OLG Düsseldorf 25. August 2020
3 Wx 117/20
GmbHG §§ 73 Abs. 1, 74 Abs. 1 u. 2

Beendigung der Liquidation trotz laufenden Besteuerungsverfahrens

letzte Aktualisierung: 25.11.2020
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25.8.2020 – 3 Wx 117/20

GmbHG §§ 73 Abs. 1, 74 Abs. 1 u. 2
Beendigung der Liquidation trotz laufenden Besteuerungsverfahrens

Zum Gesuch des Liquidators einer aufgelösten GmbH auf Eintragung, dass die Liquidation der
Gesellschaft beendet, die Firma erloschen sei und Bücher und Schriften der Gesellschaft von ihm als
letztem Liquidator verwahrt würden (hier: vom Senat missbilligte Ablehnung der Eintragung durch
das Registergericht wegen fehlender Vollzugsreife mit Blick auf vom Finanzamt noch
durchzuführende „steuerliche Veranlagungsarbeiten“).

Gründe:

I.
Die betroffene Gesellschaft ist im Jahre 2018 aufgelöst worden. Dieser Umstand ist mit der
Aufforderung an die Gläubiger der Gesellschaft, sich bei ihr zu melden, unter dem 8. August
2018 im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht worden.

Mit notariell beglaubigter Erklärung vom 22. August 2019 hat der Liquidator zur Eintragung in
das Handelsregister angemeldet: die Liquidation der Gesellschaft sei beendet, die Firma sei
erloschen, Bücher und Schriften der Gesellschaft würden von ihm als letztem Liquidator
verwahrt. Am gleichen Tage hat die Gesellschaft beantragt, dem Eintragungsantrag zu
entsprechen. Daraufhin hat das Registergericht das zuständige Finanzamt angeschrieben
und gebeten mitzuteilen, ob hinsichtlich der Gesellschaft noch steuerliche oder sonstige
vermögensrechtliche Angelegenheiten abzuwickeln seien und wie lange dies voraussichtlich
dauern werde, ansonsten sei beabsichtigt, das Erlöschen im Register einzutragen. Das
Finanzamt hat geantwortet (10. September 2019), es werde gebeten, die Firma nicht vor dem
31. Dezember 2022 [sic] zu löschen, weil nach Aktenlage ausschüttungsfähiges Vermögen
nicht ausgeschlossen werden könne.

In der Folgezeit ist es zu weiterer Korrespondenz des Gerichts mit der Gesellschaft
einerseits, dem Finanzamt andererseits gekommen. Erstere hat zunächst unter Bezugnahme
auf Rechtsprechung des Senats die Bestätigung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vom 13.
November 2019 zur Akte gereicht, wonach die Abschlussbilanz der betroffenen Gesellschaft
ein Eigenkapital von null EUR aufweise und an die Gesellschafter ausschüttungsfähiges
Vermögen nicht existiere, die Gesellschaft mithin vermögenslos sei. Auf Hinweis des
Registergerichts, die Löschung sei aus seiner Sicht nur dann unzulässig, wenn noch
(verteilungsfähiges) Aktivvermögen feststellbar sei, offene Verbindlichkeiten stünden nicht
entgegen, hat das Finanzamt alsdann mit Datum vom20. Januar 2020 unter nochmaliger
Nennung der besagten Frist mitgeteilt, es seien noch Verwaltungsakte zuzustellen, außerdem
liege laut eingereichter Bilanz vom30. Mai 2018 ein steuerliches Einlagekonto von rund
410.000 EUR vor, so dass Ausschüttungen nicht ausgeschlossen werden könnten. Die
Gesellschaft hat erwidert, die
Existenz des vorgenannten und vor Erstellung der Abschlussbilanz aufgelösten Kontos sei im
gegebenen Zusammenhang belanglos, maßgeblich sei die Abschlussbilanz. Das Finanzamt
wiederum hat entgegnend unter dem 24. April 2020 abschließend die Frist vom Jahresende
2022 aufgegriffen, auf zuzustellende Verwaltungsakte verwiesen und ausgeführt, die
Veranlagungsarbeiten zur Liquidation seien noch nicht abgeschlossen.
Letztlich hat das Registergericht durch die angefochtene Entscheidung den
Eintragungsantrag zurückgewiesen, weil laut zuständigem Finanzamt noch steuerliche
Veranlagungsarbeiten durchzuführen seien.

Gegen diesen ihr am 29. Mai 2020 zugestellten Beschluss wendet sich die betroffene
Gesellschaft mit ihrem am 16. Juni 2020 bei Gericht eingegangenen Rechtsmittel, zu dessen
Begründung sie unter anderem einen Bericht einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft über das
Rumpfgeschäftsjahr 2019 und die Prüfung des Jahresabschlusses per 7. August 2019
vorlegt.

Das Registergericht hat mit weiterem Beschluss vom 23. Juni 2020 erklärt, es helfe dem
Rechtsmittel nicht ab und lege die Sache dem Oberlandesgericht als Beschwerdegericht zur
Entscheidung vor.

Der Senat hat das Finanzamt gebeten, die mit seinem Schreiben vom 24. April 2020
geäußerten Bedenken zu konkretisieren; eine Rückäußerung ist nicht erfolgt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Registerakten Bezug genommen.

II.
Das Rechtsmittel der betroffenen Gesellschaft – der einlegende Notar hat sich ausdrücklich
auf § 378 Abs. 2 FamFG bezogen – ist infolge der vom Registergericht ordnungsgemäß
erklärten Nichtabhilfe dem Senat zur Entscheidung angefallen, § 68 Abs.
1 Satz 1, 2. Halbs. FamFG. Es ist als befristete Beschwerde statthaft und insgesamt zulässig,
§§ 58 Abs. 1 i.V.m. 382 Abs. 3, 59 Abs. 2, 61 Abs. 1, 63 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1, 64 Abs. 1
und 2 FamFG.

Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Der Vollzugsreife des Eintragungsantrages
stehen die Äußerungen des Finanzamts nicht entgegen.

1.
Der Senat hat in der Vergangenheit den Standpunkt vertreten, zwar sei im Grundsatz eine
Liquidation nicht beendet, wenn ein die Gesellschaft betreffendes Besteuerungsverfahren
noch nicht abgeschlossen sei; anders lägen die Dinge aber, wenn die Gesellschaft den
Geschäftsbetrieb endgültig eingestellt habe, über kein Vermögen mehr verfüge und allenfalls
Steuernachforderungen in Rede stünden (in: NJW-RR 2017, 810 f und NZG 2020, 264 f).
Diese Rechtsprechung ist teilweise zustimmend (von Rintelen RNotZ 2017, 185 f; ihr folgend
auch: Baumbach/Hueck-Haas, GmbHG, 22. Aufl. 2019, § 74 Rdnr. 2 a.E.; MK-H.-F.Müller,
GmbHG, 3. Aufl. 2018, § 74 Rdnr. 3 sowie im Ergebnis Henssler/Strohn-Büteröwe,
Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2019, § 74 GmbHG Rdnr. 3), teilweise distanzierend (BeckOK
GmbHG – Lorscheider, Stand: 01.05.2020, § 74 Rdnr. 3; Wicke, GmbHG, 4. Aufl. 2020, § 74
Rdnr. 2) aufgenommen worden.

Auf diesen Grundlagen lässt sich hier eine Vollzugsreife nicht in Abrede stellen. Das Sperrjahr
nach § 73 Abs. 1 GmbHG ist – inzwischen lange – abgelaufen. Ausweislich des mit der
Beschwerdebegründung überreichten Wirtschaftsprüferberichts (S. 6) hatte die Gesellschaft
nach dem Versiegen von Fördergeldern per Ende 2002 alle laufenden Verträge gekündigt und
ihre operative Geschäftstätigkeit eingestellt, Überlegungen zu deren Wiederaufnahme seit
2012 zerschlugen sich, und im Mai 2018 beschlossen die Gesellschafter die Auflösung;
wirtschaftlich betrachtet, hat die betroffene Gesellschaft ihren Geschäftsbetrieb seit Jahren
eingestellt. Verteilungsfähiges Vermögen ist nach dem bezeichneten Bericht nicht zutage
getreten; im Rumpfgeschäftsjahr wurden keine Umsatzerlöse erzielt, sondern nur
Rückstellungen aufgelöst, die liquiden Mittel zum Abschlussstichtag reichten lediglich aus,
bestehende restliche Verbindlichkeiten sofort zu begleichen (Anlage 4). Berechtigterweise
verweist die betroffene Gesellschaft darauf, dass es sich bei dem von der Finanzverwaltung
angeführten steuerlichen Einlagekonto um eine reine Rechengröße handelt, anhand deren
bestimmt wird, ob Ausschüttungen an die Gesellschafter von diesen (!) zu versteuern sind
(Betrag der Einlagen, die von den Gesellschaftern über das Stammkapital hinaus der
Kapitalgesellschaft zugeflossen sind, in welchem Umfang Auszahlungen der Gesellschaft an
die Gesellschafter steuerfrei erfolgen können; Wikipedia).

2.
Demgegenüber können zumindest im hier gegebenen Fall etwa ausstehende
Veranlagungsarbeiten und Zustellungserfordernisse im Veranlagungsverfahren nicht gegen
die Vollzugsreife angeführt werden.

Allerdings hat das Kammergericht gegen die Rechtsprechung des hiesigen Senats
eingewandt: Eine Liquidation sei noch nicht beendet, wenn ein Besteuerungsverfahren noch
nicht abgeschlossen sei, das Finanzamt es aber noch abschließen wolle; auf eine vom
Liquidator versicherte Vermögenslosigkeit der Gesellschaft komme es insoweit nicht an.
Seien Gläubiger vorhanden, und zu diesen könne auch das Finanzamt gehören, müsse ihnen
Gelegenheit gegeben werden, ihre Ansprüche geltend zu machen, bzw. den Liquidatoren,
ihren gesetzlichen Pflichten, etwa nach § 15a InsO, nachzukommen. Dabei gehörten zum
Gesellschaftsvermögen auch Haftungsansprüche gegen die Organe (KG NZG 2019, 1294 f;
dezidiert ablehnend: H. Schmidt FGPrax 2019,212-214).

Doch zum einen betraf die Entscheidung des Kammergerichts einen Fall der Löschung vor
Ablauf des Sperrjahres, in dem den dargestellten Gesichtspunkten ein deutlich größeres
Gewicht zukommt, als bei der hier beantragten Eintragung nach Ablauf des Jahres. Zum
anderen ist darauf hinzuweisen, dass am vorliegenden Verfahren die Finanzverwaltung nicht
als Gläubiger beteiligt worden ist, sondern – wie vom Registergericht in der angefochtenen
Entscheidung richtig bemerkt – im Wege der Anhörung, nämlich zur Auskunft zum Zwecke
der Verhütung unrichtiger Registereintragungen nach § 379 Abs. 2 Satz 1 FamFG. Dann
jedoch vermag die Stellungnahme des Finanzamtes der Eintragung nur entgegenzustehen,
wenn sie für das Gericht tragfähig erscheinen kann. Das ist hier nicht der Fall. Zunächst hat
sich das Finanzamt, ohne dies gesondert zu begründen, von Anfang an ein Zuwarten mit der
Eintragung von tatsächlich (seinerzeit) mehr als drei Jahren ausbedungen, wohingegen der
Liquidator mit dem Erhalt der letzten Steuerbescheide „etwa im Frühjahr 2020“ rechnet
(Wirtschaftsprüferbericht zur Beschwerdebegründung, S. 7). Sodann hat es Anhaltspunkte für
vorhandenes Gesellschaftsvermögen aufgezeigt, die aus Rechtsgründen unerheblich und
sogar geeignet waren, in die Irre zu führen. Der sich anschließende Hinweis auf
Abwicklungsmaßnahmen ist ganz pauschal geblieben, und dies trotz Bitte des Senats um
Konkretisierung.

3.
Bei dieser Lage ist es gleichwohl nicht eröffnet, das Registergericht zur Eintragung
anzuweisen. Denn hiermit würde sich der Senat über die Einschätzungsprärogative des
Vordergerichts zum Erfordernis weiterer Maßnahmen vor Eintragung hinwegsetzen; dann
aber ist zu entscheiden, wie geschehen.

Denkbar erscheint unter anderem – dies einzig zu Argumentationszwecken angesprochen –,
dass sich das Registergericht gehalten sieht, in Wahrnehmung seiner Amtsermittlungspflicht
nach § 26 FamFG ausnahmsweise eine ergänzende Versicherung des Liquidators
anzufordern, wie sie sonst in Fällen der „Blitzlöschung“ vor Ablauf des Sperrjahres üblich ist
(beispielsweise: Gesellschaftsvermögen durch Gläubigerbefriedigung erschöpft, keine
Verbindlichkeiten und keine Rechtsstreitigkeiten mehr, kein Insolvenzgrund, Geschäftsanteile
waren voll eingezahlt).

III.
Im Hinblick auf den Erfolg des Rechtsmittels ist weder eine Entscheidung über die Kosten des
Beschwerdeverfahrens, noch eine Wertfestsetzung von Amts wegen veranlasst. Auch
erübrigt sich eine Zulassung der Rechtsbeschwerde, weil diese von der betroffenen
Gesellschaft als einziger Beteiligten mangels Beschwer ohnehin nicht in zulässiger Weise
eingelegt werden könnte.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Düsseldorf

Erscheinungsdatum:

25.08.2020

Aktenzeichen:

3 Wx 117/20

Rechtsgebiete:

GmbH
Insolvenzrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Erschienen in:

NJW-RR 2020, 1167-1168

Normen in Titel:

GmbHG §§ 73 Abs. 1, 74 Abs. 1 u. 2