Auslegung bei Flächenabweichung
DNotIDeutsches Notarinstitut
Dokumentnummer: 875
letzte Aktualisierung: 29.November 1999
der Wohnfläche nicht um einen "Geringfügigkeitszuschlag" von 3% gekürzt
werden
BGB § 157 (Ge)
Vereinbaren die Parteien in einem Kaufvertrag über eine Eigentumswohnung,
daß geringfügige Änderungen der berechneten Wohnfläche nicht zu einer Ermäßigung oder Erhöhung des Kaufpreises berechtigen sollen, und ergibt sich
bei der endgültigen Berechnung eine deutliche Abweichung nach unten (hier:
statt 102,5 qm nur 90,48 qm), so ergibt die Auslegung der Vertragsbestimmung,
-2daß die dann berechtigte Herabsetzung des Kaufpreises nicht um einen "Geringfügigkeitszuschlag" von 3 % gekürzt werden darf.
Tatbestand:
Mit notariellem Vertrag vom 15. Oktober 1993 erwarb der Kläger von der
Beklagten in dem von ihr ausgebauten und sanierten U.
Ö.
Sch.
F.
in
eine Eigentumswohnung zum Preis von 405.700 DM zuzüglich
20.000 DM für einen Garagenstellplatz. In dem Vertrag heißt es u.a.: "Geringfügige Änderungen der berechneten Wohnflächen nach oben oder unten können
sich ergeben. Die endgültige Wohnfläche mindert weder den Kaufpreis noch
rechtfertigt sie einen Zuschlag."
Im Verkaufsprospekt war die Wohnfläche mit 102,5 qm angegeben worden, tatsächlich beträgt sie nur 90,48 qm. Mit Rücksicht auf diese Abweichung
ermäßigte die Beklagte mit Schreiben vom 19. Juni 1995 den Kaufpreis der
Wohnung von 405.700 DM auf 369.700 DM, wobei sie die tatsächliche Fläche
von 90,48 qm um einen "Geringfügigkeitszuschlag" von 3 % auf 93,5 qm erhöhte und diese mit dem der Kaufpreisberechnung zugrundeliegenden Quadratmeterpreis von 3.958 DM berechnete.
Der Kläger hält die Berücksichtigung eines Geringfügigkeitszuschlages
nicht für berechtigt und hat Rückzahlung des darauf entfallenden Kaufpreisanteils von 11.953,16 DM nebst Zinsen verlangt. Das Landgericht hat der Klage in
Höhe von 11.580,16 DM nebst Zinsen unter Abzug eines bereits gewährten
Nachlasses von 373 DM stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne
Erfolg geblieben. Mit der - zugelassenen - Revision verfolgt die Beklagte ihren
Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt die Zurückweisung des
Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht versteht die - als Teil allgemeiner Geschäftsbedingungen der Beklagten gewertete - Klausel, wonach geringfügige Änderungen
der Wohnfläche weder zu einer Minderung noch zu einer Erhöhung des Kaufpreises berechtigen, als Wiederholung der Regelung in § 459 Abs. 1 Satz 2
BGB und als eine auf das Minderungsrecht erweiterte Regelung des § 634
Abs. 3 BGB. Es zieht daraus den Schluß, daß bei einer Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenze die gesamte Minderfläche bei der Berechnung der Minderung zu berücksichtigen sei und nicht nur der jenseits der Geringfügigkeitsgrenze liegende Teil.
II.
Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg.
1. a) Wie das Berufungsgericht gehen die Parteien übereinstimmend davon aus, daß die streitige Klausel in dem notariellen Vertrag Bestandteil allgemeiner Geschäftsbedingungen der Beklagten ist. Anhaltspunkte dafür, daß dies
auf Rechtsirrtum beruht, sind nicht erkennbar. Die Klausel ist damit in vollem
Umfang nur revisibel, wenn es sich um eine typische Klausel handelt, die nicht
nur in einem Oberlandesgerichtsbezirk (vgl.
dazu nicht getroffen. Auch die Revision verweist nicht auf Sachvortrag, der den
Schluß darauf zuläßt, daß die Klausel nicht nur in einem Oberlandesgerichtsbezirk Verwendung findet.
b) Infolgedessen kann der Senat die Auslegung der Klausel durch das
Berufungsgericht nur in demselben Umfang nachprüfen wie bei Individualverträgen (BGH, Urt. v. 18. September 1963, V ZR 169/61,
Fehl geht die Annahme der Revision, das Berufungsgericht habe eine
Auslegung unterlassen und allein die Unklarheitenregel des
Auslegung vorgenommen. Einerseits hat es die entsprechende gesetzliche Regelung (
Regelung auf die Klausel übertragen. Zum anderen hat es auf den von ihm ermittelten Vertragszweck abgehoben und daraus Schlüsse auf den Inhalt der
Klausel gezogen. Daß diese Auslegung rechtsfehlerhaft ist, etwa gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt, zeigt die Revision nicht auf. Auch ihre
Rüge, das Verständnis des Berufungsgerichts führe zu einem widersinnigen
Ergebnis, weil bis zur Geringfügigkeitsgrenze gar nicht gemindert werden könne, während bei schon geringer Überschreitung dieser Grenze ein volles Minderungsrecht bestehe, läßt die Auslegung nicht interessewidrig und damit rechtsfehlerhaft erscheinen. Dies entspricht vielmehr der gesetzlichen Regelung des §
459 Abs. 1 Satz 2 BGB, an die die Klausel angelehnt ist. Was der Gesetzgeber
für interessegerecht gehalten hat, kann als vertragliche Gestaltung nicht "widersinnig" werden. Soweit die Revision schließlich meint, das Berufungsgericht
habe der Klausel entnehmen müssen, daß auch bei geringfügig geänderter
Wohnfläche von einer vertragsgemäßen Leistung auszugehen sei, so daß eine
Minderung erst bei Überschreiten dieser Grenze in Betracht komme, weist sie
keinen Rechtsfehler nach, sondern setzt nur ihr Verständnis der Klausel dem
des Berufungsgerichts entgegen. Darauf kann eine Revision nicht gestützt werden.
c) Angesichts der vorgenommenen Auslegung kommt es auf
nicht an. Wenn man darin eine Hilfserwägung erblickt, so ist der Hinweis auf
diese Norm indes nicht falsch. Im Ansatz verfehlt ist dazu die Rüge der Revision, der Begriff der Geringfügigkeit stelle keine Unklarheit im Sinne des § 5
AGBG dar. Das ist auch nicht die Auffassung des Berufungsgerichts. Die Unklarheit hat es vielmehr darin gesehen, daß das Verständnis der Klausel im
Sinne der Beklagten dem Wortlaut nach nicht ausgeschlossen erscheint, daß
ein so verstandenes - vom Gesetz abweichendes - Minderungsrecht aber nicht
deutlich genug zum Ausdruck gekommen sei, so daß sich die Beklagte § 5
AGBG entgegenhalten lassen müsse. In diesem Kontext begegnen die Ausführungen keinen Bedenken.
2. Der Rechtsstreit wäre nicht anders zu entscheiden, wenn die Klausel
der vollen Überprüfung durch den Senat unterläge. Eine eigene Auslegung führte nämlich mit Rücksicht auf die an das Gesetz angelehnten Formulierung
(
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:22.10.1999
Aktenzeichen:V ZR 398/98
Erschienen in:
DNotI-Report 2000, 10
DNotZ 2000, 124-126
NJW-RR 2000, 202
NotBZ 2000, 23
ZNotP 2000, 72-73
ZWE 2000, 68-69
BGB §§ 157, 459 a.F., 468 a.F.