung liegt zum Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses noch
6 verweigert
oder nicht erteilt worden sein, so kommt der Mietvertrag nicht zustande, er
[...]
§ 4 Mietzeit und Kündigung

(1) Das Mietverhältnis beginnt grundsätzlich mit der Übergabe am
30.08.2017. Die Festmietzeit des Mietvertrages beträgt dreißig (30) Jahre,
beginnend mit der Übergabe des Mietgegenstandes. Einen früheren Übergabetermin
können beide Parteien gemeinsam vereinbaren. Der Mieter ist
erstmals nach 10 Jahren Vertragslaufzeit und sodann nach Ablauf jedes fünften
Mietjahres zur vorzeitigen Kündigung des Mietvertrags mit einer Kündigungsfrist
von 12 Monaten berechtigt. § 18.3 bleibt hiervon unberührt.
Gerät der Vermieter mit der Übergabe der Mietsache in Verzug, ist für jeden
hende Schadensersatzansprüche bleiben unberührt. Die Vertragsstrafe wird
auf einen Schadensersatzanspruch angerechnet.

(2) Sollte nicht bis zum 30.11.2017 eine vollständige und ordnungsgemäße
Übergabe stattgefunden haben, so kann der Mieter von diesem Mietvertrag
zurücktreten, der Rücktritt ist mit einer Frist von 14 Tagen zu erklären.

§ 5 Miete und Nebenkosten
(1) Die monatliche Festmiete beträgt 36.400,00
zzgl. der gesetzlich geltenden Mehrwertsteuer (derzeit 19%)
Gesamt: 43.316,00
(2) [...]
(3) Alle weiteren Nebenkosten - auch für Flächen außerhalb der zum ausschließlichen
Gebrauch vermieteten Flächen - sindmit der Miete abgegolten.
(2) Mietzahlungsbeginn ist mit Eröffnung, wobei die Eröffnung spätestens
8 Wochen nach vollständiger und ordnungsgemäßer Übergabe zu erfolgen
hat.
§ 8 Mietkaution
Der Mieter leistet an den Vermieter spätestens zur Übergabe des Mietgegenstandes
eine Mietsicherheit in Form einer dem als Anlage 5 beigefügten
Entwurf entsprechenden Patronatserklärung der [ ]. Die Patronatserklärung
[...]
§ 18 Sonstige Vereinbarungen [...]
(3) Der Mieter hat ein Sonderkündigungsrecht zum Ende des 5. vollen auf
die Übergabe folgenden Kalenderjahres (01.01.-31.12.), wenn der Umsatz
lenderjahr unterschritten wird.
"
Auf den Inhalt des Mietvertrages vom 18./23.01.2017 im Übrigen wird ergänzend Bezug
genommen.

Die Übergabe der Mieträume erfolgte am 22.11.2017. Die Geschäftseröffnung fand unmittelbar
nach der Übergabe im November 2017 statt.

Der Beklagte wurde mit Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom
17.06.2019 zur Zahlung einer Vertragsstrafe von an die Klägerin bis zum
02.07.2019 aufgefordert.

Für den Monat April 2020 zahlte die Klägerin unter Hinweis auf die Allgemeinverfügung
wegen der Bekämpfung der Corona Pandemie lediglich 4.064,45
Miete.

Der Beklagte hat im Prozess mit Schriftsatz vom 03.06.2021 hilfsweise gegenüber der
Forderung der Klägerin auf Zahlung der Vertragsstrafe die Aufrechnung mit seiner Forderung
bezüglich der restlichen Miete für den Monat April erklärt.
Außerdem und ebenfalls hilfsweise hat er die Aufrechnung mit einer Forderung nach
einer Nutzungsentschädigung für einen zusätzlichen Kellerraum K.[...] erklärt.
Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen
zuzüglich Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit
dem 03.07.2019 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen; hilfsweise, die von der Klägerin begehrte
Vertragsstrafe durch Urteil gemäß §§ 315, 343 BGB auf einen angemessenen
Betrag herabzusetzen.

Zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes im ersten Rechtszug, insbesondere
zur Wiedergabe des Parteivortrags, wird auf die tatsächlichen Feststellungen und
die Entscheidungsgründe in dem angefochtenen Urteil vom 14.10.2021 (Bl. 197 bis 209
d.A.), berichtigt durch Beschluss des Landgerichts vom 09.11.2021 (Bl. 241 f. d.A.),
ergänzend Bezug genommen.

Durch Urteil vom 14.10.2021 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom
09.11.2021 hat das Landgericht Bremen den Beklagten verurteilt, an die Klägerin
siszinssatz seit dem 03.07.2019 zu zahlen und die Klage im Übrigen abgewiesen.
Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass die Parteien in dem in Rede stehenden
Mietvertrag eine Vereinbarung über eine Vertragsstrafe getroffen haben. Diese
Vereinbarung sei auch wirksam. Sie unterliege nicht der AGB-Kontrolle, da die maßgebliche
Klausel individuell ausgehandelt gewesen sei.

Die Vertragsstrafe sei auch nicht gemäß §§ 242, 138 BGB unwirksam. Unter Berücksichtigung
der maßgeblichen Umstände könne eine Unangemessenheit der Höhe der
Vertragsstrafe nicht festgestellt werden.

Die Voraussetzungen, unter denen die Klägerin vom Beklagten eine Vertragsstrafe verlangen
könne, lägen vor. Bei der Übergabe am 22.11.2017 habe sich der Beklagte in
Verzug befunden. Ein Zurückbehaltungsrecht des Beklagten wegen der durch die Klägerin
verspätet vorgelegte Patronatserklärung bestehe nicht. Die verspätete Übergabe
des Mietobjekts sei auch vom Beklagten verschuldet. Zudem habe sich die Klägerin die
Geltendmachung der Vertragsstrafe durch ihre Mitarbeiterin bei der Übergabe des Mietobjekts
vorbehalten. Die vereinbarte Vertragsstrafe sei von den Parteien auch weder
konkludent abbedungen worden noch sei sie verwirkt.

Eine Anpassung der Vertragsstrafe nach den Regeln des Wegfalls der Geschäftsgrundlage
oder eine Herabsetzung nach § 343 BGB komme unter Berücksichtigung der maßgeblichen
Faktoren nicht in Betracht, denn auch danach sei die Vertragsstrafe angemessen.
Während die Aufrechnung des Beklagten mit einer weiteren Forderung auf Zahlung einer
Nutzungsentschädigung für den näher bezeichneten Kellerraum nicht durchgreife,
habe die Aufrechnung mit der ausstehenden Teilmiete für den Monat April 2020 Erfolg.
D stehe der Forderung aus der Vertragsstrafenregelung
bei Fälligkeit am 03.04.2020 aufrechenbar gegenüber. Dadurch sei die Forderung
aus der Vertragsstrafenregelung
rückwirkend erloschen.

Die Klage sei deshalb insgesamt in Höhe von begründet.
Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen
Urteils Bezug genommen.

Mit der Berufung begehrt der Beklagte die Abweisung der Klage, soweit dieser in dem
angefochtenen Urteil stattgegeben worden ist.
Der Beklagte ist zunächst der Ansicht, dass das Landgericht verschiedene Verfahrensfehler
begangen habe.

Der Beklagte rügt, dass das Landgericht explizit nachgelassenen Vortrag des Beklagten
rechtsfehlerhaft zurückgewiesen, gleichzeitig aber verspäteten Vortrag der Klägerin
berücksichtigt habe. Dies betreffe seine, des Beklagten, Darlegung, dass zur Aufholung
der durch das Thema Brandschutz verlorenen Bauzeit die Parteien vereinbart hätten,
dass er, der Beklagte, eigentlich zum Aufgabenbereich der Klägerin gehörende Baumaßnahmen,
die ursprünglich nach Übergabe durchgeführt werden sollten, bereits vor
Übergabe übernommen habe. In dem nachgelassenen Schriftsatz vom 26.08.2021
habe er dazu jedoch näher vorgetragen, ohne dass das Landgericht dies berücksichtigt
habe. Demgegenüber habe das Gericht die verspäteten Ausführungen im Schriftsatz
der Klägerin vom 18.08.2021 berücksichtigt. Ohne diese Verfahrensfehler hätte das
Landgericht zu dem Ergebnis kommen müssen, dass Innenausbauarbeiten einvernehmlich
von der Klägerin auf den Beklagten übertragen worden seien, der Eröffnungstermin
in der Folge einvernehmlich auf den 23.11.2017 verlegt worden sei und die Klägerin
eine verspätete Übergabe des Mietobjekts akzeptiert habe.

Entsprechendes gelte für seinen, des Beklagten Vortrag, dass die Klägerin von Beginn
an einen Eröffnungstermin Ende November 2017 geplant habe. Darauf sei bereits in
der Klageerwiderung hingewiesen worden. Demgegenüber sei der Vortrag der Klägerin,
dass eine Eröffnung ursprünglich bereits am 27.10.2017 geplant gewesen sei, in
dem nicht nachgelassenen Schriftsatz der Klägerin vom 18.08.2021 und damit verspätet
erfolgt. Zudem habe das Landgericht in dem Urteil auf die Behauptung der Klägerin
im Schriftsatz vom 18.08.2021 abgestellt, dass der (durch die Klägerin) vorzunehmende
Innenausbau in 6 bis max. 8 Wochen möglich gewesen sei, obwohl die Klägerin hierfür
keinen Beweis angeboten habe. Insgesamt müsse es als zugestanden angesehen werden,
dass von Beginn an ein Eröffnungstermin Ende November 2017 geplant gewesen
sei.

Zudem hätte das Landgericht bei der Frage der Angemessenheit der Vertragsstrafe
berücksichtigen müssen, dass selbst nach dem verspäteten Vortrag der Klägerin zwischen
dem geplanten Eröffnungstermin am 27.10.2022 und dem Termin der Übergabe
lediglich 28 Tage lagen, in denen die Klägerin keinen Umsatz erzielt hätte. Die Bemessung
der Vertragsstrafe ab dem vertraglich vereinbarten Übergabezeitpunkt 30.08.2017
(für insgesamt 84 Tage) sei mangels Schadens der Klägerin in diesem Zeitraum unangemessen.
Die Vertragsstrafe hätte deshalb, selbst wenn man den Tagessatz der ver-
126.000,00 betragen dürfen.

Auch der im Schriftsatz der Klägerin vom 18.08.2022 nachgereichte Vortrag der Klägerin
zur Nutzung der Kellerräume hätte vom Landgericht nicht berücksichtigt werden dürfen.
Neben den geltend gemachten Verfahrensfehlern rügt der Beklagte auch die Verletzung
materiellen Rechts.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei mit der beidseitigen Unterzeichnung der
Anlage B1 einvernehmlich auf den 23.11.2017 als Eröffnungstermin abgestellt worden.
Bei der nachträglichen Absprache zwischen den Parteien sei es um die Vorverlegung
von Arbeiten zur Beschleunigung des Bauprozesses gegangen, die ursprünglich zwischen
Übergabe und Eröffnung vorgesehen gewesen seien. Daraus folge, dass die
Übergabe noch weiter nach hinten verschoben worden sei, als das Thema Brandschutz
es erfordert hätte. In Anbetracht des Sinns und Zwecks dieser Neuregelung wäre die
Forderung einer Vertragsstrafe für diesen Zeitraum widersinnig. Die könne vielmehr erst
an den neu vereinbarten Eröffnungstermin 23.11.2017 anknüpfen. Selbst wenn man
dieser Auffassung nicht folgen sollte, könne im Wege des Wegfalls der Geschäftsgrundlage
eine Vertragsstrafe erst ab dem Tag der ursprünglich geplanten Eröffnung, also
dem 28.10.2017, verlangt werden.

Ihm, dem Beklagten, habe zudem bis zur Vorlage der Patronatserklärung am
06.02.2019 auch ein Zurückbehaltungsrecht zugestanden, das den Eintritt des Verzugs
gehindert habe. Dazu trägt der Beklagte weiter vor.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts unterliege die Vertragsstrafenregelung der
AGB-Kontrolle und stelle keine Individualabrede dar. Dazu wiederholt der Beklagte im
Wesentlichen seinen erstinstanzlichen Vortrag.

Zudem verstoße die Vertragsstrafenregelung gegen §§ 242, 138 BGB. Das Landgericht
habe übersehen, dass die Klägerin, auch nach der eigenen Planung, bis zum
27.10.2017 weder Umsatz noch Gewinn erzielt hätte. Auch Personalkosten wären in
dieser Zeit nicht angefallen. Zudem sei der Satz für die Vertragsstrafe zu hoch, weil im
Textil-Einzelhandel regelmäßig nur geringe Margen erzielt werden würden. Jedenfalls
müsse die Vertragsstrafe gemäß § 343 BGB herabgesetzt werden.
Der Beklagte beantragt,
das angefochtenen Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen, soweit ihr mit
dem angefochtenen Urteil stattgegeben worden ist;

hilfsweise, das angefochtenen Urteil abzuändern und die Vertragsstrafe nach
§ 343 BGB herabzusetzen, mithin unter Berücksichtigung der erstinstanzlich zugebilligten
Aufrechnungsposition neu zu tenorieren;
äußerst hilfsweise das angefochtenen Urteil aufzuheben, soweit ihr mit dem angefochtenen
Urteil stattgegeben worden ist, und die Sache insoweit zur erneuten
Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt unter Verteidigung des erstinstanzlichen Urteils,
die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass Verfahrensfehler des Landgerichts nicht vorlägen.
Auch Grundsätze des fairen Verfahrens oder der richterlichen Hinweispflicht seien nicht
verletzt.

Denn jedenfalls inhaltlich gebe das angefochtenen Urteil zutreffend wieder, dass die
Behauptung des Beklagten, es habe zwischen den Parteien Absprachen über die Kosten
für die Einschaltung und Durchführung mit dem Generalunternehmer [ ] gegeben,
unsubstantiiert sei. Auch aus den Anlagen B1, B5 und K12 ergebe sich nicht, dass
seitens der Klägerin noch zahlreiche Arbeiten hätten durchgeführt werden müssen,
weshalb eine Eröffnung des Ladengeschäftes auch bei vertragsgemäßer Übergabe der
Mietsache nicht zu einem früheren Zeitpunkt möglich gewesen wäre. Dazu trägt die
Klägerin weiter vor.

Entgegen der Ansicht des Beklagten komme es für die Vertragsstrafe nicht darauf an,
wann sie, die Klägerin, nach ihrer ursprünglichen Planung das Ladengeschäft habe eröffnen
wollen. Der Vortrag des Beklagten, dass dies ohnehin erst für Ende 2017 vorge-
Eine Nutzungsentschädigung für die Kellerräume habe das Landgericht zu Recht abgelehnt,
selbst wenn man ihren, der Klägerin, Schriftsatz vom 18.08.2021 unberücksichtigt
lasse. Denn bereits aus ihrem bis dahin erfolgten Vortrag ergebe sich, dass
insoweit ein Flächentausch erfolgt sei.

Auch eine Verletzung materiellen Rechts durch das angefochtene Urteil sei nicht ersichtlich.
Eine konkludente Abbedingung der Vertragsstrafe habe es nicht gegeben. Insbesondere
habe der Beklagte auch nicht substanttiert dargelegt, welche baulichen Arbeiten
er von ihr, der Klägerin, übernommen habe. Der Beklagte berufe sich insofern nur auf
das falsch ausgefüllte Formular B5, auf dessen Fehlerhaftigkeit sie, die Klägerin, unmittelbar
hingewiesen habe. Es gebe
tragsstrafe anzupassen wäre. Auch die Voraussetzungen für den Wegfall der Geschäftsgrundlage
würden von dem Beklagten nicht hinreichend dargelegt.

Ein Zurückbehaltungsrecht wegen der erst später erfolgten Übergabe der Mietsicherheit
bestehe aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils nicht. Ein solches
Zurückbehaltungsrecht sei von dem Beklagten zudem auch nicht ausgeübt worden.
Zutreffend sei das Landgericht auch zu dem Ergebnis gekommen, dass die Vertragsstrafenregelung
eine Individualvereinbarung darstelle, die nicht der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle
unterliege, dass die Vertragsstrafenregelung nicht unwirksam gemäß §§
242, 138 BGB sei und auch eine Herabsetzung der Vertragsstrafe nach § 343 BGB
nicht in Betracht komme. Dazu trägt die Klägerin jeweils weiter vor.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsrechtszug wird auf
die Schriftsätze des Beklagten vom 03.11.2021, 11.01.2022 und 24.05.2022, der Klägerin
vom 18.03.2022 (§ 540 Abs. 1 und 2 ZPO) sowie auf das Protokoll der mündlichen
Verhandlung vom 18.11.2022 ergänzend Bezug genommen.

II.
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Beklagten ist nicht begründet.
Zutreffend ist das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Klägerin gegen
den Beklagten ein Anspruch in der tenorierten Höhe von 334.684,00 (Vertragsstrafe
von 378.000,00 abzüglich der im Berufungsverfahren nicht angegriffenen Gegenforderung
von 43.316,00 ) aus dem Mietvertrag vom 18./23.01.2017 zusteht.

1. Die Parteien haben die Verwirkung einer Vertragsstrafe von 4.500,00
dertag vereinbart, wenn der Beklagte mit der Übergabe der Mietsache in Verzug gerät.
In § 4 Ziff. (1), letzter Absatz des Mietvertrages vom 18./23.01.2017 (Bl. 10 d.A.) ist
Die
Übergabe der Mieträume war gemäß § 4 Ziff. (1) Satz 1 für den 30.08.2017 vereinbart.
Aus diesem Wortlaut ergibt sich, dass vom Beklagten an die Klägerin für jeden Tag, um
den sich die Übergabe der Mietsache über den 30.08.2017 hinaus verzögert, eine Vertragsstrafe
von 4.500,00 Der Wortlaut der Vereinbarung ist
eindeutig und insbesondere nicht im Sinne des Beklagtenvortrags auslegungsfähig.
Denn soweit in § 4 Ziff. (1)
mit der Übergabe am 30.08.2017 beginnt, bezieht sich das Wor
Mietbeginn und nicht auf den Zeitpunkt der vereinbarten Übergabe. Durch diese Formulierung
wird lediglich klargestellt, dass der Mietvertrag und damit die Mietzahlung
erst später beginnen würde, sofern sich die Übergabe verschiebt. Die entsprechenden
Ausführungen des Landgerichts sind vom Beklagten in der Berufung insoweit nicht angefochten
worden.

2. Das Landgericht ist auch zu dem zutreffenden Ergebnis gekommen, dass die Vereinbarung
über die Vertragsstrafe zwischen den Parteien wirksam geschlossen worden
ist.

a) Die Vereinbarung über die Vertragsstrafe unterliegt nicht der AGB-Kontrolle gemäß
§§ 305 ff. BGB, denn es handelt sich dabei nicht um Allgemeine Geschäftsbedingungen.
Vielmehr ist diese Klausel als Individualklausel zwischen den Parteien ausgehandelt
worden.

Gemäß § 305 Abs. 1 S. 1 BGB sind Allgemeine Geschäftsbedingungen alle für eine
Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei
der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt. Nach § 305 Abs. 1 S. 3
BGB liegen Allgemeine Geschäftsbedingungen jedoch nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen
zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt werden. Als
ausgehandelt sind die Bedingungen dann anzusehen, wenn ein wirklicher Austausch
über den Inhalt der Klausel stattgefunden hat. Der Verwender muss den Kerngehalt
seiner Regelung ernsthaft zur Disposition stellen und dem anderen Teil Gestaltungsfreiheit
zur Wahrung seiner Interessen einräumen, dieser muss die reale Möglichkeit
erhalten, den Inhalt der Vertragsbedingungen zu beeinflussen und eigene Textvorschläge
mit der effektiven Möglichkeit ihrer Durchsetzung in die Verhandlungen einzubringen
(BGH, Urteile vom 15.02.2017, IV ZR 91/16, juris Rn. 9 und vom 05.06.2018,
XI ZR 790/16, juris Rn. 11, jeweils m.w.N.). Der Verwender muss sich also deutlich und
ernsthaft zur gewünschten Änderung einzelner Klauseln bereit erklären. Die entsprechenden
Umstände hat der Verwender darzulegen. In der Regel schlägt sich das Aushandeln
in Änderungen des vorformulierten Textes nieder. Die allgemein geäußerte
Bereitschaft, belastende Klauseln abzuändern, genügt nicht (BGH, Beschluss vom
19.03.2019, XI ZR 9/18, juris Rn. 14 m.w.N.). Zudem muss sich das Aushandeln nach
dem Gesetzeswortlaut jeweils auf bestimmte Vertragsbedingungen beziehen und führt
dann in diesem Umfang zur Nichtanwendung der §§ 305 ff. BGB (BGH, Beschluss vom
19.03.2019, XI ZR 9/18, juris Rn. 15 m.w.N.).

Aus den von den Parteien vorgelegten Unterlagen ergibt sich, dass der von der Klägerin
mit E-Mail vom 14.10.2016 übersandte und von der Klägerin bereits am 14.10.2016
unterzeichnete Mietvertrag (Anlage B7) in dem dortigen § 4 Ziff. (1) vorsah, dass das
Mietobjekt am 03.07.2017 übergeben wird und die Vertragsstrafe pro Kalendertag
3.500,00 beträgt. Eine Präambel, wie sie von dem Beklagten in dem Vertragsentwurf
Anlage K11 (Bl. 88 ff. d.A.) eingefügt und später im Vertrag vom 17./23.01.2017 auch
vereinbart wurde, nämlich dass der Mietvertrag nicht zustande kommt, sollte die Baugenehmigung
nicht bis zum 30.05.2017 vorliegen, enthält dieser Entwurf noch nicht.
Die Klägerin hat insoweit unbestritten vorgetragen (Bl. 81 f. d.A.), dass der Vertrag bereits
mit dem Voreigentümer des Mietobjekts verhandelt worden sei und der Beklagte
diesen Verhandlungsstand bei Erwerb des Objekts übernommen habe. Der Beklagte
habe bei diesen Verhandlungen die Streichung der Vertragsstrafe, die zu diesem Zeitschiebenden
Bedingung des Erhalts der Baugenehmigung eingefügt (vgl. Anlage K 11).

Da die Klägerin aber einen festen Termin zur Eröffnung garantiert haben wollte, ohne
dass dieser aus baulichen Gründen noch mal verschoben wird, habe man einen späteren
als den ursprünglichen Übergabetermin (30.08.2017 statt 03.07.2017) vereinbart,

Dieser Vortrag lässt sich an Hand der Anlagen B7 und K11 ohne weiteres nachvollziehen.
Zutreffend ist das Landgericht deshalb zu dem Ergebnis gekommen, dass Verhandlungen
stattgefunden haben, bei denen beide Parteien die Möglichkeit hatten, ihre Prioritäten
deutlich zu machen, bei denen verschiedene Vertragsteile zueinander ins Verhältnis
gesetzt wurden und die in Rede stehende Klausel letztlich auch abgeändert worden
ist (wenn auch zu Lasten des Beklagten). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den
E-Mails des Mitarbeiters der Klägerin Herrn A. vom 05.01.2017 (Anlage B4) und
09.01.2017 (Anlage B8). Vielmehr unterstützen diese E-Mails die vorgenannten Ausführungen.
Zwar schreibt Herr A. in seiner E-Mail vom 09.01.2017, dass die Vertragsstrafe
bei verspäteter Übergabe für die Gremien der Klägerin sehr wichtig sei. Andererseits
wird aus der E-Mail ab
Gegenstand der Verhandlungen und noch nicht ausdiskutiert waren. Wie sich den Anlagen
B7 und K11 entnehmen lässt, waren diese Themen dann auch Gegenstand der
weiteren Verhandlungen unter Einbeziehung der Vertragsstrafenklausel.

Da es sich bei Regelung betreffend die Vertragsstrafe um eine Individualvereinbarung
und keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen handelt, kommt es nicht auf § 310 Abs.
3 Nr. 1 BGB und § 309 Nr. 6 BGB und damit auf die Frage an, ob der Beklagte hier' als
Verbraucher zu qualifizieren ist.

b) Die Vertragsstrafenregelung ist auch nach den Wertungen der §§ 242, 138 BGB
wirksam.

aa) Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, dass im Rahmen der hier durchzuführenden
Angemessenheitsprüfung zu beachten ist, dass die Sanktion nicht außer Verhältnis
zu dem Gewicht des Vertragsverstoßes stehen darf, dass also die Vertragsstrafe
als allgemeine Lösung angesichts des anhaltenden Interesses des Mieters an der Einräumung
der Nutzungsmöglichkeit im Zeitpunkt des Vertragsschlusses angemessen
ist. Mit § 242 BGB unvereinbar sind daher solche Klauseln, nach deren Inhalt die vorgesehene
Sanktion im Verhältnis zur Schwere des Vertragsverstoßes unangemessen
ist. Das Verhältnis der Miethöhe zur Höhe der Vertragsstrafe allein kann dabei keinen
Grund darstellen, die Höhe der Vertragsstrafe für unangemessen oder unbillig zu halten.
Denn die Vertragsstrafe muss nicht nur im Verhältnis zur Höhe der Miete stehen.
Als pauschalierter Schadensersatz soll sie vielmehr den potentiellen Schaden abbilden,
der für die Klägerin im Fall der verspäteten Übergabe entsteht. Dass die Vertragsstrafe
dabei auch die vereinbarte Miete übersteigt, ist grundsätzlich nicht zu beanstanden.
Dies bedingt gerade die berechtigte Funktion des Vertragsstrafeversprechens, den
Schuldner zur Vertragserfüllung anzuhalten und als Druckmittel zu dienen. Diese Aufgabe
kann die Vertragsstrafe nur erfüllen, wenn sie eine spürbare Höhe hat.
Ob die konkrete Höhe der Vertragsstrafe (hier ca. 376% der Tagesnettomiete von
ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Zu berücksichtigen ist dabei zunächst,
das erhebliche wirtschaftliche Interesse der Klägerin an der vertragsgemäßen Übergabe.
Ausweislich § 18 Ziff. (1) des Mietvertrages legt die Klägerin zu Grunde, dass sie
erzielt. Es ist offensichtlich,
dass mit jeder Verzögerung der Übergabe und Eröffnung nicht nur Umsatzund
Gewinneinbußen, sondern ggf. auch zusätzliche Lohn-, Waren- und Lagerkosten
entstehen, unabhängig davon, ob, wie der Beklagte behauptet, eine Eröffnung ohnehin
erst Ende 2017 geplant gewesen sei.

Entscheidend ist aber, dass die Höhe der Vertragsstrafe zwischen den Parteien ausgehandelt
worden ist. Wie oben dargelegt, hat der Beklagte, der, wie dem Senat aus entsprechenden
Presseberichterstattungen bekannt ist, in größerem Umfang in Y in Wohnund
Gewerbeimmobilien investiert und diese entwickelt, die Erhöhung der Vertragsstrafe
von den ursprünglich vorgesehenen 3.500,00
Verschiebung des Eröffnungstermins um ca. zwei Monate und der Einfügung der Präambel
mit der aufschiebenden Bedingung im Hinblick auf die Erteilung der Baugenehmigung
akzeptiert. Die Parteien haben insoweit in einer im unternehmerischen Rechtsverkehr
nicht zu beanstandender Weise einen pauschalisierten Ausgleich für die
schwerwiegende Vertragsverletzung des Beklagten, einer verspäteten Übergabe des
Mietobjekts, vereinbart.

bb) Auch das Fehlen einer zeitlichen Obergrenze führt hier nicht zu einer Unwirksamkeit
der Vertragstrafenklausel.
Nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 12.03.2003, XII ZR 18/00, juris
Rn. 50 ff.) ist geklärt, dass für den Fall der Nichtüberlassung einer erst noch zu errichtenden
Gewerbeimmobilie entgegen einer mietvertraglichen Abrede ein Vertragsstrafeversprechen,
das die Verwirkung einer täglichen Summe vorsieht, auch ohne Vereinbarung
einer Obergrenze zulässig ist und zwar selbst dann, wenn die Vertragsstrafe im
Rahmen von AGB vereinbart wurde und am Maßstab des § 307 Abs. 1 BGB zu messen
ist (so auch OLG Celle, Beschlüsse vom 03.01.2014, 2 U 164/13, juris Rn. 48 und
14.11.2014, 2 U 111/14, juris Rn. 34).

Bei einer auch hier vorliegenden Vermietung mit Bauverpflichtung (vgl. dazu § 1 Ziff.
(2) des Mietvertrages) übernimmt der Vermieter eine verschuldensunabhängige Garantiehaftung.
Die Nichtfertigstellung des Objekts stellt sich insoweit als einer der gröbsten
denkbaren Vertragsverstöße dar (vgl. BGH, a.a.O.). Vor diesem Hintergrund ist eine
Vertragsstrafe, deren Höhe von der Zeitspanne abhängt, innerhalb derer der Vertragspartner
seine Kardinalpflicht zu fortlaufender Gebrauchsgewährung nicht erfüllt, keineswegs
unangemessen. Sie steht nicht außer Verhältnis zum Gewicht des geahndeten
Verstoßes, sondern erfüllt im Gegenteil ihren Zweck als Druckmittel, um den Schuldner
zur Vertragstreue anzuhalten und dem Mieter die pünktliche Aufnahme seines Geschäftsbetriebes
sicherzustellen. Dieses Druckmittel würde durch die Festlegung eines
Höchstbetrages entscheidend entwertet. Der Schuldner selbst hat es letztlich in der
Hand, zur Vertragstreue zurückzukehren und die Vertragsstrafe damit zu begrenzen
(OLG Celle, Beschluss 14.11.2014, 2 U 111/14, juris Rn. 36). Zudem übersieht der Beklagte,
dass der BGH in der bereits zitierten Entscheidung angenommen hat, dass bei
der Prüfung der Angemessenheit der Vertragsstrafe im Rahmen des § 307 BGB jedenfalls
nicht auf den theoretisch denkbaren Extremfall abzustellen ist, sondern darauf, in
welchem Verhältnis der täglich anfallende Betrag zu dem steht, was eine Überschreitung
um einen Tag für einen Mieter bedeutet, der seinem Vertragspartner durch diese
Klausel von Anfang an deutlich gemacht hat, dass er allergrößten Wert auf pünktliche
Fertigstellung legt (vgl. auch OLG Celle, Beschluss 14.11.2014, 2 U 111/14, juris Rn.
36).

Auch hat der BGH zutreffend darauf hingewiesen, dass eine wirksame Vertragsstrafenregelung
nicht automatisch dazu führt, dass die Vertragsstrafe tatsächlich maximal 30
Jahre gezahlt werden muss. Es müsse geprüft werden, ob nicht irgendwann eine zeit-
liche Grenze erreicht sei, jenseits derer sich das Verlangen nach Fortzahlung der Vertragsstrafe
nach § 242 BGB als treuwidrig erweisen würde. Der BGH hat in dem von
ihm entschiedenen Fall diese Grenze bei einer verlangten Vertragsstrafe für 478 Tage
jedenfalls als noch nicht erreicht angesehen (BGH, Urteil vom 12.03.2003, XII ZR 18/00,
juris Rn. 52), das OLG Celle bei 212 bzw. 123 Tagen (OLG Celle, Beschlüsse vom
03.01.2014, 2 U 164/13, juris Rn. 55 und 14.11.2014, 2 U 111/14, juris Rn. 40) ebenfalls
nicht. Im vorliegenden Fall verlangt die Klägerin Vertragsstrafe für 84 Tage, befindet
sich also noch deutlich in dem vorgenannten Rahmen.

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass es sich bei den Vertragsstrafenregelungen in
den vorstehend zitierten Entscheidungen des BGH und des OLG Celle um AGB handelte,
die von den jeweiligen Gerichten einer AGB-Kontrolle unterworfen worden sind.
Im vorliegenden Fall ist die Vertragsstrafenklausel aber ausgehandelt worden. Die insoweit
anzulegenden Maßstäbe sind also noch weniger streng als in den vorstehend
zitierten Entscheidungen.

3. Die Voraussetzungen unter denen die Klägerin die Zahlung der Vertragsstrafe verlangen
kann, sind erfüllt.
a) Der Beklagte befand sich als Vermieter mit der Übergabe in Verzug. Denn die Übergabe
erfolgte nicht am vertraglich vereinbarten Termin 30.08.2017, sondern unstreitig
erst am 22.11.2017. Insbesondere war die Vertragsstrafe ausdrücklich an den Übergabe-
und nicht an den Eröffnungszeitpunkt gebunden. Gegen die entsprechenden
Ausführungen des Landgerichts in dem angefochtenen Urteil hat der Beklagte in der
Berufung keine Einwendungen mehr erhoben.

b) Der Eintritt des Verzugs ist auch nicht dadurch verhindert worden, dass dem Beklagten
ein Zurückbehaltungsrecht zugestanden hätte, weil die Klägerin die vorzulegende
Patronatserklärung erst verspätet am 06.02.2019, also weit nach erfolgter Übergabe
der Mietsache, leistete.

Zutreffend ist das Landgericht insoweit zu dem Ergebnis gelangt, dass ein Zurückbehaltungsrecht
nach § 320 BGB nicht besteht, weil die Vorschrift des § 320 BGB Ausdruck
des funktionellen Synallagmas ist und der Anspruch auf Mietsicherheit nicht im
Gegenseitigkeitsverhältnis steht und ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB nicht
greift, weil der Beklagte es nicht ausgeübt hat.

Darüber hinaus ist, worauf die Klägerin zutreffend hinweist, folgendes zu berücksichtigen:
Ausweislich § 8 des Mietvertrages war die näher spezifizierte Mietkaution spätestens
bei Übergabe der Mietsache zu leisten. Eine Fälligkeit zur Einforderung der Mietsicherheit
durch den Beklagten setzte also voraus, dass dieser zur Übergabe bereit und
im Stande war. Er konnte die Leistung einer Mietsicherheit aber nicht bereits zum ursprünglich
vereinbarten Übergabetermin verlangen, weil er selbst zu diesem Zeitpunkt
nicht in der Lage war, seine Hauptleistungspflicht, Übergabe des Mietobjektes, zu erfüllen
und sich insoweit im Verzug befand (vgl. dazu auch das Miet- und Abnahmeprotokoll
vom 22.11.2017, Anlage K 2, Bl. 22 ff. d.A., in dem die nicht erfolgte Abnahme in
den drei vorangegangenen geplanten Übergabeterminen dokumentiert ist). Allenfalls
hätte der Beklagte die Übergabe am 22.11.2017 verweigern können, bis die Mietsicherheit
geleistet ist. Das ist aber nicht erfolgt und hätte auf die Verwirkung der Vertragsstrafe
auch keinen Einfluss mehr gehabt.

c) Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass den Beklagten ein Verschulden
an der verspäteten Übergabe trifft und es ihn nicht entlastet, dass den Voreigentümer
der Immobile bei dem zu treffenden Brandschutz möglicherweise Versäumnisse
vorzuwerfen sind. Auf die Ausführungen Seite 20 f. (Bl. 214 f. d.A.) des angefochtenen
Urteils, die in der Berufung auch nicht angegriffen wurden, wird insoweit Bezug genommen.
Zudem ist zu berücksichtigen dass der BGH davon ausgeht, dass bei einer Vermietung
mit Bauverpflichtung, wie sie hier vorliegt, der Vermieter eine verschuldensunabhängige
Garantiehaftung übernimmt und sich die Nichtfertigstellung des Objekts insoweit
als einer der gröbsten denkbaren Vertragsverstöße darstellt (vgl. BGH, Urteil
vom 12.03.2003, XII ZR 18/00, juris Rn. 52).

d) Die Klägerin hat sich die Geltendmachung der Vertragsstrafe bei Abnahme auch
vorbehalten. Auf Seite 4 des Miet- und Abnahmeprotokolls vom 22.11.2017 (Anlage K
2, Bl. 23R. d.A.) ist die Option:
strafe vor." angekreuzt worden. Handschriftlich ergänzt wurde:
Zuge der Nachtragsverhandlungen geklärt."

Diese Erklärung wurde von der Mitarbeiterin der Klägerin, Frau B., unterzeichnet. Frau
B. war laut Vollmacht vom 27.09.2017 (Anlage B 3) von der Klägerin bevollmächtigt,
Zutreffend ist das Landgericht zu dem Ergebnis gekommen, dass diese Vollmacht so
auszulegen ist, dass Frau B. auch berechtigt war, Erklärungen zum Thema Vertragsstrafe
abzugeben. Denn regelmäßig ist Gegenstand einer förmlichen Abnahme nicht
nur die gemeinsame Prüfung der erbrachten Bauleistung und Protokollierung etwaiger
Vorbehalte wegen bekannter Mängel, sondern auch Erklärungen über Vertragstrafen
und etwaige Vorbehalte dazu abzugeben (Genius, in Herberger/Martinek/Rüßmann/
Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, Band 2, § 640 BGB, Rn. 32, vgl. dazu auch § 12
Abs. 4 Nr. 1 VOB/B). Das folgt im vorliegenden Fall auch daraus, dass in dem Miet- und
Abnahmeprotokoll vom 22.11.2017 die Möglichkeit, den Vertragsstrafenvorbehalt geltend
zu machen, formularmäßig ausdrücklich vorgesehen war. Für die Parteien war
daher anhand des vorbereiteten Vordrucks im Vorfeld klar erkennbar, dass eine entsprechende
Erklärung im Rahmen der Übergabe abzugeben sein würde. Das galt für
die Klägerin umso mehr, da zum einen die Mitarbeiterin bei ihr regelmäßig entsprechende
Aufgaben erledigte und zum anderen im Vertrag die Vertragsstrafe vereinbart
worden war, deren Durchsetzung einen entsprechenden Vorbehalt erforderte.
e) Die Parteien haben die vereinbarte Vertragsstrafe nicht konkludent abbedungen.
Der Beklagte trägt dazu vor, dass die Vertragsstrafe abbedungen worden sei, indem
die Parteien in Ansehung der absehbaren Verzögerungen vereinbart hätten, dass der
Beklagte auch die Durchführung und Abwicklung eigentlich der Klägerin als Mieterin
zugewiesener Baumaßnahmen auf eigene Kosten übernehmen würde, damit diese
Aufgaben parallel zu den noch offenen Leistungen des Beklagten erfolgten könnten. So
sei es möglich gewesen, dass die eigentlich zeitlich hintereinandergeschalteten Leistungen
hätten weitgehend parallel verlaufen und der Eröffnungstermin gehalten habe
werden können. Es sei aber klar gewesen, dass sich durch eine solche Vereinbarung
zur Änderung des Bautenplans die Übergabe der Mietsache noch weiter nach hinten
verschieben würde. Das ergebe sich auch aus einem Abgleich des Protokolls vom
20.07.2017 (Anlage B 1) und des Raumbuches (Ablage B 5). Aus diesen Vereinbarungen
folge eine konkludente Änderung des Mietvertrags hin zu einer Abbedingung der
Vertragsstrafe.

Zutreffend hat das Landgericht dazu bereits ausgeführt, dass sich aus dem Abgleich
der Anlage B1 mit der Anlage B5 nicht die von der Beklagtenseite behauptete Veränderung
der Zuständigkeiten ergibt. Der Beklagte hat bis heute nicht substantiiert vorgetragen,
welche Arbeiten, die ursprünglich im Aufgabenbereich der Klägerin gestanden
haben, er nachträglich übernommen hat. Schon deshalb ist nicht ersichtlich, dass sich
daraus eine ausdrückliche oder konkludente Abbedingung der Vertragsstrafenregelung
ergeben könnte. Die insoweit zwar berechtigte Verfahrensrüge, dass das Landgericht
den Schriftsatz der Beklagten vom 26.08.2022 bei der Abfassung des Urteils noch hätte
berücksichtigen müssen, weil dieser in der mündlichen Verhandlung noch nachgelassen
worden war, ist insoweit nicht entscheidungserheblich. Denn auch in jenem Schriftsatz
ist der Vortrag der Beklagten nicht substantiiert worden. Dazu wäre es erforderlich
gewesen, dass der Beklagte konkret vorträgt, welche nach der vertraglichen Vereinbarung
von der Klägerin auszuführenden Arbeiten er übernommen und inwieweit dies zu
ersetzt diesen Vortrag nicht. Insbesondere ist es nicht Aufgabe des Gerichts, ohne weiteren
konkretisierenden Vortrag des Beklagten eingereichte Anlagen abzugleichen, um
e ggf. verändert wurden.

5. Zutreffend ist das Landgericht auch zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Anpassung
der Vertragsstrafe nach den Regeln des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gemäß
§ 313 BGB hier nicht in Betracht kommt.

Grundsätzlich besteht nach § 313 BGB die Möglichkeit, die Anpassung eines Vertrags
zu verlangen, wenn sich die Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind,
nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag
nicht oder nicht so geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen
hätten. Weiter ist erforderlich, dass einem Vertragspartner unter Berücksichtigung aller
Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten
Vertrag aus diesen Gründen nicht zugemutet werden kann. § 313 BGB ist
dagegen nicht anwendbar, wenn sich durch die Störung ein Risiko verwirklicht, welches
eine Partei zu tragen hat (BGH Urteil vom 09.03.2010, VI ZR 52/09, juris Rn. 24
m.w.N.). Letzteres ist vorliegend der Fall. Der Umstand, dass der Voreigentümer des
Mietobjekts die Brandschutzsanierung nicht ordnungsgemäß durchgeführt hat und hier
nun zusätzliche Arbeiten zu erledigen waren, fällt allein in die Risikosphäre des Vermieters,
also des Beklagten.

Die streitige Frage, ob es wegen einer anderer Verteilung der vorzunehmenden Baumaßnahmen
(auch) zu Verzögerungen gekommen ist, die ursprünglich in der Sphäre
der Klägerin lagen, fällt nicht unter § 313 BGB, denn selbst unter Zugrundelegung des
Vortrags des Beklagten wäre das nur eine Folge, die sich aus einem von dem Beklagten
zu tragenden Risiko ergibt.

6. Eine Herabsetzung der Vertragsstrafe gemäß § 343 BGB scheidet ebenfalls aus.
Nach § 343 Abs. 1 Satz 1 BGB kann eine Vertragsstrafe auf Antrag des Schuldners,
wie ihn hier der Beklagte gestellt hat, durch Urteil auf den angemessenen Betrag herabgesetzt
werden, wenn eine verwirkte Strafe unverhältnismäßig hoch ist. Nach § 343
Abs. 1 Satz 1 BGB ist bei der Beurteilung der Angemessenheit jedes berechtigte Interesse
des Gläubigers, nicht bloß das Vermögensinteresse, in Betracht zu ziehen.
§ 343 BG ist hier auch grundsätzlich anwendbar. Dass der Ausschluss des § 338 HGB
(keine Anwendung des § 343 BGB bei Vertragsstrafen, die ein Kaufmann im Betrieb
seines Handelsgewerbes versprochen hat) hier nicht greift, hat das Landgericht auf
Seite 25 des angefochtenen Urteils zutreffend festgestellt. Diese Ausführungen haben
die Parteien nicht angegriffen.

Das Ermäßigungsrecht nach § 343 setzt allerdings voraus, dass die verfallene Vertragsstrafe
unverhältnismäßig hoch ist. Für die Angemessenheit der Strafe sind vor allem
Schwere und Ausmaß der Zuwiderhandlung und der Grad des Verschuldens entscheidend
(BGH, Urteil vom 30.09.1993, I ZR 54/91, juris Rn. 13 ff.; OLG Brandenburg Urteil
vom 30.01.2001, 11 U 3/00, juris Rn 16 ff.). Zu berücksichtigen sind alle Umstände des
Einzelfalls, insbesondere die Funktion der Strafe als Druck- und Sicherungsmittel und
dass diese den Gläubiger im Falle der Zuwiderhandlung von der Notwendigkeit des
Schadensnachweises entheben soll (BGH, Urteil vom 07.10.1982, I ZR 120/80, juris
Rn. 26; BGH, Urteil vom 30.09.1993, I ZR 54/91, juris Rn. 13 ff.; OLG Frankfurt, Urteil
vom 30.04.2004, 11 U 10/04, juris, Rn. 15). Von Bedeutung sind auch die Art des Verstoßes
und die wirtschaftliche Lage des Schuldners. Allein das Fehlen eines Schadens
rechtfertigt die Herabsetzung der Strafe nicht (BGH, Urteil vom 01.06.1983, I ZR 78/81,
juris Rn. 18). Entscheidend ist, welchen Schaden der Vertragsbruch hätte herbeiführen
können (Janoschek, in Beck-OK BGB, Hau/Poseck, 62. Ed., § 343, Rn. 8). Die Beweislast
für die Tatsachen, aus denen die Unverhältnismäßigkeit hergeleitet werden soll,
trägt der Schuldner (Grüneberg/Grüneberg, BGB 81. Aufl. § 343 Rn. 7).

Den Ausgangspunkt der Angemessenheitsprüfung bildet dabei zunächst die zwischen
den Parteien vereinbarte Vertragsstrafe. Denn den Parteien steht es im Rahmen der
Vertragsfreiheit grundsätzlich frei, wie und in welchem Umfang sie sich gegenseitig verpflichten
möchten. Die Höhe der vereinbarten Vertragsstrafe unterliegt der autonomen
Beurteilung der Vertragsparteien, die sich bewusst auf bestimmte Vertragsstrafenbeträge
für bestimmte Verstöße eingelassen haben und damit in Kenntnis ihrer eigenen
wirtschaftlichen Verhältnisse vereinbart haben, welche Bedeutung sie bestimmten Verstößen
zubilligen und welche Geldbeträge nach ihrer Auffassung eine hinreichende abschreckende
Wirkung zur Verhinderung von Vertragsverstößen haben können (vgl.
OLG Hamburg, Urteil vom 29.10.2013, 9 U 38/13, BeckRS 2015, 3162, Rn. 61; Staudinger/
Rieble, BGB, Neubearb. 2020, § 343 Rn. 111). Besteht eine gültige Vereinbarung
über die Vertragsstrafe, müssen erhebliche Gründe für die Anpassung nach § 343
BGB sprechen. Erst wenn sich das Ergebnis der im Voraus erfolgten Beurteilung und
Bewertung durch die Vertragsparteien als unvertretbar und disproportional zu den mit
der verfallenen Vertragsstrafe verfolgten Zwecken erweist, kommt eine Ermäßigung in
Betracht (Ulrici, in beck-online-Großkommentar BGB, § 343, Rn. 54 m.w.N.).
Der Beklagte hat verschiedene Aspekte vorgetragen, aus denen sich aus seiner Sicht
die Unverhältnismäßigkeit der Vertragsstrafe ergeben soll. Das Landgericht hat sich
damit auseinandergesetzt. Auf die dortigen zutreffenden Ausführungen auf Seite 26 ff.
wird Bezug genommen. Ergänzend ist folgendes anzumerken:

a) Soweit sich der Beklagte darauf beruft, dass die Klägerin keinen Schaden erlitten
habe, weil ein Eröffnungstermin ohnehin erst Ende 2017, also nach der verspäteten
Übergabe, geplant gewesen sei und die Klägerin bis dahin keinen Umsatz erzielt hätte,
überzeugen diese Ausführungen nicht.

Bereits aus den vertraglichen Vereinbarungen ergibt sich, dass die Parteien offenbar
davon ausgegangen sind, dass eine geraume Zeit zwischen Übergabe und Eröffnung
liegen werde. So ist in § 6 Ziff. (2) des Mietvertrages im Zusammenhang mit dem Beginn
der Mi
und ordnungsgemäßer Übergabe zu erfolgen hat . Der Beklagte hat die Vertragsstrafe
in der vereinbarten Höhe also in Kenntnis dessen akzeptiert, dass die Klägerin ggf. bis
zu 8 Wochen nach Übergabe keinen Umsatz erzielen wird. Zudem rechtfertigt allein
das Fehlen eines Schadens die Herabsetzung der Strafe nicht; entscheidend ist, welchen
Schaden der Vertragsbruch hätte herbeiführen können (Janoschek, in Beck-OK
BGB, Hau/Poseck, 62. Ed., § 343, Rn. 8, vgl. auch BGH, Urteil vom 12.03.2003, XII ZR
18/00, juris Rn. 53).

b) Die Argumentation des Beklagten, dass sich die Unverhältnismäßigkeit der Vertragsstrafe
daraus ergebe, dass der eingetretene Verzug auch dadurch entstanden sei, dass
er, der Beklagte, eigentlich der Klägerin zugewiesene Baumaßnahmen übernommen
habe, greift nicht, weil dieser Vertrag unsubstantiiert ist (dazu bereits oben Ziff. II.3.e).

c) Auch der vereinbarte Tagessatz der Vertragsstrafe ist unter Berücksichtigung der
gesamten verwirkten Vertragsstrafe hier nicht unangemessen hoch. Im vorliegenden
Fall beträgt der und damit knapp das 3,76-
fache der Tagesmiete von 1.196,71 . Die insgesamt verwirkte Vertragsstrafe liegt bei
378 (etwa das 10-fache der Nettom ). Der BGH hat
in einem Gewerbemietvertrag über ein noch zu errichtendes Gebäude eine verwirkte
Vertragsstrafe von 239.000,00 DM (478 Tage x 500,00 DM) bei einer Nettomonatsmiete
von 21.600,00 (die Vertragsstrafe entspricht also etwa der 11-fachen Monatsmiete)
noch als angemessen angesehen (Urteil vom 12.03.2003, XII ZR 18/00). Entsprechende
Entscheidungen hat auch das OLG Celle getroffen (Urteil vom 03.01.2014, 2 U
164/13: Vertragsstrafe: 42.400,00 (212 Tage x 200,00 ) bei einer Nettomonatsmiete
von 8.000,00 , die Vertragsstrafe entspricht etwa einer 5-fachen Monatsmiete und Urteil
vom 14.04.2014, 2 U 111/14: Vertragsstrafe: 36.900,00 (123 Tage x 300,00 ) bei
einer Nettomonatsmiete von die Vertragsstrafe entspricht etwa einer 4-
fachen Monatsmiete).

Die hier verwirkte Vertragsstrafe befindet sich damit im Rahmen der vorgenannten
Rechtsprechung. Das gilt umso mehr wenn man berücksichtigt, dass in den zitierten
Entscheidungen des BGH und des OLG Celle die jeweiligen Vertragsstrafenklauseln
einer AGB-rechtlichen Kontrolle unterzogen waren und damit die Prüfung der Angemessenheit
nach einem strengeren Maßstab erfolgte, als es bei der hier individuell ausgehandelten
Vertragsstrafenregelung der Fall ist.

7. Eine Verwirkung gemäß § 242 BGB liegt wegen fehlenden Umstands- und Zeitmoments
ebenfalls nicht vor.

Ein Recht ist verwirkt, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen
ist (Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung
als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Umstandsmoment).
Letzteres ist der Fall, wenn der Verpflichtete bei objektiver Betrachtung aus dem
Verhalten des Berechtigten entnehmen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend
machen werde. Ferner muss sich der Verpflichtete im Vertrauen auf das Verhalten
des Berechtigten in seinen Maßnahmen so eingerichtet haben, dass ihm durch die verspätete
Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde (st. Rspr. des
BGH; vgl. BGH, Urteil vom 23.01.2014, VII ZR 177/13, juris Rn. 13; Urteil vom
29.01.2013, EnZR 16/12, juris Rn. 13; Urteil vom 20.07.2010, EnZR 23/09, juris Rn. 20,
jeweils m.w.N.)

Hier fand die Übergabe des Mietobjekts am 22.11.2017 statt. Im Anschluss wurden
noch Verhandlungen über eine Nachtragsvereinbarung zum Mietvertrag geführt. Mit
Schreiben vom 17.06.2019 (Anlage K 3) nahm die Klägerin den Beklagten auf Zahlung
der Vertragsstrafe in Anspruch. Die Klägerin hat damit weder über längere Zeit auf die
Geltendmachung ihres Rechts verzichtet noch durfte der Beklagte davon ausgehen,
dass die Klägerin auf die Geltendmachung der Vertragsstrafe verzichten wird. Auf die
entsprechenden Ausführungen des Landgerichts (Seite 23 f. des angefochtenen Urteils),
die vom Beklagten in der Berufung auch nicht angegriffen wurden, wird ergänzend
Bezug genommen.

8. Die Aufrechnung des Beklagten bezüglich der geltend gemachten Nutzungsentschädigung
für den Kellerraum [ ] hat auch in der Berufung keinen Erfolg. Die Nutzung
dieses Kellerraums durch die Klägerin entspricht den Vereinbarungen der Parteien.
In der E-Mail vom 02.06.2022 (Anlage K10) an einen Mitarbeiter der Klägerin bietet der
wegen der technischen Anforderungen an die
Klimatechnik Lagerflächen für die Klägerin weggefallen seien, an,
rund 15 m2 gem. Nachtrag der [ ] Mietfläche kostenlos Bei der genannten
Fläche handelt es sich unstreitig um den Kellerraum [ ]. Bereits in ihrem
Schriftsatz vom 29.06.2021 trägt die Klägerin dazu vor, dass dieser Kellerraum der Klägerin
vom Beklagten im Austausch zu der für die Technik benötigten Fläche bei der
Übergabe auch tatsächlich überlassen wurde. Spätestens mit dieser tatsächlichen
Überlassung ist der angebotenen Austausch der Flächen einvernehmlich vollzogen
worden. Diesen Vortrag konkretisiert sie in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom
18.08.2021 lediglich. Da jedenfalls diese tatsächliche Übergabe von der Klägerin bereits
im Schriftsatz vom 29.06.2021 dargelegt ist und vom Beklagten nicht bestritten
wurde, kommt es nicht darauf an, ob der diesbezügliche Vortrag der Klägerin im Schriftsatz
der Klägerin vom 18.08.2021 gegebenenfalls verspätet gewesen ist (vgl. dazu Zöller/
Heßler, ZPO, 31. Aufl., § 531 Rn. 9 m.w.N.). Im Übrigen wird auf die Ausführungen
des Landgerichts auf Seite 31 f. des angefochtenen Urteils ergänzend Bezug genommen.
9. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

10. Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gemäß
§ 543 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 2 S. 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit
Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchstoder
obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder
grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Bremen

Erscheinungsdatum:

09.12.2022

Aktenzeichen:

4 U 20/21

Rechtsgebiete:

Allgemeines Schuldrecht
AGB, Verbraucherschutz
Bauträgervertrag und Werkvertrag
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)

Normen in Titel:

BGB §§ 242, 305, 343