Beteiligung eines Minderjährigen an Kommanditgesellschaft nicht genehmigungspflichtig
DNotIDeutsches Notarinstitut
Dokumentnummer: 12zb223_13
letzte Aktualisierung: 19.9.2013
OLG Thüringen, 22.3.2013 - 2 WF 26/13
Beteiligung eines Minderjährigen an Kommanditgesellschaft nicht genehmigungspflichtig
Eine vermögensverwaltende Kommanditgesellschaft kann unter Beteiligung eines Minderjährigen als Kommanditisten ohne familiengerichtliche Genehmigung nach §§ 1643 Abs. 1, 1822
Nr. 3 BGB errichtet werden. (Leitsatz der DNotI-Redaktion)
Gründe
I.
Mit Schreiben vom 22.03.2012 übersandte der Notar … dem Amtsgericht – Familiengericht –
Jena – 47 F 275/12 – den Entwurf eines notariellen Vertrages zur Errichtung einer vermögensverwaltenden Kommanditgesellschaft der Eltern … und ihrer drei minderjährigen Kinder mit
dem Antrag, den Kindern je einen Ergänzungspfleger zu bestellen mit dem Aufgabenkreis der
Gründung einer Kommanditgesellschaft. Die antragsgemäße Ergänzungspflegschaft erfolgte
mit Beschluss des Amtsgerichts vom 11.05.2012.
In einer ergänzenden Verfügung vom gleichen Tag teilte das Amtsgericht dem Notar mit, dass
eine familiengerichtliche Genehmigung nach
Abschluss des Vertrages nicht erforderlich sei, da es sich um einen reine vermögensverwaltende Gesellschaft ohne gewerbliche Tätigkeit handele.
Die Beteiligten errichteten sodann als Gründungsgesellschafter mit notariellem Vertrag vom
10.07.2012 gemäß dem vorgelegten Entwurf die … KG, deren Gegenstand die Bewirtschaftung, die Verwaltung und die Verwertung des eigenen Vermögens ist (vgl. II. (1) des Gesellschaftsvertrages).
Mit Schreiben vom 11.07.2012 beantragte der für die Beteiligten tätig gewordene Notar die
Anmeldung zum Handelsregister bei dem Amtsgericht – Registergericht – Jena.
Das Familiengericht wies den Urkundsnotar unter dem 17.09.2012 darauf hin, dass dem Eintragungsantrag nicht entsprochen werden könne, weil noch verschiedene Fragen zu klären seien.
In der Urkunde vom 10.07.2012 heiße es, dass diverse Grundstücke eingebracht würden, hinsichtlich derer um Benennung bzw. Konkretisierung gebeten werde.
Auch sei durch das Gericht die Werthaltigkeit der einzubringenden Immobilien zu prüfen, die
durch ein Verkehrswertgutachten nachgewiesen werden könne. Bedenken bestünden auch gegen die Dauer des Vertrages bis zum 31.12.2030 und die Klausel, dass die KG beim Ausscheiden des persönlich haftenden Gesellschafters unter Umständen als GbR weitergeführt werde.
Der Notar hat mit Schreiben vom 27.09.2012 zu den Nachfragen des Amtsgerichts Stellung
genommen. Mit Schreiben vom 09.10.2012 hat er ergänzende Ausführungen zu der Frage der
vertraglichen Mindestdauer der Gesellschaft bis zum 31.12.2030 getätigt. Am 05.12.2012 hat er
die Erteilung eines Negativattestes bzw. einer familiengerichtlichen Genehmigung beantragt.
Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 19.12.2012 die Erteilung eines Negativattestes abgelehnt. Es hat zur Begründung ausgeführt, nach seiner Ansicht sei eine familiengerichtliche Genehmigung nach
da der Notar den geäußerten Bedenken des amtsgerichtlichen Schreibens vom 17.09.2012 nicht
Rechnung getragen habe. Das Amtsgericht hat gegen seine Entscheidung die Beschwerde zugelassen.
Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde vom 09.01.2013, die der Notar im Namen aller Beteiligten gemäß der vorgelegten Vollmacht vom 10.07.2012 erhoben hat, hat das Amtsgericht am
11.01.2013 die Akten dem Beschwerdegericht übermittelt.
Gemäß
des Negativattestes bzw. einer gemäß
O.,
ZPO, 28. Aufl.,
Das Amtsgericht geht zunächst zutreffend davon aus, dass sein Beschluss vom 19.12.2012 eine
gemäß
Angesichts des Beschwerdewertes, der nach Ansicht des Senates vorliegend den erforderlichen
Beschwerdewert nach
Die Beteiligten zu 1. bis 5. sind als Gesellschafter der betroffenen Kommanditgesellschaft auch
beschwerdebefugt (
hält, so dass es eine solche Genehmigung, falls sie beantragt würde und die übrigen gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen würden, auch erteilen müsste.
Die Beschwerde ist begründet.
Die vom Amtsgericht angenommenen Genehmigungshindernisse bestehen nicht.
Die Auffassung des Amtsgerichts, die Beanstandungen der Zwischenverfügung vom
17.09.0212 seien in der Sache gerechtfertigt, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand,
weshalb der Beschluss aufzuheben ist.
Der Notar hat sich mit den Bedenken des Amtsgerichts in der Hinweisverfügung der Rechtspflegerin vom 17.09.2012 in seinen Schreiben vom 27.09. und 09.10.2012 detailliert auseinandergesetzt und unter Hinweis auf hierzu ergangene Rechtsprechung zur Genehmigungsbedürftigkeit vergleichbarer Rechtsgeschäfte diese Bedenken entkräftet. Der Senat folgt der dortigen
Argumentation.
Die schenkweise Übertragung des von den Eltern durch Einbringung ihres Immobilienvermögens voll eingezahlten (Teil-)Kommanditanteils an der vermögensverwaltenden FamilienKG an
die minderjährigen Beteiligten zu 3. bis 5. sind unter der Mitwirkung ihrer Ergänzungspfleger
wirksam. Die Schenkung ist auch nicht gem.
für die Minderjährigen keine persönlichen Verpflichtungen begründet und deshalb lediglich
rechtlich vorteilhaft i. S. des
Die im Schreiben des Amtsgerichts vom 17.09.2012 geäußerten Bedenken sind nach den Stellungnahmen des Notars vom 27.09. und 09.10.2012 ausgeräumt.
Die persönliche Haftung der Kinder und ihr Verlustrisiko sind auf die von den Eltern zu erbringende Kommanditeinlage beschränkt, was die Anteilsübertragung nicht rechtlich nachteilig
zu haften, ist durch den Gegenstand des Unternehmens – die Verwertung des eigenen Vermögens ohne die Berechtigung zu gewerblicher Tätigkeit und die Beschränkung auf ihren Kapitalanteil als Kommanditisten – über den Gesellschaftsanteil von 100 EUR für jeden Kommanditisten hinaus – ausgeschlossen.
Als lediglich rechtlich vorteilhaftes Rechtsgeschäft bedeutet die Anteilsübertragung für den
Minderjährigen kein unternehmerisches Risiko. Daher unterliegt sein – zumal unentgeltlicher –
Beitritt in die rein private, nicht gewerblich tätige und nur vermögensverwaltende FamilienKG
auch keiner vormundschaftsgerichtlichen Genehmigungspflicht nach
auch LG Münster
1710; Palandt-Diederichsen, BGB, 71. Aufl. 2012, Rn. 8, 10 zu § 1822). Gründen Eltern mit
ihren Kindern eine Gesellschaft zur Verwaltung von Grundbesitz, so bedarf der Gesellschaftsvertrag jedenfalls dann keiner vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung, wenn es sich hierbei
lediglich um eine rein private Vermögensverwaltung handelt, die bislang dem Eigentümer allein oblag und die nunmehr von der Gesellschaft wahrgenommen wird (LG Münster FamRZ
1997, 842)
Auch die Beteiligung an einer Vermögensverwaltungsgesellschaft begründet für sich betrachtet
kein Erwerbsgeschäft. Über die nutzbringende Anlage des Vermögens hinaus müssen besondere Umstände dazukommen, die aus der Vermögensverwaltung ein Erwerbsgeschäft machen,
etwa dass der Umfang des Vermögens eine geschäftsmäßige, gleichsam berufliche Tätigkeit
erfordert, dass die Vermögensanlage ein gesteigertes unternehmerisches Risiko birgt, oder dass
die Dauer der Bindung sich deutlich vom Typ des Privatvermögens entfernt.
Für die in der Beratungspraxis zunehmend empfohlene vermögensverwaltende Kommanditgesellschaft gelten die dargestellten Grundsätze entsprechend. So kann vom Vorliegen einer
Kommanditgesellschaft nicht automatisch auf ein Erwerbsgeschäft geschlossen werden, da
diese Gesellschaftsform seit Inkrafttreten des Handelsrechtsreformgesetzes 1998 nicht mehr auf
Handelsgewerbe beschränkt ist. Zwar mag die bloße Verwaltung familieneigener Immobilien
durch Ehegatten nicht dem Bild einer Vermögensverwaltungsgesellschaft entsprechen, der mit
der Neufassung des
sich jedoch keine konkreten Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Gesellschaft eine darüber
hinausgehende Tätigkeit entfaltet, bedarf die Übertragung einer solchen Gesellschaft keiner
familiengerichtlichen Genehmigung (Lafontaine in: jurisPK-BGB, 6. Aufl. 2012,
Rn. 56 ff.; OLG Bremen
Die Entscheidung des Familiengerichts und des an seine Stelle tretenden Beschwerdegerichts
über die Genehmigung ist am Interesse des Pfleglings (Kindes/Mündels) auszurichten und erfordert eine Gesamtwürdigung unter Abwägung der konkreten Vor- und Nachteile des beabsichtigten Rechtsgeschäftes.
Der Prüfungsmaßstab folgt auch ohne ausdrückliche Normierung im Gesetz – aus dem Zweck
der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung, nämlich ihrer Schutzfunktion, sowie daraus,
dass durch die Genehmigungspflicht (
der Eltern (vgl.
1 Satz 1, 1915 Abs. 1, 1793 BGB) eingeschränkt wird. Deshalb hat das Familiengericht ausschließlich das Wohl und die Interessen des Pfleglings (Kindes/Mündels) zu berücksichtigen,
nicht die Belange der Eltern oder Dritter. Es ist zwar nicht gehindert, auch die Interessen der
Familie in Betracht zu ziehen, jedoch nur dann, wenn die Interessen des Pfleglings (Kindes/Mündels) gewahrt sind. Das Familiengericht hat vom Standpunkt eines verständigen, die
Tragweite des Geschäfts überblickenden Volljährigen auch Erwägungen zur Zweckmäßigkeit
1995, 230/236 m. w. N.).
Der familiengerichtliche Genehmigungsvorbehalt ist eine Ausnahme vom Grundsatz der elterlichen Autonomie, welche die ungeschmälerte Vertretungsmacht beinhaltet. Die Genehmigung
darf daher nur versagt werden, wenn das in Aussicht genommene Geschäft nach den im Zeitpunkt der Entscheidung zu beurteilenden Gesamtumständen, das sind alle möglichen Vor- und
Nachteile, nicht dem Interesse des Kindes entspricht. Vorteile, Risiken, Erträge und Aufwendungen sind abzuwägen (vgl. OLG Bremen,
getroffen werden soll (
jedes Risiko von dem unter elterlicher Sorge stehenden Kind ferngehalten werden (vgl. nur
Soergel-Damrau, BGB § 1828, Rdn. 8; MüKomm-Schwab, BGB § 1828, Rdn. 15 f, PalandtDiederichsen, BGB, § 1828, Rdn. 4; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 60, IV S.
956). Es genügt, wenn im Ganzen gesehen, der Vertrag für den Minderjährigen vorteilhaft ist.
Das Verfahren bei der familiengerichtlichen Genehmigung beim Abschluss eines Gesellschaftsvertrags bezieht sich vor allem darauf, die Dauerbindung von Person und Vermögen des
Minderjährigen, dessen Haftungsrisiko auch im Hinblick auf den Umfang der Vertretungsmacht der vertretungsberechtigten Gesellschafter zu überprüfen und einzuschätzen (vgl.
BayObLG, Rpflg 1977, 60). Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die konkrete Gefahr besteht, der Minderjährige werde wegen seiner Beteiligung an der Gesellschaft mit erheblichen
Schulden in die Volljährigkeit entlassen und sei bei der Gestaltung seines weiteren Lebens nach
Eintritt der Volljährigkeit unzumutbaren, nicht von ihm selbst zu verantwortenden Belastungen
ausgesetzt (BayObLG,
Weder der Gesellschaftsvertrag, noch der Übertragungsvertrag bergen aber die Gefahr, dass die
Kinder unzumutbaren Belastungen ausgesetzt werden. Sie müssen insbesondere über ihren Gesellschaftsanteil von 100 EUR hinaus nicht persönlich haften. Der Eintritt der Kinder in die
Kommanditgesellschaft als Kommanditisten wird erst mit der Handelsregistereintragung wirksam. Das ist eine zulässige Verfahrensweise, um die Haftung zu beschränken (vgl. BGHZ 82,
209, 212; siehe auch OLG Köln,
Nach dem Gesellschaftsvertrag ist auch eine Nachschusspflicht nicht vorgesehen.
Die für die Übertragung zu erbringende Gegenleistung beinhaltet ihrerseits ebenfalls keine persönliche Haftung. Insgesamt beschränkt sich daher die Haftung der Kinder und damit deren
Verlustrisiko auf die Einlage, die die Kinder ebenfalls nicht aus eigenen Mitteln aufbringen
müssen. Demgegenüber steht eine Vermögensentwicklung, die erhebliche Gewinnchancen beinhaltet.
Die Sorge, das Geschäft diene nicht dem Interesse des Kindes, ist nach diesen Grundsätzen
nicht begründet.
Deshalb ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die Entscheidung, ob die gemäß §§ 1821,
1822 BGB erforderliche Genehmigung erteilt oder verweigert wird, nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen ist (BGH
230/236 m. w. N.; BayObLG
Köln
ist – wie der Bundesgerichtshof (a. a. O..) hervorgehoben hat – das Familiengericht insoweit
gesetzlich geschützten Minderjährigen abzustellen hat.
Nach §§ 1915 Abs. 1, 1822 Nr. 3 Alternative 2 BGB ist die familiengerichtliche Genehmigung
erforderlich zu einem Gesellschaftsvertrag, der zum Betrieb eines Erwerbsgeschäfts eingegangen wird. Der Begriff des Erwerbsgeschäfts umfasst jede regelmäßig ausgeübte, auf selbstständigen Erwerb gerichtete Tätigkeit, die mit dem Willen zur Gewinnerzielung ausgeübt wird und
auf eine gewisse Dauer angelegt ist (vgl.
a. O.,§ 1822 Rn. 5). Diese Voraussetzungen sind bei der Verwaltung privaten Vermögens, insbesondere Grundbesitzes, nicht in jedem Fall gegeben, auch wenn die private Vermögensverwaltung in gesellschaftsrechtliche Form gebracht wird (
BGB 12. Aufl. § 1822 Rn. 5, 14; MünchKommBGB/Wagenitz 5. Aufl., § 1822 Rn. 21). Die
Abgrenzung im Einzelnen ist umstritten; unter anderem wird darauf abgestellt, ob eine geschäftsmäßige, gleichsam berufliche Tätigkeit erforderlich ist oder die Gesellschafter unternehmerisches Risiko übernehmen. Ein Erwerbsgeschäft liegt etwa vor bei einer Gesellschaft,
deren Gegenstand die Verwaltung, Vermietung und Verwertung gewerblich nutzbarer Immobilien von erheblichem Wert ist (vgl.
Immobilien erfordern keine regelmäßig ausgeübte, auf Gewinnerzielung gerichtete Tätigkeit
und stellen folglich kein Erwerbsgeschäft dar. So liegt der Fall hier: Die in die Gesellschaft
einzubringenden Grundstücke werden nicht zu gewerblichen Zwecken genutzt (Ziffer II. (1)
Satz 2 GesV), sondern Gegenstand der KG ist die Bewirtschaftung, Verwaltung und Verwertung des eigenen Vermögens; andere Tätigkeiten entfaltet die Gesellschaft nicht.
III.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil das Beschwerdeverfahren gerichtsgebührenfrei ist (
Erteilung des Negativattestes selbst geschieht ebenfalls gebührenfrei. Gebührenpflichtig nach
Den Wert des Beschwerdeverfahrens hat der Senat gemäß
KostO auf den Regelstreitwert in Kindschaftssachen von 3.000 EUR festgesetzt.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor (
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Jena
Erscheinungsdatum:21.03.2013
Aktenzeichen:2 WF 26/13
Rechtsgebiete:
Vormundschaft, Pflegschaft (familien- und vormundschaftsgerichtliche Genehmigung)
Elterliche Sorge (ohne familiengerichtliche Genehmigung)
MittBayNot 2013, 387-390
RNotZ 2013, 636-639
notar 2015, 20-22
BGB §§ 107, 1643 Abs. 1, 1822 Nr. 3