LG München 08. Juni 2022
9 Qs 14/22
GwG § 43 Abs. 6; StGB § 203 Abs. 1 Nr. 3; BNotO § 18

Verschwiegenheitspflicht; Verdachtsmeldung nach dem Geldwäschegesetz

letzte Aktualisierung: 11.1.2023
LG München I, Beschl. v. 8.6.2022 – 9 Qs 14/22

GwG § 43 Abs. 6; StGB § 203 Abs. 1 Nr. 3; BNotO § 18
Verschwiegenheitspflicht; Verdachtsmeldung nach dem Geldwäschegesetz

Die Verpflichtung des Notars zur Fertigung einer Geldwäscheverdachtsmeldung entbindet nicht
von der Schweigepflicht des Notars nach § 18 BNotO, sodass ein Beschlagnahmeverbot nach §§ 97
Abs. 1 Nr. 3, 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO besteht.

(Leitsatz der DNotI-Redaktion)

Gründe

I. Verfahrensgang
Am 28.10.2020 erstellte die Generalzolldirektion K. an das hessische Landeskriminalamt einen
Analysebericht nach § 32 Abs. 2 GwG angesichts einer Meldung gemäß § 43 Abs. 1 GWG des … vom
09.10.2020 (Blatt 1/5)
Durch … erfolgte unter dem Aktenzeichen VNr. 32469 am 09.10.2020 elektronisch eine Meldung mit
folgendem Inhalt: (Bl. 11)
Anteilskauf/-Abtretung, Meldepflicht wegen Auffälligkeiten im Zusammenhang mit dem Preis oder einer Kauf
- oder Zahlungsmodalitäten; Meldepflicht wegen Auffälligkeiten im Zusammenhang mit Beteiligten oder
wirtschaftlich Berechtigten; Zahlung des Preises von oder an einen Dritten (§ 6 Abs. 1 Nummer 4
GWGMeldV - Immobilien); Weiterveräußerung binnen 3 Jahren zu deutlich abweichenden Preis (§ 6 Abs. 2
Nummer 1 GWGMeldV-Immobilien); Hinweis auf falsche oder unvollständige Angaben zu Identität (§ 4 Abs.
2 GWGMeldV-Immobilien)
Am 02.12.2020 erfolgte durch das hessische Landeskriminalamt ein Clearingvermerk hinsichtlich der
Geldwäscheverdachtsmeldung des … vom 02.12.2020 (Blatt 6/17).

Mit Verfügung vom 02.12.2020 (Blatt 18) leitete das hessische Landeskriminalamt den Vorgang an die
Staatsanwaltschaft L. an der La..

Mit Verfügung vom 04.05.2021 (Blatt 21) leitete die Staatsanwaltschaft L. an der La. das Verfahren an die
Staatsanwaltschaft M. I mit der Bitte um Übernahme.

Das Verfahren wurde sodann am 14.05.2021 (Blatt 22) von der Staatsanwaltschaft M. I übernommen und mit
Verfügung vom 18.05.2021 sandte die Staatsanwaltschaft M. I das Verfahren an das Polizeipräsidium M., …,
zur Bestimmung eines Sachbearbeiters, zur Aufklärung des Sachverhalts durch Vernehmung des Notars und
Einholung von Vertragskopien, zudem zur Einleitung der weiteren erforderlichen Ermittlungen zum Vorwurf
der Geldwäsche.

Mit Schreiben vom 19.10.2021 teilte Herr Kriminalhauptkommissar … der Staatsanwaltschaft M. I mit, dass
er eine Antwort des Notars erhalten habe, wonach dieser keine Aussagegenehmigung erhalten habe,
weswegen nicht geklärt werden könne, welche Rolle die „Falschpersonalie“ H. … im Vorgang spiele, da dies
aus der übersandten Akte nicht geklärt werden konne. In dieser Mitteilung war die E-Mail des Notars vom
24.08.2021 (Bl. 29) enthalten, in der dieser mitteilte, dass ihm der Präsident des Landgerichts München I
nach Rückspräche mit dem Oberlandesgericht München und dem Justizministerium keine Befreiung von der
Verschwiegenheitspflicht erteilt habe. Insoweit könne er keine Auskünfte erteilen, soweit ihn nicht alle
Beteiligten selbst von der Pflicht zur Verschwiegenheit befreien.

Mit Schreiben vom 27.10.2021 (Blatt 35/36) forderte die Sachbearbeiterin der Staatsanwaltschaft M. I den
Notar auf, Auskunft zu erteilen hinsichtlich der ihm im Rahmen der Beurkundung gemäß §§ 11, 12 GwG
vorgelegten Unterlagen (insbesondere amtliche Ausweise) zur Identifizierung. In dieser Aufforderung wies
die Staatsanwältin darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des BGH die aufgrund der Identifikationspflicht
nach dem Geldwäschegesetz erstellten Unterlagen auch von Berufsgeheimnisträgern an die
Strafverfolgungsbehörden herauszugeben seien. Daher könne auch die Herausgabe von Unterlagen
jederzeit durch die Anordnung von Durchsuchung - und Beschlagnahmemaßnahmen erzwungen werden.
Am 23.11.2021 teilte der Notar (Blatt 39) mit, dass die von ihm selbst beantragte Befreiung von der
notariellen Verschwiegenheitsverpflichtung durch die Präsidentin des Landgerichts München I verweigert
worden sei. Diese würde die von der Staatsanwaltschaft zitierten Entscheidung nicht für einschlägig
erachten. Eine Herausgabe der gewünschten Unterlagen sei ihm daher leider nicht möglich.
Im Schreiben vom 12.11.2021 (Bl. 71 d.A.) hat die Präsidentin des Landgerichts München I mitgeteilt, dass
sie sich vollumfänglich der Stellungnahme der Landesnotarkammer B. vom 08.11.2021 anschließt, dass eine
Befreiung von der Verschwiegenheitspflicht nicht erteilt werden kann und der Notar gegenüber der
Staatsanwaltschaft München I nicht verpflichtet sei, die gewünschten Unterlagen herauszugeben, es sei
denn die Beteiligten hätten die Zustimmung erteilt. Sofern ein Beschlagnahmebeschluss ergehen könne,
könne der Notar dagegen Rechtsmittel einlegen.
Mit Schreiben vom 15.12.2021 teilte die Landesnotarkammer Bayern der Staatsanwaltschaft M. I mit (Blatt
39/42), dass nach Auffassung der Landesnotarkammer B. die notarielle Verschwiegenheitspflicht gemäß §
18 BNotO die Übersendung der … gem. §§ 11, 12 GwG vorgelegten Unterlagen entgegenstehen würden.
Begründet wurde dies damit, dass die Verschwiegenheitspflicht sich auf alles beziehe, was einem Notar bei
Ausübung seines Amtes bekannt geworden sei. Im konkreten Fall könne die Landesnotarkammer auch keine
Ausnahmen von der notariellen Verschwiegenheitspflicht erkennen. Eine Ausnahme sei dann gegeben, wenn
eine Meldepflicht gemäß § 43 GWG in Betracht komme. Eine Meldepflicht des Notars bestehe gemäß § 43
Abs. 2 GWG nur dann, wenn der Notar weiß, dass die Amtstätigkeit für den Zweck der Geldwäsche oder
Terrorismusfinanzierung genutzt wurde oder wird oder ein Fall der GWG-MeldV-Immobilien vorliegt. Nach
Auffassung der Landesnotarkammer komme eine Übersendung der zur Identifizierung vorgelegten
Unterlagen nicht in Betracht, da diese Meldepflicht nach § 43 GWG lediglich gegenüber der Zentralstelle für
Finanztransaktionsuntersuchungen bestehe. Auch die von der Staatsanwaltschaft angeführte Vorschrift nach
§ 10 GWG alte Fassung bzw. § 32 Abs. 6 Satz 2 GWG konstituiere keine Mitteilungspflicht gegenüber der
Staatsanwaltschaft, da § 32 Abs. 6 Satz 2 GWG die Datenübermittlung der Zentralstelle für
Finanztransaktionuntersuchungen zum Gegenstand habe und keine solche Übermittlungspflicht des Notars
als nach dem GWG Verpflichteten begründe.
Zu einem anderen Ergebnis käme die Landesnotarkammer auch nicht unter Berücksichtigung der von der
Staatsanwaltschaft erwähnten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Danach bestehe eine
Anzeigepflicht von Notaren, wenn der Notar weiß, dass der Mandant die Rechtsberatung für den Zweck der
Geldwäsche oder der Terrorismusfinanzierung in Anspruch genommen hat. Soweit eine solche
Anzeigepflicht bestehe, würde laut BGH auch gegenüber den Strafverfolgungsbehörden kein
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Zeugnisverweigerungsrecht zustehen. Diese Situation würde hier aber nicht vorliegen, da der Notar im
konkreten Fall keine Meldung aufgrund positiver Kenntnis von Geldwäsche gemacht habe, sondern aufgrund
Kenntnis von einem in der GWGMeldV-Immobilien aufgeführten Sachverhalt. Anders als im alten GWG
bestehe nunmehr auch ein ausdifferenziertes Regelungsregime, wie die Zentralstelle für
Finanztransaktionsuntersuchungen ihre Informationen an inländische öffentliche Behörden weitergeben darf.
Die Voraussetzungen der Anzeigepflicht gemäß § 11 Abs. 3 Satz 2 GWG alte Fassung lägen somit im
vorliegenden Fall nicht vor, weswegen Notar Kr. gegenüber der Staatsanwaltschaft München I ein
Zeugnisverweigerungsrecht habe. Zudem würde § 43 GWG im Hinblick auf den Adressaten der von einem
Notar abzugebenden Meldung wesentlich vom § 11 GWG abweichen. Nach der neuen Rechtslage seien
Meldungen nur an die Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen zu machen. Das würde aber nicht
bedeuten, dass dann auch gegenüber den Strafverfolgungsbehörden kein Zeugnisverweigerungsrecht
bestehe.
Die unterschiedliche Regelung hinsichtlich einer Auskunftspflicht gegenüber der Zentralstelle für
Finanztransaktionsuntersuchungen und hinsichtlich einer Auskunftspflicht gegenüber
Strafverfolgungsbehörden mache auch Sinn. Ausnahmen von der Schweigepflicht können unter dem
Gesichtspunkt der Güter - und Interessensabwägung bestehen. So könne ein Notar als Amtsträger auf dem
Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege dazu berechtigt sein, bei möglicherweise bevorstehenden Straftaten
von der Verschwiegenheitspflicht erfasste Umstände zu offenbaren, wenn noch eine Verhütung des
Schadens möglich ist. Die Durchbrechung der berufsrechtlichen Verschwiegenheitspflicht lasse sich mit
einem Entfallen der Rechtswidrigkeit eines Verstoßes gegen § 203 StGB aufgrund eines rechtfertigenden
Notstandes gemäß § 34 StGB begründen. Dafür sei aber Voraussetzung, dass durch die Offenbarung von
geheimnisgeschützten Tatsachen eine Straftat mutmaßlich abgewendet werden könne. Bei zurückliegenden
und nicht mehr zu verhindernden Straftaten bestehe hingegen keine entsprechende Befugnis zur
Offenbarung. Die Verschwiegenheit des Notars gehe der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs und
der Wahrheitsfindung im Prozess aufgrund der gesetzlichen Wertung vor.
Mit Verfügung vom 04.04.2022 beantragte die Staatsanwaltschaft M. I beim Amtsgericht München den Erlass
eines Durchsuchung - und Beschlagnahmebeschlusses in den Räumen des Notariats der … und …
hinsichtlich der Kopien der Personaldokumente des … (Blatt 44/45).
Begründet wurde dies damit, dass diese Unterlagen nicht von der notariellen Verschwiegenheitspflicht
umfasst seien. Es sei zwar richtig, dass Gegenstände, auf die sich ein Zeugnisverweigerungsrecht erstrecke,
nicht beschlagnahmt werden können. Eine Ausnahme gelte aber bei solchen Gegenständen, die gerade der
Kenntnisnahme durch Dritte, wie eine notarielle Urkunde, dienen. Geschützt würden nur solche
Gegenstände, die nach ihrem Aussagegehalt zu dem Vertrauensverhältnis gehören, das zwischen den
Mandanten und dem Notar bestehe. Die Identitätsprüfung durch den Notar betreffe die Berufsausübung
allenfalls am Rande, ohne das Rechtsberatungsverhältnis in seinem Kernbereich zu berühren. Da die
Identität der Vertragsparteien in der Urkunde selbst genannt werde und eine Herausgabepflicht gegenüber
der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen auch durch die Landesnotarkammer nicht bestritten
werde, sei nicht ersichtlich, warum das zur Authentifizierung dieser Identität vorgelegte Dokument der
Vertraulichkeit unterliegen solle. Ein schutzwürdiges Interesse an der Geheimhaltung des hier
interessierenden Inhalts, nämlich der Ausweisnummer und der Ausstellungsbehörde sei nicht erkennbar,
zumal es sich bei einem Ausweis selbst wiederum um einen Gegenstand handele, der der Kenntnisnahme
durch Dritte dienen würde. Hinzu komme, dass nach Auffassung des Bundesgerichtshofes die aufgrund der
Identifikationspflicht nach dem Geldwäschegesetz erstellten Unterlagen auch von Berufsgeheimnisträgern an
die Strafverfolgungsbehörden herauszugeben seien, vgl. BGH, Urteil vom 7/4/2005, Az. 1 StR 326/04 zu §
10 GwG f.F. In der aktuellen Fassung des Gesetzes sei die Verwendungsbeschränkung nach § 10 Abs. 1
GWG a.F. entfallen, die Übermittlungsbefugnis gemäß § 10 Abs. 2 GWG sei nun in § 32 Abs. 6 GWG
normiert und setze nach wie vor ein vorheriges „Heranziehen“ voraus. Auch auf diesem Wege sei eine
Kenntnisnahme durch Dritte gesetzlich vorgesehen. Zudem unterliege die Erfüllung der
Identifikationspflichten auch der Aufsicht gemäß § 51 GWG. Gemäß § 55 Abs. 1 Satz 4 GWG sei aber auch
die Aufsichtsbehörde verpflichtet bei Hinweisen auf strafrechtliche Verstöße die Strafverfolgungsbehörden zu
informieren. Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft bestehe kein Zeugnisverweigerungsrecht, soweit der
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Notar zur Abgabe einer Geldwäscheverdachtsmeldung verpflichtet sei. Nach dem BGH stehe den
Offenbarungspflichtigen, soweit eine Anzeigepflicht reichen würde, letztlich gegenüber den
Strafverfolgungsbehörden auch kein Zeugnisverweigerungsrecht zu, unabhängig davon, ob diese ihrer
Meldepflicht genügen oder nicht. Die von der Landesnotarkammer vertretene Auffassung, dass eine
Anzeigepflicht gemäß § 43 Abs. 2, Abs. 6 GWG, anders als bei der Wissensmeldung, nur gegenüber der FIU
bestehe, das Zeugnisverweigerungsrecht davon nicht berührt werde, finde nach Auffassung der
Staatsanwaltschaft im Gesetz keine ausreichende Stütze.
Eine andere Auslegung würde den mit der Erweiterung der Anzeigepflicht verbundenen Zweck letztlich
aushöhlen, denn eine Steigerung der Effektivität der Geldwäschebekämpfung dürfte nicht zu erwarten sein,
wenn sämtliche Fragen an den zentralen Zeugen zu Beginn des Verfahrens nur über den (gesetzlich nicht
vorgesehenen) „Ermittlungshelfer“ FIU gestellt werden könnten. Auch sei eine konsequente Fortsetzung
dieses Vorgehens in der Hauptverhandlung schlecht vorstellbar, da das Gericht sich damit begnügen müsste,
einen Mitarbeiter der FIU als Zeugen zu laden, um diesen zu den Wahrnehmungen des Notars bei der
Beurkundung zu befragen. Das Zeugnisverweigerungsrecht sei zwar auch nach Auffassung der
Landesnotarkammer bei positivem Wissen durchbrochen, wobei sich allerdings die Frage stelle, wer das
positive Wissen vor einem verurteilenden Erkenntnis feststellen soll.

Mit Beschluss vom 13.04.2022 (Blatt 46/47) erließ das Amtsgericht München unter dem Aktenzeichen ER II
Gs 4526/22 den von der Staatsanwaltschaft M. I beantragten Durchsuchungs- und
Beschlagnahmebeschluss. Dieser Beschluss wurde dem … am 20.04.2022 zugestellt.
Mit Schreiben vom jeweils 25.04.2022 legten beide … (Bl. 51/52 d.A.) und … (Bl. 56/57 d.A.) gegen diesen
Beschluss Beschwerde ein.

Begründet wurde die Beschwerde durch … damit, dass die notarielle Verschwiegenheitspflicht nach § 18
BNotO eine Fundamentalnorm des notariellen Berufsrechts darstelle. Sie bilde die Basis für die hieraus auf
der strafprozessualen Ebene resultierenden Vorschriften über das Zeugnisverweigerungsrecht und die
eingeschränkte Beschlagnahmefähigkeit (§§ 53 Abs. 1 Nr. 3, 97 StPO). Die Verpflichtung zur
Verschwiegenheit beanspruche eine umfassende Geltung. Sie beziehe sich auf alle Angelegenheiten, die
dem Notar und den übrigen zur Verschwiegenheit verpflichteten Personen bei der Amtsausübung bekannt
geworden seien. Sie erfasse daher den gesamten Inhalt der Verhandlungen und alles, was aus Anlass der
Verhandlungen zur Kenntnis des Notars oder seiner Hilfspersonen gekommen sei. Die Einhaltung der
Verschwiegenheitspflicht sei strafbewehrt. Soweit die Pflicht zur Verschwiegenheit reiche, sei der Notar nicht
nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, als Zeuge die Aussage zu verweigern. Gemäß § 97 Abs. 1 Nr. 3
StPO würden sämtliche Gegenstände, auf die sich das Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 Satz 1
Nr. 3 StPO erstrecke, und somit alle Gegenstände, die dem Notar in seiner amtlichen Eigenschaft von den
Beteiligten übergeben wurden, nicht der Beschlagnahme unterliegen. Dies würde den
Beschlagnahmebeschluss rechtswidrig machen. In dem Schreiben wies der Beschwerdeführer darauf hin,
dass er mit Schreiben vom 08.11.2021 bei der Landesnotarkammer Bayern einen Antrag auf Entscheidung
über das bestehende notariellen Verschwiegenheitspflicht gemäß § 18 Abs. 3 BNotO an die Präsidentin des
Landgerichts München I als zuständige Aufsichtsbehörde gestellt habe. Diese habe eine Befreiung von der
Verschwiegenheitspflicht nicht erteilt.

Durch Frau … wurde zur Begründung der Beschwerde angeführt, dass der vorgenannte Beschluss auch an
sie als unzutreffende Adressatin gerichtet sei. Die Urkunden und Nebenakten ihres Sozius und ihre eigenen
Urkunden und Nebenakten würden getrennt verwahrt werden. Ferner schließe sie sich den Ausführungen
von Herrn … an.

Mit Beschluss vom 05.05.2022 hat das Amtsgericht München den Beschwerden nicht abgeholfen (Blatt
62/63).

II. Zulässigkeit der Beschwerden
Die Beschwerden der beiden Beschwerdeführer sind jeweils statthaft und auch sonst zulässig, § 306 Abs. 1
StPO.

III. Begründetheit der Beschwerden

Die Beschwerden sind auch begründet.

1. Entgegen der Rechtsauffassung der Beschwerdeführerin Bi. sie sei unrichtige Adressatin des
angefochtenen Beschlusses ist sie als Mitinhaberin des Notariats sehr wohl richtige Adressatin des
angefochtenen Beschlusses. Dass - so ihr Vortag - die fraglichen Unterlagen von ihren eigenen Unterlagen
getrennt aufbewahrt werden, macht sie als Mitberechtigte der Räume des Notariats nicht zur falschen
Adressatin. Vor Beginn einer Durchsuchung ist es weder für die Staatsanwaltschaft noch der Polizei möglich
näher zu spezifizieren, wo in dem Notariat, in welchem Schrank etc. welche Unterlagen lagern und welchem
von mehreren Notaren diese zuzuschreiben sind. Im Gegenteil: Wenn bereits vor Beginn der Durchsuchung
erkennbar ist, dass auch weitere Personen von dieser betroffen sind, muss auch gegen diese ein richterlicher
Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss ergehen.

2. Der Durchsuchung und Beschlagnahme steht ein Beschlagnahmeverbot nach §§ 97 Abs. 1 Nr. 3, 53 Abs.
1 S. 1 Nr. 3 StPO entgegen. Der Beschwerdeführer sind nach § 18 BNotG zur Verschwiegenheit verpflichtet.
Die Verschwiegenheitspflicht ist nach § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB strafbewehrt. Eine Befreiung von der
Verschwiegenheitspflicht wurde weder seitens der Beteiligten noch der Aufsichtsbehörde, d.h. der
Präsidentin des Landgerichts München I, erteilt.

Entgegen der Rechtsauffassung der Staatsanwaltschaft M. I besteht auch keine Ausnahme von der
Verschwiegenheitspflicht dahingehend, dass sich diese lediglich auf solche Gegenstände erstreckt, die ihrem
Aussagehalt nach zu dem Vertrauensverhältnis zwischen Mandant und Notar gehören. Eine derartige
Ausnahme findet sich zwar in § 43 Abs. 2 GwG betreffend der Geldwäscheverdachtsmeldung, zu der Notare
in den durch die GwGMeldV - Immobilien nach § 43 Abs. 6 GwG stets verpflichtet sind. Vorliegend erstellte
… auch gerade solch eine Geldwäscheverdachtsmeldung an die FIU. Allerdings entbindet die Verpflichtung
des Notars zur Fertigung einer Geldwäscheverdachtsmeldung nicht von der Schweigepflicht des Notars nach
§ 18 BNotG, § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB. Hierbei handelt es sich um voneinander getrennt zu betrachtende
Pflichten des Notars.

Weiter ist der Notar lediglich verpflichtet, gegenüber der FIU eine Geldwäscheverdachtsmeldung abzugeben.
Die Beamten der FIU wiederum sind nach § 54 Abs. 3 Nr. 2a GwG explizit von der Verschwiegenheitspflicht
gegenüber Strafverfolgungsbehörden befreit. Eine entsprechende Befreiung von der
Verschwiegenheitspflicht für Notare enthält § 54 GwG demgegenüber gerade nicht. Dies zeigt gerade, dass
wenn die FIU aufgrund der Geldwäscheverdachtsmeldung eines Verpflichteten, hier des … nach weiteren
selbstständigen Ermittlungen Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten hat, sie ihr Wissen den
Strafverfolgungsbehörden offenbaren darf und muss. Im Gegensatz dazu bleiben Notare zur
Verschwiegenheit verpflichtet.

Weiter wies die Landesnotarkammer zutreffend auf den unterschiedlichen Zweck einer
Geldwäscheverdachtsmeldung und einer Zeugenaussage bzw. einer Beschlagnahme von Unterlagen beim
Notar hin: Während § 43 GWG den Notar dazu verpflichtet, eine Geldwäscheverdachtsmeldung abzugeben,
damit seitens der Aufsichtsbehörde präventiv eine Geldwäschehandlung noch verhindert werden kann (vgl.
OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 10.04.2018, Az. 2 S 1059/17), erfolgen eine Zeugenaussage bzw.
eine Beschlagnahme von Unterlagen für die Strafverfolgungsbehörden naturgemäß stets repressiv. In
letzterem Fall ist die strafbare Handlung somit stets eingetreten. Der Notar würde vorliegend immer zum
Beweismittel gegen seinen eigenen Mandanten werden, was die Vertrauensbasis zwischen Mandanten und
Notaren von vorneherein erheblich beeinträchtigen könnte.

Darüber hinaus stellt die Beschwerdekammer auch die Erwägung an, dass im Falle einer Beschlagnahme
eines Dokuments dieses einheitlich beschlagnahmt werden müsste. Eine Trennung der Beschlagnahme
dahingehend, ob das Vertrauensverhältnis zwischen Notar und Mandant gefährdet wird oder nicht, ist
faktisch nicht möglich. Die Durchsuchungsbeamten können und werden kaum ein einheitliches Dokument
zertrennen.

Zuzugeben ist der Rechtsauffassung der Staatsanwaltschaft, dass ihre Ermittlungsmöglichkeiten stark
eingeschränkt werden, wenn sie lediglich den Beamten der FIU als mittelbaren Zeugen, nicht aber den Notar
als unmittelbaren Zeugen vernehmen kann. Dies ist jedoch letztlich eine Folge der gesetzlichen
Ausgestaltung der Rechten und Pflichten aller Beteiligten. Der Umstand, dass in § 54 GWG nicht ebenso
eine Befreiung von der Verschwiegenheitsverpflichtung für Notare eingeführt wurde, darf vorliegend nicht
zulasten des an sich mitwirkungsbereit scheinenden …, der eine Geldwäscheverdachtsmeldung veranlasst
hat und sich selbstständig um eine Aussagegenehmigung bei der Präsidentin des Landgerichts München I
bemüht hat, gehen. Es kann seitens der Ermittlungsbehörden nicht von Herrn … verlangt werden, dass es
sich selbst im Risiko aussetzt, sich strafbar zu machen.

IV. Kostenentscheidung
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 465 StPO analog.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

LG München

Erscheinungsdatum:

08.06.2022

Aktenzeichen:

9 Qs 14/22

Rechtsgebiete:

Notarielles Berufsrecht

Normen in Titel:

GwG § 43 Abs. 6; StGB § 203 Abs. 1 Nr. 3; BNotO § 18