OLG Hamm 21. Februar 2019
15 W 24/19
BGB §§ 1922, 2065 Abs. 2, 2096; FamFG §§ 58, 70 Abs. 2, 81; GNotKG §§ 40, 61

Bestimmtheit der Ersatzerbenberufung

letzte Aktualisierung: 20.5.2019
OLG Hamm, Beschl. v. 21.2.2019 – 15 W 24/19

BGB §§ 1922, 2065 Abs. 2, 2096; FamFG §§ 58, 70 Abs. 2, 81; GNotKG §§ 40, 61
Bestimmtheit der Ersatzerbenberufung

Eine Klausel, mit der ein Erblasser zu seinem Ersatzerben (§ 2096 BGB) die Personen beruft, die –
gewillkürte – Rechtsnachfolger des von ihm eingesetzten Erben sind, verstößt nicht gegen § 2065
Abs. 2 BGB, weil der Erblasser damit selbst die erforderliche Bestimmung seines (Ersatz-)Erben
trifft.

G r ü n d e :

I.
Die kinderlos verstorbene Erblasserin war mit dem am 23.01.1994 vorverstorbenen X2
verheiratet.

Die Eltern der Erblasserin sind vorverstorben. Neben der Erblasserin hatten die Eltern vier
weitere Kinder:

- die Beteiligte zu 3)
- C, die Ehefrau des Beteiligten zu 1) und Mutter des Beteiligten zu 2)
- die im Jahre 2015 vorverstorbenen T2 und Q.

Die Erblasserin hat eine letztwillige Verfügung hinterlassen, ein am 31.03.1978 errichtetes
notarielles Testament (UR-Nr. ###/19## des Notars M in J) mit dem nachfolgenden Inhalt:
Zu meiner Erbin setze ich meine Schwester, Frau C, geb. T, … ein.
Ersatzerben sind deren Rechtsnachfolger.

C ist am 16.08.2016 verstorben.

In dem am 9.02.1965 errichteten Erbvertrag hatten sich die Eheleute I-C und Q-C, der
Beteiligte zu 1), gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt. Weiterhin hatten sie eine bedingte
Vor- und Nacherbschaft für den Fall angeordnet, dass der überlebende Ehegatte nicht
eines der aus ihrer Ehe hervorgehenden Kinder zu seinem Erben bestimmen würde (URNr.
###/19## des Notars M in J). In einem formwirksamen Ehegattentestament vom
24.10.2004 setzten sich die Eheleute C erneut gegenseitig zu Alleinerben ein und
bestimmten den gemeinsamen Sohn, den Beteiligten zu 2), zum Schlusserben.

Nach dem Tod der Erblasserin hat der Beteiligte zu 1) die Erteilung eines Erbscheins
beantragt, der ihn als Alleinerben ausweist.

Die Beteiligten zu 2) und 3) sind diesem Antrag entgegen getreten.

Das Nachlassgericht hat den Erbscheinsantrag mit Beschluss vom 14.11.2018
zurückgewiesen. Die Nachlassrichterin hat dabei die Auffassung vertreten, dass das
notarielle Testament der Erblasserin hinsichtlich der Bestimmung des Ersatzerben eine
nach § 2065 Abs. 2 BGB unzulässige Überlassung der Auswahl enthalte.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Beteiligten zu 1), der das
Amtsgericht durch Beschluss vom 8.01.2019 nicht abgeholfen und die es dem Senat zur
Entscheidung vorgelegt hat.

II.
Die Beschwerde ist gemäß § 58 FamFG statthaft und insgesamt zulässig.
Die Beschwerde ist auch in der Sache begründet und führt in Abänderung des
amtsgerichtlichen Beschlusses zu dem im Tenor dargestellten Feststellungsbeschluss.
Die Erblasserin ist aufgrund des notariellen Testaments vom 31.03.1978 von dem
Beteiligten zu 1) allein beerbt worden.

Die von der Erblasserin zunächst zur Erbin berufene C ist vor dieser verstorben, konnte
somit nicht deren Erbin werden. Die Ersatzerbfolge für diesen Fall hat die Erblasserin in
ihrer letztwilligen Verfügung selbst geregelt, indem sie „die Rechtsnachfolger“ ihrer
Schwester zu Ersatzerben berufen hat.

Entgegen der Rechtsansicht des Nachlassgerichts verstößt die Klausel, mit der die
Erblasserin „die Rechtsnachfolger“ ihrer Schwester C zu ihren Ersatzerben berufen hat,
nicht gegen § 2065 Abs. 2 BGB. Der Erblasser trifft mit dem vorstehenden Passus nämlich
selbst die erforderliche Bestimmung des Erben / Ersatzerben, auch wenn dessen konkrete
Bestimmung davon abhängig ist, ob und in welcher Form der zunächst berufene Erbe
selbst testiert (Staudinger/Otte, BGB, Neubearbeitung 2013, § 2065 Rn.47 m. w. N.;
Münchener Kommentar zum BGB/Leipold, 7. Auflage, § 2065 Rn.23; Ivo DNotZ 2002, 260
ff.). Der vom Oberlandesgericht Frankfurt ohne nähere Begründung vertretenen und
vereinzelt gebliebenen Gegenauffassung, eine solche Bestimmung verstoße gegen § 2065
Abs. 2 BGB (DNotZ 2001, 143), kann nicht gefolgt werden.

Der Erblasser entzieht sich durch eine solche Verfügung keineswegs der eigenen
Verantwortung für die Abweichung von der gesetzlichen Erbfolge, denn der Zweck, dass
der nach dem Tod des zunächst vorgesehenen Erben verbleibende Nachlass den
Erbeserben anfällt, verstößt niemals gegen das Gebot der Höchstpersönlichkeit (vgl.
Staudinger/Otte, a. a. O.).

Würde man die von der Erblasserin praktizierte Weise der Bestimmung des Ersatzerben
für unzulässig halten, würde es auch zu Wertungswidersprüchen zur Rechtsprechung zur
ergänzenden Testamentsauslegung bei fehlender ausdrücklicher Ersatzerbenbestimmung
kommen. So entspricht es der allgemein anerkannten Rechtsprechung, dass für den Fall,
dass der von dem Erblasser / den testierenden Ehegatten ausgewählte Erbe / Schlusserbe
vorverstorben ist und es an einer ausdrücklichen Bestimmung eines Ersatzerben fehlt, im
Wege der ergänzenden Auslegung ermittelt werden kann, dass an der Stelle des
berufenen und vorverstorbenen Erben dessen Abkömmlinge (OLG Düsseldorf ZEV 2018,
140; OLG München FamRZ 2016, 2154) oder dessen Ehegatte (OLG Schleswig FamRZ
2014, 693; Senat FamRZ 1991, 1483) berufen sind. Es wäre wenig konsequent, wenn
man sich dieser Lösung gerade für den Fall verschließen würde, in dem der Erblasser
sogar ausdrücklich eine Ersatzerbenberufung vorgenommen hat und nur dessen konkrete
Bestimmung von einer weiteren Rechtshandlung (Testamentserrichtung mit der
Bestimmung des eigenen Erben) des zunächst berufenen Erben oder deren Ausbleiben
(Eintritt der gesetzlichen Erbfolge nach dem zunächst berufenen Erben) abhängig
gemacht hat.

Rechtsnachfolger der von der Erblasserin zu ihrer Erbin berufenen C ist der Beteiligte zu
1).

Die Erblasserin hat ihre letztwillige Verfügung mit notarieller Hilfe errichtet, so dass
mangels entgegen stehender Anhaltspunkte davon ausgegangen werden kann, dass der
Begriff „Rechtsnachfolger“ im juristischen Sinne gemeint gewesen ist und daher die
Person / Personen bezeichnet, der / denen mit dem Tode der C deren Vermögen anfällt (§
1922 BGB). Die Erblasserin hat hier bewusst nicht den Begriff „Abkömmling“ gewählt und
ihrer Schwester damit die testamentarische Bestimmung ihres Ehemannes zu ihrem
Rechtsnachfolger ermöglicht.

Der Beteiligte zu 1) hat C, seine Ehefrau, auf der Grundlage der letztwilligen Verfügungen
vom 9.02.1965 und 24.10.2004 allein beerbt, ist damit ihr Rechtsnachfolger und letztlich
der von der Erblasserin eingesetzte Ersatzerbe.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 FamFG.

Die Anordnung der Erstattung der dem Beteiligten zu 1) entstandenen außergerichtlichen
Kosten durch die Beteiligten zu 2) und 3) entspricht nicht der Billigkeit, da diese Beteiligten
erstinstanzlich obsiegt haben.

Die Wertfestsetzung beruht auf den §§ 40, 61 GNotKG. Zugrunde gelegt wurde der von
dem Beteiligten zu 2) angegebene Nachlasswert von 16.500 Euro.
Die Voraussetzungen zur Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 2 FamFG
liegen nicht vor.

Eine Vorlage ist nicht aufgrund der oben angeführten Entscheidung des
Oberlandesgerichts Frankfurt geboten, da dessen Ausführungen zu § 2065 Abs. 2 BGB
die getroffene Entscheidung nicht getragen hat.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Hamm

Erscheinungsdatum:

21.02.2019

Aktenzeichen:

15 W 24/19

Rechtsgebiete:

Erbeinsetzung, Vor- und Nacherbfolge
Gesetzliche Erbfolge
Kostenrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Erschienen in:

MittBayNot 2019, 594-595
RNotZ 2019, 279-281
NJW 2019, 2950
ZEV 2019, 276-278
Zerb 2019, 123-124

Normen in Titel:

BGB §§ 1922, 2065 Abs. 2, 2096; FamFG §§ 58, 70 Abs. 2, 81; GNotKG §§ 40, 61