BGH 26. September 1997
V ZR 29/96
BGB § 249 S. 1

Anspruch auf Rückgängigmachung eines Vertrages aus c.i.c.

2. BGB § 249 Satz 1 (Anspruch auf Rückgängigmachung
eines Vertrages aus c.i.c.)
1. Die Rückgängigmachung eines Vertrages unter dem
Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluß
setzt einen Vermögensschaden voraus.
2. Ein Vermögensschaden tritt nicht automatisch mit der
Eingehung des Vertrages ein, sondern bedingt, daß der
Vertragsschluß für den Betroffenen unter Berücksichtigung der für die Schadensfeststellung allgemein anerkannten Grundsätze wirtschaftlich nachteilig
gewesen ist.
BGH, Urteil vom 26.9.1997 – V ZR 29/96 –, mitgeteilt von
Dr. Manfred Werp, Richter am BGH
Aus dem Tatbestand:
Mit notariellem Vertrag vom 28.4.1989 erwarben die Kläger im Treuhandmodell von der Beklagten eine Eigentumswohnung in L. für
76.837 DM. Zur Finanzierung des Kaufpreises sowie der Nebenkosten nahmen sie bei der Bank ein Darlehen über 100.000 DM
auf, das über eine Lebensversicherung, die die Kläger ebenfalls
abschlossen, getilgt werden soll.
Geworben wurden die Kläger für das Vertragswerk von dem Zeugen
C. , der seinerzeit Mitarbeiter einer inzwischen illiquide gewordenen
Firma W. Marktforschung GmbH war, über die die Beklagte ihre
Objekte vermarktete.
Die Kläger verlangen Freistellung von den Verpflichtungen aus dem
Kreditvertrag, Zug um Zug gegen lastenfreie Rückübertragung der
Eigentumswohnung, sowie die Feststellung, daß die Beklagte ihnen
den Schaden ab 1.1.1993 zu ersetzen haben, der im Zusammenhang
mit dem Kauf der Eigentumswohnung steht. Sie haben dazu behauptet, der Zeuge C. habe ihnen versichert, der Kauf sei für sie ohne
jede finanzielle Belastung, da die Kosten durch Mieteinnahmen und
Steuervorteile gedeckt wurden. Tatsächlich hätten sie jedoch jährliche Unkosten von mindestens 2.112 DM.
Land- und Oberlandesgericht haben der Klage stattgegeben. Die
Revision führte zur Bestätigung des Feststellungsurteils, zum Erlaß
eines Grundurteils hinsichtlich des Freistellungsanspruchs und im
übrigen zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Aus den Gründen:
I.Das Berufungsgericht hält die geltend gemachten Ansprüche
unter dem Gesichtspunkt einer Haftung wegen Verschuldens
bei Vertragsschluß für begründet. Dies hält den Angriffen der
Revision im wesentlichen stand.
II. 1. Das Berufungsgericht billigt die Auffassung des Landgerichts, daß nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon
auszugehen sei, daß der Zeuge C. den Klägern „zugesichert“
habe, der Kauf der Eigentumswohnung sei für sie letztlich
kostenlos, weil Zinsen und Tilgung durch Mieteinnahmen
und Steuerersparnis ausgeglichen würden. Es erblickt hierin
als Grundlage für die Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsschluß eine schuldhaft falsche Zusage, die sich die
Beklagte nach § 278 BGB zurechnen lassen müsse.
Insoweit läßt die revisionsrechtliche Prüfung keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Beklagten erkennen.
a)Unbedenklich ist die Auffassung der Vorinstanzen, daß sich
die Beklagte ein schuldhaftes Verhalten des Zeugen C. zurechnen lassen muß. Die Revision nimmt dies auch hin.
b) Die Schadensersatzhaftung nach den Grundsätzen der
culpa in contrahendo setzt zunächst eine Verletzung von
Sorgfaltspflichten voraus, die sich aus der Aufnahme von
Vertragsverhandlungen ergeben. Diese Voraussetzung ist
hier gegeben.
aa) Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Zeuge C. – wie es
im Urteil des Landgerichts anklingt, auf das das Berufungsgericht zur Begründung verweist – den Klägern Zusicherungen (§ 459 Abs. 2 BGB) oder vertraglich bindende „Zusagen“
gemacht hat. Es ist auch nicht – wie die Revision meint – ein
„selbständiges Garantieversprechen“ erforderlich. Entscheidend ist vielmehr allein, daß der Zeuge objektiv unrichtige
Angaben gemacht hat, die für den Kaufentschluß der Kläger
von Bedeutung waren. Dieses Verhalten stellt entgegen der
Auffassung der Revision unabhängig davon eine Verletzung
vorvertraglicher Pflichten dar, ob die Firma W. Marktforschung GmbH aufgrund Beratungsvertrages zu einer wirtschaftlich umfassenden und objektiven Beratung verpflichtet
war. Macht nämlich der Verkäufer oder eine Person, deren er
sich zur Erfüllung seiner vorvertraglichen Pflichten bedient,
Angaben, die für den Kaufentschluß des anderen Teils von
Bedeutung sein können, so müssen diese Angaben richtig sein.
Anderenfalls verletzt er Sorgfalts- und Aufklärungspflichten
(vgl. Senat, BGHZ 74, 103, 110; BGH, WM 1988, 95, 96).
bb) Daß die Angaben des Zeugen C. über die mit dem Erwerb
der Immobilie verbundenen Kosten unrichtig waren, hat das
Berufungsgericht aufgrund der erstinstanzlich durchgeführten
Beweisaufnahme für erwiesen erachtet. Es ist dabei davon
ausgegangen, daß die Kläger – unabhängig von dem Streit der
Parteien über die Schadensberechnung im einzelnen – nach
Abzug von Mieteinnahmen und Steuerersparnis mindestens
200 DM monatlich zuzahlen mußten, um die Kosten des
Erwerbs aufzubringen. Der Beweisaufnahme hat es – dem
Landgericht folgend – entnommen, daß der Zeuge C. den Klägern demgegenüber den Kauf als kostenneutral dargestellt
hat.
Die Feststellung über die monatliche Belastung greift die
Revision nicht an. Gegen die Beweiswürdigung wendet sie
sich insoweit, daß sie rügt, die Vorinstanzen hätten der Aussage des Zeugen C. nicht entnehmen dürfen, er habe den
Klägern verbindlich zugesagt, der Kauf sei für sie angesichts
der Mieteinnahmen und der Steuerersparnis kostenlos. Darauf
kommt es indes nicht an. Anknüpfungspunkt für die Haftung
aus culpa in contrahendo ist – wie dargelegt – nicht eine vertragliche Zusage, sondern eine schuldhafte Sorgfaltspflichtverletzung durch falsche Angaben zu den Auswirkungen des
Vertrages. Insoweit wird das Beweisergebnis durch die Ausführungen der Revision nicht erschüttert.
c)Das Landgericht hat angenommen, daß dem Zeugen C. ein
Verschulden zur Last fällt. Das ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Aufgrund der getroffenen Feststellungen ist allerdings davon auszugehen, daß dem Zeugen nicht lediglich
Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist – wie das Landgericht gemeint
hat –, sondern Vorsatz. Wer nämlich – wie hier der Zeuge – in
Kenntnis der für die Berechnung wesentlichen Bezugsgrößen,
und damit ohne Anhaltspunkt für den von ihm angepriesenen
kostenlosen Erwerb, „ins Blaue hinein“ falsche Angaben
macht, rechnet mit der Möglichkeit ihrer Unrichtigkeit und
handelt bedingt vorsätzlich (vgl. BGHZ 63, 382, 388; Senat
NJW 1981, 864, 865).
d) Soweit die Revision die Auffassung des Landgerichts
bekämpft, die unrichtigen Angaben des Zeugen C. seien für
den Kaufentschluß der Kläger kausal geworden, bleibt sie
ebenfalls erfolglos.
Falsch ist schon ihr Ausgangspunkt, beweispflichtig für die
Ursächlichkeit seien die Kläger. Nach feststehender Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist, wer vertragliche oder
vorvertragliche Aufklärungspflichten verletzt, darlegungsMittBayNot 1998 Heft 2 93


und beweispflichtig dafür, daß der Schaden auch bei pflichtgemäßem Verhalten eingetreten wäre, der Geschädigte also
den Hinweis unbeachtet gelassen und auch bei wahrheitsgemäßen Tatsachenangaben den Vertrag so wie geschehen
geschlossen hätte (vgl. BGH WM 1984, 221, 222; Senat WM
1988, 48, 50; BGHZ 111, 75, 81 f.; 124, 151, 159 f.). Diesen
Beweis hat die Beklagte nicht geführt.
aa) Die Ursächlichkeit wäre zu verneinen, wenn die Kläger
den – zutreffende Angaben enthaltenden – Prospekt über das
Kaufobjekt ausgehändigt erhalten hätten. Dies ist nach der
von dem Berufungsgericht geteilten Beweiswürdigung des
Landgerichts nicht der Fall. Selbst wenn insoweit Zweifel
verbleiben sollten, so hat die Beklagte jedenfalls nicht den
Beweis des Gegenteils erbracht. Dies macht auch die Revision nicht geltend.
bb) Die Ursächlichkeit zwischen Pflichtverletzung und Vertragsschluß wird auch nicht dadurch beseitigt, daß die notarielle Urkunde vom 10.2.1989, in der die Kläger das Angebot
zum Abschluß eines Treuhandvertrages und von Geschäftsbesorgungsverträgen abgegeben haben, folgenden Hinweis
enthält: „Auch wurde darauf hingewiesen, daß nach überschlagener Rechnung die monatlichen Mieteinnahmen, nach
Fertigstellung der Wohnung, die erforderlichen Finanzierungsaufwendungen bei Weitem nicht decken.“ Allerdings
kann dieser deutlichen Warnung vor den Risiken des
Geschäfts nicht deswegen die Erheblichkeit für die Entschließung der Kläger abgesprochen werden, weil diese – wie
das Landgericht gemeint hat – als einfache Menschen kaum
so flexibel gewesen seien, den einmal gefaßten Kaufentschluß
angesichts des Hinweises noch einmal umzustoßen. Diese
Auffassung, die sich zudem nicht auf konkrete Feststellungen
zur Persönlichkeit der Kläger stützt, verkennt, daß die rechtsgeschäftlich maßgeblichen Erklärungen erst vor dem Notar
abgegeben werden und daß die dem Notar auferlegte Belehrungspflicht (§17 BeurkG) gerade dazu dient, die Grundlagen
für eine den eigenen Interessen Rechnung tragende Entscheidung zu schaffen, mögliche Irrtümer auszuräumen und Fehleinschätzungen zu vermeiden.
Der notarielle Hinweis ist allein jedoch nicht geeignet, die
Ursächlichkeit zwischen Pflichtverletzung und Abgabe der
zum Kauf führenden Erklärungen der Kläger zu beseitigen.
Er hätte allerdings bei ihnen Zweifel wecken können, ob
die Angaben des Zeugen C. sachlich richtig waren. Er stand
diesen Angaben jedoch nicht generell entgegen, da er nur eine
Beziehung zwischen Mieteinnahmen und Finanzierungsaufwand herstellte und auf eine deutliche Unterdeckung aufmerksam machte. Der Steuervorteil, den abzuschätzen der
Notar keine Grundlagen hatte, bleibt hingegen außer Betracht. Nach den Angaben des Zeugen C. konnten die Kläger
weiterhin der Annahme sein, „unter dem Strich“ bleibe jedenfalls keine Kostenbelastung. Das war zwar bei sorgfältiger
Überlegung nicht sehr wahrscheinlich; daß die Kläger hiervon
jedoch weiterhin ausgingen, ist nicht ausgeschlossen. Soweit
die Revision anmerkt, den Klägern sei es gerade
um eine Deckung der Zinsen durch die Mieteinnahmen
gegangen, ist dies dem dazu angeführten Sachvortrag nicht
zu entnehmen.
2. Zu Recht – wenn auch ohne Auswirkung auf das Endergebnis – merkt die Revision hingegen an, daß die Vorinstanzen
sich nicht mit der Frage beschäftigt haben, ob den Klägern
durch die schuldhafte Pflichtverletzung ein Schaden entstanden ist.
a) Die Kläger begehren die Rückgängigmachung des Vertrages unter dem Gesichtspunkt der Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsschluß. Sie machen damit einen Schadensersatzanspruch geltend mit der Rechtsfolge der Naturalrestitution (§ 249 BGB). Voraussetzung dafür ist das Vorliegen
eines Vermögensschadens.
aa) Das Landgericht hat angenommen, die Kläger hätten angesichts ihres geringen Einkommens kein Interesse gehabt,
sich zusätzliche Kosten aufzulasten. Ob damit bereits ein Vermögensschaden dargelegt ist, erscheint zweifelhaft. Zunächst
einmal wird durch diese Feststellung belegt, daß die Kläger
bei Kenntnis des wahren Sachverhalts von dem Vertragsschluß abgesehen hätten, daß also die Eingehung des Vertrages auf die unrichtigen Angaben des Zeugen C. zurückzuführen ist. Daraus folgt nicht mehr, als daß die Kläger
den Vertrag unter pflichtwidriger Einwirkung auf ihre Entschließungsfreiheit eingegangen sind, was unter Umständen
eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gerechtfertigt
hätte (§ 123 BGB), was aber noch nicht besagt, daß den
Klägern auch ein Vermögensschaden entstanden ist, der die
Rechtsfolgen eines Schadensersatzanspruchs auslöst.
bb) Der Bundesgerichtshof geht allerdings – ebenso wie
schon das Reichsgericht (RGZ 79, 194, 197) – in ständiger
Rechtsprechung davon aus, daß der durch Irreführung oder
mangelnde Aufklärung zum Abschluß eines Vertrages bestimmte Vertragspartner neben einer möglichen Anfechtung
wegen arglistiger Täuschung auch die Rückgängigmachung
des Vertrages unter den Voraussetzungen der culpa in contrahendo oder einer deliktsrechtlichen Anspruchsnorm verlangen kann. Einen Vorrang des Anfechtungsrechts vor einer auf
Schadensersatz gerichteten Haftung verneint er. Das gilt auch
dann, wenn im Einzelfall eine Anfechtung nicht in Betracht
kommt, weil die Frist versäumt ist (§ 124 BGB) oder weil es
an der Arglist fehlt (s. nur BGH NJW 1962, 1197; BGH NJW
1968, 986; BGH NJW 1969, 1625; Senat NJW 1974, 849;
BGH NJW 1979, 1983). Diese Rechtsprechung ist in der
Literatur zum Teil auf Kritik gestoßen. Es ist eingewandt worden, sie bedeute eine Aushöhlung des Anfechtungsrechts, da
die Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs – anders
als die Anfechtung – weder von der Einhaltung kurzer Fristen,
noch vom Vorliegen einer vorsätzlichen Pflichtverletzung
abhänge (Medicus, JuS 1965, 209; Liebs, AcP 174, 26;
MünchKomm-BGB/Kramer, 3. Aufl., § 123 Rdnr. 30 b
m.w.N.; Soergel/Wiedemann, BGB, 12. Aufl., vor § 275
Rdnr. 199 m.w.N.). Der Bundesgerichtshof hat seine Auffassung zum einen damit begründet, daß Anfechtung und
Schadensersatzanspruch unterschiedliche Rechtsfolgen hätten. Während die Anfechtung „dinglich“ wirke (gemeint ist
nicht die – im Einzelfall fragwürdige – Erstreckung auf das
Erfüllungsgeschäft, sondern die unmittelbare Nichtigkeit des
Vertrages nach § 142 BGB), habe der Schadensersatzanspruch nur die Verpflichtung zur Rückgängigmachung zur
Folge (BGH NJW 1962, 1197, 1198). Diesem Argument wird
man entgegenhalten können, daß die Unterschiede eher
konstruktiver Natur sind und die mit der Nichtigkeit verbundene Drittwirkung bei einer schuldrechtlichen Rückabwicklung über die Vorschrift des § 404 BGB erreicht wird (vgl.
Medicus, JuS 1965, 209, 212). Zum anderen hat er aber auch
auf die unterschiedlichen Voraussetzungen hingewiesen: Die
Anfechtung schützt die freie Selbstbestimmung auf rechtsgeschäftlichem Gebiet gegen unerlaubte Mittel der Willensbeeinflussung, und zwar unabhängig vom Eintritt eines Schadens; die Rückgängigmachung nach c.i.c.-Grundsätzen oder
aufgrund deliktsrechtlicher Normen verlangt auf der Tatbestandsseite den Eintritt eines Schadens (vgl. Senat NJW
MittBayNot 1998 Heft 2
505). Will man diese Unterschiede nicht verwischen und
zudem die für Schadensersatzansprüche anerkannten Grundsätze aufgeben, so wird man an der Voraussetzung festhalten
müssen, daß die Rückgängigmachung des Vertrages von
einem durch die im Verhandlungsstadium begangene schuldhafte Sorgfaltspflichtverletzung entstandenen Vermögensschaden abhängt.
b) aa) Ob ein Vermögensschaden vorliegt, beurteilt sich
grundsätzlich nach der sog. Differenzhypothese, also nach
einem Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die sich
ohne jenes Ereignis ergeben hätte (vgl. Senat NJW 1981, 976;
BGHZ (GSZ) 98, 212, 217, jeweils m.w.N.). Auf den konkreten Fall bezogen bedeutet dies, daß die Vermögenslage der
Kläger zu vergleichen ist, und zwar die Gesamtvermögenslage (vgl. nur BGHZ 86, 128, 130 ff.; Lange, Schadensersatz,
2. Aufl., § 1 I), wie sie sich nach Abschluß der auf den Erwerb
der Eigentumswohnung gerichteten Verträge darstellt, mit der
Vermögenslage, wie sie sich ohne diese Verträge entwickelt
hätte. Zu einem Schaden kommt man infolgedessen dann,
wenn bei diesem Vergleich ein rechnerisches Minus verbleibt,
wenn also der Vertragsschluß für die Kläger wirtschaftlich
nachteilig gewesen ist. Das ist grundsätzlich dann der Fall,
wenn die erworbene Eigentumswohnung den Kaufpreis nicht
wert ist oder wenn trotz Werthaltigkeit des Kaufgegenstandes
die mit dem Vertrag verbundenen Verpflichtungen und sonstigen Nachteile durch die Vorteile nicht ausgeglichen werden.
Bei dieser Gegenüberstellung sind die Rechnungsposten
allerdings, gemessen am Schutzzweck der Haftung und an der
Ausgleichsfunktion des Schadensersatzes, wertend zu bestimmen (vgl. BGHZ (GSZ) 98, 212, 217 m.w.N.). Die Differenzhypothese hat sich einer normativen Kontrolle zu unterziehen, die sich einerseits an der jeweiligen Haftungsgrundlage, konkret also an dem sie ausfüllenden haftungsbegründenden Ereignis, und andererseits an der darauf beruhenden
Vermögensminderung orientiert (vgl. BGHZ 99, 182, 196)
und die dabei auch die Verkehrsanschauung berücksichtigt
(vgl. BGHZ (GSZ) 98, 212, 213 ff., 223; Soergel/Mertens,
BGB, 12. Aufl., vor § 249 Rdnr. 45; Lange, Schadensersatz,
2.Aufl., § 1 III 2).
bb) Es erscheint zweifelhaft, ob diese an sich anerkannten
Grundsätze bei der Prüfung von Schadensersatzansprüchen
mit dem Ziel der Vertragsrückabwicklung in der Vergangenheit stets angewendet worden sind. Neben Entscheidungen, in
denen dies offensichtlich geschehen ist (vgl. Senat WM 1982,
428, 429; BGH WM 1988, 1685, 1688; BGH WM 1989, 681,
683 f.; BGH NJW 1991, 694, 695; BGHZ 115, 213, 221; s.
auch OLG Stuttgart, WM 1987, 1260, 1262; OLG Köln, WM
1987, 1292, 1293), finden sich auch solche Urteile, in denen
die Frage jedenfalls nicht zum Gegenstand der Erörterung
gemacht worden ist (vgl. BGH NJW 1962, 1197; BGH NJW
1968, 986; BGHZ 69, 53; Senat NJW 1979, 1983; BGH, ZIP
1986, 984; BGH NJW-RR 1990, 229), mag auch im Einzelfall
ein Vermögensschaden vorgelegen haben (etwa in den Fällen
BGH NJW 1962, 1197; BGH NJW 1968, 986; vgl. auch
Senat WM 1982, 428; BGH, WM 1985, 463). Ob angesichts
dieses vielschichtigen Befundes zum Teil eine Rückabwicklung des Vertrages nach c.i.c.-Grundsätzen für möglich gehalten wird, auch ohne daß der durch Fehlinformationen veranlaßte Vertragsschluß wirtschaftlich nachteilig gewesen ist und
damit zu einem Vermögensschaden geführt hat, läßt sich nicht
sicher feststellen. Eine Begründung dafür fehlt jedenfalls. Der
Senat hielte eine Verpflichtung zur Rückgängigmachung eines Vertrages unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei
MittBayNot 1998 Heft 2
Vertragsschluß ohne die nach allgemein anerkannten Grundsätzen getroffene Feststellung eines Vermögensschadens
nicht für zulässig. Eine solche Lösung kann insbesondere
auch nicht der Entscheidung des Reichsgerichts entnommen
werden, auf der die dargestellte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes fußt (RGZ 97, 194, 197).
cc) Im konkreten Fall erlaubt der durch die Bezugnahme des
Berufungsgerichts auf die Schriftsätze der Parteien unterbreitete Sachvortrag die Feststellung, daß den Klägern ein
Vermögensschaden entstanden ist. Dazu lassen sich zwei
Überlegungen anstellen.
Ist – was zwischen den Parteien streitig ist – der Kaufgegenstand den Kaufpreis wert, so kann ein Vermögensschaden
schon darin liegen, daß der von dem schuldhaften Pflichtverstoß Betroffene in seinen konkreten Vermögensdispositionen
beeinträchtigt ist. Der Schadensersatzanspruch dient dazu,
den konkreten Nachteil des Geschädigten auszugleichen; der
Schadensbegriff ist mithin im Ansatz subjektbezogen (vgl.
Lange, a.a.O. § 1 III 2; Soergel/Mertens, BGB, 12. Aufl., vor
§ 249 Rdnr. 20 ff.). Wird jemand durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluß eines Vertrages gebracht, den
er sonst nicht geschlossen hätte, kann er auch bei objektiver
Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung dadurch einen
Vermögensschaden erleiden, daß die Leistung für seine
Zwecke nicht voll brauchbar ist (vgl. Hagen, Die Drittschadensliquidation im Wandel der Rechtsdogmatik, S. 165;
Lange, a.a.O. § 1 III 2; Staudinger/Medicus, BGB, 12. Aufl.,
§ 249 Rdnr. 9; in dieser Richtung z.B. BGH, NJW 1994, 663,
664). Insoweit besteht eine Vergleichbarkeit zur strafrechtlichen Bewertung solcher Konstellationen im Rahmen des
Betrugstatbestandes (vgl. nur BGHSt 16, 321, 325 ff.). Die
Bejahung eines Vermögensschadens unter diesem Aspekt
setzt allerdings voraus, daß die durch den unerwünschten Vertrag erlangte Leistung nicht nur aus rein subjektiv willkürlicher Sicht als Schaden angesehen wird, sondern daß auch
die Verkehrsanschauung bei Berücksichtigung der obwaltenden Umstände den Vertragsschluß als unvernünftig, den
konkreten Vermögensinteressen nicht angemessen und damit
als nachteilig ansieht.
Ein solcher Schaden kommt im konkreten Fall in Betracht, da
für die Kläger angesichts ihrer beschränkten finanziellen Verhältnisse ein Immobilienerwerb, selbst wenn er – objektiv
besehen – wirtschaftlich vernünftig gewesen sein sollte,
subjektiv nur dann sinnvoll war, wenn sich dadurch keine
nachhaltige Beeinträchtigung der sonstigen Lebensführung
ergab. Ob der Sachvortrag der Parteien ausreicht, um unter
diesem Gesichtspunkt einen Vermögensschaden zu bejahen,
bedarf jedoch nicht der Entscheidung.
Ein Schaden ergibt sich nämlich schon aufgrund einer Gegenüberstellung der Vor- und Nachteile des eingegangenen Vertrages. Da Mieteinnahmen und Steuerersparnis die Unkosten
der Kläger – auch nach den von der Beklagten angestellten
Berechnungen – nicht decken, führt die Gegenüberstellung
nur dann nicht zu einem Vermögensschaden, wenn die nicht
kompensierten Aufwendungen der Kläger durch eine Wertsteigerung der Eigentumswohnung aufgewogen werden und
wenn ggf. dieser Vorteil – bei wertender Betrachtung (vgl. nur
Senat, BGHZ 77, 151, 153 ff.; BGHZ 91, 206, 210) – auf
seiten der Kläger, und damit zugunsten der Beklagten, zu
berücksichtigen ist. Dem Sachvortrag der hierfür darlegungsund ggf. beweispflichtigen Beklagten (vgl. nur BGHZ 94,
195, 217 m.w.N.) kann nicht entnommen werden, daß eine
die Unkosten ausgleichende Wertsteigerung in die Differenzberechnung einzustellen ist. Von einem Vermögensschaden
der Kläger ist daher auszugehen.
BGB).
Allerdings weist die Revision zu Recht darauf hin, daß die
Kläger angesichts des deutlichen Hinweises auf eine mögliche Deckungslücke in dem Notarvertrag schuldhaft gegen
eigene Belange verstoßen haben, indem sie diesem Hinweis
nicht die nötige Beachtung geschenkt haben. Dies kann die
Beklagte den Klägern jedoch nicht entgegenhalten. Bei einem
Schadensersatzanspruch wegen Erteilung einer unrichtigen
Auskunft kann sich der Schädiger nämlich in aller Regel nicht
mit dem Einwand entlasten, der Geschädigte habe sich auf
die Richtigkeit seiner Angaben nicht verlassen dürfen. Dies
widerspräche dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242
BGB), der in § 254 BGB lediglich eine besondere Ausprägung erhalten hat (vgl. BGH WM 1965, 287, 288; BGH WM
1978, 946, 948; BGH NJW-RR 1988, 855, 856). Dies gilt vor
allem dann, wenn – wie hier – die Beklagte (bedingt) vorsätzlich gehandelt hat, während den Klägern nur ein fahrlässiger
Verstoß gegen eigene Belange zur Last fällt (vgl. BGHZ 98,
148, 158)
4. Nicht zu beanstanden ist, daß die Kläger den Anspruch auf
die Befreiung von den Verbindlichkeiten aus dem zur Finanzierung des Erwerbs eingegangenen Kreditvertrag gerichtet
haben. Der Senat kann die dahingehende Verurteilung jedoch
nur dem Grunde nach bestätigen. Das Berufungsgericht hat
nämlich nicht bedacht, daß die Kläger so zu stellen sind, als
hätten sie den Vertrag nicht geschlossen. Das bedeutet u.a.,
daß die ihnen zugeflossenen Mieteinnahmen ebenso zu
berücksichtigen sind wie die Steuervorteile, soweit diese
ihnen trotz Rückabwicklung verbleiben. Wegen dieser Einzelheiten der Rückabwicklung ist daher der Rechtsstreit an das
Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Soweit das angefochtene Urteil die Feststellung einer weitergehenden Schadensersatzpflicht enthält, spielen diese Rückabwicklungsmodalitäten keine Rolle. Die Revision unterliegt
daher insoweit der Zurückweisung.
3. BGB § 249 Satz 1 (Unterlassene Aufklärung über Sozialbindung einer Wohnung begründet Schadensersatzanspruch)
Zum Vertrauensschaden des Käufers bei Unterbleiben
der Aufklärung über die Sozialbindung der gekauften
Wohnung und im Falle der unzutreffenden Angabe des
Verkäufers, die Mieterträge und Steuerersparnisse
machten die laufenden Unkosten der Finanzierung wett
(im Anschluß an Senatsurteil vom 26.9.1997, V ZR 29/96,
in diesem Heft S.93).
BGH, Urteil vom 19.12.1997 – V ZR 112/96 –, mitgeteilt von
Dr. Manfred Werp, Richter am BGH
Aus dem Tatbestand:
Die Beklagte (frühere Beklagte zu 1) war Eigentümerin einer Reihe
renovierungsbedürftiger, damals der Sozialbindung unterliegender
Wohnungen. Sie vertrieb diese Wohnungen in einem „Altbau-Sanierungsmodell“, für das sich der Ehemann der Klägerin durch ein an
seinem Wohnort tätiges Unternehmen gewinnen ließ. Er schloß mit
der früheren Beklagten zu 2 einen Treuhandvertrag und, vertreten
durch diese, mit der Beklagten am 14.6.1989 einen Kaufvertrag über
eine der Wohnungen ab. Den Kaufpreis, den Sanierungsaufwand
und die durch das „Modell“ verursachten Unkosten finanzierte er mit
Fremdmitteln. Er nahm hierzu ein Darlehen über 107.000 DM auf,
das aus einer gleichzeitig abgeschlossenen Lebensversicherung
getilgt werden sollte.
Die Klägerin verlangt aus abgetretenem Recht ihres Ehemannes
Schadensersatz. Sie hat vorgetragen, diesem sei die Sozialbindung,
die zur Unverkäuflichkeit der Wohnung geführt habe, verschwiegen
worden. Außerdem sei ihm vorgespiegelt worden, daß das Geschäft
im Hinblick auf Mieteinnahmen und Steuerersparnisse „plus/minus
null aufgehe“.
Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten und die frühere Beklagte
zu 2 gesamtschuldnerisch zur Zahlung von 107.000 DM nebst Zinsen
Zug um Zug gegen Rückübertragung des Wohnungseigentums zu
verurteilen sowie deren Verpflichtung festzustellen, jeden darüber
hinausgehenden Schaden zu ersetzen. Das Landgericht hat die
Beklagte (im wesentlichen) antragsgemäß verurteilt und die Klage im
übrigen abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der
Beklagten zurückgewiesen.
Mit der Revision strebt die Beklagte die Abweisung auch des gegen
sie gerichteten Anspruchs an. Das Rechtsmittel blieb ohne Erfolg.
Aus den Gründen:
I. Das Berufungsgericht stellt fest, das mit dem Vertrieb der
Wohnungen beauftragte Unternehmen habe es schuldhaft
unterlassen, den Ehemann der Klägerin auf die bestehende
Mietpreisbindung hinzuweisen. Die Beklagte sei daher wegen
Verschuldens bei Vertragsschluß verpflichtet, den Kaufvertrag rückgängig zu machen und entstandene Aufwendungen
zu ersetzen. Ob die Mietpreisbindung noch bestehe, sei unerheblich. Es komme nur darauf an, daß das Vertrauen des Ehemanns beim Kaufabschluß enttäuscht und dieser durch die
unvollständige Information zum Kauf bestimmt worden sei.
Dies hält der Revision im Ergebnis stand.
II. Das Berufungsgericht macht allerdings keine näheren
Ausführungen zum Vorliegen eines Schadens.
1. Der Senat hat in seiner, erst nach Erlaß des Berufungsurteils verkündeten Entscheidung vom 26.9.1997 (V ZR
29/96, in diesem Heft S. 93) Anlaß gesehen, auf die unterschiedlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen von Willensmängeln und zum Schadensersatz verpflichtenden Verstößen
gegen vorvertragliche Aufklärungspflichten hinzuweisen.
Das Anfechtungsrecht des § 123 BGB, mit dem er sich zu
befassen hatte, schützt die freie Selbstbestimmung auf rechtsgeschäftlichem Gebiet gegen unlautere Mittel der Willensbeeinflussung. Dieser Schutz, der in der Rechtsmacht besteht,
die Nichtigkeit des Geschäfts herbeizuführen (§ 142 BGB),
ist vom Eintritt eines Schadens unabhängig. Die Voraussetzungen, unter denen er gewährt wird (vorsätzliches Handeln
des Erklärungsempfängers oder eines Dritten in Kenntnis
oder fahrlässiger Unkenntnis des Empfängers der Erklärung),
würden unterlaufen, wenn bei der Rückgängigmachung des
Vertrags unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens beim Vertragsschluß der Eintritt eines Schadens als Anspruchsvoraussetzung vernachlässigt würde. Dies entspricht,wie in dem Urteil vom 26.9.1997 im einzelnen dargelegt ist, schon immer
der Rechtsprechung des Senats, war aber nicht stets deutlich
hervorgetreten.
Die Überlegungen des Senats gelten in gleicher Weise für das
Verhältnis der Anfechtung wegen Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft der Sache, nämlich der Sozialbindung der Wohnung, von der das Berufungsgericht für den
Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ausgeht (§ 119 Abs. 2
BGB), zum Schadensersatzanspruch wegen fahrlässigen Verschuldens beim Vertragsschluß. Allerdings läßt sich der
Anfechtungstatbestand des § 119 Abs. 2 BGB, anders als die
Täuschung oder Drohung unter den Voraussetzungen des
§ 123 Abs. 1 BGB, nicht als besonderer Fall des Verschuldens
bei Vertragsschluß begreifen. Er knüpft nicht an einen Beitrag
des Erklärungsempfängers zum Irrtum des Erklärenden an
und macht, falls ein solcher doch vorliegt, Verschulden nicht
MittBayNot 1998 Heft 2

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

26.09.1997

Aktenzeichen:

V ZR 29/96

Erschienen in:

MittBayNot 1998, 93-96
DNotZ 1998, 349-355
NJW 1998, 302-305

Normen in Titel:

BGB § 249 S. 1