OLG Naumburg 06. November 2020
5 Wx 9/20
MaßnG-GesR § 3 Abs. 5 S. 2

Eingetragene Genossenschaft: COVID-19-Gesetzgebung modifiziert statutarische Vertretungsregelung nicht

letzte Aktualisierung: 9.6.2021
OLG Naumburg, Beschl. v. 6.11.2020 – 5 Wx 9/20

MaßnG-GesR § 3 Abs. 5 S. 2
Eingetragene Genossenschaft: COVID-19-Gesetzgebung modifiziert statutarische Vertretungsregelung
nicht

§ 3 Abs. 5 S. 2 des Gesetzes über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-,
Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie
(MaßnG-GesR), der es erlaubt, die Anzahl der Vorstandsmitglieder unter die gesetzliche Mindestzahl
sinken zu lassen, wirkt sich nicht auf die satzungsmäßige Vertretung der Gesellschaft aus.

(Leitsatz der DNotI-Redaktion)

Gründe:

A.
Der Vorstand der betroffenen Genossenschaft besteht nach § 21 Abs. 1 der Satzung aus
wenigstens zwei Personen. Seine Mitglieder werden vom Aufsichtsrat bestellt. Ihre Bestellung
kann nur durch die Vertreterversammlung vorzeitig widerrufen werden (§ 21 Abs. 2 der
Satzung). Die Vertretung der Genossenschaft erfolgt durch wenigstens zwei Vorstandsmitglieder.
Im Genossenschaftsregister sind die Beteiligten als Vorstandsmitglieder verzeichnet.
Am 2. Juli 2020 beschloss der Aufsichtsrat, dass der Beteiligte zu 2. als Vorstand „beurlaubt“
werde. Daraufhin meldete der Beteiligte zu 1. mit einer durch die Verfahrensbevollmächtigte
der Genossenschaft öffentlich beglaubigten Erklärung vom 27. Juli 2020 zur Eintragung
in das Genossenschaftsregister an, dass der Beteiligte zu 2. vorläufig seines Amtes
als Vorstand enthoben worden sei.

Nach einem entsprechenden Hinweis hat das Registergericht die Anmeldung am 15. September
2020 zurückgewiesen, weil sie nicht durch Vorstandsmitglieder in zur Vertretung
berechtigender Anzahl bewirkt worden sei.

Gegen diese, ihr am 17. September 2020 zugestellte Entscheidung hat die Genossenschaft
am 30. September 2020 Beschwerde eingelegt. Sie hält die Anmeldung für wirksam, weil
die Zahl ihrer Vorstandsmitglieder auf Grund des Gesetzes über Maßnahmen im Gesellschafts-,
Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung
der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie unter zwei habe sinken dürfen und
ihre Vertretung nunmehr durch ihr einziges verbliebenes Vorstandsmitglied, nämlich den
Beteiligten 1. allein wahrgenommen werde.

Das Registergericht hat es am 2. Oktober 2020 abgelehnt, der Beschwerde abzuhelfen und
die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

B.
Die Beschwerde der Genossenschaft gegen den Beschluss des Registergerichts vom 15.
September 2020 ist zulässig (§§ 10 Abs. 2 Nr. 3, 15 Abs. 2, 58 Abs. 1, 59 Abs. 1, 63 Abs.
1 und 3, 64 Abs. 1 und 2, 374 Nr. 2, 378 Abs. 2, 382 Abs. 3 FamFG), aber unbegründet.
Die Anmeldung der vorläufigen Amtsenthebung des Beteiligten zu 2. ist wegen fehlender
Vertretungsmacht des Beteiligten zu 1. unwirksam.
Wie das Registergericht zutreffend angenommen hat, sind Änderungen des Vorstandes, zu
denen auch deren vorläufige Amtsenthebung gemäß § 40 GenG zählt, durch Vorstandsmitglieder
in zur Vertretung berechtigender Anzahl zur Eintragung in das Handelsregister
anzumelden (§§ 28, 157 GenG). Deshalb bedarf es nach § 22 Abs. 2 der Satzung der betroffenen
Genossenschaft bei einer Registeranmeldung der Mitwirkung wenigstens zweier
Vorstandsmitglieder. Daran ändert die Vorschrift des § 3 Abs. 5 S. 2 des Gesetzes über
Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht
zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie nichts. Diese
Regelung erlaubt es, die Anzahl der Vorstandsmitglieder einer Genossenschaft unter die
durch Gesetz oder Satzung bestimmte Mindestzahl und damit grundsätzlich auch bis auf
ein Mitglied absinken zu lassen. Davon unberührt bleiben indes die Satzungsbestimmungen
über die Vertretung der Genossenschaft. Weder dem Wortlaut noch dem Zweck der
Vorschrift ist zu entnehmen, dass neben den Regelungen über die Anzahl der Vorstandsmitglieder
auch die Bestimmungen über ihre Vertretungsmacht außer Kraft gesetzt werden.
Zum einen ist anzunehmen, dass der Gesetzgeber einen derart gewichtigen Eingriff in die
Verfassung der Genossenschaft ausdrücklich angeordnet hätte. Zum anderen erfordert der
Zweck der Regelung auch keinen solchen Eingriff. Durch § 3 Abs. 5 des Gesetzes über
Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht
zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie soll erreicht
werden, dass die Genossenschaften unter den Bedingungen der Pandemie nicht jedes
durch Ablauf der Amtszeit oder anderweitig ausscheidende Vorstandsmitglied alsbald ersetzen
müssen. Gleichwohl muß die Handlungsfähigkeit der Genossenschaft erhalten bleiben.
Daß die Genossenschaft im Falle des Verlustes aller Vorstandsmitglieder ohne Vorstand
bleiben darf, sieht die Regelung nicht vor. Daher ist auch während der Pandemie
jedenfalls dann ein neuer Vorstand zu bestellen, wenn alle bisherigen Vorstandsmitglieder
auf andere Weise als durch Ablauf der Amtszeit ausscheiden. Dass dies nur beim Ausscheiden
sämtlicher Vorstandsmitglieder und nicht auch beim Verlust der Handlungsfähigkeit
der Genossenschaft durch Wegfall einzelner zu ihrer satzungsgemäßen Vertretung benötigter
Vorstandsmitglieder erforderlich sein sollte, ist indes nicht ersichtlich. Die Vorschrift
geht damit auch nicht etwa ins Leere, denn sie greift in allen Fällen ein, in denen nach
Gesetz oder Satzung mehr Vorstandsmitglieder zu bestellen sind, als zur Vertretung der
Genossenschaft unbedingt benötigt werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.

Die Voraussetzungen der Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 70 Abs. 2 FamFG) sind
nicht erfüllt.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Naumburg

Erscheinungsdatum:

06.11.2020

Aktenzeichen:

5 Wx 9/20

Rechtsgebiete:

Genossenschaft
nicht vergeben
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Normen in Titel:

MaßnG-GesR § 3 Abs. 5 S. 2