Kammergericht 24. März 2021
3 UF 1122/20
BGB §§ 1591, 1592 Nr. 1, 1600d Abs. 4; GG Art. 3 Abs. 1, 6

Gesetzliche Elternstellung nach ärztlich unterstützter künstlicher Befruchtung in gleichgeschlechtlicher Ehe

letzte Aktualisierung: 20.10.2021
KG, Beschl. v. 24.3.2021 – 3 UF 1122/20

BGB §§ 1591, 1592 Nr. 1, 1600d Abs. 4; GG Art. 3 Abs. 1, 6
Gesetzliche Elternstellung nach ärztlich unterstützter künstlicher Befruchtung in
gleichgeschlechtlicher Ehe

Der Senat hält es für mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar, dass ein Kind, das nach einer ärztlich
unterstützten künstlichen Befruchtung im Sinne des § 1600d Abs. 4 BGB von einer in
gleichgeschlechtlicher Ehe lebenden Mutter geboren wird, kraft Gesetzes nur einen rechtlichen
Elternteil hat.

Gründe

I.
Das Verfahren betrifft die Feststellung der Elternschaft zwischen der Beteiligten zu 1. (im
Folgenden: Kind) und der Beteiligten zu 3.

Die Beteiligte zu 2. (deutsche Staatsangehörige) und die Beteiligte zu 3. (luxemburgische
Staatsangehörige) schlossen am ... 2018 vor dem Standesbeamten des Standesamtes ...von
Berlin (Registernummer ...) die Ehe miteinander. Um ihren Kinderwunsch zu erfüllen,
entschieden sie sich, eine reproduktionsmedizinische Behandlung in einem
Kinderwunschzentrum in der Weise durchzuführen, dass die Person des Samenspenders
ihnen gegenüber unbekannt bleibt und der Samenspender auf alle Rechte aus der
Elternschaft verzichtet. Sie schlossen im September 2019 einen Behandlungsvertrag zur
ärztlich unterstützten künstlichen Befruchtung mit ... im Kinderwunschzentrum „...“
(gynäkologische Praxis unter der ärztlichen Leitung von ... (vgl. https://www. ... .de). Die
Praxis arbeitet mit der European Sperm Bank in Kopenhagen zusammen. Von dort bezogen
die beteiligten Eheleute die Samenspende.

Die Beteiligte zu 2. (im Folgenden: Mutter) gebar am ... 2020 Zwillinge, nämlich das hier
betroffene Kind L. (Beteiligte zu 1.) und das Kind J.. Die Rechtsmittel in dem das Kind J.
betreffenden Verfahren auf Feststellung der Elternschaft sind unter dem Aktenzeichen 3 UF
1123/20 beim Senat anhängig. Die Beteiligte zu 1. lebt im Haushalt der Eheleute und wird
von ihnen gemeinsam zu gleichen Anteilen betreut. In der Geburtsurkunde des Kindes ist
die Beteiligte zu 2. als Mutter des Kindes eingetragen. Das Standesamt Friedrichshain-
Kreuzberg von Berlin lehnte eine Eintragung der Beteiligten zu 3. (im Folgenden: Ehefrau)
als Mit-Mutter des Kindes ab.

Das Kind, die Mutter und die Ehefrau haben bei dem Familiengericht beantragt
festzustellen, dass zwischen dem am ... geborenen Kind und der Ehefrau ein Eltern-Kind-
Verhältnis besteht.

Mit Beschluss vom 26. Oktober 2020 hat das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg
(Familiengericht) die Anträge zurückgewiesen. Die Anträge seien nicht statthaft. § 169 Nr. 1
FamFG erfasse nur Abstammungssachen, welche „auf die Feststellung des Bestehens oder
Nichtbestehens eines Eltern-Kind-Verhältnisses, insbesondere der Wirksamkeit oder
Unwirksamkeit einer Anerkennung der Vaterschaft“ gerichtet seien. Das Gesetz bestimme
zunächst in § 1591 BGB, wer die Mutter des Kindes sei, nämlich die Frau, die das Kind
geboren hat. Es regele dann weiter, wer Vater des Kindes sei. § 1600d Abs. 1 BGB enthalte
eine abschließende Regelung, wann die Vaterschaft gerichtlich festgestellt werden könne. Im
Gesetz sei dagegen keine Vorschrift vorhanden, nach der die Mutterschaft festgestellt
werden könne. Etwas Anderes folge auch nicht aus § 169 Abs. 1 FamFG. Dem Wortlaut
dieser Vorschrift lasse sich nicht entnehmen, dass neben den im BGB geregelten Fällen
weitere Abstammungsverfahren geschaffen werden sollten. Des Weiteren wäre der Antrag
auch dann nicht statthaft, wenn man der Rechtsauffassung der Antragstellerinnen folge und
eine analoge Anwendung des § 1592 Nr. 1 BGB in dieser Fallkonstellation bejahe. Denn
dann wäre bereits die Beteiligte zu 3. kraft Gesetzes Elternteil des Kindes. Eine Feststellung
nach § 169 Abs. 1 FamFG scheide dann – ebenso wie bei einer Vaterschaft nach § 1592
Nr. 1 BGB – aus. Dies folge aus der Vorschrift des § 1600d Abs. 1 BGB. Danach könne
eine Vaterschaft nur dann gerichtlich festgestellt werden, wenn keine Vaterschaft nach
§ 1592 Nr. 1 BGB bestehe. Rechte der Antragstellerinnen würden nicht verletzt. Ihnen stehe
der Weg offen, beim Standesamt eine Eintragung der Elternschaft zu erwirken und bei
Ablehnung einer solchen Eintragung den Rechtsweg zu beschreiten.

Gegen diese – ihrer Verfahrensbevollmächtigten am 9. November 2020 zugestellte –
Entscheidung haben die Beteiligten zu 1. bis 3. mit Anwaltsschriftsatz vom 30. November
2020, am selben Tag beim Familiengericht eingegangen, Beschwerde eingelegt. Sie wenden
sich gegen die Rechtsauffassung des Familiengerichts. Entgegen der Auslegung des
Amtsgerichts seien ihre Anträge auf Feststellung der Elternschaft statthaft und auch im
Übrigen begründet. Eine verfassungskonforme Rechtsfortbildung erfordere in dieser
Fallkonstellation eine analoge Anwendung des § 1592 Nr. 1 BGB. Es fehle eine gesetzliche
Regelung, die eine rechtliche Elternschaft der Ehefrau der Mutter analog zu § 1592 Nr. 1
BGB festschreibe. Dieser Zustand sei verfassungswidrig, weil er eheliche Kinder zweiter
Klasse schaffe und gleichgeschlechtliche Familien diskriminiere.

II.
Das Verfahren ist gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG auszusetzen. Nach Überzeugung des
Senats ist es mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar, dass das Gesetz es unterlässt, einem durch
eine ärztlich unterstützte künstliche Befruchtung im Sinne des § 1600d Abs. 4 BGB
gezeugten und in der gleichgeschlechtlichen Ehe der Mutter geborenen Kind die Ehefrau
der Mutter kraft Gesetzes als Elternteil zuzuordnen, während das Gesetz in § 1592 Nr. 1
BGB einem auf gleiche Weise gezeugten Kind, das in der verschiedengeschlechtlichen Ehe
der Mutter geboren wird, den Ehemann der Mutter kraft Gesetzes als Elternteil zuordnet.
Zur Verfassungsmäßigkeit ist eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen.

1. Entscheidungserheblichkeit der Regelung (§ 1592 Nr. 1 BGB)

Die Frage, ob die Regelung des § 1592 Nr. 1 BGB, nach der Vater eines Kindes der Mann
ist, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter verheiratet ist, verfassungsgemäß ist, ist
für die Entscheidung erheblich.

a) Der Senat ist ohne Durchführung eines Anhörungs- und Erörterungstermins zur Vorlage
befugt.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist in Ausnahmefällen eine
Richtervorlage auch ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung (hier eines
Anhörungs- und Erörterungstermins) zulässig (BVerfG, Beschluss vom 30. Januar 1989 – 1
BvL 17/87 -, juris Rn. 30 f.). Diese sind auf die Verfahren zu beschränken, in denen schon
vor der mündlichen Verhandlung die Entscheidungserheblichkeit der Norm mit Sicherheit
feststeht (BVerfG, Beschluss vom 29. Oktober 1963 – 1 BvL 15/58 –, juris Rn. 15). So liegt
der Fall hier. Nach § 175 Abs. 1 FamFG soll das Gericht zwar vor einer Beweisaufnahme
über die Abstammung die Angelegenheit in einem Termin erörtern und das persönliche
Erscheinen der verfahrensfähigen Beteiligten anordnen. Eine Beweisaufnahme ist hier aber
nicht erforderlich. Der Sachverhalt ist unstreitig. Gemäß §§ 32 Abs. 1 Satz 1, 33 Abs. 1
Satz 1 FamFG sieht der Senat im vorliegenden Fall von der Durchführung eines Anhörungsund
Erörterungstermins ab, weil der Sachverhalt aufgeklärt ist und weitere Ermittlungen von
Amts wegen nicht erforderlich sind.

b) Die Richtervorlage ist eröffnet, obwohl die Vorlagefrage gesetzgeberisches Unterlassen
betrifft. Zwar kann schlichtes gesetzgeberisches Unterlassen nicht Gegenstand einer Vorlage
sein. Ist der Gesetzgeber aber auf einem Gebiet – wie dem der Eltern-Kind-Zuordnung
aufgrund einer Ehe - bereits tätig geworden und hält ein Gericht die geschaffenen
Vorschriften angesichts einer grundrechtlichen Schutzpflicht für unzureichend oder das
Unterlassen der Einbeziehung weiterer Tatbestände in die begünstigende Regelung für nicht
gerechtfertigt, ist eine Vorlage möglich (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 16.
Januar 2013 - 1 BvR 2004/10 -, juris Rn. 21). Das ist hier der Fall. Der Senat hält die
unterlassene Elternzuordnung kraft Gesetzes bei der Geburt eines Kindes in einer
gleichgeschlechtlichen Ehe für verfassungswidrig.

c) Entscheidungserheblichkeit setzt nach der Rechtsprechung des BVerfG voraus, dass das
Gericht im Ausgangsverfahren bei Ungültigkeit der Norm anders entscheiden müsste als bei
deren Gültigkeit (BVerfG, Beschlüsse vom 2. Mai 2012 – 1 BvL 20/09 -, juris Rn. 67; 5.
Dezember 2002 – 2 BvL 5/98; 2 BvL 6/98 -, juris Rn. 126; 6. November 1957 – 2 BvL
12/56 -, juris Rn. 12). Diese Voraussetzungen sind auch dann erfüllt, wenn im Fall der
Verfassungswidrigkeit des Gesetzes das Ausgangsverfahren auszusetzen ist, bis der
Gesetzgeber reagiert hat, denn auch diese Ausgangsentscheidung ist eine andere
Entscheidung als die, die im Falle der Gültigkeit des Gesetzes zu treffen wäre (BVerfG,
Beschlüsse vom 31. Januar 1996 – 2 BvL 39/93, 2 BvL 40/93 -, juris Rn. 30; 12. Februar
1986 – 1 BvL 39/83 -, juris Rn. 31; 15. Oktober 1985 – 2 BvL 4/83 -, juris Rn. 30; 17. Mai
1983 – 2 BvL 8/82 -, juris Rn. 28; 6. Februar 1968 – 1 BvL 7/65 -, juris Rn. 14; 12. Februar
1964 – 1 BvL 12/62 -, juris Rn. 21). Zudem genügt bei der Annahme eines
Gleichheitsverstoßes für die Entscheidungserheblichkeit der Regelung, dass die Feststellung
der Verfassungswidrigkeit die Chance offenhält, eine für den Beteiligten des
Ausgangsverfahrens günstigere Regelung durch den Gesetzgeber zu erreichen (BVerfG,
Beschlüsse vom 11. November 2008 – 1 BvL 3/05 bis 1 BvL 7/05 -, juris Rn. 59; 17. April
2008 – 2 BvL 4/05 -, juris Rn. 31). Entscheidungserheblichkeit kann damit anzunehmen
sein, wenn der Gesetzgeber den Gleichheitsverstoß auf verschiedenen Wegen heilen kann
und eine der dem Gesetzgeber möglichen Entscheidungsvarianten das Ausgangsverfahren in
Richtung einer für den betroffenen Verfahrensbeteiligten günstigeren Entscheidung
beeinflusst (BVerfG, Beschlüsse vom 18. Juli 2019 – 1 BvL 1/18, 1 BvL 4/18, 1 BvR
1595/18 -, juris Rn. 36; 31. Januar 1996 – 2 BvL 39/93, 2 BvL 40/93 -, juris Rn. 32f.).

Gemessen an diesem Maßstab liegt die Entscheidungserheblichkeit im Sinne des Art. 100
Abs. 1 Satz 1 GG vor.

aa) Die Chance, eine für die Beteiligten günstigere Regelung zu erreichen, lässt sich bereits
aus dem am 13. März 2019 vorgelegten Diskussionsteilentwurf eines Gesetzes zur Reform
des Abstammungsrechts des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz
entnehmen (abrufbar unter https://www.bmjv.de). Der Entwurf sieht in seinem § 1592
Abs. 2 Nr. 1 BGB vor, dass Mit-Mutter eines Kindes die Frau ist, die zum Zeitpunkt der
Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist. Danach wäre in der hier vorliegenden
Fallkonstellation die Ehefrau bei der Geburt des Kindes kraft Gesetzes rechtlicher Elternteil.

bb) Die Rechtsmittel der Antragstellerinnen sind gemäß § 58 Abs. 1 FamFG statthaft und
auch im Übrigen nach §§ 59 ff. FamFG zulässig, insbesondere sind sie innerhalb der
Beschwerdefrist des § 63 Abs. 1 FamFG eingelegt worden und genügen den Erfordernissen
des § 64 FamFG.

Darüber hinaus ist die Mutter, welche als allein Sorgeberechtigte im Namen des Kindes
Rechtsmittel eingelegt hat, weder gemäß § 1629 Abs. 2 Satz 1 BGB i. V. m. § 1795 BGB von
der Vertretung des Kindes im Verfahren ausgeschlossen noch ist der Mutter die
Vertretungsmacht gemäß § 1629 Abs. 2 Satz 3 BGB i. V. m. § 1796 BGB zu entziehen.

Grundsätzlich umfasst die elterliche Sorge gemäß § 1629 Abs. 1 BGB auch die Vertretung
des Kindes. Die Vertretung des minderjährigen Kindes im gerichtlichen Verfahren war im
Hinblick auf eine mögliche Interessenkollision seiner Eltern nach Inkrafttreten des FamFG
zunächst umstritten (vgl. Dürbeck, in: Prütting/Helms, FamFG, 5. Aufl. 2020, § 172 Rn. 4
m. w. N.). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat anschließt,
ist nunmehr die allein sorgeberechtigte Mutter dagegen weder nach § 1795 Abs. 1 Nr. 3
BGB noch nach § 1796 BGB an der Vertretung des Kindes gehindert (BGH, Beschlüsse
vom 2. November 2016 – XII ZB 583/15 -, juris Rn. 13; 21. März 2012 – XII ZB 510/10 -,
juris). Ein allein aus der Verfahrensbeteiligung hergeleiteter Vertretungsausschluss, der in
allen Abstammungsverfahren gelten müsste (so aber Coester-Waltjen/Lugani, in: Münchener
Kommentar zum FamFG, 3. Aufl. 2018, § 172 Rn. 34) widerspräche besonderen
gesetzlichen Regelungen. So enthält § 1629 Abs. 2 Satz 3 2. Halbsatz BGB die ausdrückliche
Bestimmung, dass der Mutter für die Feststellung der Vaterschaft die Vertretung nicht nach
§ 1796 BGB entzogen werden kann. Diese Regelung wäre gegenstandslos, wenn die Mutter
von der gesetzlichen Vertretung schon kraft Gesetzes ausgeschlossen wäre. Ein Ausschluss
der Mutter von der Vertretung widerspräche aber vor allem auch der bewussten gesetzlichen
Wertung, dass die Mutter grundsätzlich in der Lage ist, das Kind seinen Interessen
entsprechend im Verfahren zu vertreten. Dass das Gesetz die Mutter nicht generell als von
der Vertretung im Abstammungsverfahren ausgeschlossen ansieht, verdeutlicht ferner § 173
FamFG. Danach ist der sorgeberechtigte Elternteil von der Vertretung des Kindes (im
Vaterschaftsfeststellungsverfahren) - erst - ausgeschlossen, wenn das Kind durch das
Jugendamt als Beistand vertreten wird, was wiederum einen entsprechenden Antrag des -
sorgeberechtigten - Elternteils nach §§ 1712, 1713 BGB voraussetzt. Dass bei der Vertretung
durch die Mutter schließlich nicht zwischen Feststellungs- und Anfechtungsverfahren
unterschieden werden kann, zeigt sich auch im Fall der Anfechtung durch den leiblichen
Vater. Diese führt nach § 182 FamFG im Erfolgsfall nicht nur dazu, dass das Nichtbestehen
der Vaterschaft des rechtlichen Vaters festgestellt wird, sondern (kraft Gesetzes) zugleich
auch zur Feststellung der Vaterschaft des Anfechtenden (BGH, Beschluss vom 21. März
2012 – XII ZB 510/10 –, juris Rn. 20).

cc) Den Beteiligten steht das gerichtliche Verfahren zur Statusfeststellung nach § 169 Nr. 1
FamFG zur Verfügung. Entgegen der Auffassung des Familiengerichts ist das Verfahren
nach § 48 PStG nicht vorrangig.

Nach § 169 Nr. 1 FamFG sind Abstammungssachen Verfahren auf Feststellung des
Bestehens oder Nichtbestehens eines Eltern-Kind-Verhältnisses, insbesondere der
Wirksamkeit oder Unwirksamkeit einer Anerkennung der Vaterschaft. Die Vorschrift
umfasst neben dem Streit über die anfängliche Wirksamkeit einer Vaterschaftsanerkennung
sowohl Streitigkeiten über das Bestehen oder Nichtbestehen einer rechtlich bereits erfolgten
bzw. nicht erfolgten Zuordnung (also insbesondere die Mutterschaft und die Elternschaft
der bei Geburt des Kindes miteinander verheirateter Eltern) als auch Verfahren, die eine
solche rechtliche Zuordnung erst herstellen bzw. ihre Herstellung verneinen (Coester-
Waltjen/Lugani, in: Münchener Kommentar zum FamFG, 3. Aufl. 2018, § 169 Rn. 4). Ihr
Rechtsschutzziel (Feststellung der Elternschaft) können die Antragstellerinnen im Verfahren
nach § 169 Abs. 1 FamFG erreichen. Im Rahmen dieses Verfahrens können sie die
Verfassungswidrigkeit des § 1592 Nr. 1 BGB geltend machen (OLG Hamburg, Beschluss
vom 14. März 2017 – 2 UF 160/16 -, juris Rn. 22; Coester-Waltjen/Lugani, in: Münchener
Kommentar zum FamFG, 3. Aufl. 2018, § 169 Rn. 7; im Ergebnis auch OLG Köln,
Beschluss vom 26. März 2015 – II-14 UF 181/14, 14 UF 181/14 -, juris Rn. 12 ff.).

Zwar ist hier auch das Berichtigungsverfahren nach § 48 PStG eröffnet. Gegenüber dem
Berichtigungsverfahren hat das Abstammungsverfahren jedoch den Vorteil, dass eine
rechtskraftfähige Feststellung der rechtlichen Elternschaft mit allgemein verbindlicher
Wirkung erreicht wird, § 184 Abs. 2 FamFG (KG, Beschluss vom 31. Mai 2017 – 3 WF
22/17 –, juris Rn. 3; Engelhardt, in: Keidel, FamFG, 20. Aufl. 2020, § 169 Rn. 8).

dd) Der Senat wäre im Falle der Verfassungswidrigkeit des § 1592 Nr. 1 BGB an der
Entscheidung gehindert. Dagegen wären die Rechtsmittel bei Annahme der
Verfassungsgemäßheit des § 1592 Nr. 1 BGB zurückzuweisen.

Die Anträge wären zurückzuweisen, weil weder nach deutschem [hierzu unter (2)] noch nach
dem gemäß Art. 19 Abs. 1 Satz 1 EGBGB ebenfalls in Betracht kommenden
luxemburgischem Recht [hierzu unter (1)] die Ehefrau der Mutter dem Kind kraft Gesetzes
als Elternteil zugeordnet werden kann.

(1)

Nach Art. 19 Abs. 1 Satz 1 EGBGB unterliegt die Abstammung eines Kindes dem Recht des
Staates, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Aufenthaltsstatut). Das ist
hier deutsches Recht. Sie kann gemäß Art. 19 Abs. 1 Satz 2 EGBGB im Verhältnis zu jedem
Elternteil auch nach dem Recht des Staates bestimmt werden, dem dieser Elternteil angehört
(Personalstatut). Da die Ehefrau die luxemburgische Staatsangehörigkeit besitzt, ist das
luxemburgische Heimatrecht der Ehefrau anzuwenden. Wenn die Mutter verheiratet ist,
kann die Abstammung eines Kindes zudem gemäß Art. 19 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1 EGBGB
nach dem Recht, dem die allgemeinen Wirkungen ihrer Ehe bei der Geburt nach Art. 14
Abs. 1 EGBGB unterliegen, bestimmt werden (Ehewirkungsstatut). Das Personalstatut und
das Ehewirkungsstatut sind dem Aufenthaltsstatut grundsätzlich gleichwertige
Zusatzanknüpfungen (BGH, Beschluss vom 20. April 2016 – XII ZB 15/15 –, juris Rn. 28).

Bei der Verweisung in Art. 19 Abs. 1 Satz 2 EGBGB handelt es sich nach allgemeiner
Ansicht um eine Gesamtverweisung, so dass eine Rück- oder Weiterverweisung (renvoi) des
ausländischen Kollisionsrechts im Grundsatz zu beachten ist. Eine Rück- oder
Weiterverweisung kann allerdings nur berücksichtigt werden, wenn sie die Zahl der
anwendbaren Rechte nicht vermindert. Führt das Recht, auf das Art. 19 Abs. 1 Satz 2
EGBGB verweist, zu einer positiven Feststellung der Abstammung, ist eine eventuelle Rückoder
Weiterverweisung durch das Kollisionsrecht des betreffenden Staates nicht zu beachten
(OLG Nürnberg, Beschluss vom 14. September 2015 – 11 W 277/15 -, juris, m. w. N.; OLG
Celle, Beschluss vom 10. März 2011 – 17 W 48/10 –, juris Rn. 21 m. w. N.).

Es kann offenbleiben, ob das luxemburgische Kollisionsrecht die Verweisung annimmt oder
eine Rückverweisung auf das deutsche Recht ausspricht, weil das Sachrecht beider
Rechtsordnungen hier zum gleichen Ergebnis kommt. Auch nach dem luxemburgischen
Recht der Eltern-Kind-Zuordnung ist die Ehefrau nicht kraft Gesetzes rechtlicher Elternteil
des Kindes. Die eheliche Abstammung eines Kindes wird nach Art. 312 ff. Code Civil in
erster Linie nach der Vaterschaftsvermutung bestimmt (Art. 312 Abs. 1 Code Civil). Danach
ist Vater eines während der Ehe empfangenen Kindes der Ehemann der Mutter. Gemäß
Art. 143 Abs. 1 Code Civil können zwei Personen gleichen Geschlechts die Ehe eingehen.
Nach 143 Abs. 2 Code Civil ist aber Art. 312 Code Civil nicht anwendbar (Martiny, in:
Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Luxemburg, Stand: 1. April
2014, S.21, 63 ff.). Die Weiterverweisung in eine dritte Rechtsordnung kommt hier nicht in
Betracht.

(2)

(a) Die Ehefrau ist nicht gemäß § 1591 BGB rechtlicher Elternteil des Kindes.

Gemäß § 1591 BGB ist Mutter eines Kindes die Frau, die das Kind geboren hat. Das ist im
vorliegenden Fall die Beteiligte zu 2. und nicht ihre Ehefrau.

Eine analoge Anwendung der Vorschrift scheidet aufgrund des eindeutigen Wortlauts und
der Entstehungsgeschichte der Vorschrift aus.

Der Senat schließt sich dieser einhelligen Auffassung in der Rechtsprechung und Literatur an
(BGH, Beschlüsse vom 10. Oktober 2018 – XII ZB 231/18 -, juris Rn. 10; 29. November
2017 – XII ZB 459/16 -, juris Rn. 11; 10. Dezember 2014 – XII ZB 463/13 -, juris Rn. 35;
OLG Köln, Beschluss vom 26. März 2015 – II-14 UF 181/14, 14 UF 181/14 -, juris Rn. 13;
Wellenhofer, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2020, § 1591 Rn. 12; Di Cato
in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl. 2020, (Stand:
15. Oktober 2019) § 1591 Rn. 5; Reinhardt, RpflStud. 2018, 33, 35).

§ 1591 BGB wurde 1998 mit dem Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts in das BGB
aufgenommen. Durch die Regelung wollte der Gesetzgeber eine regulatorische Antwort auf
die Fortschritte der Fortpflanzungsmedizin geben, die ein Auseinanderfallen von genetischer
und biologischer Mutterschaft möglich machte (Reuß, in: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann
BeckOKG, BGB, Stand: 1. September 2020, § 1591 Rn. 43). In § 1591 BGB wird für die
Fälle der Ei- oder Embryonenspende klargestellt, dass die Mutter des Kindes im Rechtssinne
allein die Frau ist, die das Kind geboren hat (BT-Drs.,13/4899, 52).

(b) Die Ehefrau ist nicht gemäß § 1592 Nr. 1 BGB rechtlicher Elternteil des Kindes.

Nach § 1592 Nr. 1 BGB ist Vater eines Kindes der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt
mit der Mutter des Kindes verheiratet ist.

(aa) Eine unmittelbare Anwendung des § 1592 Nr. 1 BGB kommt hier nach dem klaren
Wortlaut der Norm nicht in Betracht. Eine Frau ist auch im Rechtssinne kein Mann und
kann somit nicht nach § 1592 BGB Vater sein (BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2018 –
XII ZB 231/18, juris Rn. 13; Binder/Kiehnle, NZFam 2017, 742, 743; a. A. wohl
Engelhardt, NZFam 2017, 1042, 1047, der eine „ausdehnende“ Anwendung des § 1592
Nr. 1 BGB in der hier vorliegenden Fallkonstellation befürwortet). Auch im allgemeinen
Sprachgebrauch ist Vater immer ein Mann und das BGB knüpft noch durchgehend an die
tradierte Geschlechterdifferenzierung an (Balzer, in: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann,
BeckOGK, BGB, Stand; 1. Februar 2021, § 1592 Rn. 41; Kaulbach/Pickenhahn/von
Scheliha, FamRZ 2019, 768, 769).

Auch die Entstehungsgeschichte des § 1592 BGB bietet keinen Anlass für eine direkte
Anwendung auf die Ehefrau der Mutter. Die Norm gilt in ihrer heutigen Fassung seit dem
am 1. Juli 1998 in Kraft getretenen Kindschaftsrechtsreformgesetz (BGBl 1997 I 2942).
Inhaltlich findet sich aber eine entsprechende Regelung schon in den Digesten 2, 4, 5:
„Pater... est, quem nuptiae demonstrant“ (Rauscher, in: Staudinger, BGB (2011), § 1592
Rn. 14). Vorrangige Reformziele des Gesetzgebers von 1998 waren die Verbesserung der
Rechte des Kindes und die bestmögliche Förderung des Kindeswohls. Das Kind sollte als
Rechtssubjekt im Mittelpunkt stehen, und fokussiert wurde die Stärkung der rechtlichen
Beziehung zu beiden Elternteilen. Dabei wurde eine gesonderte Regelung für die Geburt
eines Kindes nach Rückgriff auf eine heterologe künstliche Fortpflanzung bewusst nicht
vorgenommen (BT-Drs.13/8511, 69; Kaulbach/Pickenhahn/von Scheliha, FamRZ 2019,
768, 769).

(bb) Eine analoge Anwendung der Vorschrift scheidet im vorliegenden Fall aus, weil damit
die Grenzen einer zulässigen richterlichen Rechtsfortbildung überschritten werden.

Ob die Voraussetzungen der Analogie der Vorschrift in der hier vorliegenden
Fallkonstellation vorliegen, ist in der Rechtsprechung und Literatur umstritten.

(aaa) Nach der Rechtsprechung des BGH und der Oberlandesgerichte liegen die
Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 1592 Nr. 1 BGB nicht vor. Es fehle
sowohl an einer planwidrigen Regelungslücke als auch an einer vergleichbaren Interessenlage
(BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2018 – XII ZB 231/18 -, juris Rn. 16; KG, Beschluss
vom 9. Februar 2018 – 3 UF 146/17 -, juris Rn. 53; zur eingetragenen Lebenspartnerschaft:
OLG Köln, Beschluss vom 26. März 2015 – II-14 UF 181/14, 14 UF 181/14 -, juris Rn. 14;
OLG Celle, Beschluss vom 10. März 2011 – 17 W 48/10 -, juris Rn. 18). So habe der
Gesetzgeber zwar mit dem am 1. Oktober 2017 in Kraft getretenen Gesetz zur Einführung
des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts vom 20. Juli 2017 (BGBl.
2017 I 2787, „Eheöffnungsgesetz“) die bestehenden Diskriminierungen von
gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern und von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Identität
in allen gesellschaftlichen Bereichen beenden und hierzu rechtliche Regelungen, die die
gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften schlechter stellen, beseitigen wollen. Dies lasse
aber nicht den Schluss zu, er habe es versehentlich versäumt, die bestehende Differenzierung
im Abstammungsrecht aufzuheben. Der Gesetzgeber habe bei der Neuregelung in erster
Linie die symbolische Diskriminierung homosexueller Paare durch Ausschluss vom
Rechtsinstitut der Ehe und der Benachteiligung im Adoptionsrecht vor Augen gehabt, aber
nicht jede unterschiedliche Behandlung von homo- und heterosexuellen Paaren beenden
wollen (BGH, a. a. O., juris Rn. 18). Gegen eine planwidrige Regelungslücke spreche auch
der Umstand, dass der Gesetzgeber bislang von einer Reform des Abstammungsrechts
bewusst Abstand genommen habe. Vielmehr sei vom Bundesministerium der Justiz und für
Verbraucherschutz ein Arbeitskreis eingesetzt worden, der eine umfassende Reform des
Abstammungsrechts vorbereiten sollte und sich dabei auch intensiv mit der Frage
gleichgeschlechtlicher Elternschaft befasst habe. Nur wenige Tage vor Erlass des
Eheöffnungsgesetzes vom 20. Juli 2017 – und zwar am 4. Juli 2017 - habe dieser Arbeitskreis
seine Ergebnisse vorgelegt. Angesichts dieses zeitlichen Zusammenhangs sei auszuschließen,
dass schlicht vergessen worden sei, abstammungsrechtliche Folgen der
gleichgeschlechtlichen Ehe zu regeln (BGH, a. a. O., juris Rn. 20; KG, a. a. O., juris Rn. 53).

Es fehle auch an einer vergleichbaren Interessenlage. Die Zuordnungstatbestände des § 1592
BGB knüpften an Kriterien an, die im Regelfall denjenigen Mann als rechtlichen Vater
erfassten, von dem das Kind biologisch abstamme (BGH, a. a. O., juris Rn. 20; BGH,
Beschluss vom 6. September 2017 – XII ZB 660/14 -, juris Rn. 26). § 1592 Nr. 1 BGB
knüpfe daher die Vaterschaft an das Merkmal „verheiratet“ wegen der im Regelfall
zutreffenden Vermutung, dass der Ehemann der Mutter der leibliche Vater des Kindes sei.
Diese der gesetzlichen Regelung zu Grunde liegende Vermutung sei dagegen für die mit der
Mutter verheirateten Frau nicht begründet. Vielmehr sei diese zwingend und damit
abweichend von dem die Bestimmung des § 1592 Nr. 1 BGB tragenden Regelfall
personenverschieden zum leiblichen Vater des Kindes (BGH, Beschluss vom 10. Oktober
2018 – XII ZB 231/18 -, juris Rn. 22; KG, a. a. O., juris Rn. 53; OLG Celle, a. a. O., juris
Rn. 17).

(bbb) In der Literatur ist die analoge Anwendung der Vorschrift auf gleichgeschlechtliche
Ehepartner zweier Frauen umstritten.

Teilweise wird die analoge Anwendung aus den eben dargelegten Gründen abgelehnt. Es
fehle insbesondere eine vergleichbare Interessenlage. Durch die abstammungsrechtlichen
Regelungen werde eine bereits bestehende Elternschaft rechtlich nachvollzogen. Nach der
Rechtsprechung des BVerfG sei es ausreichend, aber auch aufgrund der Grundrechte aus
Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG erforderlich, dass aus bestimmten sozialen
Situationen bzw. tatsächlichen Umständen auf die Abstammung geschlossen und aufgrund
dieser Vermutung die Zuweisung der rechtlichen Elternschaft vorgenommen werde, wenn
die in aller Regel zu einem Zusammentreffen von leiblicher und rechtlicher Elternschaft
führe. Damit verfolge der Gesetzgeber den Zweck, den Status des Kindes in einer Weise
festzulegen, dass er der biologischen Abstammung möglichst entspreche, umfangreiche
naturwissenschaftliche Untersuchungen jedoch entbehrlich mache (Schmidt, NZFam 2017,
832). Eine Ehe zweier Frauen vermöge diese Vermutung der biologischen Elternschaft nicht
zu begründen (Siede, in: Palandt, BGB, 80. Aufl. 2021, § 1592 Rn. 3; Di Cato, in: jurisPK.-
BGB, 9. Aufl. 2020, § 1592 Rn. 17; Balzer, in: BeckOGK, BGB (Stand: 1. Januar 2021),
§ 1592 Rn. 66; Wellenhofer, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2020, § 1592
Rn. 14; Hammermann, in: Erman, BGB, 16. Aufl. 2020, § 1592 Rn. 4a; Heiderhoff, NZFam,
2020, 320, 325; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, 7. Auflage 2020, § 53 Rn. 7;
Dethloff, Familienrecht, 32. Auf. 2018, § 10 Rn. 89; DNotI-Report 2018, 19, 20; Coester-
Waltjen, FamRZ 2018, 1919, 1922 f.; Helms, StAZ 2018, 33, 34; Hammer, FamRZ 2017,
1236; Kaiser FamRZ 2017, 1889, 1895 ff.; Schmidt, NZFam 2017, 832, 83; Reinhard,
RpflStud. 2018, 33, 36; für eingetragene Lebenspartnerinnen: Britz, StAZ 2016, 8, 12).

Auf der anderen Seite wird im Schrifttum eine analoge Anwendung bzw. eine
verfassungskonforme Interpretation des § 1592 Nr. 1 BGB auf gleichgeschlechtliche Ehen
zweier Frauen bejaht (Kaulbach/Pickenhahn/von Scheliha, FamRZ 2019, 768 ff.; Löhnig,
NJW 2019, 122 ff.; Gössl, ZRP 2018, 174 ff.; Zschiebsch, Notar 2017, 363; Binder/Kiehnle,
NZFam 2017, 742 ff.; Erbarth, FamRB 2017, 429 ff.; Kemper, FamRB 2017, 438 ff.).

Es liege eine Regelungslücke vor. Das Abstammungsrecht sei nachträglich nach Einführung
der Ehe auch für gleichgeschlechtliche Partner lückenhaft geworden. Der eilige Gesetzgeber
habe die abstammungsrechtlichen Folgen der Ausweitung des Anwendungsbereichs der Ehe
nicht bedacht, gleichwohl aber in dem Bestreben gehandelt, die Diskriminierung
gleichgeschlechtlicher Paare zu beenden (Löhnig, NJW 2019, 122, 123). Selbst wenn der
Gesetzgeber bewusst auf eine Regelung verzichtet hätte, schließe dies eine Regelungslücke
nicht aus. In der Methodenlehre werde zwischen bewusster und unbewusster
Regelungslücke unterschieden. Es gehe um die Frage, ob die Norm am Maßstab ihres Telos
und des Gebots der Gleichbehandlung eine entsprechende Regelung vermissen lasse oder ob
man aus dem Schweigen des Gesetzes ein Analogieverbot für die fragliche Norm entnehmen
könne. Das erste sei hier der Fall (Kaulbach/Pickenhahn/von Scheliha, FamRZ 2019, 768,
770). Die Anpassung des geltenden Rechts an veränderte Verhältnisse gehöre zu den
Aufgaben der Rechtsprechung (Kaulbach/Pickenhahn/von Scheliha, a. a. O.).

Es liege auch eine vergleichbare Interessenlage vor. Nur durch eine analoge Anwendung des
§ 1592 Nr. 1 BGB sei das Kind ausreichend abgesichert. Bei einem heterosexuellen Ehepaar
würden dem Kind, welches mithilfe einer medizinisch unterstützten Fortpflanzung gezeugt
wurde, direkt mit der Geburt rechtlich zwei Elternteile zugeordnet. Insofern werde dem
Kind einer gleichgeschlechtlichen Ehe die Zuordnung zu beiden Wunschelternteilen nur
deshalb verschlossen, weil diese homosexuell seien. Dies sei eine Diskriminierung wegen
sexueller Orientierung, die sich zu Lasten des Kindes auswirke (Kaulbach/Pickenhahn/von
Scheliha, a. a. O.). Es diene dem Kindeswohl am besten, wenn dem Kind von Anfang an
zwei Verantwortung tragende rechtliche Eltern mit entsprechenden Pflichten (u. a. auf
unterhaltsrechtlicher Ebene) zugeordnet werden können. Da eine Zuordnung des Spenders
seit der Neufassung des § 1600d Abs. 4 BGB zum 1. Juli 2018 nicht mehr in Betracht
komme, stehe als zweiter Elternteil allein die Ehefrau der Mutter zur Verfügung. Nur durch
eine Zuordnung der Ehefrau der Mutter nach § 1592 Nr. 1 BGB analog werde die geplante
Co-Mutterschaft von Anfang an auch rechtlich abgebildet.

Zudem erscheine es auch nur unter dieser Voraussetzung (Besetzung der zweiten Elternstelle
im Wege der abstammungsrechtlichen Regelung) legitim, mit § 1600d Abs. 4 BGB den
Samenspender als bloße anonyme Hilfsperson anzusehen und ihn vollständig aus seiner
rechtlichen Verantwortung zu entlassen. Dagegen lasse sich nicht einwenden, die Ehefrau
der Mutter könne womöglich nichts von der geplanten Elternschaft gewusst haben. Eine
vergleichbare Situation sei nämlich auch bei einer heterologen Insemination im Rahmen
einer verschiedengeschlechtlichen Ehe denkbar (Löhnig, NJW 2019, 122, 124).

Darüber hinaus greife das Argument, dass § 1592 Nr. 1 BGB regelmäßig eine biologisch
richtige Zuordnung begründe, in Fällen der heterologen ärztlich assistierten Befruchtung
nicht mehr. § 1592 Nr. 1 BGB baue nicht allein auf die Abbildung der tatsächlichen
Abstammung (Prinzip der „Statuswahrheit“), sondern sei eine umfassende Zuordnungsregel,
der verschiedene Erwägungen (u. a. Schutz der sozial-familiären Beziehung des Kindes zum
Ehepartner) zugrunde lägen (Kaulbach/Pickenhahn/von Scheliha, FamRZ 2019, 768, 771).

So seien der Ehemann und die Mutter gemäß § 1600 Abs. 4 BGB nicht berechtigt, die
Vaterschaft des Ehemanns anzufechten, sofern das Kind durch künstliche Befruchtung
mittels Samenspende eines Dritten gezeugt worden sei. Der Gesetzgeber habe in diesen
Fällen offensichtlich von der Voraussetzung wahrscheinlicher biologischer Elternschaft für
die rechtliche Elternschaft abgesehen (Gössl, ZRP 2018, 174, 176; Binder/Kiehnle, NZFam
2017, 742, 743).

Des Weiteren bezwecke das Eheöffnungsgesetz, dass das Geschlecht für die Wirkungen
einer Ehe irrelevant sei. Zudem sollte gleichgeschlechtlichen Paaren die gemeinsame
Adoption von Kindern ermöglicht werden. Es sollte die vollständige rechtliche
Gleichstellung verschieden- und gleichgeschlechtlich rechtlich gerahmter Partnerschaften
durch Ausweitung des Anwendungsbereichs der Ehe erreicht werden. Angesichts dieser
Regelungsziele sei nicht ersichtlich, weswegen miteinander verheiratete Frauen von einer
gemeinsamen, rechtlich anerkannten Elternschaft infolge der Geburt ihres Kindes in ihrer
Ehe ausgeschlossen werden sollten (Binder/Kiehnle, NZFam 2017, 742, 743; Löhnig
NZFam 2017, 643, 645).

(ccc) Der Senat hält die erste Auffassung für zutreffend, weil eine planwidrige
Regelungslücke fehlt. Eine analoge Anwendung überschreitet in diesem Fall die Grenzen der
noch zulässigen richterlichen Rechtsfortbildung.

Grundsätzlich verbieten die Verfassungsgrundsätze es dem Richter allerdings nicht, das
Recht fortzuentwickeln. Angesichts des beschleunigten Wandels der gesellschaftlichen
Verhältnisse und der begrenzten Reaktionsmöglichkeiten des Gesetzgebers sowie der
offenen Formulierungen zahlreicher Normen gehört die Anpassung des geltenden Rechts an
veränderte Verhältnisse zu den Aufgaben der Dritten Gewalt (BVerfG, Beschluss vom 25.
Januar 2011 – 1 BvR 918/10 -, juris Rn. 53 - stRspr.). Der Aufgabe und Befugnis zur
„schöpferischen Rechtsfindung und Rechtsfortbildung“ sind mit Rücksicht auf den aus
Gründen der Rechtssicherheit unverzichtbaren Grundsatz der Gesetzesbindung der
Rechtsprechung jedoch Grenzen gesetzt (BVerfG, Beschluss vom 14. Februar 1973 – 1 BvR
112/65 – juris Rn. 40 ff.). Der Richter darf sich nicht dem vom Gesetzgeber festgelegten
Sinn und Zweck des Gesetzes entziehen. Er muss die gesetzgeberische Grundentscheidung
respektieren und den Willen des Gesetzgebers unter gewandelten Bedingungen möglichst
zuverlässig zur Geltung bringen. Er hat hierbei den anerkannten Methoden der
Gesetzesauslegung zu folgen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 12. November 1997 – 1 BvR
479/92, 1 BvR 307/94 –, juris; 14. Februar 1973 - 1 BvR 112/65 - juris). Eine
Interpretation, die als richterliche Rechtsfortbildung den klaren Wortlaut des Gesetzes
hintanstellt, keinen Widerhall im Gesetz findet und vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich
oder – bei Vorliegen einer erkennbar planwidrigen Gesetzeslücke – stillschweigend gebilligt
wird, greift unzulässig in die Kompetenz des demokratischen Gesetzgebers ein (BVerfG,
Beschlüsse vom 27. Januar 2015 – 1 BvR 471/10, 1 BvR 118/10 -, juris Rn. 132; 25. Januar
2011 – 1 BvR 918/10 –, juris Rn. 53).

Gemessen an diesem Maßstab liegen die Voraussetzungen einer richterlichen
Rechtsfortbildung hier nicht vor. Der Gesetzgeber hat bewusst von einer Reform des
Abstammungsrechts und einer Anpassung des § 1592 Nr. 1 BGB für gleichgeschlechtliche
Ehepartner Abstand genommen.

Zwar wurde eine abstammungsrechtliche Regelung im Gesetzgebungsverfahren des
Gesetzes zur Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe nicht thematisiert, anders als die
gemeinschaftliche Adoption (Hammer, FamRZ 2017, 1234, 1236; vgl. BT-Drs. 18/6665, 1).

Es kann offenbleiben, ob bereits aus dem kurz vor dieser Beschlussfassung vorgelegten
Abschlussbericht des vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz
eingesetzten Arbeitskreises „Abstammungsrecht“ geschlossen werden kann, dass es
auszuschließen ist, der Gesetzgeber habe es schlicht vergessen, die abstammungsrechtlichen
Folgen zu regeln. Dies erscheint in Anbetracht des eiligst durchgeführten
Gesetzgebungsverfahrens am Ende der 18. Legislaturperiode, bei dem aus politischen
Gründen auf eine eingehende Beratung des Rechtsausschusses mit Expertenanhörung
verzichtet wurde, fraglich (vgl. Löhnig, NJW 2019, 122, 123). Der gesetzgeberische Wille, die
abstammungsrechtliche Regelung des 1592 Nr. 1 BGB bewusst unverändert zu lassen, lässt
sich aber jedenfalls dem am 22. Dezember 2018 in Kraft getretenen „Anpassungsgesetz“
(BGBl 2018 I 2639) entnehmen. Dieses Gesetz zur Umsetzung des Gesetzes zur Einführung
des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts diente dazu, die
erforderlichen Angleichungen im Eherecht vorzunehmen, welche aufgrund der gesetzlichen
Neuregelung erforderlich geworden sind (BT-Drs. 432/18, 1). Eine Anpassung des § 1592
Nr. 1 BGB erfolgte dagegen nicht (so auch BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2018 – XII
ZB 231/18 -, juris Rn. 20). Zudem lässt sich aus dem am 18. Mai 2017 verabschiedeten
„Gesetz zur Regelung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung bei heterologer
Verwendung von Samen“ der ausdrückliche Wille des Gesetzgebers entnehmen, von einer
Anpassung des § 1592 Nr. 1 BGB abzusehen. In diesem Gesetz wurde nur in einem neuen
§ 1600d Abs. 4 BGB geregelt, dass der Samenspender bei offizieller Samenspende trotz
genetischer Vaterschaft nicht als Vater des Kindes festgestellt werden kann, u. a. damit die
Spendebereitschaft potenzieller Samenspender künftig nicht gefährdet wird (BT-Drs.
18/11291, 35). Es wurde jedoch bewusst keine Regelung dazu vorgesehen, wer stattdessen
zweiter Elternteil werden soll, vielmehr sollte insofern der Abschlussbericht des vom
Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz eingesetzten Arbeitskreises
„Abstammungsrecht“ abgewartet werden (vgl. Plenarprotokoll 18/234, 23825 (A); Hammer,
FamRZ 2017, 1234, 1236).

1. Verfassungswidrigkeit der Vorschrift

Der Senat ist überzeugt, dass die Bestimmung des § 1592 Nr. 1 BGB sowohl das Kind als
auch die Ehefrau der Mutter in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG auf
Gleichbehandlung verletzt und verfassungswidrig ist.

In der Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob § 1592 Nr. 1 BGB mit Art. 3 Abs. 1
GG vereinbar ist.

a) Nach der bisherigen Rechtsprechung der Fachgerichte verstößt § 1592 Nr. 1 BGB nicht
gegen Art. 3 Abs. 1 GG, soweit die Ehefrau der Mutter anders als ein Ehemann nicht allein
aufgrund der bei Geburt bestehenden Ehe kraft Gesetzes rechtlicher Elternteil des Kindes
ist (BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2018 – XII ZB 231/18 -, juris Rn. 28 f.; KG,
Beschluss vom 9. Februar 2018 – 3 UF 146/17 -, juris Rn. 52; zur Lebenspartnerschaft:
BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 2. Juli 2010 – 1 BvR 666/10 –, juris Rn. 30; BGH,
Beschluss vom 10. Dezember 2014 – XII ZB 463/13 -, juris Rn. 35; OLG Köln, Beschluss
vom 26. März 2015 – II-14 UF 181/14, 14 UF 181/14 –, juris Rn. 17; OLG Celle, Beschluss
vom 10. März 2011 – 17 W 48/10 -, juris Rn. 34 ff.; vgl. auch EGMR, Entscheidung vom 7.
Mai 2013 – 8017/11 -, juris). Eine Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG liege
nicht vor, weil die Situation insoweit verschieden sei, als die Ehefrau nicht leiblicher
Elternteil des Kindes sein könne, während der Gesetzgeber dies für den Ehemann als
Regelfall vermute und darauf die Vorschrift des § 1592 Nr. 1 BGB gründe. Dieser
Unterschied rechtfertige die im Rahmen des Abstammungsrechts nach wie vor bestehende
unterschiedliche Behandlung gleich- und verschiedengeschlechtlicher Ehepaare und deren
Kinder (BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2018 – XII ZB 231/18 -, juris Rn. 28; zur
Lebenspartnerschaft: BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 2. Juli 2010 – 1 BvR 666/10 -,
juris Rn. 30). Es sei verfassungsrechtlich unbedenklich, die Ehefrau auf die Adoption nach
§ 1741 Abs. 2 Satz 3 BGB zu verweisen, um in die rechtliche Elternstellung zu gelangen. Auf
diesem rechtlichen Weg würden sowohl die Rechte des betroffenen Kindes als auch über die
Vorschrift des § 1747 BGB die Rechte des in solchen Fallgestaltungen notwendigerweise
zusätzlich zu den beiden Ehegatten existierenden biologischen Vaters gewahrt (BGH,
a. a. O., juris Rn. 29).

b) In der Literatur ist es umstritten, ob ein Gleichheitsverstoß in Bezug auf
gleichgeschlechtliche Ehepartner und deren Kinder vorliegt.

Teilweise wird ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG aus den unter oben a) dargelegten
Erwägungen abgelehnt (Helms, StAZ 2018, 33, 34; Reinhardt, RpflStud. 2018, 33 35;
Schmidt, NZFam 2017, 832, 833; zur eingetragenen Lebenspartnerschaft: Britz, StAZ 2016,
8, 12; Wellenhofer, FamRZ 2013, 825, 830).

Nach einem anderen Teil des Schrifttums steht § 1592 Nr. 1 BGB in Bezug auf Kinder
gleichgeschlechtlicher Ehepartner nicht im Einklang mit dem Gleichbehandlungsgebot nach
Art. 3 Abs. 1 GG (Kaulbach/Pickenhahn/von Scheliha, FamRZ 2019, 768, 772 ff.;
vorsichtig Heiderhoff, NZFam 2020, 320, 325; vorsichtig Löhnig NJW 2019, 122, 124; für
eingetragene Lebenspartnerschaften: Remus/Liebscher, NJW 2013, 2558, 2560; vorsichtig
Heiderhoff, FamRZ 2013, 1209, 1213). Gleichgeschlechtliche Ehepaare zweier Frauen seien
durch die Regelung sowohl auf Grund ihrer sexuellen Identität als auch wegen ihres
Geschlechts benachteiligt (so für eingetragene Lebenspartnerinnen: Remus/Liebscher,
a. a. O.). Die Ehefrau der Mutter werde durch eine enge Auslegung des § 1592 Nr. 1 BGB
gegenüber dem Ehemann der Mutter ungleich behandelt. Ein Ehemann erwerbe auch im
Falle einer heterologen Insemination automatisch mit der Geburt des Kindes die
Elternstellung, die Ehefrau der Mutter hingegen nur durch eine Stiefkindadoption. Der
Gesetzgeber habe hier bereits für die Ehemänner eine Typisierung vorgenommen und sich
trotz steigender Zahlen künstlicher Befruchtung unter Verwendung von Fremdsamen
entschieden, die Vaterschaft weiterhin stets – auch bei fehlender Fortpflanzungsfähigkeit des
Mannes – dem Ehemann aufgrund bestehender Ehe zuzuordnen
(Kaulbach/Pickenhahn/von Scheliha, a. a. O.). Die Rechtfertigung der Ungleichbehandlung
– nämlich der biologische Unterschied zwischen Mann und Frau - beruhe auf dem
Geschlecht des zweiten Elternteils und – mittelbar – auf der sexuellen Orientierung beider
Partnerinnen. Zwar stehe dem Gesetzgeber bei der ElternKind-Zuordnung grundsätzlich ein
Gestaltungsspielraum zu. So könne er die Zuordnung durchaus typisierend an das Merkmal
der Ehe knüpfen. Keine Typisierungsmöglichkeit werde dem Gesetzgeber aber dann
eingeräumt, wenn dadurch die speziellen

Diskriminierungsverbote von Art. 3 Abs. 2 und 3 GG oder vergleichbare Kriterien, wie die
sexuelle Orientierung, betroffen seien. Dass zwei Frauen nicht ohne Spendersamen ein Kind
bekommen könnten, sei richtig. Dies gelte aber auch für manche verschiedengeschlechtliche
Paare. Eine Typisierung nur zugunsten des männlichen Geschlechts halte den
Anforderungen des Diskriminierungsverbots wegen des Geschlechts gemäß Art. 3 Abs. 3
Satz 1 GG nicht stand (Kaulbach/Pickenhahn/von Scheliha, a. a. O.). Eine Differenzierung
könne nicht ausschließlich auf biologische Unterschiede gestützt werden, wenn der
Gesetzgeber bewusst auf eine separate Abstammungsregelung für Fälle heterologer
medizinisch assistierter Befruchtung verzichte. In diesen Fällen sei nämlich entscheidendes
Zuordnungskriterium für die rechtliche Elternschaft nach § 1592 Nr. 1 BGB neben der Ehe
allein das Geschlecht Mann und nicht die tatsächlich biologische Abstammung
(Kaulbach/Pickenhahn/von Scheliha, a. a. O.).

c) Der Senat ist aufgrund der im vorliegenden Fall geänderten Rechtslage – hier ist im
Gegensatz zu den Entscheidungen des BGH vom 10. Oktober 2018 (XII ZB 231/18) und
des Senats (KG), Beschluss vom 9. Februar 2018 (3 UF 146/17) § 1600d Abs. 4 BGB in der
ab dem 1. Juli 2018 geltenden Fassung anwendbar – überzeugt, dass § 1592 Nr. 1 BGB
gegen Art. 3 Abs. 1 verstößt, soweit ein durch eine ärztlich unterstützte künstliche
Befruchtung im Sinne des § 1600d Abs. 4 BGB gezeugtes und in der gleichgeschlechtlichen
Ehe der Mutter geborenes Kind kraft Gesetzes nur einen rechtlichen Elternteil hat. Sowohl
das Grundrecht des Kindes aus Art. 3 Abs. 1 GG [hierzu unter aa)] als auch das Grundrecht
der Ehefrau der Mutter aus Art. 3 Abs. 1 GG [hierzu unter bb)] sind verletzt.

aa) Das Grundrecht des Kindes aus Art. 3 Abs. 1 GG ist verletzt.

Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und
wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (BVerfG, Beschluss vom 15. Juli 1998 -
1554/89, 1 BvR 963/94, 1 BvR 964/94 -, juris Rn. 74 – stRspr.). Der Gleichheitssatz ist
dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich
zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine
Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche
Behandlung rechtfertigen können (BVerfG, Beschluss vom 21. Juni 2011 – 1 BvR 2035/17 -
, juris Rn. 63 – stRspr.). Dabei verwehrt Art 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede
Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch
Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind.
Dabei gilt ein stufenloser am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter
verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt,
sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen
bestimmen lassen. Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Anforderungen an den die
Ungleichbehandlung tragenden Sachgrund ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz
je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für
den Gesetzgeber, die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis
hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können. Eine strengere Bindung
des Gesetzgebers kann sich aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben. Zudem
verschärfen sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen, je weniger die Merkmale, an die
die gesetzliche Differenzierung anknüpft, für den Einzelnen verfügbar sind oder je mehr sie
sich denen des Art. 3 Abs. 3 GG annähern (BVerfG, Beschluss vom 26. März 2019 – 1 BvR
673/17 –, juris Rn. 64 - stRspr.).

(1)Die Ungleichbehandlung ist im vorliegenden Fall am strengen Prüfungsmaßstab zu
messen.

Die verfassungsrechtlichen Anforderungen gehen schon deshalb über das bloße
Willkürverbot hinaus, weil die Verwehrung der automatischen Zuordnung der rechtlichen
Elternschaft der Ehefrau mit der Geburt des Kindes und der Verweis auf die Adoption nach
§ 1741 Abs. 2 Satz 3 BGB für die Persönlichkeitsentfaltung wesentliche Grundrechte des
Kindes betrifft. Berührt ist insbesondere die Gewährleistung elterlicher Pflege (Art. 2 Abs. 1
i. V. m. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG). Die Verwehrung der automatischen Zuordnung der
rechtlichen Elternschaft schließt aus, dass das Kind bereits mit der Geburt einen zweiten
rechtlichen Elternteil erhält, der die von der Verfassung zuvörderst den Eltern zugedachte
Sorge für die Entfaltung des Kindes in vollem Umfang übernehmen könnte (vgl. BVerfG,
Urteil vom 19. Februar 2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09 -, juris Rn. 73; Beschluss vom
26. März 2019 – 1 BvR 673/17 -, juris Rn. 66 ff. zum Adoptionsausschluss bei eingetragener
Lebenspartnerschaft und nichtehelichen Familien). Des Weiteren erschweren die mit der
Verwehrung der rechtlich vollwertigen Elternstellung verbundenen Beschränkungen zum
Zeitpunkt der Geburt das durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützte Zusammenleben des Kindes
mit seiner Familie, weil sie einer gleichberechtigten Wahrnehmung der Elternverantwortung
durch beide Ehepartner entgegenstehen. Ohne Adoption steht der Ehefrau nur das sog.
kleine Sorgerecht (§ 1687b BGB) zu. Beeinträchtigt ist zudem die für die Entwicklung des
Kindes wichtige, durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützte Stabilisierungsfunktion der Familie,
weil der allein für die Familienkonstellation des Kindes gleichgeschlechtlicher
Ehepartnerinnen angenommene Ausschluss der automatischen Zuordnung der anderen
Ehepartnerin als rechtlicher Elternteil dem Kind den Eindruck vermitteln kann, sein
Familienverhältnis sei weniger wertvoll als das Familienverhältnis ehelicher Kinder
verschiedengeschlechtlicher Ehepartner (vgl. BVerfG, a. a. O.). Zwar kann die Ehefrau über
den Weg der Adoption gemäß § 1741 Abs. 2 Satz 3 BGB die rechtliche Elternstellung
erlangen. Es liegt aber allein in der Entscheidungshoheit der Ehefrau, ob sie den Weg gemäß
§ 1741 ff. BGB beschreitet.

(2) Die Ungleichbehandlung von durch eine ärztlich unterstützte künstliche Befruchtung im
Sinne des § 1600d Abs. 4 BGB gezeugten Kindern danach, ob sie in einer
verschiedengeschlechtlichen oder gleichgeschlechtlichen Ehe der Mutter geboren worden
sind, ist nicht gerechtfertigt.

Es liegen in dieser Fallkonstellation, in der § 1600d Abs. 4 BGB in der Fassung ab dem 1.
Juli 2018 anzuwenden ist, keine sachlichen Gründe mehr für eine Ungleichbehandlung vor.

Weder die biologischen Unterschiede zwischen Mann und Frau [hierzu unter (a)] noch das
Kindeswohl [hierzu unter (b)] noch auch die Rechte Dritter [hierzu unter (c)] rechtfertigen in
diesem Fall die Ungleichbehandlung.

(a)Die biologischen Unterschiede zwischen Mann und Frau können in diesem Fall die
Typisierung nicht mehr rechtfertigen.

Grundsätzlich ist der Gesetzgeber zwar dazu befugt, generalisierende und pauschalisierende
Regelungen zu treffen, ohne allein schon dadurch gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu
verstoßen. Die gesetzlichen Verallgemeinerungen müssen allerdings von einer möglichst
breiten, alle betroffenen Gruppen und Regelungsgegenstände einschließenden Beachtung
ausgehen. Bei der typisierenden Gruppenbildung müssen zudem die tatsächlichen
Anknüpfungspunkte im Normzweck angelegt sein. Die Vorteile der Typisierung müssen
schließlich im rechten Verhältnis zu den mit ihr verbundenen Härten stehen; der
gesetzgeberische Spielraum ist dabei umso enger, je dichter die verfassungsrechtlichen
Vorgaben außerhalb des Art. 3 Abs. 1 GG sind (BVerfG, Beschluss vom 7. Mai 2013 – 2
BvR 909/06 –, juris Rn. 86 m. w. N. - stRspr.).

Anknüpfend daran hat das Bundesverfassungsgericht in seinen Entscheidungen vom 9. April
2003 – 1 BvR 1493/96, 1 BvR 1724/01 – (juris Rn. 55 f.) und 13. Februar 2007 – 1 BvR
421/05 – (juris Rn. 74) zu dem typisierenden Zuordnungskriterium der Ehe in § 1592 Nr. 1
BGB ausgeführt, dass diejenigen, die einem Kind das Leben geben, von Natur aus
grundsätzlich bereit und berufen sind, die Verantwortung für seine Pflege und Erziehung zu
übernehmen. Deshalb ist der Gesetzgeber gehalten, die Zuweisung der elterlichen
Rechtsposition an der Abstammung des Kindes auszurichten. Der Gesetzgeber ist allerdings
nicht verpflichtet, die rechtliche Anerkennung der Elternschaft stets von der Prüfung
abhängig zu machen, von wem das Kind im Einzelfall abstammt. Im Hinblick auf den
Schutz familiärer sozialer Beziehungen aus Art. 6 Abs. 1 GG und den Schutz der
Intimsphäre aus Art. 2 Abs. 1 GG ist es ausreichend, aus bestimmten tatsächlichen
Umständen und sozialen Situationen, vor allem auch einer bestehenden Ehe, auf die
Abstammung eines Kindes zu schließen und aufgrund dieser Vermutung die Zuweisung der
rechtlichen Elternschaft vorzunehmen, wenn dies in aller Regel zu einem Zusammentreffen
von leiblicher und rechtlicher Elternschaft führt. So wird seit jeher nicht nur in unserer
Rechtskultur aufgrund der mit der Ehe eingegangenen Beziehung vermutet, dass der
Ehemann der Mutter auch der leibliche Vater ihres Kindes ist, und darauf die rechtliche
Vaterschaft des Ehemanns gestützt. Gleiches gilt auch, wenn ein Mann in erklärter
Übereinstimmung mit der Mutter eines nichtehelichen Kindes durch das Anerkenntnis der
Vaterschaft rechtsverbindlich zum Ausdruck bringt, Elternverantwortung tragen zu wollen.
Konsequenz dieser verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Vermutungsregelungen
ist, dass im Einzelfall entgegen der gesetzlichen Vermutung die rechtliche und leibliche
Vaterschaft auseinanderfallen können (BVerfG, Beschluss vom 9. April 2003 – 1 BvR
1493/96, 1 BvR 1724/01 –, juris Rn. 56).

In seiner Entscheidung vom 2. Juli 2010 – 1 BvR 666/10 - hat das Bundesverfassungsgericht
in Fortsetzung dieser Rechtsprechung einen Gleichheitsverstoß bzgl. eingetragener
Lebenspartnerinnen abgelehnt und dies damit begründet, dass sich die Vergleichsgruppen
(eingetragene Lebenspartnerinnen zu biologischen oder rechtlichen Vätern) unterscheiden,
da aufgrund einer tatsächlich-biologischen oder einer rechtlichen Vaterschaft zwischen den
Vätern und den Kindern eine Rechtsbeziehung mit gegenseitigen Rechten und Pflichten
besteht, während dies bei Lebenspartnern nicht der Fall ist, sofern sie das Kind nicht
adoptiert haben. Dass bei Lebenspartnern anders als bei Ehegatten nicht gesetzlich vermutet
wird, die Partnerin der Mutter sei der andere Elternteil des Kindes, stellt keine
Ungleichbehandlung dar. Denn diese Vermutung beruht auf der biologischen Herkunft des
Kindes und ist bei Lebenspartnern nicht begründet (BVerfG, a. a. O., juris Rn. 30).

Diese Rechtsprechung ist nunmehr aufgrund der Anpassung des § 1600d Abs. 4 BGB ab
dem 1. Juli 2018 überholt und entspricht aus folgenden Gründen nicht mehr dem Willen des
Gesetzgebers:

Der Gesetzgeber hat von dem Prinzip der „Statuswahrheit“ also, dass „die Vaterschaft kraft
Ehe sich aus dem Gedanken rechtfertigt, dass regelmäßig eine biologisch richtige
Zuordnung begründet wird“, mit der Anpassung des § 1600d Abs. 4 BGB ab dem 1. Juli
2018 zugunsten der sozialen Elternschaft bzw. dem Schutz der sozial-familiären Beziehung
abgesehen (so auch vorsichtig Gössl, ZRP 2018, 174, 176; Binder/Kiehnle, NZFam 2017,
742, 743).

Grundsätzlich verbindet § 1592 BGB unterschiedliche Prinzipien des Abstammungsrechts.

Das sind neben der Genetik/Biologie („Statuswahrheit“) sowie der zeitnahen Zuordnung,
des „Zwei-Eltern-Prinzips“ und der Statusklarheit u. a. auch ordnungs- und allgemein
gesellschaftspolitische Gesichtspunkte (Balzer in: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann,
BeckOGK, BGB, Stand: 1. Februar 2021, § 1592 Rn. 12 ff.; Ernst, NZFam 2018, 443, 444).
Die typisierende Zuordnung des § 1592 Nr. 1 BGB beruht neben der „Statuswahrheit“ auch
auf der positiven Prognose für eine „soziale Elternschaft“. § 1592 Nr. 1 BGB nimmt eine
Zuordnung des Kindes zum Ehemann der Mutter auch deshalb vor, weil man davon
ausgehen kann, dass der Ehemann der Mutter (unabhängig davon, ob er der biologische
Vater des Kindes ist) die maßgebliche zweite Bezugsperson für das Kind sein wird (Helms,
StAZ 2018, 33, 34; Binder/Kiehnle, NZFam 2017, 742, 743). Neben dem Prinzip der
„Statuswahrheit“ verfolgt die Zuordnungsregel des § 1592 Nr. 1 BGB demnach den Schutz
der sozial-familiären Beziehung eines Kindes zum Ehepartner der Mutter. Bereits die Motive
des BGB legen nahe, dass es dem Gesetzgeber mit der Regelung der Vaterschaft kraft Ehe
mit der Mutter auch darum ging, den Ruf der Eltern sowie das Kind und die Ruhe und den
Frieden in der Familie zu schützen (Kaulbach/ Pickenhahn/von Scheliha, FamRZ 2019,
768, 771).

In den Fällen der ärztlich unterstützten künstlichen Befruchtung im heterologen System
mithilfe eines anonymen Samenspenders hat der Gesetzgeber nunmehr von der
Voraussetzung wahrscheinlicher biologischer Elternschaft für die rechtliche Elternschaft
abgesehen. Diese lässt sich aus den folgenden gesetzlichen Regelungen entnehmen: Nach
§ 1600 Abs. 4 BGB ist die Anfechtung der Vaterschaft durch den Ehemann oder die Mutter
ausgeschlossen, wenn das Kind mit Einwilligung des Mannes und der Mutter durch
künstliche Befruchtung mittels Samenspende eines Dritten gezeugt worden ist. Erfolgt die
Befruchtung im Rahmen einer sogenannten „qualifizierten“ Samenspende im Sinne des
§ 1600d Abs. 4 BGB ist, wenn der Samen ab dem 1. Juli 2018 verwendet worden ist, der
Samenspender vollständig aus seiner rechtlichen Verantwortung entlassen. Der
Samenspender kann nicht mehr als Vater des Kindes festgestellt werden. Die rechtliche
Vaterschaft des Ehemanns aufgrund der Vermutungsregelung nach § 1592 Nr. 1 BGB
besteht also, obwohl bekannt ist, dass diese mit der biologischen nicht übereinstimmt
(Binder/Kiehnle, NZFam 2017, 742, 743). Demnach knüpft der Gesetzgeber in den Fällen
der „qualifizierten Samenspende“ die Vaterschaftsvermutung bzgl. des
Zuordnungskriteriums der Ehe nur noch an die positive Prognose der sozialen
Elternstellung (so auch vorsichtig Gössl, ZRP 2018, 174, 176).

Da der Gesetzgeber in den Fällen der „qualifizierten“ Samenspende das Prinzip der
Statuswahrheit nicht mehr verfolgt, liegt kein sachlicher Grund mehr vor, Kinder einer
gleichgeschlechtlichen Ehe, die mithilfe eine „qualifizierten Samenspende“ im Sinne des
§ 1600d Abs. 4 BGB gezeugt worden sind, aus dem Anwendungsbereich des § 1592 Nr. 1
BGB auszuschließen.

(b) Die Ungleichbehandlung kann nicht mit Belangen des Kindes gerechtfertigt werden.

Der Ausschluss aus dem Anwendungsbereich des § 1592 Nr. 1 BGB ist nicht damit zu
begründen, dass dem Kind das Aufwachsen mit gleichgeschlechtlichen Eltern schade.
Vielmehr ist davon auszugehen, dass die behüteten Verhältnisse einer Ehe
gleichgeschlechtlicher Partner das Aufwachsen von Kindern ebenso fördern könne wie die
einer verschiedengeschlechtlichen Ehe (zur eingetragenen Lebenspartnerschaft: BVerfG,
Urteil vom 19. Februar 2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09 -, juris Rn. 80).

Dass die Ehefrau der Mutter über den Weg der Adoption die rechtliche Elternstellung
erlangen kann, kann die Ungleichbehandlung ebenfalls nicht rechtfertigen. Bis zum
Abschluss des Adoptionsverfahrens ist dem Kind nur ein Elternteil zugeordnet. Es liegt
allein im Verantwortungsbereich der Ehefrau, ob sie das Adoptionsverfahren durchführen
möchte. Sie kann sich jederzeit entgegen der vorherigen Absprachen entscheiden, doch nicht
die rechtliche Elternrolle übernehmen zu wollen, z. B. weil das Kind eine Behinderung
aufweist und sie deshalb von einer Adoption absieht (Löhnig, NJW 2019, 122, 124).

Es dient dem Kindeswohl vielmehr am besten, wenn dem Kind von Anfang an zwei
Verantwortung tragende rechtliche Eltern mit entsprechenden Pflichten zugeordnet werden
können. Die Rechtsstellung des Kindes würde – z. B. auf der unterhalts- und erbrechtlichen
Ebene – erheblich verbessert (Löhnig, NJW 2019, 122, 123). Des Weiteren besteht bei
Ausschluss aus dem Anwendungsbereich des § 1592 Nr. 1 BGB für das Kind bei Trennung
oder Tod der Mutter vor Abschluss des Adoptionsverfahrens ein erhebliches Risiko. Ohne
die Adoption hat die Beziehung des Kindes zur Ehefrau der Mutter keine rechtliche
Grundlage. Diese ist allein über den rechtlichen Elternteil (der Mutter) vermittelt. Bei einer
Trennung oder dem Tod der Mutter würde diese Grundlage entfallen, ohne dass eine
tatsächlich verbleibende Ehefrau-Kind-Beziehung rechtlich geschützt wäre (vgl. BVerfG,
Beschluss vom 26. März 2019 – 1 BvR 673/17 –, juris Rn. 71 zum Ausschluss der
Stiefkindadoption in nichtehelichen Familien).

(c) Der Ausschluss der rechtlichen Elternzuordnung der Ehefrau der Mutter bei der Geburt
des Kindes und die Verweisung auf die Adoption sind auch nicht im Hinblick auf die
Elternrechte Dritter gerechtfertigt (vgl. dazu BVerfG, Urteil vom 19. Februar 2013 – 1 BvL
1/11, 1 BvR 3247/09 -, juris Rn. 94). In der hier vorliegenden Fallkonstellation existiert zwar
zu den beiden Ehegatten immer ein genetischer Vater. Grundsätzlich werden daher über den
Weg der Adoption sowohl die Rechte des betroffenen Kindes als auch über die Vorschrift
des § 1747 BGB die Rechte des existierenden biologischen Vaters gewahrt (BGH, Beschluss
vom 10. Oktober 2018 – XII ZB 231/18 -, juris Rn. 29). Gemäß § 1600d Abs. 4 BGB in der
Fassung ab dem 1. Juli 2018 ist aber nunmehr der leibliche Vater als Samenspender von der
rechtlichen Elternstellung ausgeschlossen, so dass in seine Elternrechte nicht eingegriffen
werden kann und der Schutz über § 1747 BGB nicht mehr gerechtfertigt ist.

Die Voraussetzungen des § 1600d Abs. 4 BGB liegen hier vor. Das ist der Fall, wenn der
Spender seinen Samen einer Einrichtung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SaRegG zur Verfügung
gestellt hat. Erfasst werden auch im Ausland befindliche Einrichtung, wie sich aus § 5 Abs. 1
Satz 2 SaRegG entnehmen lässt (vgl. BT-Drs. 18/11291, 27; a. A. Reuß, in:
Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, BeckOKG, BGB, Stand: 1. September 2020, § 1600d
Rn. 55.2). Nicht erforderlich für den Ausschluss nach § 1600d Abs. 4 BGB ist, dass die
Einrichtung ihre Aufklärungspflichten nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SaRegG gegenüber dem
Spender erfüllt hat oder die Daten tatsächlich im Samenspenderegister erfasst sind (Frie,
NZFam 2018, 817, 822). Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist lediglich die Spende in einer
Einrichtung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SaRegG erforderlich. Nicht verlangt wird dagegen von
der Regelung, dass auch die Aufklärungspflichten erfüllt worden sind (Reuß, in:
Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, BeckOGK, BGB, Stand: 1. September 2020, § 1600d Rn.
55.2; Helms FamRZ 2017, 1537, 1541). Die für den Ausschluss nach § 1600d Abs. 4 BGB
weitere Voraussetzung liegt in dieser Fallkonstellation ebenfalls vor. Der gespendete Samen
muss im Rahmen einer qualifizierten Reproduktion – einer ärztlich unterstützten künstlichen
Befruchtung – verwendet worden sein.

bb) Das Grundrecht der Ehefrau aus Art. 3 Abs. 1 GG ist verletzt.

Die Regelung des § 1592 Nr. 1 BGB verstößt insoweit gegen Art. 3 Abs. 1 GG, als sie den
Ehegatten der Mutter einer gleichgeschlechtlichen Ehe gegenüber dem Ehegatten der Mutter
einer verschiedengeschlechtlichen Ehe benachteiligt. Die Rechtfertigung der
Ungleichbehandlung unterliegt hier hohen verfassungsrechtlichen Anforderungen, weil die
Ungleichbehandlung die sexuelle Identität betrifft (BVerfG, Urteil vom 19. Februar 2013 – 1
BvL 1/11, 1 BvR 3247/09 -, juris Rn. 104). Unterschiede bestehen aus den eben dargelegten
Gründen nicht, weil der Gesetzgeber das Prinzip der „Statuswahrheit“ in der hier
vorliegenden Fallkonstellation nicht mehr verfolgt.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

Kammergericht

Erscheinungsdatum:

24.03.2021

Aktenzeichen:

3 UF 1122/20

Rechtsgebiete:

Vormundschaft, Pflegschaft (familien- und vormundschaftsgerichtliche Genehmigung)
Abstammung (incl. künstliche Befruchtung), Adoption
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Elterliche Sorge (ohne familiengerichtliche Genehmigung)

Normen in Titel:

BGB §§ 1591, 1592 Nr. 1, 1600d Abs. 4; GG Art. 3 Abs. 1, 6