OLG Hamm 14. März 2025
10 W 35/25
FamFG § 352 Abs. 3

Erbscheinsverfahren; Erlass der eidesstattlichen Versicherung; fehlende Kenntnis über die Person der Erben

letzte Aktualisierung: 11.8.2025
OLG Hamm, Beschl. v. 14.3.2025 – 10 W 35/25

FamFG § 352 Abs. 3
Erbscheinsverfahren; Erlass der eidesstattlichen Versicherung; fehlende Kenntnis über die
Person der Erben

Zu den Voraussetzungen, unter denen die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung erlassen werden
kann.

Gründe:

I.
Die Antragstellerin erbrachte Leistungen nach dem BVG mit der Folge, dass Ansprüche
gegen die Erblasserin gemäß § 5 OEG in Verbindung mit § 81a BVG auf sie
übergegangen sind. Aus diesem Grund erwirkte die Antragstellerin wegen einer Forderung
in Höhe von 4.826,61 € zuzüglich 4% Zinsen seit Zustellung des Mahnbescheids einen
Vollstreckungsbescheid gegen die Erblasserin.

Nach dem Tod der Erblasserin macht die Antragstellerin eine Restforderung in Höhe von
3.007,32 € zuzüglich Zinsen gegen die Erben der Antragstellerin geltend.

Ein Antrag des Lebensgefährten der Erblasserin, einen Erbschein zu erteilen, der die
Kinder der Erblasserin als deren Erben ausweist, wurde zurückgewiesen.

Zum Zweck der Zwangsvollstreckung hat die Antragstellerin mit Datum vom 26.07.2024
einen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins gemäß § 792 ZPO gestellt, damit der Titel auf
die Erben umgeschrieben werden kann. Dazu hat die Antragstellerin vorgetragen, sie habe
keinerlei Kenntnisse zu den Erben der Erblasserin. Deshalb sei das Nachlassgericht
gemäß § 26 FamFG zur Erbenermittlung verpflichtet.

Das Amtsgericht hat darauf hingewiesen, dass sich die Erbfolge aus der Aktenlage ergebe
und Akteneinsicht beantragt werden könne. Die Erbfolge sei daher nicht unklar. Ein
formgerechter Antrag liege zudem nicht vor.

Durch den angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht den Antrag der Antragstellerin
mit der Begründung zurückgewiesen, es fehle insbesondere an der gerichtlich oder
notariell beurkundeten eidesstattlichen Versicherung.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, die zur Begründung vorträgt,
die Erben stünden bereits fest, und die Erbfolge sei geklärt. Da das Nachlassgericht von
Amts wegen zu Ermittlungen verpflichtet sei, mache das Abstellen auf die Erfordernisse
des § 352 FamFG keinen Sinn. Deshalb erübrige sich auch die Vorlage einer
eidesstattlichen Versicherung. Der Erbscheinantrag sei ohne Vorlage einer eidesstattlichen
Versicherung auch nicht unzulässig. Die Antragstellerin könne keine Angaben machen, die
über den Inhalt der Nachlassakte hinausgehen. Deshalb könne auch keine eidesstattliche
Versicherung abgegeben werden. Diese wäre ohnehin zu erlassen.

Durch Beschluss vom 27.02.2025 hat das Amtsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen
und die Sache dem Oberlandesgericht Hamm zur Entscheidung vorgelegt. Zur
Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, es sei an Eides Statt zu versichern, dass der
Antragstellerin nicht bekannt sei, was der Richtigkeit ihrer Angaben entgegenstehe. Dass
ihr diese Negativ-Auskunft nicht möglich sei, habe die Antragstellerin nicht dargelegt.

II.
Die Beschwerde ist gemäß § 58 ff. FamFG in Verbindung mit § 352e Abs. 1 FamFG
statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere innerhalb der Frist des § 63 FamFG
eingelegt worden.

In der Sache hat das Rechtsmittel vorläufig Erfolg und führt zur Aufhebung des
angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht zur
erneuten Entscheidung über den Antrag der Antragstellerin.

Die Zurückweisung des Erbscheinantrages hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Mit der gegebenen Begründung durfte das Nachlassgericht den Erbscheinantrag nicht
ablehnen.

Gemäß § 792 ZPO kann ein Gläubiger anstelle des Schuldners die Erteilung eines
Erbscheins beantragen, wenn der Gläubiger einen solchen zum Zwecke der
Zwangsvollstreckung benötigt.

Diese Voraussetzung liegt hier vor. Die Antragstellerin ist Inhaberin eines
Vollstreckungsbescheids gegen die Erblasserin, den sie gemäß § 727 ZPO gegen die
Rechtsnachfolger, die Erben der Erblasserin, zur Vorbereitung der Zwangsvollstreckung
umschreiben lassen möchte. Die Umschreibung des Titels setzt den Nachweis der
Rechtsnachfolge – sofern dieser nicht offenkundig ist – durch öffentliche oder öffentlich
beglaubigte Urkunden voraus. Insofern ist die Antragstellerin auf die Erteilung des
Erbscheins angewiesen.

Zutreffend ist das Nachlassgericht zunächst davon ausgegangen, dass die Antragstellerin
gemäß § 792 ZPO als Gläubigerin im Hinblick auf die Antragsberechtigung lediglich in die
Position der Erben einrückt. Der Antrag auf Erteilung eines Erbscheins muss daher
grundsätzlich den gleichen Voraussetzungen genügen wie ein Antrag durch die Erben
selbst. Das bedeutet, dass der Antragsteller nach § 352 FamFG die Richtigkeit der Angabe
der Zeit des Todes des Erblassers sowie des Verhältnisses, auf dem das Erbrecht beruht,
durch öffentliche Urkunden nachzuweisen und im Hinblick auf weiter erforderliche
Angaben vor Gericht oder vor einem Notar an Eides statt zu versichern hat, dass ihm
nichts bekannt ist, was der Richtigkeit seiner Angaben entgegensteht, § 352 Abs. 3 S. 3
FamFG. Diese eidesstattliche Versicherung ist von dem Antragsteller höchstpersönlich und
im Fall des § 792 ZPO von dem Gläubiger höchstpersönlich abzugeben (vgl. Geimer in:
Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Auflage 2024, § 792 ZPO Rn. 1). Handelt es sich bei dem
Gläubiger um eine Behörde, so ist die eidesstattliche Versicherung von dem
vertretungsberechtigten Organ abzugeben, eine rechtsgeschäftliche Bevollmächtigung ist
nicht zulässig (vgl. LG Leipzig, Beschluss vom 19. Mai 2008 – 4 T 445/08 –, juris).
Nach § 352 Abs. 3 S. 4 FamFG kann das Nachlassgericht dem Antragsteller allerdings die
Versicherung dann erlassen, wenn es sie nicht für erforderlich hält. Es ist vorliegend aus
der Begründung des angefochtenen Beschlusses bzw. der Nichtabhilfeentscheidung aber
nicht ersichtlich, dass das Nachlassgericht dies erkannt und sein Ermessen entsprechend
ausgeübt hat.

Für die Auffassung des Amtsgerichts könnte zwar angeführt werden, dass es bei einem
Erbscheinantrag aufgrund gesetzlicher Erbfolge nie zweifelsfrei ausgeschlossen werden
kann, dass möglicherweise doch ein Testament existiert oder dass weitere gesetzliche
Erben existieren (vgl. LG Leipzig, a.a.O.).

Maßgeblich für die Erforderlichkeit ist wegen § 352e Abs. 1 Satz 1 FamFG jedoch, ob
durch die Versicherung die Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit der Angaben erhöht wird,
was regelmäßig zu verneinen ist, wenn der Antragsteller, wie etwa und vor allem ein
Nichterbe, mangels eigener Kenntnis von den Umständen nichts zur
Sachverhaltsaufklärung beitragen kann (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19. Dezember
2019 – I-3 Wx 210/19 –, juris; BeckOK FamFG/Schlögel, 52. Ed. 1.12.2024, FamFG § 352
Rn. 28-30;).

Das ist indessen hier der Fall, denn die Antragstellerin verfügt ersichtlich und nicht
zweifelhaft über weitere als die aus der Nachlassakte ersichtlichen Kenntnisse. Überdies
kommt im vorliegenden Fall der Versicherung zum Güterstand (§ 352 Abs. 3 Satz 3, 1. Fall
FamFG) keine Bedeutung zu, da die Erblasserin geschieden war. Angesichts dessen
erschiene das Bestehen auf der Vorlage der eidesstattlichen Versicherung als bloße
Förmelei. Denn die eidesstattliche Versicherung des Gläubigers bezieht sich allein auf
seine Kenntnis und sein Wissen, nicht aber auf ein gegebenenfalls noch in Kenntnis zu
bringendes Wissen des Erben (vgl. LG Hildesheim, Entscheidung vom 29. September
1961 – 5 T 484/61 –, juris). Die eidesstattliche Versicherung gemäß § 352 Abs. 3 FamFG
ist – wie oben dargelegt – lediglich darauf gerichtet, dass dem Gläubiger nichts bekannt
sei, was der Richtigkeit seiner Angaben entgegenstünde. Da vorliegend die Antragstellerin
die dem Erbscheinantrag zugrundeliegenden Angaben in Bezug auf die Begründung des
Erbrechts allein auf den Inhalt des Beschlusses des Amtsgerichts Gütersloh vom
28.02.2022 stützt und – wie ausgeführt – die vertretungsberechtigten Organe der
Antragstellerin keinerlei Kenntnis von diesen Umständen haben, käme der eidesstattlichen
Versicherung keinerlei Nachweiswert zu. In einem solchen Fall erscheint es sachgerecht,
die Ermessensentscheidung des § 352 Abs. 3 S. 4 FamFG dahingehend auszuüben, dass
jedenfalls die eidesstattliche Versicherung durch den Gläubiger erlassen werden muss.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Hamm

Erscheinungsdatum:

14.03.2025

Aktenzeichen:

10 W 35/25

Rechtsgebiete:

Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Nachlaßabwicklung (insbes. Erbschein, Nachlaßinventar)
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)

Normen in Titel:

FamFG § 352 Abs. 3