BGH 16. Juni 2015
II ZR 384/13
AktG § 296

Aufhebung eines Unternehmensvertrags mit abhängiger GmbH; zulässiger Zeitpunkt

AktG § 296
Aufhebung eines Unternehmensvertrags mit abhängiger GmbH; zulässiger Zeitpunkt

Entsprechend § 296 Abs. 1 Satz 1 AktG kann ein Unternehmensvertrag mit einer abhängigen GmbH nur zum Ende des Geschäftsjahrs oder des sonst vertraglich bestimmten Abrechnungszeitraums aufgehoben werden.

BGH, Urt. v. 16.6.2015 – II ZR 384/13

Problem
Die B-AG ist die Konzernmutter der beklagten GmbH. Diese schloss ihrerseits mit einer ihrer Tochtergesellschaften, der M-GmbH, im Jahre 1996 einen Ergebnisabführungsvertrag (im Folgenden: EAV), der bis zum Ende des Jahres 2000 laufen sollte. Im April 2000 übertrug die beklagte GmbH ihre Anteile auf eine Ltd., die ebenfalls zum B-Konzern gehörte. Am 25.4.2000 vereinbarte die beklagte GmbH auf Veranlassung der B-AG mit ihrer Tochtergesellschaft, der M-GmbH, den EAV mit sofortiger Wirkung aufzuheben. Die Ltd. stimmte dem Abschluss des Aufhebungsvertrags zu. Die Aufhebung wurde ins Handelsregister eingetragen.
Der Kläger, Insolvenzverwalter der M-GmbH, nimmt die beklagte GmbH wegen eines Jahresfehlbetrags für das Jahr 2000 zum 31.12. in Anspruch. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass sich der Jahresfehlbetrag zum 31.12. errechnet. Nach § 296 Abs. 1 AktG könne der EAV nur zum Jahresende aufgehoben werden. Dies gelte auch für eine abhängige GmbH.

Entscheidung
Die dagegen eingelegte Revision hat keinen Erfolg. Der Verlustausgleich (§ 302 Abs. 1 AktG) bestimmt sich laut BGH nach dem Ende des Geschäftsjahres am 31.12.2000. Entsprechend § 296 Abs. 1 S. 1 AktG könne ein Unternehmensvertrag mit einer abhängigen GmbH nur zum Ende des Geschäftsjahres oder des sonst vertraglich bestimmten Abrechnungszeitraums aufgehoben werden.

Der BGH wendet die Vorschriften des AktG über Begründung und Beendigung eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags mit einer abhängigen Aktiengesellschaft auf Unternehmensverträge mit einer abhängigen GmbH entsprechend an, soweit der Schutzzweck der Vorschriften gleichermaßen zutrifft und diese nicht auf Unterschieden der Binnenverfassung von Aktiengesellschaft und GmbH beruhen. So werde auch § 296 Abs. 1 S. 2 AktG, wonach eine rückwirkende Aufhebung des Unternehmensvertrags unzulässig sei, entsprechend auf die GmbH angewendet.

Der Zeitpunkt der Beendigung eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags bei einvernehmlicher Aufhebung habe keinen Bezug zur Binnenverfassung der GmbH. Der Schutzzweck des § 296 Abs. 1 S. 1 AktG treffe auf die GmbH in gleicher Weise wie auf die Aktiengesellschaft zu. Die Beschränkung der Vertragsaufhebung auf das Ende des Geschäftsjahres oder den sonst vertraglich bestimmten Abrechnungszeitraum sei im Interesse der Rechtssicherheit geboten. Dass in anderen Fällen unterjähriger Vertragsbeendigung, etwa durch Insolvenz oder Kündigung, eine Stichtagsbilanz für die Berechnung der Ansprüche der Gesellschafter und zum Schutz der Gläubiger genüge, stehe dem nicht entgegen. In diesen Fällen überwiege das Interesse an einer unterjährigen Beendigung des Unternehmensvertrags, sodass die damit verbundenen Nachteile hinzunehmen seien.

Es vereinfache die Abrechnung der Ansprüche von Minderheitsgesellschaftern wie auch der Ergebnisabführung, wenn die ohnehin zum Ende des Geschäftsjahres oder eines vereinbarten Abrechnungszeitraums zu erstellende Bilanz zugrunde gelegt werden könne. Da die Bilanz zum Ende des Geschäftsjahres regelmäßig geprüft werde, sei die Gefahr einer Manipulation geringer als bei einer unterjährigen Zwischenrechnung, ebenso geringer die Gefahr, dass die Bilanz gar nicht erstellt werde. Die in § 296 Abs. 1 S. 1 AktG zum Ausdruck kommende Einschränkung der Vertragsfreiheit sei auch im GmbH-Recht zu beachten.

Die Beeinträchtigung der Vertragsfreiheit wiege nicht besonders schwer, weil die Obergesellschaft als Mehrheits- oder Alleingesellschafterin der abhängigen GmbH regelmäßig ein Rumpfgeschäftsjahr beschließen könne. Die Gesellschafter könnten durch Satzungsänderung das Geschäftsjahr verändern.

Der Bestimmung des Verlustausgleichs sei das Ende des Geschäftsjahres am 31.12.2000 zugrunde zu legen. Der EAV sei bis zum 31.12.2000 befristet gewesen. Deswegen dürfe dahinstehen, ob die Unwirksamkeit der Aufhebung mit sofortiger Wirkung nur zur Unwirksamkeit der Regelung des Beendigungstermins führe und an seine Stelle das Ende des laufenden Geschäftsjahres zum 31.12.2000 als nächstzulässiger Beendigungstermin trete oder ob die Aufhebungsvereinbarung insgesamt unwirksam sei.

Die Erklärung der Beklagten lasse sich nicht in eine Kündigung des EAV aus wichtigem Grund umdeuten. Ob die Veräußerung der Beteiligung durch die Obergesellschaft einen wichtigen Grund für die fristlose Kündigung durch die Obergesellschaft entsprechend § 297 Abs. 1 S. 1 AktG darstelle, könne offenbleiben. Ein wichtiger Grund liege nur vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Unternehmensvertrags bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zumutbar sei. Selbst wenn die Beteiligungsveräußerung als wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung grundsätzlich in Betracht käme, scheitere eine Umdeutung, denn es sei nicht ersichtlich, dass es der beklagten GmbH am 25.4.2000 unzumutbar gewesen wäre, den Ergebnisabführungsvertrag bis zum Jahresende fortzuführen. Die Beteiligung an der M-GmbH sei an eine Gesellschaft veräußert worden, die ebenfalls zum B-Konzern gehört habe.

Abschließend stellt der BGH fest, dass der Verlustausgleichsanspruch nicht durch Übertragung einer Kontokorrentdarlehensforderung der B-AG (Konzernmutter) gegen die M-GmbH (Enkelgesellschaft) auf die Ltd. gegen eine Kapitalisierungsverpflichtung erfüllt sei. Zwar seien zur Erfüllung des Verlustausgleichsanspruchs auch Leistungen an Erfüllungs statt zulässig, sofern sie werthaltig seien. Das herrschende Unternehmen könne Geld- oder Sachmittel der abhängigen Gesellschaft unter vorher vereinbarter Anrechnung auf eine bestehende oder künftige Verlustausgleichsverpflichtung zur Verfügung stellen, wobei allerdings klar gestellt sein müsse, ob die Leistung auf einen vorjährigen oder künftig entstehenden Anspruch zu verrechnen sei. Im vorliegenden Fall sei eine Vereinbarung über die Verwendung der abgetretenen Darlehensforderung zum Verlustausgleich nicht getroffen worden. Die Vorstellungen der Vertragsparteien seien insoweit nicht von Bedeutung, da die M-GmbH nicht in die Vertragsbeziehung eingebunden gewesen sei. In der später durch Patronatserklärung und Rangrücktrittserklärung erfolgten Kapitalisierung liege keine Erfüllung des Verlustausgleichsanspruchs.

Hinweis
Soll ein EAV unterjährig einvernehmlich aufgehoben werden, so kann dies laut BGH nur im Wege einer Satzungsänderung geschehen, die das Geschäftsjahr zum Rumpfgeschäftsjahr macht. Diese Satzungsänderung aber muss vor Ablauf des Geschäftsjahres im Handelsregister eingetragen sein (vgl. Sailer-Coceani, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. 2015, § 9 Rn. 3; Suttmann, MittBayNot 2010, 248; Mayer/Weiler, in: Beck’sches Notarhandbuch, 6. Aufl. 2015, D I Rn. 61, mit dem Hinweis, dass die Gerichte mitunter auch die Anmeldung vor Ablauf ausreichen lassen). Im Übrigen ist die Umstellung des Wirtschaftsjahres auf einen vom Kalenderjahr abweichenden Zeitraum steuerlich nur wirksam, wenn sie im Einvernehmen mit dem Finanzamt erfolgt (§ 7 Abs. 4 S. 3 KStG; hierzu BFH MittBayNot 2010, 247 m. Anm. Suttmann).

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

16.06.2015

Aktenzeichen:

II ZR 384/13

Rechtsgebiete:

Konzernrecht

Erschienen in:

DNotI-Report 2015, 108-109

Normen in Titel:

AktG § 296