BGH 11. April 2025
V ZR 96/24
WEG §§ 19 Abs. 2 Nr. 4, 28 Abs. 2 S. 1; BGB § 139

Entnahmen aus Erhaltungsrücklage; Teilanfechtbarkeit eines Beschlusses über Einforderung von Nachschüssen oder Anpassung von Vorschüssen

letzte Aktualisierung: 2.5.2025
BGH, Urt. v. 11.4.2025 – V ZR 96/24

WEG §§ 19 Abs. 2 Nr. 4, 28 Abs. 2 S. 1; BGB § 139
Entnahmen aus Erhaltungsrücklage; Teilanfechtbarkeit eines Beschlusses über Einforderung
von Nachschüssen oder Anpassung von Vorschüssen

1. Entnahmen aus der Erhaltungsrücklage sind verteilungsneutral und dürfen nicht in die Abrechnungsspitze
einfließen.
2. Der Beschluss über die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung der beschlossenen
Vorschüsse kann teilweise angefochten bzw. für ungültig erklärt werden. Vorauszusetzen ist, dass
die Abrechnungsspitze eine rechnerisch selbstständige und abgrenzbare fehlerhafte Kostenposition
enthält und anzunehmen ist, dass die Wohnungseigentümer den Beschluss auch mit dem unbeanstandet
gebliebenen Teil gefasst hätten.

Entscheidungsgründe:

I.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts entspricht der angefochtene Beschluss
nicht ordnungsmäßiger Verwaltung. Er behandle nämlich die Instandhaltungskosten,
zu deren Finanzierung die Instandhaltungsrücklage in Anspruch genommen
worden sei, als Rechnungsposition der zu verteilenden nicht umlagefähigen
Nebenkosten. Im Ergebnis werde ein aus der Instandhaltungsrücklage entdas
Jahr 2020 durch die Wohnungseigentümer finanziert, obwohl Zahlungen auf
die Rücklage ebenso wie Entnahmen nicht umgelegt werden dürften. Der Beschluss
in der Eigentümerversammlung vom 15. Dezember 2020 habe keine
Pflicht der Wohnungseigentümer zur Zahlung von weiteren 10.000
Rücklage im Jahr 2020 begründet, sondern, wie sich aus dem Versammlungsprotokoll
ergebe, lediglich einen Vorgang aus der Vergangenheit bestätigt.

Der Abrechnungsbeschluss sei nur teilweise für ungültig zu erklären, was
auch nach Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes
(WEMoG) ebenso wie eine Teilanfechtung von Beschlüssen über die
Abrechnungsspitzen aus einer Jahresabrechnung zulässig sei. Andernfalls
würde die Anfechtbarkeit von Beschlüssen auf der Grundlage von
Jahresabrechnungen entgegen den erklärten Zielen des Gesetzgebers nicht
begrenzt, sondern erweitert, da nicht angefochtene Positionen - anders als
zuvor - nicht bestandskräftig würden.

II.
Dies hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Lediglich der Tenor ist klarstellend
neu zu formulieren.

1. Die Klägerin war im Verhandlungstermin vor dem Senat nicht vertreten.
Gleichwohl ist über die Revision der Beklagten nicht durch Versäumnisurteil, sondern
durch Endurteil (unechtes Versäumnisurteil) zu entscheiden, da sich die Revision
auf der Grundlage des von dem Berufungsgericht festgestellten Sachverhalts
als unbegründet erweist (vgl. Senat, Urteil vom 11. März 2022 - V ZR 77/21,
NJW-RR 2022, 803 Rn. 5 mwN).

2. Die Revision ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht bereits
deshalb begründet, weil schon die Berufung der Klägerin unzulässig war. Dies
hat das Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen, weil es anderenfalls an einem
gültigen und rechtswirksamen Verfahren vor dem Revisionsgericht fehlt (vgl.
nur BGH, Urteil vom 14. November 2007 - VIII ZR 340/06, NJW 2008, 218 Rn. 8).
Die Klägerin hat die Berufung fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 517, 520
Abs. 2 ZPO).

a) Das mit der Berufung angegriffene Urteil des Amtsgerichts vom
20. Juli 2023 ist den Prozessbevollmächtigten der Klägerin ausweislich des elektronischen
Empfangsbekenntnisses am 15. August 2023 zugestellt worden. Wie
das herkömmliche papiergebundene (analoge) Empfangsbekenntnis erbringt
das von einem Rechtsanwalt elektronische abgegebene Empfangsbekenntnis
(vgl. § 173 Abs. 3 ZPO) gegenüber dem Gericht den vollen Beweis nicht nur für
die Entgegennahme des Dokuments als zugestellt, sondern auch für den ange-
gebenen Zeitpunkt der Entgegennahme und damit der Zustellung (vgl. BGH, Beschluss
vom 17. Januar 2024 - VII ZB 22/23, NJW 2024, 1120 Rn. 10). Der Gegenbeweis
der Unrichtigkeit ist zwar zulässig. Er setzt aber voraus, dass die Beweiswirkung
vollständig entkräftet und jede Möglichkeit ausgeschlossen ist, dass
die Angaben des Empfangsbekenntnisses richtig sein können; hingegen ist dieser
Gegenbeweis nicht schon dann geführt, wenn lediglich die Möglichkeit der
Unrichtigkeit besteht, die Richtigkeit der Angaben also nur erschüttert ist (vgl. zu
einem Empfangsbekenntnis nach § 174 ZPO aF BGH, Beschluss vom 19. April
2012 - IX ZB 303/11, NJW 2012, 2117 Rn. 6; Beschluss vom 7. Oktober 2021
- IX ZB 41/20, NJW-RR 2021, 1584 Rn. 10). Hier fehlt es bereits an hinreichenden
Anhaltspunkten dafür, dass die Zustellung entgegen den Angaben in dem Empfangsbekenntnis
bereits vor dem 15. August 2023 erfolgt ist; erst recht ist dies
nicht bewiesen. Dass das Empfangsbekenntnis erst nach einer Erinnerung durch
die Geschäftsstelle (zeitnah) zurückgesandt wurde, begründet als solches noch
keine Zweifel an seiner Richtigkeit. Weitere Ermittlungen des Senats sind deshalb
entgegen der von dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten in der mündlichen
Verhandlung vor dem Senat vertretenen Auffassung nicht angezeigt. Aus
der von ihm zitierten Entscheidung des Kammergerichts (Beschluss vom 24. Januar
2025 - 7 U 17/24, juris Rn. 20 ff.) folgt bereits deshalb nichts anderes, weil
diese einen mit dem hier zu beurteilenden Fall nicht vergleichbaren Sachverhalt
betrifft.

b) Ist die Zustellung des Urteils des Amtsgerichts am 15. August 2023 erfolgt,
ist die einmonatige Berufungsfrist durch den ausweislich der elektronischen
Akten am 15. September 2023 bei dem Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz
gewahrt worden. Dass sich im Nachhinein mangels einer entsprechenden
Dokumentation in den Akten nicht mehr feststellen lässt, ob dieser Schriftsatz mit
einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen war bzw. auf einem sicheren
Übermittlungsweg eingereicht wurde (vgl. § 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO), ist
unschädlich, weil diese Unaufklärbarkeit allein in den Verantwortungsbereich des
Berufungsgerichts fällt (vgl. Senat, Urteil vom 23. Juni 2023 - V ZR 28/22, ZWE
2023, 463 Rn. 29 mwN). Die bis zum 16. November 2023 verlängerte Berufungsbegründungsfrist
ist durch den an diesem Tag bei dem Berufungsgericht eingegangenen
Schriftsatz gewahrt worden, der mit einer qualifizierten elektronischen
Signatur versehen ist.

3. In der Sache nimmt das Berufungsgericht zutreffend an, dass der Abrechnungsbeschluss
betreffend das Jahr 2020 vom 8. Dezember 2022 nicht ordnungsmäßiger
Verwaltung entspricht.

a) Anzuwenden ist § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG in der ab dem 1. Dezember
2020 geltenden Fassung als das zum Beschlusszeitpunkt geltende Recht (vgl.
Senat, Urteil vom 20. September 2024 - V ZR 195/23, NJW-RR 2024, 1270 Rn. 7
mwN). Gemäß dieser Bestimmung beschließen die Wohnungseigentümer nach
Ablauf des Kalenderjahres über die Einforderung von Nachschüssen oder die
Anpassung der beschlossenen Vorschüsse. Im Gegensatz zu der vorherigen
Rechtslage sind Gegenstand des Beschlusses nur Zahlungspflichten, die zum
Ausgleich einer Unter- oder Überdeckung aus dem Wirtschaftsplan erforderlich
sind (sog. Abrechnungsspitzen). Aufgrund des nach neuem Recht reduzierten
Beschlussgegenstandes können Fehler der einem Beschluss nach § 28 Abs. 2
Satz 1 WEG zugrundeliegenden Jahresabrechnung nur dann zu einer gerichtlichen
Ungültigerklärung führen, wenn der Fehler sich auf die Abrechnungsspitze
und damit auf die Zahlungspflichten des Wohnungseigentümers auswirkt (vgl.
Senat, Urteil vom 20. September 2024 - V ZR 195/23, aaO Rn. 8).

b) Einen solchen betragsrelevanten Mangel des Beschlusses bejaht das
Berufungsgericht zu Recht, weil in die Berechnung der Abrechnungsspitze(n) ein
eingeflossen ist, der nicht verteilungsrelevant ist.

aa) Es steht außer Streit, dass solche Ausgaben, die im Wirtschaftsjahr
aus der Instandhaltungsrücklage (seit dem 1. Dezember 2020: Erhaltungsrücklage,
vgl. § 19 Abs. 2 Nr. 4 WEG) beglichen wurden, in der Jahresabrechnung
nicht auf die Wohnungseigentümer umgelegt werden dürfen. Entnahmen aus der
Erhaltungsrücklage sind verteilungsneutral und dürfen nicht in die Abrechnungsspitze
einfließen. Andernfalls würden die Wohnungseigentümer doppelt belastet,
weil sie die Ausgaben bereits vorher durch entsprechende Beträge zur Erhaltungsrücklage
finanziert haben (vgl. Bärmann/Dötsch, WEG, 15. Aufl., § 19
Rn. 242; Bärmann/Becker, aaO, § 28 Rn. 205; Bärmann/Pick/Emmerich, WEG,
21. Aufl., § 28 Rn. 131; Casser/Schultheis, ZMR 2021, 788). Unterschiedlich beurteilt
wird lediglich die - hier nicht entscheidungserhebliche - Frage, ob und wenn
ja wie Ausgaben, die über Entnahmen aus der Rücklage finanziert worden sind,
unter der Geltung des neuen Rechts in der Jahresabrechnung darzustellen sind
(vgl. dazu Bärmann/Dötsch, aaO; Casser/Schultheis, ZMR 2021, 788).

bb) Entgegen diesen Grundsätzen wird in der Abrechnung von den aus
teiliger Betra
beruht - wie das Berufungsgericht zutreffend sieht - im Wesentlichen darauf,
dass zwar bei der Bestimmung der Abrechnungssumme ein Abzug von
diert wird. Damit ist der Abzug um diesen Betrag zu gering und in der Folge der
in der Abrechnungssumme ausgewiesene Betrag der zwischen den Wohnungs-
eigentümern zu verteilenden Bewirtschaftungskosten entsprechend zu hoch ausgefallen.
im Rahmen der Berechnung der Abrechnungsspitze wieder abgezogen und daerfolgt,
der der Soll-Zuführung auf die Erhaltungsrücklage entspricht. Damit verdürfen.

cc) Entgegen der Auffassung der Revision hat die am 15. Dezember 2020
beschlossene Auffüllung der
die Berechnung der Abrechnungsspitze. Dies ergibt sich aus zwei voneinander
unabhängigen Gründen:

(1) Das Berufungsgericht legt den Beschluss ohne Rechtsfehler nächstliegend
dahingehend aus, dass nachträglich die Grundlage für die bereits 2018 vorgenommene
Einzahlung von 10.000
wurde. Ein solcher Betrag war aufgrund eines Beschlusses vom 13. Juli 2017 zur
Sicherung der laufenden Liquidität aus der Rücklage entnommen und anschließend
von der Klägerin zurückgeführt worden. Das Protokoll der Eigentümerversammlung
ist insoweit eindeutig. Hiermit wäre es nicht zu vereinbaren, dem Beschluss
eine - für die Zukunft geltende - Erhöhung der in dem Wirtschaftsplan für
das
tungsrücklage um 10.000

bb) Letztlich kommt es hierauf jedoch nicht an. Wären nämlich mit dem
Beschluss vom 15. Dezember 2020 die Vorschüsse auf die Erhaltungsrücklage
in dem Wirtschaftsplan für das Jahr 2020 erhöht worden, wovon die Beklagte mit
dem Amtsgericht ausgeht, ergäbe sich bereits hieraus ein eigenständiger Zahlungsanspruch
der Beklagten (vgl. Senat, Urteil vom 1. Juni 2012 - V ZR 171/11,
NJW 2012, 2797 Rn. 20 ff.; Urteil vom 20. September 2024 - V ZR 235/23, BGHZ
241, 336 Rn. 15). Würde dieser Anspruch zusätzlich bei der Berechnung der Abrechnungsspitze
berücksichtigt, käme es zu einer unzulässigen Verdoppelung
des Rechtsgrunds (näher hierzu Senat, Urteil vom 1. Juni 2012 - V ZR 171/11,
NJW 2012, 2797 Rn. 22 ff.).

4. Es stellt auch keinen Rechtsfehler dar, dass das Berufungsgericht den
Beschluss vom 8. Dezember 2022 nur teilweise für ungültig erklärt hat.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats zu der bis zum 30. November
2020 gültigen Rechtslage war die gerichtliche Ungültigerklärung eines Beschlusses
über die Jahresabrechnung auf einen bestimmten Teil der Abrechnung
zu beschränken, wenn es sich um einen rechnerisch selbstständigen und abgrenzbaren
Teil der Abrechnung handelte. So war es etwa möglich, die Ungültigerklärung
auf Einzelabrechnungen, einzelne Kostenpositionen oder Verteilungsschlüssel
zu beschränken. Ob die Ungültigkeit eines Teils der Abrechnung
zur Gesamtungültigkeit führte, war sodann in entsprechender Anwendung des
§ 139 BGB zu beurteilen und richtete sich danach, ob der unbeanstandet gebliebene
Teil der Abrechnung allein sinnvollerweise Bestand haben konnte und anzunehmen
war, dass ihn die Wohnungseigentümer so beschlossen hätten. Zu
verneinen war ein solch mutmaßlicher Wille der Wohnungseigentümer, wenn
Mängel vorlagen, die zu einer nicht mehr oder nur noch schwer nachvollziehbaren
Restabrechnung führen, wie es auch bei einer Vielzahl von Einzelfehlern der
Fall sein konnte (vgl. Senat, Urteil vom 11. Mai 2012 - V ZR 193/11, NJW 2012,
2648 Rn. 15 ff.; Beschluss vom 4. Dezember 2009 - V ZB 44/09, NJW 2010, 2127
Rn. 6; Beschluss vom 15. März 2007 - V ZB 1/06, BGHZ 171, 335 Rn. 12 jeweils
mwN). Lagen die Voraussetzungen für eine Teilbarkeit der Abrechnung vor, war
eine Teilanfechtung der Jahresabrechnung möglich (vgl. Senat, Urteil vom
15. November 2019 - V ZR 9/19, NJW-RR 2020, 526 Rn. 6).

b) Ob eine Teilanfechtung bzw. eine nur teilweise gerichtliche Ungültigerklärung
eines nach dem Inkrafttreten des WEMoG gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1
WEG gefassten Beschlusses weiterhin möglich ist, ist umstritten.

aa) Die überwiegende Ansicht in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung
und in der Literatur lehnt dies im Grundsatz - teils allerdings mit kleineren Ausnahmen
- ab. Da Beschlussgegenstand nur noch die Abrechnungsspitze sei,
könne sich eine Anfechtung nicht auf einzelne Kostenposten beziehen. Der Fehler
einer Kostenposition führe immer auch zu einem Fehler im Gesamtbetrag, so
dass der Beschluss nach § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG nur insgesamt angefochten
und für ungültig erklärt werden könne (vgl. nur LG Frankfurt a. M., WuM 2024,
104, 106 f.; LG München, ZWE 2022, 362 Rn. 36; Staudinger/Lehmann-Richter,
BGB [2023], § 28 WEG Rn. 57 ff.; Jennißen in Jennißen, WEG, 8. Aufl., § 28
Rn. 242; BeckOK WEG/Bartholome [2.1.2025], § 28 Rn. 132; Bärmann/Becker,
WEG, 15. Aufl., § 28 Rn. 244; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht
2021, Kapitel 10 Rn. 100; Abramenko, ZfIR 2023, 105, 110; Greiner, ZfIR 2023,
6, 7; Zschieschack, NZM 2024, 710).

bb) Die von dem Berufungsgericht geteilte Gegenansicht hält eine Teilanfechtung
und eine gerichtliche Teilungültigerklärung unter den gleichen Voraussetzungen
wie bislang für möglich. Beschlussgegenstand des § 28 Abs. 2
Satz 1 WEG sei zwar nur noch das Abrechnungsergebnis, jedoch stehe hinter
diesem immer ein überprüfbarer Rechenweg. Die Abrechnungsspitze setze sich
aus Teilforderungen in Bezug auf bestimmte Kostenpositionen zusammen; die
Ungültigerklärung könne sich auf die fehlerhaften Teile beschränken. Nach erfolgreicher
Teilanfechtung sei sodann nicht erneut über die gesamten Nachschüsse,
sondern nur über die für ungültig erklärten Teile zu beschließen (vgl.
Hügel/Elzer, WEG, 4. Aufl., § 28 Rn. 211 ff.; Grüneberg/Wicke, BGB, 84. Aufl.,
§ 28 WEG, Rn. 20; Bärmann/Pick/Emmerich, WEG, 21. Aufl., § 28 Rn. 200;
Mediger, NZM 2024, 121; Elzer, ZWE 2022, 362, 369 ff.; Kieß, AnwZert MietR
6/2022 Anm. 1).

c) Der Senat entscheidet die Rechtsfrage im Sinne der zuletzt genannten
Ansicht. Der Beschluss über die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung
der beschlossenen Vorschüsse kann teilweise angefochten bzw. für ungültig
erklärt werden. Vorauszusetzen ist, dass die Abrechnungsspitze eine rechnerisch
selbstständige und abgrenzbare fehlerhafte Kostenposition enthält und
anzunehmen ist, dass die Wohnungseigentümer den Beschluss auch mit dem
unbeanstandet gebliebenen Teil gefasst hätten.

aa) Mit der Neufassung des § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG durch das WEMoG
sind die Zahlungspflichten der Wohnungseigentümer allerdings von dem zugrundeliegenden
Zahlenwerk getrennt worden. Das Zahlenwerk dient zwar der Vorbereitung
des Beschlusses, ist aber nicht mehr Beschlussgegenstand. Mit dieser
Unterscheidung hat der Gesetzgeber beabsichtigt, die Zahl der Streitigkeiten
über die Jahresabrechnung zu verringern. Den auf rein formelle Fehler der Abrechnung
ohne finanzielle Auswirkungen auf die Abrechnungsspitze gestützten
Anfechtungsklagen sollte der Erfolg genommen werden (vgl. BT-Drucks.
19/18791 S. 76). Dass der Gesetzgeber damit zugleich eine Abkehr von der ständigen
Rechtsprechung des Senats hinsichtlich der Teilanfechtbarkeit von Abrechnungsbeschlüssen
erreichen wollte, lässt sich dem Gesetzesentwurf der
Bundesregierung nicht entnehmen. Auch in dem Abschlussbericht der Bund-Länder-
Arbeitsgruppe zur Reform des Wohnungseigentumsgesetzes von August
2019 (abgedruckt in NZM 2019, 705, 731) findet sich eine entsprechende Anregung
nicht.

bb) Vor diesem Hintergrund widerspricht die Verengung des Beschlussgegenstandes
auf die Zahlungspflichten der Wohnungseigentümer der Teilbarkeit
des Beschlusses im Grundsatz nicht. Die Abrechnungsspitze stellt nach der Konzeption
des § 28 Abs. 2 WEG lediglich das Rechenergebnis aus den anteilig zu
verteilenden Kostenpositionen dar. Fassen die Wohnungseigentümer daher - wie
hier - unter Bezugnahme auf die Jahreseinzelabrechnungen den Beschluss nach
§ 28 Abs. 2 Satz 1 WEG, halten sie damit zugleich auch an den der Berechnung
zugrundeliegenden einzelnen Kostenpositionen als Grundlage ihrer Zahlungspflichten
fest. Die einzelnen Kostenpositionen werden abgrenzbare Teile der Abrechnungsspitze
und lassen sich von ihr nicht trennen. Entscheidend ist, ob die
Kostenpositionen richtig festgesetzt wurden.

cc) Neben dem gesetzgeberischen Ziel, Rechtsstreitigkeiten über die Jahresabrechnung
zu reduzieren (siehe oben Rn. 25), spricht die Interessenlage der
Wohnungseigentümer für diese Sichtweise.

(1) Die von dem Senat bereits unter der Geltung des bisherigen Rechts für
die Teilanfechtung angeführten Argumente gelten gleichermaßen für das neue
Recht. Den Mitgliedern einer GdWE ist in der Regel daran gelegen, die der Beschlussfassung
unterliegenden Angelegenheiten möglichst abschließend zu bewältigen
und weitere Zusammenkünfte auf das unabdingbare Mindestmaß zu beschränken.
Es liegt im allseitigen Interesse, den Beschluss über die Einforderung
von Nachschüssen oder die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse so weit
wie möglich dem Streit zu entziehen. Dieses Ziel würde bei einer grundsätzlichen
Verneinung der Möglichkeit zur Teilanfechtung bzw. teilweisen gerichtlichen Ungültigerklärung
vollständig verfehlt, weil jeder kleinste betragsrelevante Fehler
zur Gesamtungültigkeit des Beschlusses führte. In der Folge wären die Wohnungseigentümer
verpflichtet, erneut über sämtliche Kostenpositionen zu beschließen;
der Beschluss könnte abermals mit neuen Begründungen angefochten
werden. Lässt man es demgegenüber bei der teilweisen Ungültigerklärung
des Beschlusses bezogen auf einzelne Kostenpositionen bewenden, brauchen
sich die Wohnungseigentümer nachfolgend nur noch mit den nachgebesserten
Positionen sowie der daraus resultierenden neuen Abrechnungsspitze zu befas-
- V ZR 193/11, NJW 2012, 2648 Rn. 16).

Nur auf Fehler der nachgebesserten Positionen könnte eine (erneute) Anfechtungsklage
gestützt werden.

(2) Hierfür streitet auch das Interesse der Wohnungseigentümer und der
GdWE, den Streitwert und damit die Kosten eines Rechtsstreits über die
(Un-)Gültigkeit des Beschlusses in angemessenem Rahmen zu halten (zur Justizgewährungspflicht
vgl. BVerfGE 85, 337). Ginge man von einer Unteilbarkeit
des Beschlusses über die Einforderung von Nachschüssen oder Anpassung beschlossener
Vorschüsse aus, wäre ein Wohnungseigentümer unabhängig von
der Höhe seiner Beanstandungen gezwungen, den Beschluss in jedem Fall in
Gänze anzufechten. Der Streitwert richtete sich dann gemäß § 49 GKG nach
dem Nennbetrag der Jahresabrechnung, begrenzt lediglich durch den siebeneinhalbfachen
Wert des auf den Kläger entfallenden Anteils hieran oder den Verkehrswert
seines Wohnungseigentums (vgl. Senat, Urteil vom 24. Februar 2023
- V ZR 152/22, MDR 2023, 693 Rn. 21). Wendete sich der Wohnungseigentümer
etwa nur gegen einen unrichtigen Kleinstbetrag, der der Berechnung seiner Ab-
rechnungsspitze zu Grunde liegt, erreichte der Streitwert ein Vielfaches des wirtschaftlichen
Interesses des Wohnungseigentümers, wenn der Beschluss insgesamt
angefochten werden müsste. Auch im vorliegenden Fall streiten die Wohnungseigentümer
nicht über die gesamten Kostenpositionen, sondern ausenthalten
dürfen oder nicht. Bei einer Unteilbarkeit käme es zudem zu unverständlichen
Ergebnissen bei der Kostenentscheidung. So müsste die GdWE bei einem
minimalen Fehler des Abrechnungsbeschlusses die gesamten Kosten des
Rechtsstreits tragen, obwohl sie in der Sache nahezu vollständig gewonnen hätte
(näher Mediger, NZM 2024, 121, 126 f.).

dd) Nicht überzeugend ist der Einwand, die Anerkennung einer Teilbarkeit
des Beschlusses nach § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG führe zu einer unzulässigen Umgestaltung
der Abrechnung (so aber Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEGRecht
2021, Kapitel 10 Rn. 100). Wie nach dem bisherigen Recht (vgl. dazu
Senat, Urteil vom 10. Juli 2020 - V ZR 178/19, ZWE 2020, 425 Rn. 12 mwN)
haben die Gerichte sich auf die Ungültigerklärung des angefochtenen Beschlusses,
soweit er auf rechnerisch selbstständigen und abgrenzbaren fehlerhaften
Kostenpositionen beruht, zu beschränken. Unter der Geltung von § 28 Abs. 2
WEG bedeutet das, dass die beschlossene Abrechnungsspitze lediglich teilweise
für ungültig zu erklären ist.

ee) Ob die Ungültigkeit eines Teils des Beschlusses zur Gesamtungültigkeit
führt, ist wie nach bisherigem Recht in entsprechender Anwendung des § 139
BGB zu beurteilen und richtet sich danach, ob der unbeanstandet gebliebene Teil
des Beschlusses allein sinnvollerweise Bestand haben kann und anzunehmen
ist, dass ihn die Wohnungseigentümer ebenso gefasst hätten. Bei der Beurtei-
lung, welche Entscheidung die Wohnungseigentümer bei Kenntnis der Teilunwirksamkeit
nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte
getroffen hätten, ist in der Regel davon auszugehen, dass sie das objektiv
Vernünftige gewollt hätten (näher Senat, Urteil vom 11. Mai 2012 - V ZR 193/11,
NJW 2648 Rn. 16).

ff) Was die Tenorierung bzw. die Antragstellung bei nur teilweiser Ungültigerklärung
eines Beschlusses nach § 28 Abs. 2 WEG anbelangt, kann im Ausgangspunkt
ebenfalls an die Rechtsprechung des Senats vor der WEG-Reform
angeknüpft werden (vgl. etwa Senat, Urteil vom 3. Juni 2016 - V ZR 166/15, juris
vor Rn. 1). Einer Modifikation bedarf es lediglich im Hinblick auf den geänderten
Beschlussgegenstand (zu Formulierungsvorschlägen Mediger, NZM 2024, 121,
128; Elzer, ZWE 2022, 369, 370; Kieß, AnwZert MietR 6/2022 Anm. 1).

d) Daran gemessen bejaht das Berufungsgericht die Teilbarkeit zu Recht,
eine abgrenzbare Kostenposition betrifft. Das Berufungsgericht geht zudem unausgesprochen
rechtsfehlerfrei davon aus, dass die Wohnungseigentümer den
Beschluss mit dem unbeanstandet gebliebenen Teil ebenso gefasst hätten, so
dass eine Gesamtnichtigkeit entsprechend § 139 BGB ausscheidet.

III.
1. Nach alledem ist die Revision zurückzuweisen. Der Senat hält es lediglich
für angezeigt, die Tenorierung zur Klarstellung neu zu fassen, damit deutlich(
er) zum Ausdruck kommt, dass der Beschlussmangel in der Verteilung einer
r Erhaltungsrücklage besteht.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

11.04.2025

Aktenzeichen:

V ZR 96/24

Rechtsgebiete:

WEG
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Normen in Titel:

WEG §§ 19 Abs. 2 Nr. 4, 28 Abs. 2 S. 1; BGB § 139